9f. Zersplitterung in
Fürstentümer (Taifas) - Dschihad-Terror - und die
zweite Zersplitterung
Die Fürstentümer auf der Iberischen
Halbinsel ab 1031
[Dauerkampf jeder gegen jeden]
Das Gebilde zersprang zwar nicht in die
sprichwörtlichen tausend Stücke, aber ein paar Dutzend
waren es schon: die "Taifas", [[das heisst]] die
"kleinen Königreiche". Die schon in der Endzeit der
"Omayaden" schwindende Zentralmacht ermöglichte das
Entstehen zahlreicher kleiner und kleinster
Königreiche und Fürstentümer. Es gab zu besten Zeiten
60 an der Zahl, aber ihre Anzahl und Grösse änderte
sich permanent. Die Regenten waren Araber
verschiedener Clans, Berber diverser Stämme, Romanen,
Normannen, Goten, Piraten, um nur einige zu nennen.
Auch sämtliche [S.195] religiöse Schattierungen waren
vorhanden. Dies macht deutlich, dass es keine
"natürlichen" Bündnisverhältnisse gab. Jeder paktierte
mit jedem und jeder gegen jeden. Die kleinen Reiche
versuchten, in permanenten Kriegen ihre Territorien zu
halten oder zu vergrössern.
[El Cid]
In diesem Wirrwarr agierte der kastilische Ritter
Rodrigo Diaz de Vivar, der unter dem Namen El Cid zum
spanischen Nationalhelden avancierte und der in bester
Taifa-Tradition mehrfach die Seiten zwischen Spaniern,
Arabern, Berbern, Christen sowie Muslimen wechselte
und zwischendurch auch als Kriegsherr auf eigene
Rechnung tätig war.
[Die nördliche Fürstentümer werden immer stärker,
die südlichen immer schwächer]
Während die Kleinreiche von al-Andalus einander
ständig schwächten, nahmen die christlichen Reiche im
Norden ständig an Macht zu. Eine Reihe von Taifas
konnte ohne den Beistand aus dem Norden gar nicht mehr
existieren, aber dieser Beistand oder der
Nichtangriffspakt war nicht umsonst zu haben. Er
kostete Schutzgeldzahlungen und Tribute. Dazu kam die
wohl als Kompensation ihrer Unbedeutendheit ausufernde
Haus- und Hofführung der Kleinstregenten, die zwar
eine künstlerische Blüte bewirkte, aber im Ruin
endete. Al-Andalus blutete aus, und die Schwerpunkte
verlagerten sich unmerklich, aber stetig Richtung
Norden. Aber das war nur ein Teil des Problems.
[Fürsten in Südspanien holen muslimische
Killerbanden aus Afrika zuhilfe: al-Mutamid
sterilisiert Sevilla]
Einer der kleinen Fürsten mit dem grossen Namen
al-Mutamid [115]
[115] Muhammad al-Mutamid bin Abbad (Abbad
= der Ibadit)
aus Sevilla rief die Herrscher Nordafrikas zu Hilfe.
Es waren dies die Almoraviden, eine Dynastie
militanter Muslime aus der Sahara. Sie wandten sich
gegen alles, was nicht ihrer Auffassung von Religion
entsprach. Sie bekämpften natürlich die Christen,
räumten aber auch unter ihren muslimischen Verbündeten
auf. Die Fürsten Mutamid und Mutawakkil wurden
kurzerhand umgebracht, als sie Tendenzen zeigten, doch
lieber mit ihren spanischen Glaubensgegnern als mit
den Glaubensbrüdern aus der Wüste zu kooperieren. Mit
dem Lotterleben, den Weingelagen und Tanzdarbietungen
in Córdoba, Sevilla und anderswo war es vorbei.
[Almoraviden besetzen Andalusien 1090-1094 - die
brutale Allah-Mohammed-Fantasie aus Nordafrika
zerstört die Toleranz]
Nun zum zweiten Mal: Die Geister, die sie riefen,
wurden die Spanier, wenn auch nun die Andalusier,
nicht mehr los. Die Almoraviden waren nicht länger an
blosser Hilfeleistung interessiert, sie wollten
al-Andalus [S.196] unter ihre Herrschaft bekommen und
die angrenzenden christlichen Königreiche noch dazu.
Die Unterwerfung von al-Andalus unter almoravidisches
Joch fand in den Jahren 1090 bis 1094 statt.
Genau genommen war dies bereits das Ende von
al-Andalus und manchen Zeitgenossen scheint dies
durchaus bewusst gewesen zu sein.
Die Fundamentalisten aus Nordafrika brachten eine
völlig neue Qualität der Auseinandersetzung nach
Spanien: den Glaubenskrieg, den "Dschihad" und die
Afrikanisierung des andalusischen Islam. Pakte über
die Religionsgrenzen hinweg, in der Taifazeit die
Normalität, waren die Ausnahme geworden; was zählte,
war Eroberung im Namen Allahs.
Kreuzzüge im "Heiligen Land" - und Dschihad
auf der Iberischen Halbinsel
[Extremisten auf "christliche" Seite mit Kreuzzügen
und "Mission" auf der Iberischen Halbinsel -
muslimische Besetzungen im Süden der Halbinsel -
Conquista und Reconquista]
Aber auch auf christlicher Seite hatte sich einiges
getan. 1071 fasste die Clunenser Bewegung [116]
[116] Die Bewegung geht zurück auf das
Benediktinerkloster Cluny in Frankreich. Cluny stand
für eine straffe Organisation des Mönchtums und war
bis ins 12. Jahrhundert eines der einflussreichsten
religiösen Zentren in Europa.
in Spanien Fuss, das bedeutete, die spanische Kirche
kam unter den direkten Einfluss von Rom (ab 1076 wurde
der gotische Ritus vom römischen abgelöst).
[[Gemäss neuer Forschung war Rom zwischen
1000 und 1300 nur ein Ruinenfeld und war durch viele
schwere Erdbeben verwüstet. Den Vatikan gab es erst
ab 1300, und es wurden 500 Jahre Kirchengeschichte
gefälscht, die es gar nie gab. Siehe das Werk von
Historiker Zillmer: Kolumbus kam als Letzter - Index]].
1095 rief Papst [[Bischof]] Urban II. zum Kreuzzug
auf, 1099 wurde Jerusalem [[von "christlichen"
Extremisten und Vergewaltigern]] erobert, fast
zeitgleich dazu fielen Granada, Sevilla, Valencia und
Mallorca in die Hände der Dschihadisten aus Nordafrika
[[das kann eine Racheaktion gewesen sein]].
Die Zeitwende vom 11. auf das 12. Jahrhundert stand im
Zeichen eines schweren Konflikts Ost gegen West im
Orient und Süd gegen Nord auf der Iberischen
Halbinsel.
Vor diesem Hintergrund vollzog sich nun genauso wie
die Afrikanisierung des spanischen Islam die
Europäisierung des spanischen Christentums. Die
Mega-Trends wurden also auf beiden Seiten vom Ausland
importiert und bereiteten einem spezifisch spanischen
Weg ein Ende. Es standen sich auf der einen Seite ein
Dschihad und auf der anderen Seite ein Kreuzzug
gegenüber. Genau genommen kann man erst ab jetzt von
"Conquista" und "Reconquista" im Sinne einer
islamischen "Eroberung" und einer christlichen
"Rückeroberung" sprechen.
Die erneute Zersplitterung - die Rache für
die Kreuzfahrerstaaten: Die Fantasie des "Urislam"
der Almohaden auf der Iberischen Halbinsel - 40
Jahre Kriege
Der almoravidische Zauber dauerte nicht einmal ein
Jahrhundert an und endete wiederum in zahlreichen,
kleinen Fürstentümern, den zweiten [S.197] Taifas. In
Nordafrika gewann indes eine andere Bewegung an Macht:
die der Almohaden. Ihre Name war Programm, nämlich die
Verteidiger des "Glaubens an einen Gott"
(al-muwahidun, von wahd, eins). Sie vertraten insofern
den oft mit ihnen in Verbindung gebrachten "Urislam",
als dass der fanatische Monotheismus frühislamischer
Ausprägung auch ihr zentrales Anliegen war und der
Prophet Muhamad keine Rolle spielte.
[Almohaden-Terror auf der Iberischen Halbinsel 1147
bis 1212]
Das Jahr 1147 markiert die endgültige Machtübernahme
der Almohaden in Nordafrika, 1161 setzten sie erstmals
nach Spanien über. Sie regierten wie auch schon die
Almoraviden von Marrakesch aus und hatten mit
ständigen Revolten und Widerständen zu kämpfen. Sie
konnten zwar noch die grossen Aufstände von Ibn
Mardanisch (ein arabisierter "Martinez") und Geraldo
sem Pavor ("Gerhard ohne Furcht") niederschlagen, aber
am 16. Juli des Jahres 1212 kam es zum grossen
Showdown, der Schlacht bei Las Navas de Tolosa.
Unter Führung der Könige von Kastilien, Navarra und
Aragon marschierte eine gewaltige Streitmacht von
Rittern aus ganz Europa auf. Die andere Seite bot eine
panmuslimische Streitmacht etwa gleicher Grösse auf
mit Dschihadisten aus Nordafrika bis Zentralasien.
Insgesamt sollen sich eine halbe Million Krieger
gegenübergestanden haben. Die islamischen Heere
erlitten eine totale Niederlage, der almohadische
Kalif flüchtete nach Nordafrika, die Macht der Muslime
in Spanien war gebrochen. Es dauerte aber noch weitere
40 Jahre, bis der grösste Teil der spanischen
Halbinsel, einschliesslich der Balearen und Portugals,
unter der Herrschaft christlicher Könige stand
[S.198].