aus: Israel
Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor
Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel;
Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München
2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The
Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient
Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press,
a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche
Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Israel Finkelstein, Portrait
|
Neil Asher Silberman, Portrait
|
ggg
Einleitung
Das Alte
Testament muss neu geschrieben werden. Manche Mordtaten,
Heldentaten und Sklavereien fallen weg, andere Täter kommen
neu hinzu, vor allem durch Berücksichtigung der Politik der
Grossreiche Ägypten und im Mittleren Osten.
Das vorliegende Werk ist eine chronologisch geordnete
Übersicht der Geschichte des Judentums bis zu
Nebukadnezar, jeweils mit Hinweisen auf die
Unstimmigkeiten gemäss Aktenlage und Archäologie. Viele
Juden wissen davon, die meisten Christen aber nichts.
Das Christentum verweigert sogar seit Jahrhunderten die
Weiterbildung, obwohl die Bibelforscher und Archäologen
meistens selber Juden sind.
An diesem Zustand sollte sich doch etwas ändern: Wir
brauchen von den Oberrabbinern ein neues Altes Testament.
Analysiert wurde hier die Ausgabe "Keine Posaunen vor
Jericho" von dtv 2004.
Michael Palomino
April 2006
1.
Generelle Informationen zur Bibelforschung, Aktenlage
und Archäologie
Entwicklungsschema für
schriftliche Zeugnisse
Anspruchsvolle schriftliche Zeugnisse entstehen regelmässig
in einem starken Staatsgebilde. Merkmale für ein starkes
Staatsgebilde sind:
-- monumentale Bauten
-- Spezialisierung der Wirtschaft
-- ein dichtes Netz miteinander verflochtener Gemeinden von
der Grossstadt bis zum regionalen Dorf (S.34).
In einer Gegend nur mit Dörfern oder Nomadentum entsteht
keine grosse Literatur, Wirtschaft oder Staatsverwaltung und
fehlen monumentale Bauten. Wenn für einen Zeitraum keine
Überreste gefunden werden, ist dies jeweils ein Hinweis,
dass die Bevölkerung nomadisch organisiert und keine Armee
vorhanden war (S.34).
Die Bibelforschung
Bibelforschung erfolgt
-- durch Sprachanalyse und die Analyse der verschiedenen
Gattungen der Texte mit Forschung nach der Herkunft der
verschiedenen Texte
-- die Archäologie sichert die Historie mit Funden ab oder
widerspricht unwahren Legenden
-- so ist heute in grossem Masse die Geschichte in
Israel-Palästina von 1000 bis 400 v.Chr. ableitbar.
MIt diesen Mitteln können die Texte der Bibel neu
klassifiziert werden und Poesie und historische Schilderung
werden unterscheiden (S.15).
Die Aktenlage in
Ägypten korrigiert das AT: Briefe der Pharaonen,
Amarna-Briefe
Vor allem die Briefe aus Tell el-Amarna beinhalten die
Pharaonenkorrespondenz. Es sind knapp 400 Amarna-Täfelchen,
heute in Museen der ganzen Welt verstreut,
-- mit Briefen der Könige der Hethiter (heutiges Anatolien,
Ost-Türkei) an den Pharao
-- mit Briefen des Babylonischen Reiches (heute Irak) an den
Pharao
-- vor allem aber mit Briefen aus den kanaanäischen
Stadtstaaten als ägyptische Vasallenstaaten, aus Jerusalem,
aus Sichem, Megiddo, Hazor und Lachisch (S.90).
Die Archäologie in
Israel-Palästina korrigiert das AT
-- die Archäologie kann Traditionen anhand von Funden
feststellen, z.B. welche Art von Feldanbau in den
verschiedenen Zeitaltern betrieben wurde, welche
Esstraditionen, welche Stadtstrukturen (S.15), mit welchen
Handelspartnern verkehrt wurde etc. (S.16)
-- die Archäologie legt alte Orte frei, die in der Bibel
erwähnt sind, und kann grundlegende Begebenheiten bestätigen
oder widerlegen
-- die Archäologie kann mit Labortests die Zivilisationen
der Israeliten, Philister, Phöniker (Phönizier), Aramäer,
Ammoniter, Moabiter und Edomiter unterscheiden
-- die Archäologie kann Inschriften und Siegel feststellen
und den Personen der Bibel direkt zuordnen (S.16)
-- arabisch "et-Tell" und hebräisch "ai" heissen "die Ruine"
(S.96).
Ab den 1940er Jahren entwickelt die Archäologie neue
Forschungsmethoden, Siedlungsmuster und Siedlungskarten der
Vergangenheit zu erkennen. So werden auch demographische
Entwicklungen ableitbar (S.122).
Ab 1967 gehen ganze Archäologie-Gruppen (mit Studenten) in die
neu jüdisch besetzten Gebiete der angeblichen Stämme Juda,
Benjamin, Ephraim und Manasse und untersuchen täglich eine
Fläche von 2,6 km2. An manchen
vielversprechenden Orten werden Grabungen vorgenommen (S.122).
Durch die Funde in Ägypten mit der Entzifferung der
Hieroglyphen (S.28) und durch die Keilschriftfunde in
Mesopotamien (S.28,30) ist die Geschichte in Israel-Palästina
genau feststellbar, unabhängig von der hebräischen Bibel. Im
Alten Testament werden viele und wesentliche Unwahrheiten
festgestellt (S.30).
[Beispiel: Politische Umwälzungen in den Grossreichen werden
in der Bibel nicht erwähnt, und so wird der Wechsel einer
Situation als "Wunder Gottes" dargestellt etc.]
Pentateuch-Zahlen
Der Pentateuch (die 5 Bücher eines gewissen "Mose") brilliert
zu verschiedenen Geschehnissen mit Zahlenangaben:
-- der Auszug aus Ägypten sei 480 Jahre vor Beginn des
Tempelbaus im 4. Herrschaftsjahr Salomos erfolgt (1. Könige,
6,1)
-- in Ägypten hätten die Israeliten 430 Jahre Sklaverei
erlitten (Exodus 12,40)
-- Abraham, Isaak und Jakob sollen über 100 Jahre alt geworden
sein (S.47)
-- die durchschnittliche Lebenserwartung betrug aber zur Zeit
des angeblichen Mose nur 40 Jahre (S.64-65).
Der
Vergleich mit den europäischen Zeitaltern
Man vergleiche die Zeitalter im Orient mit den Zeitaltern in
Europa:
Europäische
Zeitalter |
Epoche |
Datum |
Frühe
Bronzezeit |
3500-2200
v.Chr. ca. |
Zwischenzeit |
2200-2000
v.Chr. |
Mittlere
Bronzezeit |
2000-1550
v.Chr. ca. |
Spätbronzezeit |
1550-1150
v.Chr. |
Übergang
von Spätbronzezeit zur Eisenzeit I |
12.
Jh. (S.135) |
Eisenzeit
I |
1150-900
v.Chr. ca. |
Eisenzeit
II |
900-586
v.Chr. |
(Finkelstein / Silberman: Posaunen
2001, Ausgabe 2004, S.130) |
Der
Landstrich Israel-Palästina
-- erlebt immer wieder Dürren
-- ist unablässig Kriegsschauplatz zwischen den grossen
Reichen Ägypten und Syrien (S.15), weil die Herrschaft über
Handelsstrassen nach Afrika oder Arabien auf dem Spiel
stehen (S.289)
-- Israel-Palästina umfasst im Vergleich zu Ägypten oder
Mesopotamien zum biblischen Zeitpunkt nur eine winzige
Bevölkerung und hat nur eine bescheidene Kultur (S.15)
-- es sind älteste Spuren einer Landwirtschaft feststellbar
-- am Ende der europäischen Steinzeit werden
dort die Menschen sesshaft
-- in der europäischen Bronzezeit 3500-1150 v.Chr. kommt es
zur Entwicklung einer städtischen Zivilisation (S.32), [vor
allem an den Küsten und in den Ebenen, im Bergland erst viel
später]
-- in der europäischen Eisenzeit 1150-586 v.Chr. Entwicklung
von Territorialstaaten [im Bergland sehr verzögert] (S.32).
Das analphabetische
Brauchtum im Bergland von Israel-Juda
Das Brauchtum in Juda ist archaisch, wobei der
Analphabetismus berücksichtigt werden muss:
-- es herrscht der Glaube, dass Häuser, Ländereien und
Gräber vom jeweiligen Gott und von den Ahnen geerbt würden
-- geopfert wird an Schreinen im Dorf, an Familiengräbern im
Dorf (S.261), und auf offenen Altären auf Hügelkuppen
("Höhen") (S.261-262)
-- die Opferstätten auf den Höhen (auf Hügelkuppen) gelten
bei Kriegen als unantastbar und bleiben unzerstört, was das
AT richtig schildert: "Die Höhen wurden nicht abgeschafft"
-- Gott JHWH ist einer von vielen Götterfiguren nach uralter
Tradition
-- z.T. werden auch Kulte von Nachbarn übernommen
-- Gott JHWH wird auf verschiedene Arten verehrt, manchmal
wird er auch mit einem himmlischen Gefolge dargestellt
-- die Archäologie findet an allen Siedlungsplätzen von Juda
100e Figurinen nackter Fruchtbarkeitsgöttinnen
-- eine Inschrift im nordöstlichen Sinai in Kuntillet Ajrud,
die in kultureller Beziehung zum Nordreich steht, bezieht
sich gemäss Finkelstein / Silberman auf Aschera als Gemahlin
Gottes. Auch eine spätere Inschrift aus dem Hügelland Juda
spricht von Gott und Aschera als ein Gottespaar (S.262).
[Aschera ist eine ugaritische / syrische
Fruchtbarkeitsgöttin, Gattin des Schöpfergottes "El"].
AT:
Misch-Masch-Brauchtum im Gebiet des Nahen und Mittleren
Ostens
Da sind Glaubensrichtungen wie z.B. die Opferkulte für Baal (Wettergott für
Regen und Fruchtbarkeit), Aschera
(aramiäische Fruchtbarkeitsgöttin) (S.298-299)
Da sind Götter, denen auf den Höhen auf Hügelkuppen geopfert
wird, z.B.
-- die Sidon-Göttin Astarte
(Göttin der Liebe, Fruchtbarkeit und der Nacht)
(S.299), gemäss Finkelstein / Silberman normalerweise mit
einer Figur dargestellt, die ihre beiden Brüste in den
Händen hält (S.309)
-- auch dem Gott Kamos
von Moab wird geopfert
-- oder demr ammonitischen Gott Milkom (2. Könige, 23, 10-14) (S.299).
Weitere Kulte sind:
-- ein Gestirnkult: Sonne, Mond und Sterne
gelten wahrscheinlich als heilige Symbole und sind vor der
Zeit von König Josia oft auf judäischen Siegeln abgebildet
(S.309)
-- ein Kult der Himmlischen
Heerscharen (S. 298-299).
Bei den Opferhandlungen auf den Höhen (auf den Hügelkuppen),
bei den Steinmalen und Ascherabildern etc. handelt es sich
um einen ganzen Komplex von Ritualen mit dem Ziel, die
himmlischen Mächte um Fruchtbarkeit und Wohlstand zu bitten.
Die Nachbarvölker pflegten ähnliche Rituale (S.261).
Biblische und archäologische Informationen
weisen auf einen Misch-Masch der Gotteskulte hin
("Synkretismus"). Das AT propagiert aber den "1-Gott-Kult"
und behauptet [in religiös-rassistischer Weise], alle
anderen Glaubensrichtungen seien "Gräuel" [ohne jemals die
Kulte zu beschreiben]. So werden alle Kulte für Baal,
Astarte, für die Himmlischen Heerscharen und die Götter der
Nachbarländer verteufelt, [ohne dass der Leser weiss, um was
es eigentlich geht].
Die Kulte sollen gemäss Bibel auch im Tempel von Jerusalem
Verehrung gefunden haben (S.262). Die Archäologie aber kann
von einem "Ersten Tempel" keinerlei Überreste oder
Spuren finden (S.261).
[Es ist möglich, dass es sich beim ersten Tempel um ein
grosses Zelt gehandelt hat].
Astarte: Göttin der Liebe,
Fruchtbarkeit und der Nacht. Die jüdische
Orthodoxie lässt später Astarte verbieten, und das
so genannte "Christentum" eifert zum Teil bis
heute nach... |
Astarte-Figurine: Brüste in den Händen 1.
Astarte-Figurine 8.Jh. v.Chr., jüdisch aus
Elfenbein, Fundort: Gazastreifen.
|
Astarte-Figurine mit verschränkten Armen vor den
Brüsten.
Astarte-Figurine: Brüste in den Händen 3, Fund in
Lachisch / Lachish
|
Astarte-Figurine mit den Brüsten in den Händen 2. |
Astarte wird meistens mit vorgehaltenen
Brüsten dargestellt, die in den Händen gehalten
werden, aber auch mit blossen, grossen Brüsten.
Es
scheint also ein Urbedürfnis zu sein, grosse
Brüste zu haben, die den Babys später Milch geben,
und die Israeliten haben diesen Kult auch
gefeiert. Dieses Urbedürfnis wird in von den
Patriarchen ab dem Untergang des Nordreichs Israel
im 7.Jh. v.Chr. dann immer wieder verflucht. Da
haben die Patriarchen etwas vom Leben nicht
begriffen, und das "Christentum" eiferte mit....
|
Kulte für Baal
(S.262)
Baal war Fruchtbarkeitsgott und Wettergott, vor allem der
Regengott der Bauern. Angeblich sollen die Baal-Feste im
Frühling wie ein ausgelassener Karneval gewesen sein. Das
muss man verbieten, dachten die orthodoxen Juden. In diesem
Fall ist das Christentum nicht gefolgt.
Figurinen
vom Fruchtbarkeitsgott und Wettergott Baal
|
Baal-Figurine |
Baal-Figurine aus Gold.
|
Baal war ein Gott, der Fruchtbarkeit
und des Wetters. Diesen Fasnachtsgott muss man
verbieten, dachten die Patriarchen nach dem
Untergang des Nordreichs Israel im 7. Jh. v.Ch.
|
Das Verhältnis zu
Ägypten ist immer zweischneidig
-- Ägypten ist stets ein Rettungsanker, wenn in Kanaan und
in den Gebieten von Israel-Palästina Dürre herrscht,
[Ägypten dagegen hat mehr oder weniger regelmässige Ernten
durch die regelmässig eintretenden Nilüberflutungen]
-- Ägypten ist aber auch eine dauernde Gefahr, weil die
ägyptischen Militärstrategen dauernd Expansionsgelüste bis
Mesopotamien hegen [die temporär auch realisiert werden]
(S.84).
Ägypten strebt dabei die Herrschaft über einen Teil des
"Fruchtbaren Halbmonds" an, der fruchtbaren Gebiete im Nahen
und Mittleren Osten.
Aber auch die Reiche in Mesopotamien streben die Dominierung
des gesamten "Fruchtbaren Halbmonds" an, jeweils mit dem
Ziel, das Nildelta zu besetzen.
Und so fegen die Feldzüge über den Nahen Osten hinweg.
|
Karte: Fruchtbarer
Halbmond
Die fruchtbaren Gebiete vom Sinai bis zum
Persischen Golf sind die Ziele der Grossmächte
Ägypten und in Mesopotamien. Die Feldzüge
zerstören regelmässig den Nahen Osten.
|
Ortsnamen in der Bibel
und heute
-- Gibeon = die Ruinen bei ed-Dschib
-- Bethel = die Ruinen bei Betin
-- Silo = die Ruinen bei Selun (S.27).
-- Kadesch-Barnea (Oase im Sinai) = En el-Quderat, daneben
die kleine Quelle En Qadis (S.77)
-- Debir (angeblich bei der Landnahme besetzt) = Tell Bet
Mirsim (S.94)
-- Betin (arabisches Dorf) = Bethel, soll vor der Landnahme
Lus geheissen haben (S.94).
Landschaften in der
Bibel und heute
Die Landschaften sind gleich geblieben und die
Schilderungen in der Bibel stimmen mit den tatsächlichen
Landschaften von heute überein (S.27).
[Die Landschaften sind aber gemäss Aktenlage und Archäologie
oft das einzige, was stimmt. Und das Tote Meer existiert
heute kaum noch (2010)].
[Die Ablehnung der
Bibelforschung im "Christentum" und orthodoxen Judentum
In vielen Kreisen des so genannten "Christentums" wird
die Bibelforschung bis heute komplett abgelehnt. Die Pfarrer
und Laienprediger in Hauskreisen und "missionarischen
Bauernhöfen" etc. predigen bis heute wortwörtlich das heute
in grossen Zügen klar widerlegte Alte Testament].