aus: Israel Finkelstein / Neil
A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die
archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher
Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004,
zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The
Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient
Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free
Press, a division of Simon & Schuster, Inc., 2001;
Deutsche Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Die
Legende über Abraham als Stammvater aller Juden, des
Sohnes Ismael als Stammvater aller Araber - die Legende
vom Sohn Isaak
Das 1. Buch Mose schildert eine Familiensaga mit aller
möglichen Dramatik, über Hingabe, Gehorsam, Recht,
Unrecht, Glaube, Frömmigkeit, Unsterblichkeit, mit der
Behauptung, Gott habe eine Nation "erwählt" und würde Land
"versprechen", auch Wohlstand und Wachstum. Die Erzväter
sollen Abraham, Isaak und Jakob sein, die Erzmütter sollen
Sara, Rebekka, Lea und Rahel sein (S.39).
Viele Gelehrte der vergangenen Jahrhunderte meinten, die
Legenden über die Erzväter im Alten Testament (AT) (S.45)
mit Beduinenleben, mit Schafen und Hirten (S.45-46), mit
Streit um Wasserquellen (Gen. 21,25-33) und mit Streit um
Weideland (Gen. 13,5-12) seien im Umriss historisch
richtig (S.45).
Die Legende von Abraham und
der späten Geburt seiner Kinder
Abrahams Propagandaroute, um für Israel Gebiete bis nach
Ur zu propagieren,
und die Karte zeigt einen Moment, wie die Grossreiche der
Region einander die Handelswege blockieren.
AT:
-- Abraham soll der von Gott ausgewählte Stammvater des
Volkes Israel sein (S.19), soll aus Ur am Euphrat stammen
(S.40) und soll von Mesopotamien nach Haran (S.40) und
dann nach Kanaan gezogen sein (S.19)
-- Abraham soll dort mit seiner Frau Sara ein wandernder
Aussenseiter gewesen sein (S.19)
-- Abraham soll der Ursprung aller Nationen der Region
Israel-Palästina sein, und mit dem Konkurrenten Lot mit
seinen vielen Hirten soll das Land aufgeteilt worden sein
(S.40)
-- Lot soll nach dem Untergang von Sodom und Gomorrha im
östlichen Hochland der Erzvater der Moabiter und Ammoniter
im Ostjordanland geworden sein (S.40), wobei Lot Kinder
mit seinen beiden Töchtern gehabt haben soll, um so den
Stamm der Moabiter zu begründen (S.52)
-- der Abraham-Sohn Ismael aus der Verbindung zwischen
Abraham und Hagar (die ägyptische Sklavin seiner 90 Jahre
alten Frau Sara) soll Stammvater aller arabischen Völker
in der südlichen Wüste geworden sein (S.40-41), Ismael
soll von Abraham verachtet worden sein und dementsprechend
werden die arabischen Stämme, die alle von Ismael
abstammen sollen, im erfundenen 1. Buch Mose abgewertet,
gleichzeitig sollen die Nachkommen Ismaels aber mit dem
Königreich Juda Kontakte gepflegt haben (S.54)
-- Abrahams Frau Sara soll Abraham noch als 100-Jährige
einen Sohn Isaak geboren haben, das einzige Kind aus der
Verbindung (S.41)
-- und Abraham soll auf Geheiss Gottes diesen Isaak fast
geopfert haben, um die Treue zu Gott zu beweisen, und als
Gott den Isaak angeblich auf dem Opfertisch sieht, soll
Gott Abraham versprochen haben, dass Abrahams Nachkommen
eine grossartige Nation werden würden, und alle Völker der
Erde würden durch ihn gesegnet werden, so die Prophezeiung
im erfundenen AT (S.41).
Die Widersprüche im 1. Buch
Mose über die Erzväter Israels
Die Details wirken echt. Ur und Haran als
Ursprung von Abraham scheinen plausibel, da dort älteste
Zentren der nahöstlichen Zivilisation auffindbar sind. Und
das Geburtsrecht sei echt, meinten die geistlich gesinnten
biblischen Archäologen im 19. und 20. Jh., so z.B. Roland de
Vaux oder William F. Albright (S.46).
Keine Einigung über Abrahams
Wanderung und seine Lebensdaten
Archäologe Albright meint, Personennamen, Heiratsbräuche und
Landkaufgesetze, die im 1. Buch Mose vorkommen, könnten der
mesopotamischen Gesellschaft im 2. Jahrtausend v.Chr.
entstammen, woher Abraham stammen soll (S.47).
Aber die von Albright initiierte Archäologie, die nach
Überresten wandernder Hirtengruppen zwischen Mesopotamien
und Israel-Palästina sucht (S.47-48), bringt dann ein neues
Szenario an den Tag:
-- eine massenhafte Bevölkerungsbewegung von Euphrat nach
Kanaan ist nicht auffindbar
-- und die alten Bräuche sind so allgemein, dass sie
praktisch in jede Zeit des alten Vorderen Orients
hineinpassen (S.48).
Verschiedene Archäologen legen die Abraham-Zeit in
verschiedene Epochen, die um bis zu 1000 Jahre differieren,
immer ohne definitives Resultat. Die Patriarchen selbst
werden dabei aber nie in Zweifel gestellt (S.48).
Die verleumdeten Moabiter
Die Abraham-Legende erwähnt die Moabiter als Volk, das durch
einen Inzest entstanden sein soll. Das Reich Moab gibt es
zur Zeit des angeblichen Abraham aber noch gar nicht. Und
einen Grund, die Moabiter zu verleumden, gibt es erst nach
den Grenzkriegen zwischen den Reichen Israel und Moab in
einer späteren Zeitepoche (S.52).
[Schlussfolgerung
Die Widersprüche in der Geschichte über Abraham sind
Hinweise, dass es den Abraham kaum gegeben haben kann, und
im Fall der Moabiter ist die Geschichte absolut gelogen].