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Judentum: Fälschung und Wahrheit im Alten Testament (AT) gemäss Aktenlage und Grabungen

Die neue Identität durch die neue jüdische Geschichte mit Hilfe chronologischer und archäologischer Forschung

3. Der Zyklus von Hirtennomaden und Sesshaftwerden in ovalen Dörfern gemäss der Realität der Archäologie

Beduinenzelte 1915
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von Michael Palomino (2006 / 2010)

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aus: Israel Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press, a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002


Die ovale Dorfanlage, die von den  Zeltlagern der Beduinen abstammt

Beduinenzelte 1915
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Beduinen: Rast in ovaler Anordnung
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Die ersten Siedlung im Übergang zwischen Nahem und Mittlerem Osten sind gemäss Archäologie ovalartig ringartig. Die Häuser sind aneinandergebaut, der grosse Hof wohl als Schutz vor Räubern für Tierherden in der Nacht (S.127). Die Archäologen finden nur wenige Silos, wenige Sichelklingen und wenige Mahlsteine zur Getreideverarbeitung (S.127-128).

Ovale Dorfanlagen gibt es auch im westjordanischen Bergland und im Süden in den Negev-Bergen. Solche Dörfer waren also kein Einzelfall (S.128), sondern die ovale Dorfanlage hat im ganzen Nahen Osten Tradition und ist in allen Zeitepochen vertreten:
-- im Sinai
-- in Jordanien
-- in anderen Gegenden des Nahen Ostens (S.128).

Diese ovalen Dorfanlagen sind typisch für Ortschaften im Bergland in Landstrichen, die an die Wüste grenzen. Der Aufbau im Oval ähnelt den Zeltlagern der Beduinen, die bis heute ihre Zelte im Oval aufstellen, mit einem offenen Hof. Auch die Grösse und die Anzahl Einheiten zwischen ovaler Dorfanlage und den Zeltlagern der Beduinen sind ähnlich (S.128).

Finkelstein / Silbermann folgern, dass die ovalen Dörfer höchstwahrscheinlich von Hirten gebaut wurden, die eine Sesshaftigkeit benötigten, wo die Herde in der Nacht in einem grossen Innenhof die erste Priorität besass (S.129).

Der Wandel vom ovalen Zeltlager zum ovalen Steindorf

-- die Hirtennomaden mussten am Ostrand der Region ihr Nomadenleben aufgeben, nicht weit weg vom Wüstenrand
-- die Hirtennomaden mussten ihre Tiere zum grossen Teil aufgeben und Ackerbau treiben
-- der Wandel ist heute noch bei Beduinen im Gang, und die erste dauerhafte Siedlung ist immer ein Oval
-- die Randlage zur Wüste hin lässt jeweils Tierherden und Ackerbau gleichzeitig zu (S.120).


Die Archäologie stellt in Kanaan den wiederkehrenden Zyklus fest

Die Ausgrabungen vieler vergangener Dörfer fördern einen Zyklus zwischen Sesshaftwerden und wiederkehrendem Nomadentum zu Tage (S.130):

Die Zyklen zwischen ovalem Dorfbau und Nomadentum in Kanaan am Rand der Wüste
Epoche Datum Hauptmerkmale
Frühe Bronzezeit 3500-2200 v.Chr. ca. Erste Besiedlungswelle; ca. 100 Orte nachgewiesen
Zwischenzeit 2200-2000 v.Chr. Krise; die meisten Orte werden aufgegeben
Mittlere Bronzezeit 2000-1550 v.Chr. ca. Zweite Besiedlungswelle; ca. 220 Orte nachgewiesen
Spätbronzezeit 1550-1150 v.Chr. Krise; nur ca. 25 Orte nachgewiesen
Eisenzeit I 1150-900 v.Chr. ca. Dritte Besiedlungswelle; ca. 250 Orte nachgewiesen
Eisenzeit II 900-586 v.Chr. Besiedlung wächst auf mehr als 500 Orte an (8. Jh. v.Chr.)


(Finkelstein / Silberman: Posaunen 2001, Ausgabe 2004, S.130)

Fakten der Archäologie über die frühen ovalen Dörfer

-- die Kultur der Dörfer der verschiedenen Zeitepochen ist nicht sehr unterschiedlich (S.131)
-- die Dorfkultur besteht aus Ackerbau mit Pflug und ein Rind davorgespannt gemäss den Umweltbedingungen und den wirtschaftlichen Bedingungen, ableitbar an Tierknochen (S.132)
-- es wird [gemäss konzentrierten Samenfunden und Werkzeugfunden] auch immer Oliven- und Weintraubenanbau betrieben
-- Wein wird gemäss Funden in Ägypten z.T. sogar bis Ägypten exportiert: In Ägypten werden Tongefässe aus Ton aus den Bergen Kanaans gefunden, einmal sogar noch mit Traubensamen drin (S.131).

Die Zeiten der verlassenen Dörfer
Wenn die Dörfer wieder verlassen sind, sind die Dorfbewohner wieder Beduinen geworden. Ackerbau mit Rind und Pflug gibt es dann kaum, sondern v.a. Schafherden und Ziegenherden. Rinderherden gibt es keine, weil diese in Krisenjahren zu wenig beweglich sind (S.133).

Die Gründe für die Zyklen
Der Wechsel zwischen Nomadentum und Sesshaftigkeit mit den ovalen Dörfern erfolgt je nach politischen, wirtschaftlichen oder klimatischen Bedingungen. Je nach Notwendigkeit oder Möglichkeit verwandeln sich Beduinen in Dorfbewohner, oder die Dorfbewohner flüchten vor neuen Steuern in die Wüste ins Nomadentum (S.133). Bei sicherer politischer Lage wagen die Beduinen jeweils die Verdorfung, bei bedrohlicher Lage werden die Dorfbewohner wieder Beduinen, so dass man sie in der Wüste in Ruhe lässt (S.133-134).

Die letzte Periode der Besiedelung und Verdorfung ist verbunden mit einer Identitätsbildung, die man in einer gewissen Region "Israel" nennt (S.131).

[Von diesen Zyklen berichtet die Bibel aber nichts...]

Die Struktur der Dorfbevölkerung
Die Dorfbevölkerungen sind zweigeteilt:
-- ein Teil ist auf Landwirtschaft spezialisiert
-- ein anderer Teil hält weiterhin grosse Herden [als Halbnomaden] (S.134).

Dabei besteht eine gegenseitige Abhängigkeit von Bauern und Hirtennomaden:
-- die Nomaden sind auf landwirtschaftliche Produkte aus den Dörfern angewiesen: Die Ergänzung der Nahrung mit Getreide ist lebenswichtig, ansonsten müssen die Beduinen die Nahrungsergänzung mit Getreide selber anbauen
-- die Dorfbevölkerung ihrerseits bezieht von den Nomaden Fleisch, Milchprodukte und Häute, die aber nicht überlebenswichtig sind (S.134).


Die natürliche Trennung in nördliche und südliche Gebiete als Vorläufer für ein Nordreich Israel und ein Südreich Juda

Jede Besiedlungswelle bringt im Bergland des Nahen Ostens zwei verschiedene Gesellschaften bzw. zwei getrennte Siedlungsräume im Norden und im Süden hervor, abhängig von den topographischen Gegebenheiten. Die Grenzen dieser beiden Typen von Siedlungsräumen entsprechen ungefähr den Gebieten der später im AT erfundenen Königreiche des Nordens (Israel) und des Südens (Juda) (S.171).

Das nördliche Siedlungsgebiet
Nordreich: Sanft hügelig mit
                              Jesreelebene
Nordgebiet: Sanft hügelig mit Jesreelebene
Das südliche Siedlungsgebiet
Südreich: Totes Meer mit
                              Steilküste
Südgebiet: Totes Meer mit Steilküste
Frühbronzezeit im Norden
-- eine Ortschaft ist Regierungszentrum mit religiösem Zentrum Tell el-Far'a, mit grosser Süsswasserquelle, später in der Bibel als Thirza bekannt, das erste Hauptstadt des Nordreichs gewesen sein soll (S.172)
Frühbronzezeit im Süden
-- das Gebiet ist hauptsächlich von Schafhirten und Bauern dünn besiedelt
(S.12)
-- bis 8. Jh. ist Juda recht isoliert und dünn besiedelt, Lesen und Schreiben sind kaum verbreitet (S.56)
-- es bleibt dünn besiedelt, nur kleine Orte, z.T. Plätze nur mit Tonscherben ohne Gebäude, die auf Hirtenplätze hinweisen, insgesamt umfasst das Siedlungsgebiet dieser frühen Zeit ca. 50 ha (S.172)
Mittlere Bronzezeit im Norden (2000-1550 v.Chr.)
-- dicht bevölkert mit vielen sesshaften Bauern (S.172)
Mittlere Bronzezeit im Süden (2000-1550 v.Chr.)
-- sehr wenige dauerhaft bewohnte Orte
-- grosse Anzahl von Hirtengruppen mit Friedhöfen abseits von bewohnten Orten (S.172)
Eisenzeit I im Norden (1150-900 v.Chr. ca.)
-- schwelgt im Wohlstand, hat militärische Macht
-- Lesen und Schreiben sind verbreitet (S.56)
-- dichte Besiedlung, grosse, mittelgrosse und kleine Ortschaften (S.172)
Eisenzeit I im Süden (1150-900 v.Chr. ca.)

[langsame Entwicklung]
Eisenzeit II im Norden

-- Lesen und Schreiben ist verbreitet, bürokratische Verwaltung, Berufsheer, Wohlstand und Luxus, spezialisierte Industrien (S.233)
-- nun folgen aber auch Provokationen gegen Assyrien und am Ende der Untergang durch die assyrische Besetzung 720 v.Chr.
Eisenzeit II im Süden

-- der Arabienhandel mit den Kamelkarawanen aus Südarabien mit Gewürzhandel und Handel mit Weihrauch ist für das Königreich Juda ab dem 8./7. Jh. v.Chr. ein bedeutender Wirtschaftsfaktor (S.53)
-- nach dem Untergang des Nordreichs entwickelt Juda eindrucksvolle Befestigungen und monumentale Tempel und Regierungsformen (S.172).

Finkelstein / Silberman: Posaunen 2001, Ausgabe 2004


Die Aktenlage vom Ausland her über die Mittlere Bronzezeit (2000-1550 v.Chr. ca.) in Israel-Palästina

19. Jh. v.Chr.
Die Inschrift über den ägyptischen Feldzug unter Khu-Sebek - Erwähnung eines Zentrums Sichem
Eine Inschrift, die auf den ägyptischen Pharao Sesostris III. datiert wird (1878-1843 v.Chr.), schildert einen ägyptischen Feldzug unter Khu-Sebek bis ins Bergland von Kanaan, ägyptischer Name "Retenu". Dabei wird das Land Sichem erwähnt, das gleichwertig neben "Retenu" genannt wird. Sichem muss also damals schon ein bedeutendes jüdische Zentrum gewesen sein (S.173).

Ansonsten geben die ägyptischen Pharaonen-Schriften keine Informationen über Kanaan (S.173).

16. Jh. v.Chr.
Fakten der Archäologie: Der Landwirtschaftliche Sektor verarmt
Neueste Untersuchungen besagen, dass der landwirtschaftliche Sektor schon ab dem 16. Jh. v.Chr. verarmte (S.120).


Die Datenlage vom Ausland her in der Spätbronzezeit (1550-1150 v.Chr.)

Die Aktenlage beschreibt eine geographische Spaltung in zwei Stadtstaaten N und S

Kanaan wird in den ägyptischen Schriften dieser Zeit oft erwähnt, z.B. in den Tell-El-Amarna-Briefen (14. Jh. v.Chr.) (S.173). Schon in diesen Briefen wird die Aufteilung des westjordanischen Berglandes in zwei Stadtstaaten bzw. in zwei getrennte Territorialbereiche Sichem und Jerusalem mit je ca. 2590 km2 geschildert,
-- mit König Abdi-Hepa in Jerusalem (biblisch immer "Südreich Juda")
-- mit König Labaja in Sichem (biblisch immer "Nordreich Israel" (S.173).

Innerhalb der zersplitterten Stadtstaaten Kanaans sind Jerusalem und Sichem in der Spätbronzezeit die grössten staatlichen Gebilde, bevölkerungsmässig aber weniger bevölkert als die dicht bevölkerten kleinen Stadtstaaten in der Küstenebene (S.173).

Die Umstände für die Entwicklung der Stadtstaaten Jerusalem und Sichem
Die geographischen Bedingungen sind für die Stadtstaaten Sichem im Norden und Jerusalem im Süden total verschieden. Die Bibel behauptet im AT später eine politische "Spaltung", die aber auf natürlichem Weg schon immer existierte, und die politisch gar nie stattgefunden hat (S.175).

Entwicklung des Stadtstaats Sichem (in der Bibel "Israel") Entwicklung des Stadtstaats Jerusalem (in der Bibel "Juda")
- keine grossen Höhenunterschiede auf dem Weg nach Osten, Transporte und Kommunikation nach Osten sind leicht möglich
- das Gebiet Sichem besteht z.T. aus fruchtbarem Ackerland, das zur Eigenversorgung ausreicht
- in den Niederungen ist Getreideanbau möglich, in den Berggebieten der Anbau von Oliven und Wein möglich
- durch die günstigen Transportwege und die Eigenversorgung ergibt sich für das Nordreich ein grosses wirtschaftliches Potential (S.175)
- auf dem Weg nach Osten sind grosse Höhenunterschiede und das Tote Meer zu überwinden, was Transporte und die Kommunikation nach Osten sehr erschwert bzw. praktisch verunmöglicht
- das Gebiet des Stadtstaats Jerusalem besteht aus sehr trockenen und zerklüfteten Wüstensteppen, so dass eine Eigenversorgung mit Landwirtschaft kaum möglich ist
- durch die nachteiligen Bedingungen ist das wirtschaftliche Potential des Stadtstaates Jerusalem sehr klein (S.175)
- Sichem hat grosse Ressourcen
- die Westhänge sind nicht so steil und nicht so steinig, so dass Terrassenwirtschaft mit Olivenbäumen und Weinreben gut möglich ist (S.176)
- Jerusalem hat kaum Ressourcen
- die Westhänge sind sehr steil und steinig, so dass Terrassenanbau mit Oliven oder Weinreben kaum möglich ist (S.176)
-> mit den Transportmöglichkeiten zwischen dem Stadtstaat Sichem und seinen Nachbarn entstehen Märkte, Produkteaustausch, Handel z.B. mit Getreide, Tierprodukten, Exporte bis nach Ägypten und zu den Küstenmärkten
-> der Stadtstaat Sichem kann eine spezialisierte Wirtschaft entwickeln (S.176)
-> das nördliche Bergland wird von Westen her früher besiedelt (S.177).
-> der Stadtstaat Jerusalem bleibt ohne Transportmöglichkeiten und Landwirtschaft
-> im Stadtstaat Jerusalem entwickeln sich keine Märkte und kein Produkteaustausch
-> die Gesellschaft im Stadtstaat Jerusalem bleibt monoton, arm und hat nur wenig Bevölkerungswachstum (S.176)
-> das südliche Bergland wird von Westen her erst später besiedelt (S.177).

Finkelstein / Silberman: Posaunen 2001, Ausgabe 2004


Die Unterscheidung in einen Nordstaat und einen Südstaat geschieht also schon aus rein äusserlichen Gründen. Für eine Trennung aus politischen Gründen fehlt jeglicher aktenmässige und archäologische Beweis. Der Süden ist überdies gegenüber dem Nordreich nie eine führende Macht, wie es das AT später mit den erfundenen Königen David und Salomo für Jerusalem behauptet (S.176).

[Das Südreich Juda mit Jerusalem entwickelt erst dann eine Macht, als das Nordreich Israel von aussen her zerstört wird].


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Bildernachweis

-- Beduinenzelte 1915: http://camelphotos.com/WorldCamels.html
-- Beduinen: Rast in ovaler Anordnung: http://camelphotos.com/WorldCamels.html

-- Nordreich: Hügellandschaft mit Jesreeltal: http://www.joerg-sieger.de/einleit/nt/01gesch/nt14.htm
-- Südreich: Totes Meer mit Steilküste: http://www.photo.net/photo/pcd1589/dead-sea-67.tcl


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