aus: Israel
Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor
Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel;
Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München
2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The
Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient
Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press,
a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche
Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Archäologische
Fakten: Die Unterschiede zwischen Kanaanäern und
Israeliten
Kanaanäische Städte z.B. an der
Küste |
Israelitische Dörfer zur Wüste hin |
--
kunstvolle Städte
-- kunstvolle Keramik
-- monumentale Bauten
-- importierte Luxusgüter
-- feine Keramikgefässe (S.116) |
--
planlose Schächte
-- nur grobe Keramik wie bei Halbnomaden (S.116)
-- rohe Werkzeuge (S.116-117) |
|
Finkelstein / Silberman: Posaunen 2001,
Ausgabe 2004 |
Die
Entwicklung der Stadtstaaten aus den ovalen Dorfsiedlungen
heraus
Grabungen alter Dörfer im heutigen Israel-Palästina ergeben,
dass unter den dortigen Bewohnern nur allmählich eine
ethnisch-israelische Identität entwickelt wurde (S.113)
Die jetzigen Dörfer weisen z.T. wesentliche Unterschiede
auf:
Jerusalem / Urusalim
Jerusalem, damals Urusalim genannt, ist im 14. Jh. v.Chr.
gemäss Archäologie ohne jede monumentale Gebäude oder
Befestigungen und ist gemäss Historiker Nadav Naaman Zentrum
für höchstens eine winzige Elite (S.259).
um 1200 v.Chr.
Die Anfänge der israelitischen
Identität in 250 Bergdörfern (europäische Eisenzeit I)
-- die Archäologie stellt 250 neue Gemeinden auf
Bergspitzen fest, eine eigentliche Gründungswelle, im
Süden vom judäischen Bergland bis zum Bergland von Samaria
im Norden
-- um 1200 v.Chr. muss ein dramatischer Wandel passiert
sein, mit einem grundlegenden Wandel der Lebensweise
-- eine gewalttätige Invasion oder eine Infiltration einer
anderen ethnischen Gruppe fand nicht statt, es fehlen dafür
jegliche Fundbeweise [von Bränden, Asche oder sonstiger
Gewalt]
-- die Bergspitzendörfer bleiben bis in die Königszeit
bewohnt
-- gemäss Finkelstein / Silberman ist die Bevölkerung der
Bergdörfer als erste Israeliten anzusehen (S.123).
Das einfache Leben in den
Bergdörfern während der europäischen Eisenzeit I
Dorfanlage
-- die Dörfer umfassten je ca. 100 Einwohner auf ca. 1/2
Hektar, maximal einige 100 Einwohner auf 1,5 Hektaren
(S.124)
-- die Dörfer waren meist auf Bergspitzen oder auf einem
schmalen Grat angelegt (S.123), überwiegend nicht grösser
als 1/2 Hektar (S.123-124), meist am östlichen Rand der
Felder, mit jeglicher Aussicht (S.123)
-- die Wälder bestanden hauptsächlich aus Eichen und
Terebinthen
--
selten wurden die Dörfer auch am Rand schmaler Täler
angelegt
-- Wasser wurde im "Winter" mit Wasserzisternen im Fels mit
Regenwasser gesammelt oder es wurde Quellwasser geschöpft
(S.123).
[Klimaschwankungen mit kühleren Wintern und
Sommern werden von Finkelstein / Silberman nicht erwähnt].
Die ovale Dorfanlage der
Bergspitzendörfer
Zuerst werden die Dörfer am Rand der Wüste gebaut, wo
noch beide Lebensarten mit Tierherden und Ackerbau
gleichzeitig möglich sind. Erst später rücken die Dörfer
nach Westen vor, wo es für Tierherden und Ackerbau weniger
günstig, dafür für Olivenkulturen und Traubenanbau günstiger
ist (S.120).
Politische Position der
Bergdörfer
-- die Lage der Dörfer ist absolut abseits jeder grossen
Handelsstrasse, Aussenhandel existiert nicht, geschickte
Handwerker gibt es nicht (S.126)
-- die Dörfer sind nicht befestigt, entweder, weil es nicht
nötig war, oder weil keine Mittel oder kein Wissen zur
Verfügung standen (S.125)
-- Anzeichen für Brandschatzungen oder plötzliche
gewalttätige Zerstörungen gibt es nicht (S.126)
-- die Dörfer haben keine öffentlichen Bauten, führen keine
Dokumente, keine Siegel, keine importierte Keramik, es
existiert kaum Schmuck
-- alle Häuser sind ähnlich gross, ein Haus ca. 56m2
gross, deswegen ist anzunehmen, dass auch der Besitz
ziemlich gleichmässig verteilt war
-- alle Häuser sind aus unbearbeiteten Feldsteinen, raue
Steinsäulen dienen als Dachstützen oder als Stützen für das
Obergeschoss (S.124)
-- die Siedlungen weisen zwischen den Wohnhäusern mit
Steinen ausgekleidete Gruben auf, die als Getreidelager
dienen (S.124).
Ausrüstung
-- in jedem Haus befinden sich viele Mahlsteine und
viele Sichelklingen für Getreidewirtschaft
-- eingezäunte Höfe weisen auf Tierhaltung hin, wo in der
Nacht die Tiere gehalten wurden
-- Krüge und Kochtöpfe aus Keramik
-- keine Grabfunde, kaum Kultusfunde, nur in einem Dorf im
nördlichen Bergland ist eine bronzene Stierfigur auffindbar,
die ein Hinweis auf einen kanaanäischen Götterkult ist
(S.124)
-- [keine Skelettfunde?]
-- auf dem Berg Ebal wird eine ungewöhnliche
Steinstruktur als alter israelischer Altar gedeutet, die
Funktion der Anlage um die Steinstruktur bleibt aber
umstritten (S.125)
-- Waffen sind nirgendwo auffindbar (S.126).
Wirtschaft
Es herrschte Acker- und Weidewirtschaft mit Ochsenpflug
und Schaf- und Ziegenherden (S.126).
Dorfentwicklung
-- die Häuser und Höfe werden über die Jahrzehnte und
Jahrhunderte erweitert und ausgebaut
-- nur selten ist der erste Bau original erhalten. Er ist
oft abgerissen und der zweite Bau wird darübergebaut
-- im Dorf Izbet-Sartah ist der alte ovale Dorfkern erhalten
und die Neubauten darum herumgebaut (S.127)
Das Vordringen philistäischer Keramik ab ca.
1200 v.Chr.
Die Archäologie stellt eine von der Ägäis inspirierte
Ornamentik-Welle fest, so dass sich eine neue "philistäische
Keramik" herausbildet. Der stilistisch-kulturelle Einfluss
der philistäischen Keramik reicht gemäss archäologischen
Funden bis zu den Bergausläufern. Diese Keramik ist immer in
einer bestimmten Schicht vorhanden, im Norden bis in die
Jesreel-Ebene (S.151).
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Karte mit Gebieten von Israeliten gemäss der
alten, falschen Geschichtsschreibung "von Dan
bis Beersheba";
Dunkelrot ist das Königreich Juda eingezeichnet.
Ausserdem die Nachbarstaaten: Phönikien,
Geshur, Philistia, Ammon und Moab. |
Karte: Ägyptens Reiche |
um 1000 v.Chr.
Höhepunkt der
Bergdorfsiedlungen mit insgesamt knapp 45.000
BewohnerInnen
gemäss archäologischer Feldforschung (S.124).
Die ethnische Unterscheidung
der Israeliten zu den anderen: Kein Schweinefleisch
Ethnien manifestieren sich in Sprache, Religion, Kleidung,
Bestattungsriten und Speisevorschriften (S.135). Die
Israelitendörfer bis zu den Königreichen zeichnen sich
dadurch aus, dass die Archäologen keine Schweineknochen
finden. Die Bevölkerung verweigert offenbar den
Schweinekonsum und unterscheidet sich dadurch von den
Bevölkerungen der Regionen Ammon, Moab und Edom (S.136).
Bei den früheren Verdorfungswellen waren immer
Schweineknochen mit dabei, bei der letzten nicht (S.136).
Die Dörfer der Philister dagegen weisen immer einen hohen
Schweineanteil auf (S.136).
Finkelstein / Silberman nehmen an, dass das Schweineverbot
ein Element der gemeinsamen Identität der "Proto-Israeliten"
gewesen ist. Die Dorfbevölkerungen haben damit eine neue
ethnische Schranke geschaffen. Die Gründe für das
Schweineverbot und die ethnische Schranke bleiben unklar.
Der Brauch, auf Schweinefleisch zu verzichten, ist der
älteste bewiesene, kulturelle Brauch (S.136).
[Ergänzung:
Das Schwein war in gewissen Regionen ein heiliges Tier.
Aus irgendeinem Grund lehnten die "Proto-Israeliten" das
Schwein in ihrem Leben ab, auch, um sich von anderen
Glaubensrichtungen abzugrenzen].
Die Legende von Isaak und dem Dauerstreit der Zwillinge
Jakob und Esau um das Erstgeburtsrecht
Das AT behauptet:
-- Isaak soll "Abimelech, den König der Philister", in der
Stadt Gerar getroffen haben (Genesis 26,1) (S.50)
-- die Frau von Isaak, Rebekka, soll mit Zwillingen
schwanger sein und von Gott eine Prophezeiung erhalten
haben, dass die Zwillinge für zwei Völker der Ursprung sein
werden, "und der Ältere wird dem Jüngeren dienen" (Genesis,
25,23) (S.52-53)
-- die Frau von Isaak, Rebekka, soll die Zwillinge Esau und
Jakob geboren haben, deren Nachkommen sich jahrhundertelang
bekämpft haben sollen, weil Rebekka ihren Lieblingssohn
Jakob verkleidet ans Sterbebett von Vater Isaak geschickt
haben soll und dieser ihn mit dem Erstgeburtsrecht gesegnet
haben soll, obwohl dieses Erstgeburtsrecht eigentlich Esau
zusteht (S.43)
-- Esau bleibt angeblich nur die Stammesgründung in der
Wüste möglich, und so sollen sich die Stämme der Israeliten
Esau und Jakob 100e Jahre lang wegen dem Erstgeburtsrecht
bekämpft haben: Jakob soll vor dem Zorn Esaus geflüchtet
sein, Gott soll das Erbrecht für Jakob aber bestätigt haben
(Gen. 18,13-15) (S.53)
-- Jakob soll als gebildeter Stammvater Israels über Esau
als jägerhafter Stammvater von Edom herrschen (S.53).
Die Widersprüche in der Legende
von Isaak: Das Kriterium der Stadt Gerar: Gerar war zu
Isaaks Zeiten nur ein Dorf
Die Stadt Gerar und Isaak beim Philisterkönig Abimelech
(Gen. 26,1) passen nicht zusammen, denn die Philister bauten
von der Ägäis her kommend erst nach 1200 v.Chr. ihre
Ortschaften in der Küstenebene von Kanaan mit Blüte im 11.
und 10. Jh. v.Chr.. Sie beherrschten Kanaan bis weit in die
assyrische Zeit (S.50).
Die Stadt Gerar (heute als Tel Haror nordwestlich von
Beerscheba identifiziert) wird bei Abraham (Gen. 20,1)
erwähnt und war zum Zeitpunkt der Niederschrift des
Pentateuchs (7. Jh. v.Chr.) wahrscheinlich besonders
wichtig, zumindest aber weithin bekannt. Zu Beginn der
europäischen Eisenzeit, als Isaak gelebt haben soll, ist
Gerar aber gemäss den Ausgrabungen nicht mehr als ein
unbedeutendes Dorf am Anfang der Geschichte der Philister.
Im 8. und 7. Jh. v.Chr. wird Gerar dann ein massiv
befestigter assyrischer Verwaltungssitz, "ein
offensichtliches Wahrzeichen." (S.50)
Schlussfolgerung
Die Stadt Gerar, die zu Isaaks Zeiten nur ein kleines Dorf
war, ist also Indiz, dass es Isaak nicht gegeben haben kann.
Aber die konservativen Gelehrten tun die Umstände um die
Stadt Gerar als nebensächliche Einzelheit ab und glauben bis
heute an das Bild der verfeindeten Zwillinge Jakob und Esau
(S.50).