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Judentum: Fälschung und Wahrheit im Alten Testament (AT) gemäss Aktenlage und Grabungen

Die neue Identität durch die neue jüdische Geschichte mit Hilfe chronologischer und archäologischer Forschung

30. Das rapide Wachstum des Stadtstaates Jerusalem / des Südreichs Juda nach dem Untergang des Nordreichs Israel ab 720 v.Chr.

Modell von Jerusalem des
              7. Jh. v.Chr.: Nordtor, Damaskustor, im Hintergrund der
              Tempel.
Modell von Jerusalem des 7. Jh. v.Chr.: Nordtor, Damaskustor, im Hintergrund der Tempel.

von Michael Palomino (2006 / 2010)

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aus: Israel Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press, a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002


Das Südreich Juda "übernimmt" nun das Nordreich Israel

Nach dem Untergang des Nordreichs Israel übernimmt das Südreich Juda gemäss dem komponierten AT quasi das volle Geburtsrecht der erfundenen Stämme Israels, wie ein junger Bruder (S.246).

Anwachsen des Königreichs Juda unter König Hiskia:

Flüchtlingswelle aus dem Nordreich ins Südreich - und die Propheten des untergegangenen Nordreichs haben Pläne für eine Eingott-Religion

Durch eine Flüchtlingswelle aus dem assyrisch besetzten Nordreich Israel ab 720 v.Chr. wächst der Stadtstaat Jerusalem (biblisch als "Königreich Juda" bezeichnet) nun gewaltig an (S.56) durch den Zulauf aus dem Ex-Nordreich mit Hofbeamten, Flüchtlingen und vertriebene Bauern (S.14). Wahrscheinlich sind darunter auch die nordisraelitischen Propheten und Priester. Dadurch wird die Erinnerung an die Zerstörung des Nordreichs Israel wachgehalten (S.244).

Es sind die Warner-Propheten aus dem Nordreich Israel, die schon lange eine "Ein-Gott-Religion" fordern und diese nun im Königreich Juda verwirklichen wollen (S.268). Diese Warner-Propheten beziehen sich auf Elia, Elisa, Amos und Hosea, die nur noch Gott allein gelten lassen wollten. Bei Gelegenheit werden sie ihre geplanten Säuberung realisieren wollen (S.268).

Gleichzeitig bildet sich ab 720 v.Chr. eine Bewegung für einen nationalistischen Revanchismus. Die nationalistische Bewegung besteht aus jüdischen Hofbeamten, Schreibern, Priestern, Bauern und Propheten (S.12).

Die Religion des Judentums ist also noch lange nicht festgelegt.

Archäologie: Die schlagartige Entwicklung der Staatlichkeit im Südreich Juda

Das kleine Königreich Juda hat gemäss archäologischen Funden

-- nie eine Diplomatie gepflegt
-- nie Kriege geführt (S.250).

Im Königreich Juda kommt nun schlagartig eine Entwicklung in Gang (S.56), denn Juda muss die Umwälzungen mit dem Untergang des Nordreichs Israel auffangen (S.250), und neuerdings ist Juda ganz von assyrisch regierten Provinzen und Vasallen umgeben (S.263).  Juda wird zum neuen jüdischen Zentrum (S.250), zum politischen und religiösen Nervenzentrum der israelitischen Gemeinschaft (S.263).

Juda wächst zu einer lokalen Regionalmacht heran (S.57). Der nördliche Stadtstaat Sichem (biblisch als "Nordreich Israel" bezeichnet) bleibt Erinnerung. Der südliche Stadtstaat Jerusalem blüht auf und entwickelt territoriale Ambitionen (S.185).

Der Aufbau von Judas Staatswesen:

-- staatliche Einrichtungen werden aufgebaut (S.56)

-- Juda führt erst jetzt Annalen und ein geschichtliches Bewusstsein ein

-- Juda wird somit erst jetzt zu einem voll entwickelten Staat mit Berufspriestern und ausgebildeten Schreibern (S.249).

[Dabei bewahrheitet sich immer wieder das Sprichwort: "Die letzten werden die ersten sein", für Ägypten, für das Nordreich Israel, für Assyrien, und für all die Reiche, die noch folgen].

-- es kommt zu rapidem Bevölkerungswachstum (S.250), zur Bevölkerungsexplosion (S.264)

-- Jerusalem wird gemäss Archäologie erst jetzt religiöses Zentrum, israelisch-jüdische Metropole und Handelszentrum (S.250)

-- Juda baut eine Industrie auf, zur Massenproduktion von Keramik und Olivenöl für den Export (S.258)

-- Juda baut einen Import- / Exporthandel auf (S.250)

-- der Handel wird mit Ostraka (beschriebene Tonscheiben) und mit Gewichtssteinen abgewickelt, die von der Archäologie auch gefunden werden (S.258)

-- der Analphabetismus wird überwunden, Lesen und Schreiben verbreitet sich und schriftliche Texte bekommen plötzlich Autorität (S.269).

Archäologie: Erst jetzt erfolgt die Bauentwicklung im Stadtstaat Jerusalem im 7. Jh. v.Chr.

Der Stadtstaat Jerusalem (biblisch "Reich Juda" genannt) entwickelt erst jetzt Bauten (S.255), sporadisch (S.266) aus Quaderstein mit Steinkapitellen (S.177) in äolisch-ähnlichem ("proto-äolischem") Stil (S.255), wobei die Bauten kleiner als diejenigen im nördlichen Stadtstaat Sichem sind, und von minderer Bauqualität (S.177).

  
Modell von Jerusalem:
                      Nordtor, Damaskustor, im Hintergrund der Tempel
Modell von Jerusalem des 7. Jh.: Nordtor, Damaskustor, im Hintergrund der Tempel.

Die Archäologie kann das schnelle Wachstum Jerusalems genau feststellen (S.263-264). Jerusalems Stadtfläche wächst von 4-5 ha auf 60 ha (S.264), ungefähr die Hälfte der heutigen Altstadt (S.13). Die Wohngebiete dehnen sich auf den Hügel neben dem schmalen Kamm aus, mit einer gewaltigen Verteidigungsmauer zur Sicherung der neuen Vororte. Die Häuser stehen dicht nebeneinander, mit Werkstätten und öffentlichen Gebäuden. Finkelstein / Silberman schätzen ein Anwachsen der Einwohnerzahl von 1000 auf 15.000 (S.264).

[Spekulation: Das Königtum wird aus dem Nordreich übernommen

Es fehlt die Schilderung, wie das Königreich Juda gegründet worden sein soll, wenn David und Salomo keine Könige waren. Möglicherweise wurde das Königtum vom Nordreich Israel im Südreich Juda einfach übernommen. Dann wäre König Hiskia vom Stammesfürsten zum König aufgestiegen, und die Flüchtlinge des Nordens bauten ihm wahrscheinlich die Hauptstadt Jerusalem. Reihenweise werden jetzt die Städte befestigt. Es darf spekuliert werden].

Das Wachstum im landwirtschaftlichen Hinterland gemäss Archäologie

-- es entstehen viele neue Gehöfte nahe Jerusalem

-- südlich der Stadt und in der Schfela entstehen auf relativ leerem Land neue Bauerndörfer (S.264)


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Lachisch: Modell der Stadt mit doppelter
                          Stadtmauer
vergrössernLachisch: Modell der Stadt, am Ende mit doppelter Stadtmauer.

-- Dörfer wachsen zu Städten (S.264), in der Fläche entwickeln sich mittelgrosse Städte als regionale Zentren (S.266)

-- Lachisch bekommt eine Stadtmauer und wird neu ein Verwaltungszentrum

-- in der Bucht von Beerscheba werden neue Städte gegründet (S.264).

Die Landkarte des Königreichs Juda verändert sich nun radikal: Juda umfasst um 710 v.Chr. / im späten 8. Jh. v.Chr. somit ca. 300 Ortschaften aller Grösse mit ca. 120.000 Einwohnern und mit einer Staatsstruktur (S.264). Die Charakteristika der Staatlichkeit sind alle auffindbar:

-- monumentale Inschriften
-- Siegel und Siegelabdrücke
-- Ostraka (beschriebene Tontafeln) für die königliche Verwaltung (S.266).

Industrialisierung im Königreich Juda unter König Hiskia gemäss Archäologie

Erst jetzt folgt im Stadtstaat Jerusalem die Entwicklung einer staatlichen Olivenölindustrie  (S.177), damit verbunden eine Massenproduktion und der Vertrieb von Keramikgefässen und anderen Gegenständen. Ausserdem wird unter staatlicher Führung eine ölverarbeitende und eine Industrie für die Weinproduktion eingerichtet (S.266).

Der neue Reichtum in Jerusalem unter König Hiskia und seinen Nachfolgern

Die Herkunft des Reichtums ist leicht auszumachen:

-- das Königreich Juda hat sich in die Wirtschaft Assyriens integriert
-- das Königreich Juda hat sich wahrscheinlich auch intensiver am arabischen Handel beteiligt (S.266)
-- somit öffnen sich Juda neue Märkte (S.267).

Insgesamt vollzieht sich in Juda ab 720 v.Chr. eine gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Revolution von der Sippenwirtschaft zum modernen Staat. Jerusalem wird unermesslich reich (S.267).

Besuche aus dem Ex-Nordreich
Israeliten aus dem Ex-Königreich Israel besuchen regelmässig die Kultfeiern im Tempel von Jerusalem (S.242-243).


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Bildernachweis

-- Lachisch: Modell: http://joseph_berrigan.tripod.com/id21.html
-- Lachisch: Modell gross: http://fontes.lstc.edu/~rklein/Documents/judah.htm

-- Jerusalem, Modell: http://www.holylandnetwork.com/temple/model_30.htm


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