aus: Israel Finkelstein / Neil A.
Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die
archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher
Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004,
zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The Bible
Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient Israel and
the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press, a division
of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche Ausgabe:
Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Das
Südreich Juda "übernimmt" nun das Nordreich Israel
Nach dem Untergang des Nordreichs Israel
übernimmt das Südreich Juda gemäss dem komponierten AT quasi
das volle Geburtsrecht der erfundenen Stämme Israels, wie
ein junger Bruder (S.246).
Anwachsen des Königreichs Juda
unter König Hiskia:
Flüchtlingswelle aus dem Nordreich ins Südreich - und die
Propheten des untergegangenen Nordreichs haben Pläne für
eine Eingott-Religion
Durch eine Flüchtlingswelle aus dem assyrisch besetzten
Nordreich Israel ab 720 v.Chr. wächst der Stadtstaat
Jerusalem (biblisch als "Königreich Juda" bezeichnet) nun
gewaltig an (S.56) durch den Zulauf aus dem Ex-Nordreich mit
Hofbeamten, Flüchtlingen und vertriebene Bauern (S.14).
Wahrscheinlich sind darunter auch die nordisraelitischen
Propheten und Priester. Dadurch wird die Erinnerung an die
Zerstörung des Nordreichs Israel wachgehalten (S.244).
Es sind die Warner-Propheten aus dem Nordreich Israel, die
schon lange eine "Ein-Gott-Religion" fordern und diese nun
im Königreich Juda verwirklichen wollen (S.268). Diese
Warner-Propheten beziehen sich auf Elia, Elisa, Amos und
Hosea, die nur noch Gott allein gelten lassen wollten. Bei
Gelegenheit werden sie ihre geplanten Säuberung realisieren
wollen (S.268).
Gleichzeitig bildet sich ab 720 v.Chr. eine Bewegung für
einen nationalistischen Revanchismus. Die nationalistische
Bewegung besteht aus jüdischen Hofbeamten, Schreibern,
Priestern, Bauern und Propheten (S.12).
Die Religion des Judentums ist also noch lange nicht
festgelegt.
Archäologie: Die schlagartige
Entwicklung der Staatlichkeit im Südreich Juda
Das kleine Königreich Juda hat gemäss archäologischen Funden
-- nie eine Diplomatie gepflegt
-- nie Kriege geführt (S.250).
Im Königreich Juda kommt nun schlagartig eine Entwicklung in
Gang (S.56), denn Juda muss die Umwälzungen mit dem
Untergang des Nordreichs Israel auffangen (S.250), und
neuerdings ist Juda ganz von assyrisch regierten Provinzen
und Vasallen umgeben (S.263). Juda wird
zum neuen jüdischen Zentrum (S.250), zum politischen und
religiösen Nervenzentrum der israelitischen Gemeinschaft
(S.263).
Juda wächst zu einer lokalen Regionalmacht heran (S.57). Der
nördliche Stadtstaat Sichem (biblisch als "Nordreich Israel"
bezeichnet) bleibt Erinnerung. Der südliche Stadtstaat
Jerusalem blüht auf und entwickelt territoriale Ambitionen
(S.185).
Der Aufbau von Judas Staatswesen:
-- staatliche Einrichtungen werden aufgebaut (S.56)
-- Juda führt erst jetzt Annalen und ein geschichtliches
Bewusstsein ein
-- Juda wird somit erst jetzt zu einem voll
entwickelten Staat mit Berufspriestern und ausgebildeten
Schreibern (S.249).
[Dabei bewahrheitet sich immer wieder das Sprichwort: "Die
letzten werden die ersten sein", für Ägypten, für das
Nordreich Israel, für Assyrien, und für all die Reiche, die
noch folgen].
-- es kommt zu rapidem Bevölkerungswachstum (S.250), zur
Bevölkerungsexplosion (S.264)
-- Jerusalem wird gemäss Archäologie erst jetzt religiöses
Zentrum, israelisch-jüdische Metropole und Handelszentrum
(S.250)
-- Juda baut eine Industrie auf, zur Massenproduktion von
Keramik und Olivenöl für den Export (S.258)
-- Juda baut einen Import- / Exporthandel auf (S.250)
-- der Handel wird mit Ostraka (beschriebene Tonscheiben)
und mit Gewichtssteinen abgewickelt, die von der Archäologie
auch gefunden werden (S.258)
-- der Analphabetismus wird überwunden, Lesen und Schreiben
verbreitet sich und schriftliche Texte bekommen plötzlich
Autorität (S.269).
Archäologie: Erst jetzt erfolgt
die Bauentwicklung im Stadtstaat Jerusalem im 7. Jh.
v.Chr.
Der Stadtstaat Jerusalem (biblisch "Reich Juda" genannt)
entwickelt erst jetzt Bauten (S.255), sporadisch (S.266) aus
Quaderstein mit Steinkapitellen (S.177) in äolisch-ähnlichem
("proto-äolischem") Stil (S.255), wobei die Bauten kleiner
als diejenigen im nördlichen Stadtstaat Sichem sind, und von
minderer Bauqualität (S.177).
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Modell von
Jerusalem des 7. Jh.: Nordtor, Damaskustor, im
Hintergrund der Tempel.
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Die Archäologie kann das schnelle Wachstum
Jerusalems genau feststellen (S.263-264). Jerusalems
Stadtfläche wächst von 4-5 ha auf 60 ha (S.264), ungefähr
die Hälfte der heutigen Altstadt (S.13). Die Wohngebiete
dehnen sich auf den Hügel neben dem schmalen Kamm aus, mit
einer gewaltigen Verteidigungsmauer zur Sicherung der neuen
Vororte. Die Häuser stehen dicht nebeneinander, mit
Werkstätten und öffentlichen Gebäuden. Finkelstein /
Silberman schätzen ein Anwachsen der Einwohnerzahl von 1000
auf 15.000 (S.264).
[Spekulation: Das Königtum wird
aus dem Nordreich übernommen
Es fehlt die Schilderung, wie das Königreich Juda gegründet
worden sein soll, wenn David und Salomo keine Könige waren.
Möglicherweise wurde das Königtum vom Nordreich Israel im
Südreich Juda einfach übernommen. Dann wäre König Hiskia vom
Stammesfürsten zum König aufgestiegen, und die Flüchtlinge
des Nordens bauten ihm wahrscheinlich die Hauptstadt
Jerusalem. Reihenweise werden jetzt die Städte befestigt. Es
darf spekuliert werden].
Das Wachstum im
landwirtschaftlichen Hinterland gemäss Archäologie
-- es entstehen viele neue Gehöfte nahe Jerusalem
-- südlich der Stadt und in der Schfela entstehen auf
relativ leerem Land neue Bauerndörfer (S.264)
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Lachisch:
Modell der Stadt, am Ende mit doppelter
Stadtmauer.
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-- Dörfer wachsen zu Städten (S.264), in
der Fläche entwickeln sich mittelgrosse Städte als regionale
Zentren (S.266)
-- Lachisch bekommt eine Stadtmauer und wird neu ein
Verwaltungszentrum
-- in der Bucht von Beerscheba werden neue Städte gegründet
(S.264).
Die Landkarte des Königreichs Juda verändert sich nun
radikal: Juda umfasst um 710 v.Chr. / im späten 8. Jh.
v.Chr. somit ca. 300 Ortschaften aller Grösse mit ca.
120.000 Einwohnern und mit einer Staatsstruktur (S.264). Die
Charakteristika der Staatlichkeit sind alle auffindbar:
-- monumentale Inschriften
-- Siegel und Siegelabdrücke
-- Ostraka (beschriebene Tontafeln) für die königliche
Verwaltung (S.266).
Industrialisierung im
Königreich Juda unter König Hiskia gemäss Archäologie
Erst jetzt folgt im Stadtstaat Jerusalem die Entwicklung
einer staatlichen Olivenölindustrie (S.177),
damit verbunden eine Massenproduktion und der Vertrieb von
Keramikgefässen und anderen Gegenständen. Ausserdem wird
unter staatlicher Führung eine ölverarbeitende und eine
Industrie für die Weinproduktion eingerichtet (S.266).
Der neue Reichtum in Jerusalem
unter König Hiskia und seinen Nachfolgern
Die Herkunft des Reichtums ist leicht auszumachen:
-- das Königreich Juda hat sich in die Wirtschaft Assyriens
integriert
-- das Königreich Juda hat sich wahrscheinlich auch
intensiver am arabischen Handel beteiligt (S.266)
-- somit öffnen sich Juda neue Märkte (S.267).
Insgesamt vollzieht sich in Juda ab 720 v.Chr. eine
gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Revolution von
der Sippenwirtschaft zum modernen Staat. Jerusalem wird
unermesslich reich (S.267).
Besuche aus dem Ex-Nordreich
Israeliten aus dem
Ex-Königreich Israel besuchen regelmässig die Kultfeiern im
Tempel von Jerusalem (S.242-243).