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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939


[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 4. Flüchtlinge: 1933-1938
[4.19. Danzig: Frieden bis 1937 - Ausschreitungen 1937 und Auswanderung]

[1933 und 1934: Verkündigung, dass keine Nazi-Gesetzgebung eingeführt wird]

In Danzig erwuchs ein spezielles Problem. Danzig war eine freie Stadt unter der Obhut des Völkerbunds. Danzigs Bevölkerung war beinahe vollständig deutsch und wurde mehr und mehr von der Nazi-Ideologie beeinflusst. Der örtliche Nazi-Führer, Artur Greiser, hatte im August 1933 erklärt, dass in der Stadt keine "arische" Gesetzgebung eingeführt würde. Eine weitere Erklärung vom 2. Juli 1934 besagte, dass die Verfassung der Stadt "es möglich werden lässt, dass rechtliche Einschränkungen für Einwohner gemäss ihrer Rasse oder Glaubensbekenntnis möglich sind."

(Endnote 97: 12-14, Bericht von Neville Laski, 10/15/34 [15. Oktober 1934])

[Die Situation verschlimmert sich]

Trotz der feinen Worte - die wahrscheinlich nicht nur ein taktischer Zug der Nazis, sondern auch die Meinung einer moderateren Politik des Nazi-Führers in Danzig war, (S.177)

so war es unter Hermann Rauschning (der später die Seite wechselte und sich gegen den Nazismus wendete) - so, dass die aktuelle Situation sich schrittweise immer mehr verschlimmerte. Die Angriffe in den Zeitungen entfachten einen Boykott, und jüdische Anwälte und Ärzte mussten bald mitansehen, wei ihre Berufe durch eine inoffizielle, aber effektive Reihe von Aktionen gefährdet waren.

[3000 gebürtige Juden, und 5000 polnische Juden in Danzig]

Es gab etwa 3000 gebürtige Juden in Danzig. Dazu kamen ungefähr 5000 polnische Juden, die sich durch die dortigen vorteilhaften ökonomischen Bedingungen fühlten und deshalb in die Stadt gekommen waren. 

[Die 1/4-, 1/2- und 3/4-Juden sind nicht erwähnt].

[Ausschreitungen am 21. und 23. Oktober 1937]

Im Spätjahr 1937, als in Deutschland relativ wenig offene antijüdische Aktivität herrschte, brach das Desaster über die Gemeinde in Danzig herein. Den beiden Tagen mit gewalttätigen Ausschreitungen (21. und 23. Oktober) folgten Arreste von Juden und Beschlagnahmung des Besitzes von bekannten jüdischen Händlern. Vor diesen Ereignissen hatte das JDC die Danzige rJuden nicht unterstützt, ausser einmal 1000 $ für die Gründung einer Freien Kreditkasse.

[Das Vereinigte Verteilungskomitee in Danzig - Isaac Giterman - Diskussion, ob die Juden gehen sollen oder nicht]

Nun sandte das Verteilungskomitee den Obersten des Warschauer Büros, Isaac Giterman, um die Vorfälle zu untersuchen und Empfehlungen zu schicken, was weiter unternommen werden sollte. Giterman berichtete, dass die Situation ein Desaster war, und dass die Auswanderung aus Danzig dieselbe Wichtigkeit haben sollte wie die Auswanderung aus Deutschland.

(Endnote 98: ebenda. [12-14, Bericht von Neville Laski, 11/4/37 [4. November 1937])

Geld wurde für die Unterstützung von Hilfsfällen gesandt, aber das Problem war nun, die grössere Angelegenheit zu regeln. Es war klar, dass ein bedeutender Teil der neueren polnischen Einwanderer die Stadt verlassen musste und ins Elend der jüdischen Existenz nach Polen zurückkehren musste. Kahn war geradezu zögerlich, Danzig zu unterstützen, aus Angst, dass andere Regierungen daraus die Schlussfolgerung ziehen würden, dass jüdische Organisationen immer die Juden retten würden, wenn diese von Vertreibung bedroht waren.

(Endnote 99:
-- ebenda ., [12-14, Bericht von Neville Laski, 11/4/37 [4. November 1937];
-- Kahn an einem Treffen in Paris, 12/12/37 [12. Dezember 1937]: "Man darf nicht zeigen, und dies besonders in Danzig wegen dessen internationaler Lage, dass, sobald die Juden durch die Regierung bedrückt werden, gleich jüdische Organisationen zur Stelle sind, die mithelfen, dass die Juden den Platz räumen.")

Am Ende wurde eine kleine Summe (12.500 $) als angemessen betrachtet, den polnischen Juden aus Danzig bei ihrer Rückkehr zu helfen, unter der Bedingung, dass die Empfänger damit ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. Es gasb keine Hilfe und keine Unterstützung für eine breite Auswanderung.

Gitermans Meinung war anders: Er meinte, dass die Situation in Danzig parallel der Situation in Deutschland entsprach; er fühlte, dass man nicht um die Schlussfolgerung herumkam, dass die Juden Danzig verlassen müssten. Ende November 1937 sandte Giterman an Kahn einen weiteren Bericht, in dem er seinen vorigen Meinungen wiederholte. Ausserdem fügte er hinzu, dass jüdisches (S.178)

Kapital in der Stadt nicht mehr transferierbar sei, weil den Juden verboten wurde, ihren Besitz zu verkaufen, und deshalb müssten sie unterstützt werden.

[Jüdische Auswanderung aus Danzig 1937 und 1938]

Trotz dem Widerwillen des Verteilungskomitees sahen jüdische Organisationen in Danzig keine andere Alernative, als so vielen Juden wie möglich bei der Auswanderung behilflich zu sein. Zwischen Oktober 1937 und Ende 1938 verliessen 4900 Juden Danzig; 3300 kehrten nach Polen zurück, und der Rest ging ins Ausland. Dies waren die offiziellen Zahlen. Aber Giterman dachte, dass in Tat und Wahrheit weniger Leute ausgewandert waren und immer noch 5500 Juden in Danzig geblieben waren.

[Giterman für die Auswanderung nach Palästina - illegale Auswanderung nach Palästina]

Giterman setzte sich für einen gut organisierten Auswanderungsplan ein, obwohl die Danziger Gemeinde unter dem Einfluss der Zionisten-Revisionisten (deren Führer, so meinte Giterman, wären eher im Dienste der Gestapo) versuchte, die Mittel für eine massenweise illegale Auswanderung nach Palästina aufzutreiben.

(Endnote 100:
-- ebenda. [welche?];
-- Bericht von Giterman 12/30/38 [30. Dezember 1938]:
"Eine jüdische Gemeinde hat das gefährliche Abenteuer begonnen, seine eigenen Mitglieder aus Danzig zu deportieren."

(orig.:
"A Jewish community has started the dangerous adventure of deporting their own members from Danzig.")

Giterman warnte das JDC "für dieses Abenteuer ja keine Verantwortung zu übernehmen."

(orig.:
"not to assume any responsibility for this adventure.")

Der Text dieses Dokuments ist eine englische Übersetzung des Originals, das unauffindbar ist).

Das Verteilungskomitee - so warnte Giterman - sollte diesen Plänen keine Unterstützung geben. Am Ende waren natürlich diejenigen Leute, die auf illegalen Schiffen Palästina erreichten, vor dem gerettet, was in ihrer Heimatstadt noch folgen sollte.

(Endnote 101: Eliahu Sterns Ph.D. These an der Hebräischen Universität, über die Danziger Gemeinde, hat diese Punkte schon seit langem geklärt).

Das JDC andererseits erhöhte die Unterstützung für Danzig. Es gab dort im Jahr 1938 24.885 $ aus, und im Jahr 1939 54.000 $.







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