Morris C. Troper hatte an
der Jahresversammlung des JDC im Jahre 1938 gesagt, dass,
wenn man die Ausgaben des JDC voraussagen wollte, dann sei
dies in einem gewissen Sinne, den Kurs der Geschichte
vorauszusagen. Es scheint, dass nur wenig Zweifel darüber
bestand, dass der Kurs des JDC historisch gesehen zu einem
grossen Teil der Kurs der jüdischen Bevölkerung in Europa
war. Das JDC hatte im Jahr 1929 die Idee, sich nach der
Gründung von 1914 wider aufzulösen. Bis 1931 wurde den
Führern klar, dass das JDC sich nicht auflösen sollte. Die
Wirtschaftskrise in den USA hätte das JDC fast vernichtet.
Aber es überlebte, und es war bereit - auch wenn nie genug
Geld zur Verfügung stand - den schrecklichen Katastrophen zu
begegnen, die über die Juden in Europa in den 1930er Jahren
hereinbrachen.
In einem sehr realen Sinne war die Arbeit des JDC dabei eine
Sisyphusarbeit. Mit relativ wenig Geld versuchte es, gegen
alle Schwierigkeiten, die zusammenbrechenden
wirtschaftlichen Strukturen der jüdischen Bevölkerung in
Osteuropa zu retten; dann versuchte es, die Juden in
Zentraleuropa von den Auswirkungen der Nazi-Angriffe zu
retten. Sicherlich litt es dabei unter der Kurzsichtigkeit
seiner führenden Personen; sicherlich hat es Fehler gemacht,
realisierte nicht, die Schwere der Situationen, bis es zu
spät war - aber haben andere nicht auch versagt, ohne auch
nur einen Teil dessen zu tun, was das JDC unternommen hat?
Es kann zwingend argumentiert werden, dass die Versuche des
JDC, die jüdische Wirtschaft in Polen zu reformieren, zum
Scheitern verurteilt waren. Im Nachhinein ist es möglich,
die Investitionen von so viel Geld und gutem Willen in das
sowjetische Russland zu kritisieren. Die Opposition des JDC
gegen die Zionisten (S.302)
verdient eine sorgfältige Analyse. Die Zögerlichkeit
hinsichtlich der Auswanderung des deutschen Judentums von
1933 bis 1935 kann auch kritisiert werden. Alles in allem
könnte das JDC dieses schreckliche Jahrzehnt als eine Teil
der Versuche betrachten, bei dem es insgesamt gesehen den
Test bestanden hat, so gut, wie es seine Möglichkeiten eben
zuliessen.
Es gab nur wenige jüdische Führer und Denker, die ihre Zeit
mit mehr Scharfsinn und Klarheit beurteilten als Bernhard
Kahn, oder mit mehr menschlicher Wärme als Felix M. Warburg.
Das JDC konnte nicht mehr Hilfe in Europa verteilen, als das
amerikanische Judentum willig war zu spenden. Es hat nie die
Tatsachen vor der amerikanisch-jüdischen Öffentlichkeit
verschwiegen. Es hat immer mehr Geld beantragt, als es
bekommen hat. Es hielt die Gelder nicht in der Bank, sondern
gab sie aus, um den Bedürftigen zu helfen, um die Hungrigen
zu versorgen, um die Nackten einzukleiden. Es gab nie genug
Geld, und zu oft war die Antwort bei einer Hilfsanfrage ein
Nein.
Aber die Kritiker haben kaum je kritisiert, was das JDC tat
- denn normalerweise war die Kritik auf das gerichtet, was
das JDC getan haben sollte und nicht getan hat (im Grossen
und Ganzen, weil die Mittel fehlten). Es versuchte, den
auftretenden Notfällen zu begegnen.
Zusammen mit dem HICEM war das JDC in die Auswanderung von
ungefähr 440.000 Juden
(Endnote 1: basiert hauptsächlich auf R21, Berichtsentwurf
von 1939)
von Zentraleuropa eingebunden: 281.900 von
"Alt"-Deutschland, 117.000 von Österreich, 35.000 aus den
tschechischen Landesteilen, und 5500 aus Danzig.
[Ergänzung: Schätzungsweise 10% von ihnen kamen während den
Feldzügen 1939-1943 wieder unter NS-Recht: in Polen,
Dänemark, Norwegen, Luxemburg, Belgien, Holland, und in
Frankreich. Vielen gelang die Flucht nach Frankreich, dann
nach Südfrankreich, dann nach Spanien und nach Übersee. Die
illegale Auswanderung ist nicht erwähnt, muss aber
dazugerechnet werden].
Es [das JDC] hat das Leid vieler weiterer in Europa
gelindert. Es hat ihnen bewiesen, dass das jüdische Volk in
Amerika sich darum gekümmert hat, dass sie nicht alleine
waren. Es hat auf die Stimme der Gewissenhaftigkeit
geantwortet - was mehr ist, als in dieser Zeit je gesagt
werden kann.