Kolumbus 1492 - er
entdeckt die Ananas
Jenes ferne Jahr 1492 ist von drei besonderen
Ereignissen geprägt: Am 2. Januar fällt mit der
Alhambra in Granada nach 700jähriger maurischer
Herrschaft die letzte arabische Burg in Spanien: »Ein
verhängnisvolles Ereignis« und »eine bewundernswerte
Kultur ging verloren« sagt Federico García Lorca.
Der Maurenkönig Boabdil (Nasrid) mußte
al-andalus,
das Land der Vandalen, verlassen und das friedvolle
Land den Blaublütigen überlassen. In ganz Europa begann
erneut ein finsterer (kulturell und ökonomisch)
Zeitabschnitt, der inländische Handel kommt zum
Erliegen, der Kaufmann stirbt
aus und
das Gold verschwindet in den arabischen Körben für teuer
zu bezahlende
Gewürze.
Das zweite Ereignis war die Vertreibung der in die
arabische Herrschaft integrierten Juden aus Spanien,
weil die Spanier den »conversos«, den zum Christentum
übergetretenen Juden, nicht vertrauten; später folgten
die »Moriscos«, die zum katholischen Glauben
übergetretenen Muslime
.
Und drittens: Am 3. August ließ Kolumbus auf dem Rio
Tinto im südwestlichen Zipfel Kastiliens
losrudern, in Palos de la
Frontera nach der letzten Messe in
der Pfarrkirche San Jorge mit den Wasservorräten aus dem
maurischen Brunnenhaus und geräucherten
und gepökelten Schweinefleisch aus
der Sierra de Aracena; seine Suche nach dem Seeweg nach
Indien begann – go west,
young man.
Gilbert Hunt schrieb im »Historical Reader« über dieses
Ereignis:
»... und es begab sich aber im
vierzehnhundertzweiundneunzigsten Jahr
christlicher Zeitrechnung, daß Kolumbus die Wasser
der mächtigen Tiefe überquerte.«
Der Anblick war keineswegs bemerkens
wert,
denn es handelte sich um die damals üblichen Schiffe
mediterraner Bauart, zwei manövrierfähige und
seetüchtige Karavellen und ein etwas größeres,
bauchiges, plumperes
Não; alle
drei mehr oder weniger morsch, eins drohte schon bei den
Kanarischen Inseln auszufallen.
Auf den Schiffen waren neben den Marineros,
Zimmerleute, Kalfaterer, ein Küfer, ein
Polizeioffizier; nicht dabei waren Mönche, Priester,
Patres, Missionare oder andere Geistliche. Verwunderlich
– war doch die vorgebliche Aufgabe des Kolumbus’ die
Eroberung neuer Länder und die Überbringung des Heils.
Vielleicht hing dies damit zusammen, daß in der
christlichen Seefahrt Pastoren und Advokaten nicht gern
an Bord gesehen wurden und andererseits diese nicht gern
auf Seefahrt gingen, war doch bekannt, daß bei allzu
rauher See vielfach ein Vertreter dieses Standes (oder
der Bordhund) zur Besänftigung Neptuns, des
Meeresgottes, über Bord geschubst wurde.
Bereits um 1500 waren die Häfen am Rio Tinto versandet.
Kolumbus und seine goldgierige Gefolgschaft ist gerade
noch ‘mal davongekommen. Sevilla wurde deshalb die
aufstrebende Stadt mit dem H
andelsmonopol
für das Amerikageschäft; hier saß später der »Rat der
indischen Länder
«, der Handel und Wandel mit
Amerika kontrollierte und
regulierte.
Wie damals üblich in Europa trugen auch die Schiffe des
späteren
Capitan General de la Mar Oceano (»Admiral
des ozeanischen Meeres«, der
admirabile, der
Bewundernswerte) Christoph Kolumbus’, keinen Namen am
Heck, sondern liefern unter der Bezeichnung, die ihnen
die Mannschaft gab: »Pinta« (von
putadie
Angemalte), »Nina« (kleines
Mädchen)
und »Maria Galanda« (flottes Mariechen, ursprünglich »La
Gallega«, da es in Galizien ge
baut
wurde, später als »Santa Maria« bezeichnet). Die Namen
der Kolumbus-Schiffe sollten wohl die Besatzung daran
erinnern, daß es noch andere erstrebenswerte Dinge als
eine Fahrt nach »Indien« gab. Aber das versprochene
Gold lockte den Seemann von seinem »Schatz«
weg.
Die Phantasie ist anzustrengen: Zu diesem Zeitpunkt
konnte man auf See keine exakte Position (also Breiten-
und Längengrad) errechnen. Üblicherweise wurde das
Problem des Längengrades dadurch gelöst, daß man in
Sichtweite einer Küste segelte und dann zur rechten Zeit
auf einen Breitengrad schwenkte; das Problem der
geographischen Länge wurde erst durch die Entwicklung
des Chronometers von John Harrison gelöst. Die ganze
Navigation beruhte auf Sonne, Mond und Sterne. Wenn man
noch berücksichtigt, daß mit Sanduhren mit höchstens
einer halben Stunde Laufzeit hantiert wurde, so mußten
die Versprechungen und der Zwang der Behörden schon
gewaltig sein, um die Seeleute zu einer solchen Rei
se zu bewegen.
Erst mehr als einhundert Jahre später wurde es üblich,
auf Schiffen für
Große Fahrt Köche mitzunehmen;
ein neuer Berufszweig, der
»Smutje«,
entstand. Und erst noch später erhielten manche
Mannschaften eine einheitliche Arbeitskleidung (die
mit dem roten Faden) und mußten nicht mehr in ihren
persönlichen, zerlumpten Fetzen »über die Planke«
gehen. Übrigens: Latrinen an Bord gab es nicht. Man
mußte hinaus auf die Reling treten, mit einer Hand den
Rock lupfen und mit der anderen ein festgemachtes Tau
ergreifen, was schon bei normalem Seegang nicht einfach
war.
Kolumbus hatte sich verpflichtet, für die langweilige
europäische Küche neue eßbare Pflanzen («Spezereien«)
mitzubringen, damit der Gaumen der Hidalgos sich auch
wieder einmal erfreue: Die Entdeckung Amerikas wird ve
rschiedentlich als »Abfallprodukt der
Pfeffersuche« bezeichnet, denn die Suche nach Gewürzen
(Pfeffer,
piper nigrum,
war damals das schwarze Gold) und Arzneidrogen bildete
noch vor der Gier nach dem rotgelben Gold das Hauptmotiv
von Entdeckungsreisen. Pfeffer überdeckte den üblen
Geschmack von verdorbenem Pökelfleisch, faulender Fisch
(man denke an die Einhaltung der Fastengebote weit weg
vom Meer) läßt sich mit starken Gewürzen noch
»genießen«. Und: Pilger- und Kaufmannsreisen ließen
immer neue Genüsse erleben.
Schon die römische Küche war wenig einfallsre
ich. Sie bestand im wesentlichen aus
Zwiebeln (in mehreren
Sorten).
Schweinefleisch, Kohl, Feigen («Kartoffel der
Antike«) und Hülsenfrüchten,
vorwiegend die eine vorhandene Sorte Bohnen. Dann gab’s
noch Gurken und Melonen, (Gemüse-) Portulak (heute nur
noch als Schutt- und Wege»un«kraut bekannt) und
Wasserlilien, Rauten und allerlei Grünzeug, Weizen als
Hauptgetreide, wenig Roggen (weil es als
»minderwertiges Getreide«
galt).
Was an Geschmack und Raffi
nesse
fehlte, wurde durch visuelle Reize ausgeglichen; Fleisch
und Fisch wurden vielfach gestampft, was nicht nur an
den schlechten Zähnen gelegen haben soll, sondern auch
die Möglichkeit eröffnete, diesen Brei mit
Safran gelb, mit Petersilie grün,
mit Weichseln rot zu färben.
Im römischem wie im mittelalterlichem Adel, im
aufkommenden Bürgertum, durften kostspielige Gewürze
nicht fehlen: Ingwer (das aromatische Galgant aus dem
fernen Asien), Zimt, Nelke, Anis, manchmal
Kubebenpfeffer (fürs Harntreiben und zur
Fliegenvernichtung), Kardamom, Zitwerwurzel (für die
Wermutherstellung), Safran. Wichtig ist die fremdartige,
herzhafte Würzung.
Wichtig ist die Phantasie, die mit dem Gewürz
einherging: Zimt fand man nur im Nest des mystischen
Vogel Phönix, um Pfeffer mußte man mit den
feuerspuckenden Schlangen ringen, die den
Pfefferstrauch verbrannten und so die Körner schwarz
färbten.
Die Länder des Orients – so wußte man – grenzten direkt
ans Paradies, Nil, Ganges, Euphrat und Tigris bezogen
ihr Wasser aus Quellen im Paradies – von daher holte man
sich die Gewürze. Es war ein Zeitalter, das sich
vornehmlich an den Augensinn, weniger an Geschmacks- und
Geruchsnerven wandte; der Umgang mit dem Volk – rauh,
unsentimental, gewalttätig – fand seinen entsprechenden
Widerklang im Essen. Mehr dazu bei »Maister Hannsen –
des von Wirtenberg Koch«. Man unterschied die Gerichte
mehr nach der Farbe und weniger nach ihren Zutaten
Salman Rushdie: »Von Anfang an war es kristallklar, was
die Welt von der verdammten Mutter Indien wollte. Sc
harfe Sachen wollten sie, genau wie
ein Mann, der zu einer Hure geht.« Zu jener Zeit begann
man, Kochbücher drucken zu
lassen
– auch ein Zeichen, daß Adel und reiche Bürgerschaft von
den Hungersnöten stärker verschont blieben – und
insbesondere über die Verwendung exotischer und teurer
Produkte zu schreiben: Über Gewürze.
Die Ärzte stimmten überein, daß die »Wärme« der Gewürze
die Nahrungsverdauung ihr »Kochen« im Magen fördere, so
daß vielfach die Gewürze in Form von Dragees nach der
Mahlzeit und vor dem Schlafengehen genommen wurden; eine
gute Durchblutung förderte, fördert, die »ehelichen
wercke«.
Nicht nur Salomos Gold und ferne Gewürze gaben Anlaß,
den Seeweg nach Indien zu suchen. Es war auch die
schlichte Not durch die regelmäßigen Hungersnöte, die
die Menschen bereit machten, das Schlaraffenland suchen
zu gehen.
Als es dann durch die Reisen nach Indien an »feinen
Gewürzen« nicht mehr mangelte, verschwanden sie
allmählich aus den Ernährungsgewohnheiten. An ihre
Stellen traten besonders in der französischen Küche –
tonangebend für West-Europa – wieder einheimische und
»bäuerliche« Produkte; Gewürze werden ersetzt durch
Schalotten, Pilze, Kapern, Sardinen: Bocuse läßt grüßen:
»Du darfst«.
Die gesteigerte Nachfrage nach Nahrungsmitteln führte
dazu, daß schon lange bekannte Produkte wieder eine
n Aufschwung erlebten: Reis wurde bis
dahin als exotisches Importprodukt in Apotheken und
Gewürzhandlungen verkauft und als Zutat in
Soßen verwendet. Jetzt gelangt Reis
von Spanien aus in die spanischen Niederlande und wird
dort ebenfalls angebaut.
Auch Buchweizen (aus dem Orient kommend) wird wieder
entdeckt. Erst im 16. Jahrhundert verbreitet er sich
weiträumig, wahrscheinlich von den Niederlanden aus nach
Deutschland, Frankreich und Norditalien. Zum gelben
Hirsebrei kommt nun ein grauer hinzu.
zur
Startseite Erste Furche
Dieses Jahr 1492 ist noch aus anderen Gründen
bemerkenswert: Es gliedert sich erstens der Beruf des
bisherigen Drucker-Verlegers in den des Schriftgießers,
des Setzers (über den Jean Paul sagt, daß man ihn
Schrift(Lettern)steller nennen sollte), des Druckers und
des Verlegers: Der Beginn des Taylorismus und des
REFA; zweitens konstruiert Martin Behaim, ein Freund des
Kolumbus’ aus gemeinsamen portugiesischen Tagen, im
Auftrag der Stadt Nürnberg und in Zusammenarbe
it mit Hartmann Schedel – noch ohne
Amerika und Australien – einen »Erdapfel«, den ersten
Globus, der auf der Weltkarte des Florentiner Paolo
Toscanelli des Jahres 1474
beruht.
Leonardo da Vinci zeichnet – drittens – eine
Flugmaschine (die nicht fliegt) und eine ergonomisch
ausgerichtete Druckpresse, die funktioniert. Und Herzog
Eberhard im Bart »schafft« – viertens – in Stuttgart die
Kehrwoche an, die erst fünfhundert Jahre später auf
Antrag grüner Stadträte wieder aufgehoben wird, doch
die Stuttgarter halten trotzdem an der traditionellen
Reinlichkeit fest.
Und fünftens vertreibt – wie eingangs erwähnt – der
Groß-Inquisitor Tomás de Turrecremata (
Torquemada)
fast einhunderttausend Juden aus Spanien, die sich der
Zwangsbekehrung widersetzt
haben.
1492 gilt aus der Sicht des rückblickenden Besserwissers
als das Jahr des Übergangs vom »Mittelalter« zur
Neuzeit.
Tierra. Tierra.Der Ruf de
s Matrosen
Juan Rodríguez Bermejo um zwei Uhr im Mondschein des 1.
Oktober
1492 und die anschließende
Eroberung Amerikas war der Start für den Siegeszug der
Kartoffel: Sie steht heute nach Weizen und Reis zusammen
mit Mais an dritter Stelle aller Nahrungsmittel. Claude
Lévi-Strauß schrieb in seinem ethnologischen
Reisebericht »Traurige Tropen«: »Nie wieder werden uns
die Reisen, Zaubertruhen voll traumhafter Versprechen,
ihre Schätze unberührt enthüllen.«
Was Kolumbus und seine Zeitgenossen als »Kartoffel«
ansahen und als »batate« oder mit der ur-amerikanischen
Bezeichnung »papa« benannten, war jedoch nicht die
damals nur in den Anden von Peru und in Nordchile
beheimatete Kartoffelpflanze, sondern die Süßkartoffel,
die
patata, ein Windengewächs.
Die Engländer mit ihren »potatoes« verwechseln –
zumindest im Namen – immer noch den andinischen Erdapfel
mit
der Süßkartoffel. Und der
ehemalige US-Vizepräsident Don Quayle hatte bekanntlich
die peinlichen Schwierigkeiten in einer Schule mit
»potatoes« bzw.
»potatos«.
Die Bewohner der von Kolumbus (Lichtenberg: »Der
Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte, machte
eine böse Entdeckung«) auf seiner ersten Reise besuchten
Inseln liefen zwar nackt herum – erfreulich für die
entwöhnten Seeleute – waren jedoch nicht so rückständig,
wie Kolumbus und die ihm folgenden Abenteurer sie
beschrieben.
Bartolomeo de Las Casas:
»Sie waren schlank, von herrlichem Wuchs, in ihren
Bewegungen frei und voller Anmut. Einige wenige trugen
... einen Lendenschurz. Die Frauen hingegen waren ohne
Ausnahme unbekleidet.«
Und Christoph Kolumbus (auf Guanahani, heute El
Salvador) notierte am 12. Oktober 1492:
»Am Strand erblickten wir Eingeborene. ... Sie gehen
umher, wie Gott sie geschaffen hat, Männer sowohl als
Frauen, und bemalen ihre schöngeformten Körper mit
grellen Farben, vor allem das Gesicht, die Nase und
die Augengegend. Ihre Haut ist von rötlichgelber
Farbe, ihr Haar tiefschwarz und glatt.«
Ein Vorfahr des Abenteurers und Schriftstellers Giacomo
Casanova, Juan Casanova, starb in der Erinnerung an die
nackerten Menschen dieses Garten Eden hungrig aber
glücklich auf der Rückfahrt der ersten Reise aus der
Neuen Welt nach Spanien.
Auf den Inseln bestand eine außerordentlich produktive
und den Umweltbedingungen hervorragend angepaßte
Agrarwirtschaft. Die Grundlage der Ernährung bildeten
an erster Stelle die als
conucos bezeichneten
Felder in kniehoch angehäufelter Erde, auf denen neben
Maniok (für die Fernreisenden unter den Lesern: in der
Macosprache
cahig, auch
Elente
genannt), Kürbisse und mehrere Sorten Bohnen
angepflanzt wurden. Diese »Beete« wirkten der Erosion
entgegen, die Knollenfrüchte erzeugten Mineralien
und Kaliumkarbonat. Diese Form der Pflanzung war in fast
jedem Gelände möglich, zeichnete sich durch hohe Erträge
aus, erforderte nur zwei bis drei Stunden Arbeit in der
Woche und ermöglichte jahrelanges, ununterbrochenes
Ernten.
Die Hauptnahrung auf der Isla H
ispaniola
(die Eingeborenen nannten
ihre Insel Bohio)
waren »battatas«. Christoph Kolumbus in seinem
Tagebuch am Sonntag, dem 4. November
1492, auf Cubaguas:
»Am Abend lehren uns die Eingeborenen die Zubereitung
eines unscheinbaren Knollengewächses, an dem wir
bisher achtlos vorbeigingen. Ich werde einige dieser
seltsamen Äpfel, die wie Kastanien schmecken und von
den Indianern Batate genannt werden, nach Europa
mitnehmen.«
Diese Tagebuch-Eintragung belegt, daß Kolumbus die
Süßkartoffel nach Europa brachte; ganz sicherlich ist
sie auch in Spanien gepflanzt worden, denn ihre Blüte
sieht freundlich aus und ihre Knolle wunderlich.
Die Tainos und die Cibonays (Siboney), wie sich die
Bewohner der Inseln Kuba und Haiti bezeichneten,
betrieben außerdem eine Art Fernhandel mit Hängematten
(hamaca) aus Agavefasern, die sie in canoas auf andere
Inseln und zum Festland lieferten (Engländer nannten sie
»brasilianische Betten«, Holländer machten im 17.
Jahrhundert aus
hamaca »hangmak«,
und irgendwann wurde es dann »hangmat«, und dann kam die
Zeit, wo sich die Deutschen in die »soziale Hängematte«
legten).
Tainos und Cibonays lebten in kleinen überschaubaren
Dörfern mit bis zu etwa fünfzehn Familien, die in einer
Ratsversammlung unter einem erblichen »Kaseke«
mitentscheiden konnten. Sie wohnten in sauberen,
luftigen Hütten, wuschen sich regelmäßig (anders als die
E
uropäer) und lebten nicht wie
Spanier und andere Europäer in dunklen, rohen,
schmutzigen
Gebäuden. Die Menschen
in Europa wohnten in Häusern, in denen zum Beispiel die
Feuchtigkeit vielfach fast die der sie umgebenden Natur
entsprach.
Den Spaniern gelang es innerhalb kürzester Zeit, die von
den Tainos praktizierte Landwirtschaft zu zerstören:
Auf seiner zweiten Reise in die Neue Welt – zur Isla
Hispaniola (heute: Haiti) – brachte Kolumbus große
europäische Säugetiere mit (in der Karibik gab es vor
den Spaniern nichts Vergleichbares – die größten Tiere
waren kleine Hunde). Innerhalb weniger Jahre
verzehnfachten sich die Rinder (1520 waren es bereits
über achttausend), die Pferde vermehrten sich so stark,
daß bereits 1507 der Import verboten wurde, die Anzahl
der Schweine (ursprünglich vier Paare) war unendlich
groß.
Mit den Rindern auf Hispaniola begann die Entwicklung
einer Gesellschaft, die abhängig von rotem Fleisch
wurde. Die von den Spaniern gebrachten Tiere verdrängten
die einheimische Tierwelt. Die europäischen Viecher
wurden einfach ausgesetzt und fraßen die einheimischen
Gräser, verhärteten die Böden und damit ging die vor
Erosion schützende Bodendecke verloren.
Der Drucker und Verleger Theodore de Bry (1528–1598),
Stiefvater der Maria Sibylla Merian (1647–1717),
schreibt in dem reich bebilderten »Americae«:
»In den obgemeldten Inseln allen werden niergent kein
vierfüssige Thier gefunden weder etlich Küniglein /
die seynd den Hunden nicht fast vngleich. Sonst aber
seynd viel gifftige vnd schädlicher Thier vnd
Vngeziffer darinn / fürnemblich das gifftig Thierlein
Nigua.»
Die Zufuhr europäischer Tiere führte dazu, daß die in
der Karibik verbreitete Menschenfresserei aufhören
konnte, und das nicht nur, weil’s den Spaniern
schauderte, sondern auch wegen des jetzt reichlich
vorhandenem tierischem Protein. Auch in der Pflanzenwelt
gab es drastische Veränderungen; einige aggressive
Pflanzen wie Löwenzahn, das gemeine Gänseblümchen und
Nesseln breiteten sich rapide aus und unterdrückten die
einheimische Flora.
Das bereits bei Kolumbus eingeführte System des
rancheros
beruhte auf dem Prinzip des Privateigentums an Land und
schuf eine Kaste von Grundbesitzern, die bis heute der
ursprünglich einheimischen Bevölkerung das Recht auf
Landbesitz abspricht; 1550 waren die Tainos ausgerottet.
Schädlich waren nicht nur die neuen Pflanzen und die
»Haustiere«, sondern auch die intensive europäische
Nutzung – zum Beispiel durch Reihenpflanzungen –, die
in der Karibik eingeführt wurde.
Die europäische Art, den Boden zu bearbeiten, zerstörte
den Boden viel nachhaltiger als es die Hacke der
Ureinwohner vermocht hätte. Der Anbau von Monokulturen,
einhergehend mit der aus Europa mitgebrachten
Brandrodung, führte zu weiterer Bodenerosion und damit
auch zu einer Veränderung des Feuchtigkeitshaushalts der
ganzen Region. Dies hatte weitere Auswirkungen auf die
Pflanzen- und Tierwelt. Die vor den Spaniern mit
Tropenwald überzogene Isla Hispaniola, aber auch Kuba,
wurden entwaldet; die bereits im 16. Jahrhundert
angelegten Zuckerplantagen schufen die bis heute
bestehende Monokultur. Schon bei seiner zweiten Reise
hatte Kolumbus auf Hispaniola Orangenplantagen anlegen
lassen und wenige Jahrzehnte später waren alle
Karibik-Inseln mit Orangenhainen bedeckt. Die Folgen
der Entwaldung auf den karibischen Inseln machten sich
binnen weniger Jahre bemerkbar: Sintflutartige
Regenfälle und stürmische Winde – von den Tainos als
hurricanes
benannt, nach jenem einbeinigen Gott, der brüllend übers
Meer stieg.
Der spanische Jesuit Bartolomeo de Las Casas, später
»Vater der Indios« genannt, schreibt 1550 in seinem
»Kurzgefaßten Bericht über die Verwüstung der
Westindischen Inseln«:
»Friedfertig lebten sie alle, und ich erinnere mich
nicht, davon gehört zu haben, daß die Dörfer oder die
Häuptlinge gegeneinander Krieg führten. Sie verfügten
über einen Überfluß an
Nahrungsmitteln und über alles Lebensnotwendige, und
sie besaßen eine große Zahl guter Äcker, von denen
sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können.«
Das widersprach der Auffassung des Dominikanermönchs
Francisco de Vitorio, Professor der Theologie an der
Universität von Salamanca und einer der Begründer des
europäisch geprägten Völkerrechts:
»Sie sind nicht einmal besser als Vieh und wilde
Tiere, denn sie nehmen weder feinere noch kaum bessere
Nahrung als diese zu sich.«
Vitorio bestritt in
seinen
»Relectiones de Indis« (Vorlesungen über die Indianer)
von 1532 andererseits den Spaniern das Recht auf das
Land der
Ureinwohner. Das dem
römischen Recht entnommene Argument, die neuentdeckten
Länder seien bisher herrenlos (
res nullius)
gewesen und gehörten daher dem, der sie nach den Regeln
der römischen
occupatio (Aneignung) als erster
in Besitz genommen habe, sei unzutreffend. Vielmehr
seien die »Indianer« gemäß dem von ihm aufgestellten
Grundsatz des Naturrec
hts, obwohl
sie Heiden waren, uneingeschränkt Eigentümer des Landes;
auch Häretiker würden nicht ihr Eigentum
verlieren. Das zwischen den Völkern
geltende Naturrecht gäbe zwar den Spaniern das Recht
auf Handel und völlige Bewegungsfreiheit, aber es gäbe
ihnen nicht das Recht, die Indianer gegen ihren Willen
zu berauben oder sie anzugreifen. Vitorios Unterstützung
für die Rechte der Ureinwohner stützte sich in erster
Linie auf Gerechtigkeit und Ethik. Weder auf den von
Vito
rio ebenfalls abgelehnten
Anspruch des Papstes auf das Recht, die neuen Länder
zwischen Spanien und Portugal
aufzuteilen
noch auf seine im Naturrecht begründeten Auffassung
hinsichtlich der Indianerbehandlung hörte jemand –
dazu war der Goldrausch zu mächtig, um sich von einem
kleinen Dominikaner die Rechte der Eroberten lehren zu
lassen.
Anders als im asiatischen Indien durch portugiesische
Jesuiten wurden die Riten der spanisch-katholisch
en Kirche nicht den religiösen
Vorstellungen der Ur-Einwohner
akkommodiert;
mit Brachialgewalt wurden Menschen, Ideen und die
Verwaltungsorganisation durch die spanischen
Conquistadores, durch Engländer, Portugiesen,
Franzosen, Holländer vernichtet.
Neu angelegte Ortschaften der spanischen Eroberer
(ängstlich wurde in jedem Ort zuerst eine Festung
angelegt) entsprachen nicht der natürlichen Struktur
der Landschaft: Ohn
e Rücksicht auf
Umrisse und Formen des Geländes, auf Bäche oder Flüsse,
Moore oder Wälder wurden mit Lineal und Kompaß
rechtwinklige Straßenzeilen, wie es sie im spanischen
Burgenland, in Kastilien, gab,
festgelegt.
Hinzu kam, daß die Einwanderer nicht bereit waren, die
von den Ureinwohnern angebauten Pflanzen als
menschliche Ernährung zu akzeptieren; die Spanier litten
deshalb Hunger, die Ernährung war für die Kolonisten
allgemein unzureichend. Vielfach lag dies daran, daß die
eingeführten europäischen Pflanzen der amerikanischen
Tropenzone nicht angepaßt waren. José de Acosta klagte
im 16. Jahrhundert, auf den Karibikinseln
»sprieße der Weizen schön aus dem Boden und beginnt
jetzt gerade zu grünen, aber er wächst so
ungleichmäßig, daß man ihn nicht ernten kann, denn bei
gleichzeitig ausgebrachter Saat sind die Halme
teilweise nur in die Höhe geschossen, andere haben
Ähren angesetzt, die einen werden nur zu Gras, die
anderen zu Korn.«
Juden, Mauren, Zigeuner und Ketzer durften nicht nach
Amerika; der Anteil der Frauen (»Unnerröck an Bord, dat
gifft Malheur«) unter den Einwanderern betrug 1538 rund
zehn Prozent und stieg in den folgenden Jahrzehnten auf
etwa fünfundzwanzig Prozent, für die sich damit jedoch
keine Befreiung verband, sondern nur ein Wechsel in
der Abhängigkeit. Was sollten die Spanier auch mit ihren
katholischen Weibern, wenn sie sich in Amerika die
unchristlichen Eingeborenen zur Verfügung nehmen
konnten. Die Anzahl weißer Familien blieb winzig im
Vergleich mit den Millionen Indianern und der Anzahl d
er Mestizen, den Kindern aus
Verbindungen von männlichen Weißen und weiblichen
Ureinwohnerinnen.
Kassawa (Maniok), Süßkartoffeln, Paprika, Mais,
Kürbisse (Cucurbita pepo), Erdnüsse usw. wurden von den
Kolonisten verschmäht, obwohl durch die Regenfälle
und die Feuchtigkeit die eigenen Vorräte verdarben; die
Nahrung beschränkte sich auf Fisch und Maniok, aus
deren Mehl das Kassawabrot hergestellt wird.
Theodore de Bry in »Schiffart in Brasilien in America
...« (1593 in Frankfurt gedruckt):
»Es haben die Wilden auch noch andere Wurtzelen uber
die Maniot unnd Aypi, darvon im neundten Capitel
gesagt, daß die wilden Weiber ihr Mehl auß denselbigen
machen / nemlich die Hetich nennen / dise sind in
Brasilien so gemein / wie in Soffoyen die weissen
Ruben / die Ruben daran sind zwo Feust dick / und
anderthalb Schuh lang / mehr oder weniger / wenn man
diese Wurtzelen oder Ruben außzeugt / scheint eine wie
die ander zu seyn.«
Kassawa ist eine wenig nahrhafte und schwer verdauliche
Speise. Man muß sich an sie gewöhnen – aber
die
Spanier mochten ihren verwöhnten Geschmack nicht
verletzen; Kassawa war für sie einfach dégoutant. Das
Brot daraus war für sie wie Gift: Das trockene Mehl
dieser Knolle quillt im Magen auf und betäubt den
Hunger, ruiniert aber auch die Verdauung. Einige Sorten
Kassawa enthalten giftige Blausäure, die sich aber
durch Vergärung entfernen läßt. Die südamerikanischen
Ur-Einwohner zerkleinerten die Kassawa, weichten sie in
Wasser ein und ließen sie in der Sonne stehen, bis sie
anfing zu vergären. Eine Mischung mit einem unangenehmen
Gestank, aber eßbar. Wenn man diese Masse trocknete,
verschwand auch der Geruch. Man muß die frühen Acker
bauer bewundern, die diese
Nahrungsmittel mit einer hohen Leidensfähigkeit, aber
auch unstillbarer Neugierde ausprobiert
haben und dann die entsprechenden
Pflanzen kultivierten. Man bedenke, daß wildwachsende
Kartoffeln sehr bitter sind und zu giftig für den
Verzehr.
Urtümliche Völker (wie es wohl die ersten
Kartoffelanbauern in den Anden waren) vermischten
bitter schmeckende, aber nährstoffreiche
Pflanzenteile wie Eicheln und – natürlich –
Wildkartoffeln mit ausgesuchten Erden, was die
Wissenschaft als Geophagie bezeichnet. Viele Erden
tragen negative Ladungen auf ihrer Oberfläche, die sie
zu Kationenaustauschern machen. Stickstoffreiche
Pflanzentoxine und Alkaloide sind im sauren Milieu des
Magens zumeist positiv geladen und binden sich an
solche Kationenaustauscher; dabei verdrängen sie
Ionen von Alkali- und anderen Metallen. Die Nahrung
wird verdaulich.
Das »moray«, Kartoffelmehl, wurde ebenfalls nicht
geschätzt. Die europäischen Entdecker und Eroberer waren
den neuen Pflanzen gegenüber mißtrauisch, sie verglichen
sie mit den ihnen bekannten Gewächsen. Der Mais wird zu
einem »Korn nach Art der Kichererbse«, das Kolben
(spanisch »elote« von nahuatl »elotl«) trägt »wie die
Kolbenhirse«. Tortillas werden als eine Art
mediterranes Brot beschrieben, Paprika stellt eine Art
Pfeffer dar und der Truthahn ist ein »großes Huhn
gleich dem Pfau«, den man in manchen Gegenden
Frankreichs auch »jésuit« nennt, weil ihn die
Jesuitenmissionare erstmals dort einführten.
Wenn man dies berücksichtigt, so wird schon klar, daß
der Mais sehr früh nach der Entdeckung Amerikas in
Europa angebaut und dokumentiert wird (1525 in
Andalusien angebaut, 1532 im Herbar von Cibo in Rom,
1543 im Kräuterbuch von Leonhart Fuchs), während die
Kartoffel, das minderwertig unter der Erde wachsende
Knollengemüse, erst später zu Ehren kommt. Es war
schlichtes Desinteresse an den neuen Früchten, die
eine schnelle Einführung in ganz Europa behinderten,
auch wenn regional und zeitlich manche Unterschiede
bestanden. Erst die ungezählten Hungersnöte
beschleunigten den Einführungsprozeß.
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Startseite Erste Furche
Nicht nur in Amerika hielten die Europäer an ihren
Ernährungsgewohnheiten fest; sie verzichteten auch in
ihren Kolonien in Asien und Afrika weder auf Wein noch
Schinken noch Weizen, der in die Kolonien oder an die
Stätten ihren missionarischen Wirkens aus und von der
Heimat geliefert werden mußte. Auf Brot aus hellem
Getreide wollte der weiße Mann auch in Mittel- und
Südamerika nicht verzichten und zettelte für dessen
Erlangung sogar manche Revolte gegen die spanische
Obrigkeit an; Kofi Annan 1999: »Sei nie klüger als die
Eingeborenen!«
Kolumbus fand auf den Inseln
»viele Kräuter und Pflanzen, die man in Spanien sehr
zu schätzen wissen wird, um daraus Tinkturen zu
gewinnen, die man zu Heilzwecken oder als Gemüse
verwenden kann.«
Die »Früchte« und »Kräuter« würden sich, so Kolumbus,
von den europäischen Pflanzen unterscheiden »wie Tag
und Nacht«. Die Europäer hätten nie vorher Früchte
gesehen so süß wie die Ananas oder geschmackvoll wie
Erdnüsse.
Bereits wenige Jahre nach der Entdeckung Amerikas wurden
die ersten Bücher mit naturgetreuen Abbildungen dieser
neuen Pflanzen veröffentlicht: Leonhart Fuchs mit »Primi
de stirpium historia ...« (Basel 1545), der Frankfurter
Stadtarzt Adam Lonicerus mit »Künstliche
Conterfeytunge der Bäume, Stauden, Hecken, Kreuter,
Getreyde, Gewürtze (Frankfurt am Main 1578), Willem
Piso mit »De Indiae utriusque re naturali et medici
libri XIV« (Amsterdam 1658) oder Pietro Andrea Mattioli
mit »Neu vollkommenes Kräuter-Buch von allerhand
Gewächsen der Bäume« (Basel 1678).
T
abak, »mit denen sich die
Eingeborenen ihren Gebräuchen gemäß beräuchern« hielt
Kolumbus für ein Kraut, das nicht zu vermarkten sein
werde. In seinem Tagebuch vermerkt
Kolumbus, daß er auf Hispaniola eine neue Getreideart,
von ihm »mahiz« genannt, entdeckt habe; innerhalb
weniger Jahre verbreitete sich der von ihm bereits bei
seiner ersten Reise mitgebrachte Mais in Spanien,
Portugal und den Mittelmeerländern. Aber Bataten aß der
gute Mann nicht, obwohl er erkannte, daß die
Süßkartoffel für die Ur-Einwohner eine wichtige
Grundnahrungspflanze war.
Schon am ersten Tag der Landung in der Neuen Welt, auf
der Insel Guanahani, schreibt Kolumbus, er hätte bei den
Eingeborenen Verletzungsspuren an deren Körpern gesehen
und ihm sei durch Zeichen mitgeteilt worden,
»wie hierher Leute von anderen Inseln, die ringsherum
lagen, kämen und sie einfangen wollten und sie sich
wehrten.«
Auf der Weiterfahrt zur späteren Isla Hispaniola warnen
ihn an Bord befindliche Eingeborene vor den auf den
Inseln lebenden
Caniba. Las Casas schreibt nach
dem Tagebuch des Kolumbus (11. Dezember 1492), daß
»Caniba nichts anderes ist als das Volk des Gran Can,
der hier ganz nahe sein muß.«
Das traf sich gut, denn so konnte Kolumbus die Insel dem
Herrschergebiet des
Gran Can, des großen
(chinesischen) Khan zuordnen – und da wollte er ja
schließlich hin. Am 17. Dezember erhält Kolumbus einige
Pfeile der Caniba; den Spaniern wird von Eingeborene
gezeigt, daß ihnen einige Fleischstücke aus ihrem Körper
fehlten; die
Canibas hätten diese Fleischstücke
gegessen. Doch Kolumbus glaubte nicht an die
Menschenfresserei; auch an die hundsköpfigen Bewohner,
die auf anderen Inseln leben sollten, glaubte er nicht.
Dennoch wurde ohne jeden wirklich stichhaltigen Beweis
ein Teil
der auf den Inseln lebenden
Menschen, die
Caniba oder
Cariba, als
Menschenfresser bezeichnet, deren Vernichtung
gottgefällig
war.
Den peruanischen Indianerstämme, denen Menschenopferei
unterstellt wurde und deren Versklavung religiös
begründet wurde. José de Acosta schreibt über eine
ritualisierte Massenveranstaltung aus Anlaß des Todes
von Inka Huayna Capac, daß »über tausend Menschen,
darunter auch Kinder, getötet« wurden, aber er schreibt
nicht, daß es bei diesem Fest Kannibalismus
gegeben habe; die Getöteten glaubten sich »vo
m Glück begünstigt« und starben »ganz
und gar freiwillig« – die Alternative war die
Versklavung durch die spanischen
Eroberer.
Die frühen Anthropologen und Entdecker Amerikas gingen
von der These aus, daß sie in der N
euen
Welt die Morgendämmerung Europas, wiederfinden würden
und verglichen die Indianer-»Stämme«, die »Primitiven«,
mit den alten Griechen; der Vorwurf der »Menschen
fresserei«
war jedoch auch ein politisch motivierter
Grund, die Ur-Einwohner wie (oder
schlechter noch als) Tiere zu behandeln und die
moralisch-theologische Begründung für die
Sklavenhaltung in den
Silberbergwerken Südamerikas.
Und noch ein Punkt: Wo immer Kolumbus hinkam,
überfremdete er – und nach ihm die anderen Eroberer
aller europäischen Länder – die alten
einheimisch-indianischen Orts-
Bezeichnungen
und ersetzte sie aus eigener Machtvollkommenheit durch
spanische
Namen, streng nach der
theologischen und weltlichen Hierarchie: Die erste
Insel San Salvador (Erlöser), die zweite Santa Maria, an
dritter Stelle wurde dem König eine Insel (Fernandina)
getauft, dann eine Insel für die Königin Isabel und das
fünfte Eiland schließlich bekam die wahnsinnige
Kronprinzessin Juana. Papst Alexander VI. bekam kein
e Insel gewidmet, aber ihm soll eine
der von Kolumbus mitgebrachten Indianerinnen als
Geschenk gereicht worden sein, bei der sich der Papst
seiner
Missionarsstellung bewußt
wurde. Und der Inkubus (oder war’s der Succubus?) tat
mit ihr, was er wollte. Selbst der niedere Klerus wurde
nicht vergessen: Eine Insel wurde nach dem spanischen
Kloster Montserrat benannt und konnte sich aus den
Erträgen eine Druckerei leisten. So bekam jeder seinen
Anteil, obwohl das Gold und die anderen Schätze
interessanter waren.
Das, was Kolumbus, »Gouverneur von Indien«, und die vom
ihm befehligten Spanier in der Karibik praktizierten,
wurde einige Jahrzehnte später von den Engländern in
Virginia wiederholt: Auch hier lehnten die Kolonisten in
Jamestown die einheimische Süßkartoffel und den Mais ab
und litten deshalb Hunger, auch hier wurde
rücksichtslos die Na
tur zerstört,
auch hier wurden Kolonien wegen der Unfähigkeit der
Europäer, im Einklang mit der Natur zu leben, wieder
aufgegeben. Henning Heske:
»Ehe man sich versah, waren ungezählte Kulturen, Tier-
und Pflanzenarten vernichtet.«
Die spanischen Kolonisten in Mittel- und Südamerika
orientierten sich anfangs ausschließlich an den in
Mittel- und Südamerika vermuteten Gold- und
Silberschätzen; Ackerbau und Viehzucht entwickelten
sich nur dort, wo auch Bergwerke bestanden.
So wurde zum Beispiel am Fuße des Rico Cerro de Potosí,
in den Anden (4000 Meter) die Verpflegung für die
zeitweise einhundertsechzigtausend Einwohner (1650) aus
dem gesamten südamerikanischen Raum herangeschafft und
gab damit Anlaß zum Entstehen eines agrarischen
Großraums. Auch an anderen Stellen in Mittel- und
Südamerika entstanden großflächige Agrarräume, die
Nahrung für die Bergwerke produzierten; achtzig Prozent
des Grundbesitzes gehörten der Kirche, die
siebzigtausend Kirchen und fünfhundert Klöster der
verschiedensten Orden errichten ließ.
Für die in den Bergwerken, in Baumwoll- und Wollfabriken
und auf den Landgütern der neuen Grundbesitzer, den
»encomendores« (
encomienda: »Inobhutnahme« hieß
das Zwangsarbeitersystem, in dem die spanische Krone die
Tributleistungen der Indianer an einzelne Kolonisten
abtrat), arbeitenden versklavten Ureinwohner – und nur
für diese – griffen die Spanier auf die einheimische
Kartoffel und auf chuños (in Quechua: charqui) zurück.
Der Spanier Cieza de León beklagte, daß die chuños über
die spanischen Zwischenhändler so teuer wurden, daß die
»Erfinder« der Trocken-Kartoffel diese fast nicht mehr
bezahlen konnten. Hans Sloane, Mitglied der Jesuiten
(die eine positive Rolle spielten), berichtet 1693 nach
seiner Rückkehr von einer Südamerikareise kritisch, daß
diese doppelte Ausbeutung in allen Orten üblich war, an
denen die Spanier Bergbau oder Landwirtschaft betrieben.
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Auf den westindischen Inseln (wie später auf dem
südamerikanischen Festland) wurde die ortsansässige
Bevölkerung vernichtet, von den Spaniern euphemistisch
»pacificació
n« genannt.
Gewalt-tätige Auseinandersetzungen (bis weit ins
17. Jahrhundert), Die Zwangsarbeit auf den Plantagen und
die eingeschleppten
Seuchen4verminderten
die Zahl der Ureinwohner: 506 Jahre – 1998 – nach dem
ersten Betreten amerikanischen Bodens durch Spanier
haben die Nachfahren honduranischer Ureinwohner in
Tegucigalpa Kolumbus symbolisch zum Tode verurteilt.
Mit Kolumbus habe – so heißt es in der
Urteilsbegründung – das »Zeitalter der Völkermords,
der Grausamkeit und der
Sklaverei«
begonnen. Die spanische Botschaft in Honduras (und in
anderen Ländern) feiert jedoch weiterhin ungerührt und
wie jedes Jahr den »Tag der Hispanität«, bis wohl die
letzten Indianer in der Masse der eingefüh
rten
Negersklaven verschwinden.
Afrikaner und
»Indios« verbanden
ihre animistischen Vorstellungen zum »Vodoun«, zum
»Voodoo«, eine in sich schlüssige Erklärung der Welt und
des Kosmos. Jean Jacques Rousseau behauptete rund zwei
Jahrhunderte später, das Leben eines »Wilden« sei am
wenigsten unglücklich, denn der Wilde kenne nicht die
eleganten Vergnügungen der kultivierten Gesellschaft
als Ausgleich für sein Mißgeschick, die Möglichkeiten
an Unterhaltung in einem Indianerstamm seien kaum der
Rede wert: So kann es formuliert werden. Oder: Das
Fernsehprogramm ist auch nicht besser.
Da die »Indianer« »mit ungenügender Intelligenz und
Vernunft begabt« waren, entgingen sie der formalen
Inquisition (ursprünglich war nur eine »Untersuchung«
gemeint), die 1610 in Mexiko begann und bis 1820
ausgeübt wurde. Noch zweihundert Jahre später meinten
holländische Missionare im Norden Amerikas, daß die
Indianer »unkultiviert und dumm wie Zaunpfähle«
seien.
Aber es war auch nicht nötig, die südamerikanischen
Ureinwohner der möglicherweise langwährenden
Einzel-Inquisition zu unterwerfen, denn wirtschaftlich
konnten sie ausgebeutet werden und militärisch waren sie
keine Gefahr mehr. Die Beraubung der Menschen, des
Kontinents und seiner Reichtümer war ohne das »Heilige
Offizin« effizienter.
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Anmerkungen
1 Die spanische Küche war noch bis weit ins 16.
Jahrhundert arabisch geprägt, bis der französische
Einfluß stärker wurde und andererseits die französische
Küche spanisch beeinflußt wurde.
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2 Hierzu ein passendes Zitat aus der »ZEIT«: »Wenn
Männer Segel hissen für das Krieg oder Forschung
genannte Leben, müssen Frauen manchmal nach dem
Tränentuch greifen.« Cortés nach der Verbrennung seiner
Schiffe: »Das ist es eben, was wir suchen, große Schätze
und große Gefahren.«
Und noch ein Zitat: »Das Meer – unendliche Weiten. Wir
schreiben das Jahr 1492. Dies sind die Abenteuer des
Segelschiffs Santa Maria, das mit einer vierzig Mann
starken Besatzung ein Jahr unterwegs ist, um neue Welten
zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen.
Viele Seemeilen von Spanien entfernt dringt die Santa
Maria in Gebiete vor, die nie zuvor ein Mensch gesehen
hat.« Als Trekkie wissen Sie, was hier zitiert wird.
Und ein Gedicht von Durs Grünbein:
Ein Fisch, der fliegt – so fing Kolumbus’ Traum
An einem Morgen an, mit einem Willkürakt.
Ist da ein Indien, das westwärts liegt,
Sticht man von Spanien aus in See?
Er sah, und traute seinen Augen kaum.
Wie aus dem Wasser Fische steigen. Neptuns Vögel,
Schrieb er in Tagebuch. In Wüsten Schnee
Entdecken war gewöhnlicher als diese Tiere,
Die aus den Wellen schnellten wie von Bögen
Die Pfeile jener Wilden, die er nackt
Am andern Ufer fand und Indios nannte.
Was las er auf den Helmen seiner Kanoniere,
Stumm nach der Landung? Dieses Unbekannte
War ihm unheimlich wie ein Fisch, der fliegt.
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3 Heute ist Palos ein verschlafenes Städtchen (denn der
Hafen ist versandet), das von der Erdbeerproduktion
lebt. So hat sich doch durch diese amerikanische Frucht
die Reise nach in die Neue Welt gelohnt.
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4 So hat’s Horace Greeley (1811–1872), ein
amerikanischer Buchdrucker und Druckereibesitzer,
gesagt. In einem Leitartikel in seiner »New York Daily
Tribune« schrieb er im Juli 1843, die Fahrten in den
Westen hätten »einen Beigeschmack von Wahnsinn. Unter
diesen Menschen befindet sich wahrscheinlich kein
Einziger, dessen Lebensumstände sich durch diese
gefährliche Reise verbessern werden.« Greeley meinte
hiermit mitnichten Indien (aber die Aussage träfe auch
auf die Reise von Kolumbus zu), sondern nur die
westlichen Bezirke von Illinois an der bereits
besiedelten amerikanischen Ostküste beschrieb.
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5 Das Wort »Não« bedeutet Schiff; ein solches Não hatte
ein oder zwei Masten und wurde mit Rahsegeln
angetrieben. An der Wende ins 16. Jahrhundert war es
zumeist ein Frachtschiff, später wurden Nãos auch als
Kriegsschiffe eingesetzt.
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6 Sevilla besaß das Monopol für alle aus Neu-Spanien
einkommenden Waren; der Reichtum der Stadt verhinderte
jedoch nicht, daß etwa siebzig Prozent der Bevölkerung
weiterhin arm blieb und von ihrem Tageslohn gerade das
Nötigste bestreiten konnten. Spaniens Wohlstand
versickerte im Kampf für die Inquisition und für das
riesige stehende Heer. Über Sevilla hieß es:
»Wer es nicht gesehen hat, hat keine Wunder gesehen.«
An dieser Stelle soll daran erinnert werden, daß die
Spanier in den knapp einhundertfünfzig Jahren von 1503
bis 1660 etwa 18.500 Tonnen Silber und zweihundert
Tonnen Gold – nach heutigem Wert mehr als 3,5 Milliarden
Mark – nach Europa verbracht haben (und damit eine
Silber-Inflation von zweihundert bis fünfhundert
Prozent in Europa auslösten und den Berufszweig der
Kipper
oder
Wipper begründeten); in dem Jahrzehnt von
1591 bis 1600 wurden zum Beispiel pro Jahr Produkte mit
einem Wert von achthundert Millionen Marivedis nach
Spanien importiert; das entsprach den Jahreseinkommen
von rund achtzigtausend Handwerkern. Der
Franziskaner-Pater Bernardino de Sahagún (1499–1590)
über die Eroberer: »Wie Affen griffen sie nach Gold und
befingerten es, sie wühlten wie hungrige Schweine nach
Gold.«
Spanien verließ sich auf das Gold aus seiner
Kolonie und verzichtete auf eigene Arbeit und
Produktion; es wurde und blieb arm, weil es im 16.
Jahrhundert zuviel Geld hatte.
Der Agrarhistoriker Wilhelm Abel weist daraufhin,
daß die Inflation im Durchschnitt jährlich nur 4,3
Prozent ausmachte und diese Inflation bereits vor Beginn
der Silber-Transporte einsetzte. Aus Balingen wird
1601 berichtet, daß in den Teuerungsjahren »viele rauhe
und felsige Böden ausgereutet und umgerissen« worden
seien, was den späteren Anbau mit der genügsamen Knolle
begünstigte.
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7 Der ursprüngliche Name der »Niña« war »Santa Clara«;
Eigner des Schiffes war Juan Niño aus Mogúer in Huelva,
Südspanien, der auf der ersten Fahrt nach Amerika als
Schiffsmeister mitfuhr; später wird Kolumbus Miteigner
der »Nina«. Die »Pinta« war Eigentum von Christóbal
Quintero aus Palos, der das Schiff auf der ersten Reise
Kolumbus begleitete (man will ja sehen, wo sein Geld
bleibt, denn ein Schiff ist bekanntlich wie ein Faß ohne
Boden). Eigner der »Santa Maria« war Juan de la Cosa,
der als Schiffsherr mitfuhr; es war – wie man sieht –
eine privat finanzierte (public-private partnership
heißt so etwas heute) Entdeckungsreise. Der Historiker
Hellmut Diwald bezeichnete die damalige Welt als »ein
Objekt, das von iberischen Schiffskielen« beherrscht
war.
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8 Martin Mosebach in »Der Nebelfürst« schildert die
Situation wohl wie sie war: »Man sagt, Messer Cristóbal
Colón habe die Mannschaft seiner Santa Maria in den
andalusischen Gefängnissen werben müssen. Hidalgos, die
Ehre und Vermögen im Spiel verloren hatten,
Messerstecher, Duellhansel, Taschendiebe,
Vergewaltiger, Pfaffen, die ihr Gelübde gebrochen
hatten, hätten sein Schiff vollgemacht.«
Unter »erster Fahrt nach Amerika« ist hier zu
verstehen die Kolumbus-Reise. Wir wissen ja, daß bereits
um das Jahr 1000 herum Leif, Thorvald und Frejdis
Eriksson (die Kinder von Erik dem Roten) bei den
Indianern, den
skr½lingar, waren, aber für eine
dauerhafte Besiedlung des
Straumfjörnr nicht
lange genug lebten. Ein Jahrhundert später waren alle
tot. Das
vinland war für eine Besiedlung zu
rauh. Noch kann man sich nur auf die »Eiríks saga rauna«
stützen, aber vielleicht findet man noch die Reste ihres
Schiffes
Leifsbunir. Als – so die Saga von Erik
– die Wikinger an Land gingen, stiegen Männer aus ihren
Kanus und starrten sie an: »Sie waren dunkelhäutig und
sehr häßlich, ihr Haupthaar war scheußlich; sie hatten
große Augen und breite Wangen.« Die Europäer nannten sie
skr½lingar, Minderwertige. Im Jahr 1121 brach ein
anderer Erik, Bischof von Grönland, auf, das
vinland
zu suchen. Bischof und Vinland gingen verloren.
Unter »erster Fahrt nach Amerika« ist auch nicht zu
verstehen, daß der chinesische Admiral Zheng He Schiffe
aussandte, die mit schwangeren Konkubinen an Bord am 26.
November 1421 auf der heutigen Insel Guadeloupe
landeten, die Frischwasservorräte ergänzten und sodann
vor den Kannibalen flüchteten, um etwas später in der
Nähe von New Jersey ein Dorf zu gründen. Und angeblich
hätten Chinesen in Mittelamerika Hühner gezüchtet und
auf den Falkland-Inseln Sellerie gegessen. In etwa 6000
Abhandlungen geistern weitere Amerika-Entdecker herum,
wie z.B. der Pole Jan aus Kolno oder die »Zeni«Brüder
aus Venedig.
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9 1768 muß James Cook (1728–1779) erfolgreich
protestieren, weil man ihm entsprechend den damaligen
Sitten in der englischen Kriegsmarine einen Koch auf die
Reise mit der »Endeavour« mitgeben wollte, der »hinkte
und entstellt« war. Cook bekommt als Ersatz John
Thomson, dem die rechte Hand fehlte. Das war die
Einstellung zur Verpflegung der Mannschaften an Bord.
und nicht die sechsprozentige Beschäftigungspflicht von
Schwerbehinderten in Wirtschaft und Verwaltung. Unter
diesen Umständen ist verständlich, daß Köche die
»Schmutzigen« waren, die
smutjes, da sie doch
ihre vom Kartoffelschälen bestaubten Hände an der
Kleidung abwischten und diese wiederum nicht wechselten.
In einem »Amtsblatt der freien und Hansestadt Hamburg«
des Jahres 1887 wird angeordnet: »Auf jedem Schiff muß
mindestens ein erfahrener Koch für die
Zwischendeck-Passagiere sich befinden«.
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10 Piper nigrum ist ursprünglich eine südindische
Pflanze, die wie Efeu auch hohe Bäume erklettert. Sie
trägt beerenartige, würzig und scharf schmeckende
Früchte.
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11 Der Römer Martial: »Ist die Gattin betagt und sind
dir die Glieder erstorben, können die Zwiebeln dich nur
sättigen, anderes nicht.«
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12 Türken und Maghrebiner verehren noch heute die Feige
als Symbol der Fruchtbarkeit und des Wohlbefindens. Als
Daumen zwischen Mittelfinger und Zeigefingers geklemmt,
penetrierte die römische »fica«-Geste Europa, bis dieser
eindeutige sexuelle Antrag von den Missionaren als
»obszön« verdammt wurde. Alles wie bei der Kartoffel
oder so ähnlich. Was bedeutet der in vielen Haushalten
wachsende »Benjamin« aus dem nächsten unmöglichen
Kaufhaus? Mrs. Patrick Campbell, Schauspielerin und
Vertraute von George Bernard Shaw stellte fest: »Es ist
unwichtig, was man im Schlafzimmer treibt, solange man
es nicht auf der Straße tut und die Pferde scheu macht«.
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13 Die Agrarlandschaft des Mittelalters und insofern das
Nahrungsmittelangebot einer weithin auf Selbstversorgung
beruhenden Dorf- und (Ackerbürger-)Stadtbevölkerung war
auch in deutschen Landen eintönig. Roggenbau beherrschte
die Flächen der Dreifelderwirtschaft. Gartenland nahm
höchstens zwei bis drei Prozent des Ackerlandes ein. Man
aß Schwarzbrot und Mehlspeisen, meist in Gestalt von
Suppen, die man in einem großen Kesseln über der
Feuerstelle kochte. Von Gemüsesorten und Obst in
Deutschland wissen wir nichts vor dem 9. Jahrhundert
(Gurken, Kohl, Lauch, Karotten, Portulak, Rettich,
Kopfsalat, Sellerie bzw. Apfel, Aprikose, Birne, Walnuß,
Pfirsich, Pflaume, Kirsche). Im 12./13. Jahrhundert
traten dazu Feldsalat, Kohlrabi, Rote Rüben sowie
Zwetschge und Stachelbeere, im 15. Jahrhundert der
Spinat und die Rote Johannisbeere.
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14 Welche Wege schon manche »normale« Gewürze hinter
sich hatten, ist auch daraus zu erkennen, daß in
Nordbayern Safran aus den Abruzzen und Südfrankreich
geholt wurde. Pfeffer wurde in Lemberg beschafft.
Nelken, Muskat, Zimt kamen über Lissabon nach
Deutschland.
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15 Bereits 1575 erschien in Italien ein Kochbuch des
ersten Leiters der päpstlichen Bibliothek Bartholomeus
Sacchi (genannt Platina di Cremona): »De honnesta
voluptate et valitudine«, was heißen mag: »Von der
ehrbaren Wollust und dem Wohlbefinden«. Sacchi war
Geistlicher, Humanist und Historiker und mehrmals im
päpstlichem Auftrag in Spanien gewesen. Sein Buch ist
das erste gedruckte Werk, das sich mit kulinarischen
Dingen befaßt, und da signalisiert gleich der Titel,
worum es geht.
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16 Hauptbestandteil von Soßen war ein Saft aus Trauben
oder Äpfeln, Wein, Essig. Die Säure wurde gemildert
durch Süßstoffe wie Honig: Eine süß-saure
Geschmacksrichtung war nördlich der Alpen vorherrschend
– wie heutzutage Gericht Nr. 23 auf der Speisenkarte
chinesischer Restaurants.
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17 Erst 1510 ist auf dem Jagiellonischen Weltglobus der
neue Erdteil Amerika berücksichtigt. Die Herstellung
von Globen wurde Haupterwerbszweig der frühen
Geographen, da es modisch wurde, im trauten Heim einen
Erdapfel aufzustellen. Und für die junge Druckindustrie
ward es auch ein Geschäft.
Der Geograph und Mathematiker Paolo dal Pozzo
Toscanelli war der geistige Vater des Gedankens, einen
direkten Seeweg nach Indien, ins westliche Gewürzland
zu finden. Es wird angenommen, daß Kolumbus eine
Abschrift eines Briefes von 1474 besaß, den Toscanelli
an den portugiesischen Königshof geschrieben hatte. In
diesem Brief wird über die Orientreisen Marco Polos und
anderer Entdecker Bezug genommen und er enthält eine
Beschreibung des Weges, wie man auf dem westlichen
Seeweg nach Indien gelangen könne: Zuerst käme man ins
mythische Antilia, dann nach Cipangu, und von da sei es
nur eine kurze Wegstrecke zum asiatischen Festland, zu
den Gewürzen und Edelsteinen. Dem Brief liegt auch eine
Kopie einer Karte bei, auf die sich Kolumbus später
häufig bezieht.
Auch das Buch des Bischofs d’Ailly »Imago Mundi«
beeinflußte den Kolumbus, denn d’Ailly zitiert »Laut
Aristoteles sind das Ende des bewohnten Landes im Osten
und das Ende des bewohnten Landes im Westen einander
ziemlich nah, und zwischen ihnen liegt ein kleines Meer,
das man in wenigen Tagen durchqueren kann.«. Und das
»Historia rerum ubique gestarum« von Enea Silvio
Piccolomini, dem späteren Papst Pius II. (1405–1464) ,
der sich schon über Gutenbergs Druckkunst bewundert
geäußert hatte. Kolumbus berücksichtigt in seinen Plänen
sogar »Antiquitates Judaica« von Flavius Josephus
(37–100) – und der war immerhin schon rund 1400 Jahre
tot.
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18 Tomás de Torquemada (1420–1498) war jüdischer
Abstammung und gehörte zu den Conversos; er trug
wesentlich zu dem Ausweisungsedikt der spanischen Könige
bei. Torquemada war Mitbegründer des Klosters Santo
Tomás in Ávila, nordwestlich von Madrid, dessen Bau zum
Teil aus konfiszierten jüdischem Eigentum bestritten und
schon 1493 beendet wurde. Er starb 1498 in diesem
Kloster und wurde auf dem Klosterfriedhof beigesetzt,
den zweihundert Jahre später ein Brand zerstörte: Der
Organisator der Inquisition, der Tausende von Juden und
Konvertiten auf den Scheiterhaufen zu Tode brachte,
wurde nachträglich selbst ein Opfer der Flammen – Rache
des historischen Zufalls.
Im Kloster Santo Tomás ging Teresa (de Jesús) von Ávila
beichten, jene Frau, die in Ávila das Kloster San José
gründete und von dort aus die Karmeliter reformierte:
Besitzlosigkeit, Leben in Klausur, Gebet in der Zelle,
ausgedehntes Fasten, Barfüßigkeit; es bildeten sich die
»Unbeschuhten«, die wiederum die Kartoffel nach
Nord-Italien brachten. Denn die Kartoffel, ohne Zutaten,
spiegelt die Bedürfnislosigkeit wie keine andere
Nahrungspflanze. So schließt sich der Kreis.
zurück
19 1481 ließ der Beichtvater Isabels etwa zwölftausend
Juden als Glaubensakt (
actus fidei) öffentlich
verbrennen, was Francisco Rizis zu seinem Bild »Auto de
fe en la Plaza Mayor de Madrid« inspirierte. 1492 wurden
auf Veranlassung von Kardinal Cisnero am Birrambla-Tor
von Granada die Schriften des Islams und des Judentums
und dann die Menschen verbrannt. Hier in Granada siegte
das Abendland über den Islam. Zwei morgenländische
Religionen verschwanden aus Spanien; nur das
Christentum, die dritte aus dem Morgenland zu uns
Europäern überkommene Religion, blieb bestehen. Walter
Laufenberg in »TransAtlantik« 8/2001: »Man ist gar nicht
auf den Gedanken gekommen. Verständlich: Die Leute waren
ja splitternackt unter den christlichen
Schafpelzen.«
Das Ausweisungsedikt von Isabel und Hernando war der
Höhepunkt eines schon Jahrhunderte dauernden
»Bekehrungskampfes« des spanischen Katholizismus.
Die zwangsweise getauften (und damit bekehrten) Juden,
»Anussim« (die »Gezwungenen«) oder »conversos« genannt,
waren dennoch nicht vor christlicher Verfolgung
geschützt, da man ihnen unterstellte, weiterhin am
jüdischen Glauben festzuhalten.
Die Vertriebenen flüchteten erst nach Portugal und
dann ins Osmanische Reich (wo Sultan Bajazet II. ihnen
religiöse Freiheit, rechtliche Sicherheit und
wirtschaftliche Perspektiven bot), auch ins heutige
Bosnien-Herzogewina. Sarajevo wurde »Yerusalayim chico«,
Klein-Jerusalem, genannt. Natürlich durften die
Flüchtlinge nur mitnehmen, was sie selber tragen
durften. Mitnahmen sie aber auch die Sprache, die später
als »Ladino«, als »Judeo-Español«, »Djudio«,
»Spaniolisch«, »Ramance« oder »Gjudezmo« bezeichnet
wurde und sich als Handelssprache aller Kaufleute
entwickelte, die als Fernhändler am Mittelmeer Handel
trieben. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde
»Ladino« durch französisch allmählich abgelöst; heute
erscheinen zwar noch Bücher in dieser Sprache (in
Belgrad, Istanbul, Athen und Jerusalem und neuerdings
auch in Valencia und Barcelona), aber – anders als
früher – in lateinischen statt in hebräischen
Buchstaben. Das heutige Ladino ist eigentlich keine
Sprache mehr, sondern nur die Erinnerung an eine
historische Epoche. Das Judentum des Balkans war bis zur
Vertreibung der Türken aus Bosnien sephardisch, denn
»Sefarad« bedeutete Spanien – wo die Juden seit der
Zerstörung ihres Tempels im Jahre 70 n. Chr, durch die
Römer bereits gesiedelt hatten.
Die Nationalbibliothek von Sarajevo bewahrte die
Handschriften und frühen Drucke auf, die dazu beitrugen,
daß West-Europa die Kultur des Islams kennenlernte;
serbische Nationalisten schossen diese Bibliothek
vorsätzlich in Brand und vernichteten über 600.000
unersetzbare Bücher – 500 Jahre nach der Verbrennung der
jüdischen Bücher am Birrambla-Tor in Granada (auf
Anweisung Kardinals Cisnero). Heute wie damals sollte
die Erinnerung an den Islam ausgelöscht werden.
Die Spanier nannten ihre jüdisch-gläubigen
Mitbürger auch »Maranos«, Schweine; in deutscher
Literatur wird bisweilen der Begriff »Marranen«
verwendet: Gedankenlosigkeit oder Absicht? Ferdinand von
Aragonien und Isabella von Kastilien vereinheitlichten
ihr gemeinsames Reich durch die Instrumentalisierung
religiöser und kirchlicher Angelegenheiten. Da störte
die jüdische und muslimische Bevölkerung. Trotz Taufe
wurden die christlichen Nachkommen von Juden in ihren
sozialen und wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichen durch
die Regeln der »limpieza de sangre«, der Reinheit des
Blutes, eingeschränkt. Der Maler Alonso Cano (1601 in
Granada geboren) war derart judenfeindlich, daß er seine
Jacke sofort auszog und nie wieder trug, wenn ihn auch
nur ein getaufter Jude nur am Ärmel berührt hatte.
Die Nachkommen der Muslime, die Moriskos (bedeutet
Fliegen), wurden nicht so stark kontrolliert, da sie
sich auf der untersten Stufe der wirtschaftlichen
Gesellschaft befanden. Die Inquisition beschränkte sich
bald nicht mehr auf konvertierte Juden, sondern
verfolgte auch getaufte Mauren, Abweichler aller Art,
Protestanten, Hexen sowieso, Vagabunden, Zigeuner und
alle – wie Goya später unter eines seiner »Caprichos«
schrieb –, die ihre Zunge etwas anders bewegten.
Bis zum Ende des osmanischen Reiches 1923
unterhielt Spanien besondere Beziehungen zu seinen
ehemaligen Untertanen; sie galten als »Elite der
jüdischen Rasse«, da sie durch ihren langen Aufenthalt
in Spanien »veredelt« seien und im übrigen den
spanischen Handelsinteressen nutzten. Sie galten als
»Schutzgenossen«, waren der osmanischen Gerichtsbarkeit
entzogen und der Hoheit des jeweiligen spanischen
Konsulats unterstellt.
Nach 1923 (bis 1930) bot Spanien den Nachfahren seiner
ehemaligen Bürger an, die spanische Staatsbürgerschaft
anzunehmen. Während der Nazi-Zeit (Januar 1943) forderte
die deutsche Regierung Spanien auf, die (etwa 175.000)
sephardischen Juden »heimzuholen«, aber die spanische
Bürokratie ermöglichte nur weniger als 5.000 Menschen
die Rettung vor der Deportation in die Gaskammern.
König Juan Carlos von Spanien wiederholte Ende der
1990er Jahre also ein Angebot, als er veranlaßte, daß
allen bosnischen Sepharden, die im Gefolge der
Mordereien beim Zerfall Jugoslawiens nach Spanien
möchten, die Einreise ermöglicht und ihnen, sofern sie
es wünschten, die spanische Staatsbürgerschaft verliehen
werde.
zurück
20 Das Mittelalter – so legte man fest – begann im Jahr
375, dem Beginn der Völkerwanderung, oder vielleicht
erst 476 mit der Absetzung des weströmischen Kaisers
Romulus Augustulus durch Odoaker und endete 1492 oder
auch erst mit der französischen Revolution 1789. Alfred
Kerr meinte, in Großbritannien habe das Mittelalter erst
mit dem Tod Oscar Wildes, 1900, geendet.
zurück
21 Kolumbus stand angeblich auf dem Achterkastell, will
Land gesehen haben und notiert in sein Logbuch: »Es war
wie eine kleine Kerze, die auf und niederstieg.«
DaKolumbus die Entfernung zwischen Lissabon und Cipangu
mit 5.000 km angab, mußte er zum Beispiel stets weniger
Seemeilen ins Bordbuch eintragen als er tatsächlich an
einem Tage gesegelt war. Als die Fahrt an der Südküste
Kubas keinen Zweifel am Inselcharakter mehr erlaubte,
ließ er die Mannschaft antreten und schwören, Kuba als
einen Teil des asiatischen Festlandes identifiziert zu
haben. Und so stand es denn auch im Tagebuch. Bei
Kolumbus gilt vielfach: Logbuch – Lügenbuch.
zurück
22 Dan Quayle, US-Vizepräsident unter Bush senior,
schrieb mal in einer Schulklasse »potato« als »potatoe«
an die Tafel, was die amerikanischen Schüler sehr
verwunderte und die wenigen Intellektuellen der USA zu
hämischen Bemerkungen hinriß. Bush sprang seinem Vize
sofort bei und erklärte, Quayle hätte beim Schreiben an
der Schultafel an die alte englische Schreibweise
erinnern wollen, denn bereits Chaucer hätte potato mit
»e« geschrieben.
Darauf lachten die Intellektuellen noch mehr. Damit
wollte Bush doch nur mitteilen, daß er nicht irgendein
ungebildeter Öl-Millionär aus Texas war, sondern sich
sogar in der alt-englischen Literatur auskannte. Nur:
Geoffrey Chaucer wurde geboren um 1340 und starb 92
Jahre vor der Entdeckung Amerikas. Das muß man aber
nicht wissen.
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23 Kolumbus nannte seine Aufschreibungen »Diurnal«,
Tagebuch. Im allgemeinen wird dieses Buch als »Diario
del Primer Viaje« bezeichnet – nicht jedoch von Kolumbus
selbst, denn das hätte ja bedeutet, daß er schon bei der
ersten Fahrt ins Unbekannte gewußt hätte, eine weitere
durchführen zu wollen. Von diesem Tagebuch wurde eine
Abschrift für das Königshaus angefertigt; Original und
Abschrift sind bisher nicht aufgefunden.
Das, was als Tagebuch von Kolumbus bezeichnet wird, ist
ein Auszug, den Bartolomeo de Las Casas angefertigt
hatte. Las Casas, hatte als Vertrauter der Söhne
Kolumbus’ Zugang zu den Papieren. Der Text von Las Casas
wurde erstmals 1825 gedruckt und damit einer breiteren
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Las Casas hat diesen
Auszug teilweise in der Ich-Form geschrieben, wohl als
direktes Zitat aus dem bei den Söhnen liegendem Original
des Tagebuches, teilweise aber auch referierend, in dem
er Kolumbus mit der Dritten Person als »el Almirante«
bezeichnet (dem Titel, den Kolumbus erst nach seiner
ersten Reise zugesprochen bekam) bzw. in indirekter
Rede.
Las Casas (1474–1566) erwarb 1502 auf Hispaniola
Land und profitierte von dem encomienda-System. Nach
seiner Weihe zum Priester 1515 entließ er die Indianer,
die für ihn gearbeitet hatten und setzte sich von da an
am spanischen Königshof gegen diese Zwangsarbeit ein.
Später wandte er sich auch gegen die Sklavenarbeit der
Afrikaner, deren Einsatz er ursprünglich befürwortete,
weil er hoffte, damit die Indianer vor Ausbeutung zu
schützen.
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24 Bis zur Einführung von Hängematten auf Schiffen
mußten die Matrosen und anderen untere Dienstgrade
irgendwo, irgendwie, auf dem Deck oder unter Deck (was
auch nicht besser war) schlafen.
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25 Wie heißt es doch im Volksmund seitdem so treffend:
»Man kann zwar arm, aber man muß nicht dreckig sein.«
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26 Über die Indianer an der Küste Venezuelas schreibt de
Las Casas »daß sie an allem rochen: an den Booten, an
uns, an unseren Waffen, Ihr Geruchssinn, nicht ihre
Augen, nicht ihre Hände, schien ihnen der verläßlichste
Ratgeber zu sein.«
Der US-Amerikaner Stephen L. Carter bezeichnet in
seinem Roman »Schachmatt« »Neger« als Mitglieder der
»dunkelhäutige Nation« und nennt die Abkömmlinge der
Europäer »Angehörige der weißhäutige Nation«.
Die Bezeichnung »Rothäute« wird auf die vorwiegend
rote kriegerische Bemalung zurückgeführt, auch könne es
eine Abwandlung der »gente colorado« sein, eine
Bezeichnung der spanischen Missionare. Die
nordamerikanischen Indianer, die sich nicht als
»Rothäute« ansahen, betrachteten sich als aus roter Erde
geschaffene Menschen. Brockhaus sah 1864 die Indianer
mit einem schwach ausgeprägten Begriffsvermögen
ausgestattet, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß
sie ihr Land teilweise freiwillig hergaben und sich den
Besitz von Land nicht vorstellen konnten. »Yankee« soll
von »Jan Kaas« kommen.
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27 Im 17. Jahrhundert wurden die Indianer auch als
verlorengegangene Juden angesehen; in Ecuador soll ein
Reisender auf Ureinwohner gestoßen sein, die in seinen
Ohren aus dem zweiten Buch Moses zitierten. Anderswo
seien beschnittene Indianer getroffen worden, in
Massachusetts wurde vom auserwählten Volk (der Indianer)
gesprochen. Nun hatten die frühen Siedler aus Europa
alle noch in Erinnerung, daß man bei den Juden
regelmäßig ein Pogrom veranstalten konnte, und diese
Menschenverachtung wurde auf die Indianer
übertragen.
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28 In der FAZ vom 10. August 1998:
»Zu den größten Fehlern, die die Alte Welt je begangen
hat, gehört, daß sie den Indianern die beiden Amerika
weggenommen hat. Nicht, daß wir an den Mythos vom edlen
Wilden glaubten, aber zumindest hätten uns die Rothäute
mit Hollywood-Schnulzen, Fleischklopsen in Wattesemmeln
und dem Internet-Explorer 4.01 verschont. Es mag zwar
1620 ein kurzfristiger Vorteil gewesen sein, daß wir die
Puritaner auf humane Weise losgeworden sind, aber dafür
müssen wir jetzt jedes Jahr Tantiemen in Millionenhöhe
an Michael Jackson überweisen. Auch das Gold der Inkas
hat unserer einheimischen Wirtschaft mehr geschadet als
genützt.«
Prägnanter kann man die Auswirkungen der
Entdeckung nicht formulieren, wenn auch der Hinweis auf
die allgegenwärtigen und fettigen Pommes (rot-weiß)
fehlt.
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29 Der portugalfreundliche Papst Nikolaus billigte den
Portugiesen in einer Bulle 1455 zu, die Länder der
Ungläubigen bis an die Küsten Guineas zu erobern. Sixtus
IV. teilte die Welt 1481 in zwei Teile und alles, was
südlich der Kanarischen Inseln lag, wurde in der Bulle
»Aeterii Regis« dem Königreich Portugal zugesprochen. Am
4. Mai 1493 wird in der Bulle »Inter caetara divinae«
die Welt von Papst Alexander VI. abermals geteilt;
diesmal erhält Portugal alle Länder westlich des 38.
Meridians, aber im Vertrag von Tordesillas (1494) wird
die Teilungslinie um eintausend Kilometer nach Westen
verschoben, und deshalb sprechen die Brasilianer
portugiesisch und nicht spanisch.
Elisabeth I. von England protestierte daraufhin,
da »der Papst kein Recht hat, die Welt aufzuteilen und
Königreiche zu geben und zu nehmen, wie es ihm gefällt.«
Der Protest war erfolglos, da der Papst ja wohl schlecht
auf diese Protestantin hören konnte; aber dieser
Protest gab den Engländern das von nun an behauptete
Recht, zu rauben zu und kapern. Wo immer und wann immer
es sei.
Das sahen die Päpste natürlich anders: Nach der
papalistischen
Doktrin hatte der Papst als Stellvertreter Gottes
auf Erden einen unbeschränkten Machtanspruch über alle
Menschen, und eine rechtmäßige Gesellschaft sei nur die
Gemeinschaft der Gläubigen. Deshalb habe der Papst das
Recht, über jene Gebiete und Staaten, die nicht
rechtmäßig seien (also von Heiden bewohnt), zu verfügen
und die Herrschaft über sie an einen christlichen
Fürsten zu delegieren. William von Occam bestreitet
diese Anmaßung und wird deshalb zum Papstsitz in Avignon
vorgeladen, was er aber nicht tut.
Die vollständige Titulatur eines heutigen Papstes,
»Seiner Heiligkeit«, lautet: »Bischof von Rom,
Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des
Apostelfürsten, Höchster Brückenbauer (Wegebahner) der
Allgemeinen Kirche, Patriarch des Westens, Primas von
Italien, Erzbischof und Metropolit der römischen
Kirchenprovinz, Souverän des Staates der Vatikanstadt,
Knecht der Knechte Gottes«.
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30 Dagegen spricht auch nicht, daß es von dem
portugiesischen Maler Vasco Fernandes, Grão Vasco
genannt, ein Tafelbild aus dem Jahr 1505 gibt, auf dem
der Heilige König Kaspar als indianischer Krieger
dargestellt wird.
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31 Der italienische Baukünstler Leon Battista Alberti:
»Innerhalb der Stadt soll die Straße nicht gerade,
sondern ... in weicher Biegung gekrümmt sein. Und wie
schön wird es sein, wenn sich einem beim Spazierengehen
auf Schritt und Tritt allmählich immer neue
Gebäudeansichten darbieten.« Merket auf, Ihr Mannheimer
und Karlsruher.
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32 Das »Bertelsmann Volkslexikon« knüpft an die
NS-Rasseideologie an, wenn es noch im Jahr 1965 unter
dem Stichwort »Bastard« kundtut:
»(Mischling, Hybride, grch.) (der), ein Individuum, das
aus der Vereinigung ungleicherbiger Geschlechtszellen
hervorgegangen ist; ist fortpflanzungsunfähig, z.B.
Mulatten
(Weiße u. Neger),
Mestizen (weiße u.
Indianer).
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33 Süß, salzig, bitter, sauer, umami: Keine Speise
gelangt ungeprüft in den Magen. Bei einem
»ungewöhnlichen« Geschmack wird der Schluckreflex
unterbrochen, denn die Chemorezeptoren auf der Zunge,
aber auch am Gaumen, registrieren die Genießbarkeit.
Warme Speisen auf der Zungenspitze schmecken süßer,
kalte Speisen saurer oder bitterer; dieser
Temperaturgeschmack – wie auch andere Geschmacksnerven –
ist nicht bei allen Menschen gleich ausgebildet.
Amerikanische Forscher sind der Auffassung, daß es noch
einen sechsten Geschmack gibt: »fett«; das hängt
wahrscheinlich mit den chips zusammen, die in Olestra
kross gebacken werden. In China gibt es als sechsten
Geschmack »Ma«, pikant.
Die Geschmacksknospen von Rauchern sind durch
Nikotin und Teer nicht »beschädigt«, sondern entsprechen
denen der Nichtraucher. Schon nach etwa 20 Minuten nach
dem Rauchgenuß erreichen die Geschmacksnerven wieder
ihre volle Sensibilität. Tröstlich zu wissen.
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34 Der Seemann Rodríguez aus Jerez, von Kolumbus auf
Tobago ins Landesinnere geschickt, entdeckte in dem Ort
Gibara als erster Europäer den Genuß von Tabak. Die
»Schornsteinmänner« – so erzählte Rodríguez dem Kolumbus
– würden ein braunes Rohr in der Hand tragen, das an
einem Ende brannte. Das andere Ende würden sie in den
Mund stecken, kurz daraus trinken, wonach viel Rauch aus
dem halb geöffneten Mund und den Nasenlöchern
entströmte. Rodríguez war wohl der erste Raucher in
Europa. Zurückgekehrt in seine Heimat soll ihn die
Inquisition, die einen Menschen, dem der Rauch aus Mund
und Nase kam, nur als vom Teufel besessen betrachten
konnte, für einige Jahre ins Gefängnis gesteckt zu haben
– eine Bestrafung, die im heutigen Kalifornien für
Raucher ernsthaft erörtert wird. Von den spanischen
Missionaren wurde Tabak als »stinkendes, lasterhaftes
Teufelsgift« verdammt.
Religiöser Wahn auf diesem Niveau ist auch in
Afghanistan anzutreffen, wenn den Menschen, die eine
sog. Ponyfrisur tragen, unterstellt wird, darunter den
Teufel zu verbergen (deshalb sollten christliche
Politikerinnen wahrlich prüfen, ob sie mit einer solchen
Frisur amtieren können).
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35 Petrus Martyr de Angleria (Pedro Anghiera), ein
Italiener, nennt sie später »Cannibali«. Andere Autoren
nahmen diesen Begriff als Synonym für Menschenfresserei.
Am 13. Januar 1493 landete Kolumbus auf Isla Hispanola
und ließ dort eine Menge der dort wachsenden
ajes,
Süßkartoffeln, für die Verpflegung der Mannschaft holen.
Jetzt sah Kolumbus erstmals einen dieser Caniba, »sehr
sonderbar in seinem Aussehen ... das Gesicht ganz mit
Kohle geschwärzt ... all seine Haare sehr lang und
hinten zusammengezogen und gebunden ...so nackt wie die
anderen.« Las Casas: »Der Admiral urteilte, daß er von
den Caribes sein mußte, welche Menschen fressen.« Jetzt
erklärte sich auch, warum Bewohner anderer Inseln auch
eine Geschichte von einer Fraueninsel erzählten, wo
doch diese Caniba ihre Haare lang trugen, »und daß es
ein tollkühnes Volk sein muß, weil sie über alle diese
Inseln hinziehen und die Leute fressen, die sie haben
können.«
Aufgrund der Bewaffnung der Caniba, Bogen und
Pfeile ohne Metallspitzen, bestand kein Anlaß für die
Spanier, diese zu fürchten. Ab dem 13. Januar 1493 geht
Kolumbus davon aus, daß es in der Tat Menschenfresserei
auf den Inseln geben müsse. Das paßte. Jetzt konnte man
begründet gegen die Inselbewohner vorgehen, denn
christlich war die Menschenfresserei wahrlich
nicht.
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36 Der amerikanische Ethnologe William Arens über den
»Man-Eating Myth«: »Kannibalen existieren immer nur bei
den unzivilisierten anderen Völkern.« Der Vorwurf der
Menschenfresserei galt und gilt wechselseitig: Die
Nootka in Nordwestkanada vermuteten diese Sitte bei den
Europäern und beachteten bei Besuchen auf den Schiffen
der Weißen deshalb stets besondere Schutzmaßnahmen.
Ludwig Feuerbach: »Der Mensch ißt, was er ist.« (oder so
ähnlich). James Joyce weist andererseits daraufhin, daß
»der weiße Missionar zu salzig (war). Wie gepökeltes
Schweinefleisch.«Schon Kolumbus schrieb in seinem
Tagebuch (als er die Süßkartoffel kennenlernte), daß die
Indianer von Cubaguas über die Einwohner der Insel Bohio
berichteten:
»Diese hätten nur ein Auge und eine Hundeschnauze und
nährten sich von Menschenfleisch.«
Die spanische Krone sicherte in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts allen gutgesinnten, friedlichen
Indianern den Schutz der Regierung zu und gibt nur die
feindlichen, mit Giftpfeilen schießenden und
menschenfressenden Caribes den Sklavenjägern preis. Und
damit dies keine allzu große Einschränkung bei der Jagd
auf Menschen wird, erklärt man die gesamte Karibenküste
als von den Caribes bevölkert.
Gefunden in der »Berliner Zeitung«: »Kann sich jemand
vorstellen, wie es im Inneren eines Kannibalen
ausschaut, wenn kein Bürger durchrutscht, sondern ein
Burger?«
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37 Der italienische Mediziner und Astrologe Girolamo
Manfredi am Ende des 15. Jahrhunderts: »Es gibt kein
Ding noch Speise, die der Ernährung des Menschen
zuträglicher wären denn das menschliche Fleisch, wenn
da nicht der Abscheu wäre, den die Natur davor hat.« Und
1587 schreibt Baldassar Pisanelli im »Trattato della
natura de cibi e del bere«: »Denn bei den Dingen, die
Übereinstimmung und (wie man sagt) Symbolwert haben, ist
der Übergang und die Verwandlung leichter.«
Darauf fußend wurden die britische Rindviecher am
Ende des 20. Jahrhunderts mit Rindermehl gefüttert, was
zwar der menschlichen Gesundheit ab-, dem Geldbeutel
der Bauern in Europa aber zuträglich ist. Die daraus
entstandene Rinderkrankheit BSE wäre jedoch nicht auf
den Menschen übertragen worden, wäre unter der
britischen Thatcher-Regierung nicht gleichzeitig aus
Gewinn-Maximierungsgründen die Temperatur bei der
Sterilisierung des Rindermehls heruntergesetzt.
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38 Die ersten Sklaven in Amerika machte Hernán Cortés
bei der Niederschlagung eines Aufstandes der Tepeaca (in
Mexiko) im Sommer 1520. An Kaiser Karl V. schreibt er
zur Begründung seines Feldzuges: »Abgesehen davon, daß
sie ... sich gegen Eure Majestät aufgelehnt hatten,
essen sie Menschenfleisch.« Die Sklaven wurden mit einem
»G« für Guerra (Krieg) gebrandmarkt. Da diese
Brandmarkung im Gesicht die schönsten Frauen
verunstaltete, wurden anfänglich nur alte und häßliche
Weiber gekennzeichnet.
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39 Im Nachhinein kann man sagen, daß der »Diebstahl« der
alten Sach-Namen wie auch die Umtaufung des
persönlichen Namens zur psychologischen Kriegführung
gehört; mit der Zuordnung eines neuen Namens wird die
bisherige eigene Persönlichkeit »wertlos« (deshalb im
alten Eherecht die Übernahme des Mannesnamen, deshalb
die Numerierung der Panzerknacker und in Gefängnissen,
deshalb – am schlimmsten – die Einführung von Sarah und
Isaak für jüdische Bürger in der Nazi-Zeit). Mit Hilfe
der Sprache wird Wirklichkeit konstruiert, mit Hilfe der
Sprache wurde jüdischen Bürgern eine »totale Rolle«
übergestülpt. Von einer »totalen Rolle« spricht man,
wenn alles, was ein Mensch tut, auf
eine
Eigenschaft, hier Jude zu sein, zurückgeführt
wird.
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40 Der Ethnologe Robert J. Priest hat die Wortgeschichte
der »Missionarsstellung« rekonstruiert. Erstmals genannt
wurde die »anglo-amerikanische
Mann-oben-Frau-unten-Stellung« in »The Sexual Behavior
in the Human Male« von Alfred Kinsey (1948), der sich
auf Bronislaw Malinowskis Buch von 1929 »The Sexual Life
of Savages in North Western Melanesia« beruft. Richtig
ist, daß sich Bewohner der Trobriand-Inseln
(Papua-Neuguinea) über die »anglo-amerikanische«
Stellung von Kolonialbeamten, Pflanzern und Händlern
lustig gemacht hätten. Nie sei jedoch in diesem
Zusammenhang der Missionar erwähnt worden. Kinsey
benutzt diese Geschichte, um das Bild des sexuell
behinderten Priesters darzustellen. Der Begriff der
»Missionarsstellung« ersetzte die bisherige Bezeichnung
»Ehestandsstellung«. Seit Alex Comforts »The Joy of sex«
(1972) ist der Begriff in den normalen Sprachgebrauch
(als antikirchlicher Kampfbegriff) übergegangen.
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41 Andererseits findet man erste Einsichten in
ökologische Zusammenhänge in Nordamerika bei Humphrey
Gilbert, der 1583 nach Nordamerika kam, um im Gebiet
des heutigen New England eine Kolonie zu gründen.
Gilbert, ein Halbbruder von Walter Raleigh, unterbrach
seine Reise in Neufundland, dem Heimathafen einer
internationalen Fischereiflotte, um sich mit neuem
Proviant zu versorgen.
Die Gründung einer Kolonie im Landesinneren
mißlang, da der dichte Wald ein Eindringen ins
Landesinnere verhinderte. Obwohl Gilbert
vorgeschlagen wurde, den Wald einfach abzubrennen,
lehnte er dies mit der Begründung ab, er hätte gehört,
daß in einem ähnlichen Fall nach Abbrennen eines
Waldes der Fisch aus den umliegenden Gewässern
verschwunden sei. Heute weiß man, dies liegt an dem
Terpentin, einem Destillat von Baumharz, das ins Wasser
floß und dieses bitter gemacht hätte. Trotzdem: Bereits
1640 waren an den Küsten von Massachusetts und
Delaware keine Biber mehr zu finden; den Laubwäldern an
der Küste ging es nicht besser.
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42 »Virgin-soil«-Epidemien (wie man ansteckende
Krankheiten unter zuvor davon nicht betroffene
Bevölkerungsgruppen nennt) führen dazu, daß sie für den
einzelnen extrem gefährlich sind und fast jeder, der
mit einem Erkrankten in Berührung kommt, gleichfalls
erkrankt und deshalb sich die Anzahl der gesunden
Menschen drastisch verringert und weder Krankenpflege
noch Feldbestellung aufrechterhalten werden kann.
Schon Kant meinte, daß epidemische Krankheiten
sich mit der Geschwindigkeit der Reisenden verbreite.
Deshalb sind heutzutage Infektionen im Fernen Osten
binnen weniger Tage auf der ganzen Welt verbreitet. In
Zeiten knapper Kassen wäre es daher nach dem
Verursacherprinzip richtig, die Reise- und
Luftfahrtgesellschaften für die Folgen haftbar zu
machen.
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43 Der bayerische Diplomingenieur Hermann Sörgel
schrieb 1951 (!) in einer Veröffentlichung über das
»Kongomeer«, welches das Mittelmeer bei Gibraltar
abriegeln und damit langfristig das Mittelmeer
trockenlegen sollte:
»Wenn die Weißen Afrika auf Dauer organisieren wollen
... besteht ein Interesse, Gegenden zu vernichten, wo
nur der Schwarze allein leben kann. Die Eingeborenen
... sind Pygmäen, primitive zwergwüchsige Völker, zum
Teil Menschenfresser.«
Nun, auch das ist einer der Hinweise, daß die
nazistische Geopolitik nahtlos in die Geisteswelt der
Bundesrepublik übernommen werden konnte.
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44 Heute werden die »Indios« als »Indígenas« oder
»Campesinos« bezeichnet. Politisch korrekt sei – so der
Vizepräsident der Interessenvertretung der Indios (
Conaie),
Ricardo Ulcuango – »indígenas« oder »nativos« oder auch
»Jene-von-den-ursprünglichen-Völkern«. Wie immer man sie
nennt: Sie leben dennoch am Rande der
europäisch-spanisch geprägten Gesellschaften in
Südamerika; nur langsam – wenn denn überhaupt –
verändert sich ihr Leben zum Besseren. Auswanderung nach
Spanien oder in den Norden des Kontinents – in die
Vereinigten Staaten – ist das Ziel der Armen (wo sie als
Illegale ausgebeutet werden können), aber auch der
Gebildeten.
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