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Die Soldaten und die Ökonomie
Das Interesse des Soldatenkönigs,Friedrich Wilhelm I., am Kartoffelanbau ist leicht zu erklären: Die Einführung stehender Heere im Dreißigjährigen Gemetzel (und in späteren Kriegen) schuf im darauffolgenden Jahrhundert nicht nur eine kontinuierliche Nachfrage nach standardisierten Gütern wie Uniformen und Waffen, was eine Mechanisierung der Produktion ermöglichte, diese Armeen fungierten auch als Wegbereiter der Arbeitsdisziplin; Manufakturen und Kasernen entstanden zeitgleich.
Der sparsame Friedrich Wilhelm I. benötigte Geld für den Aufbau und den Erhalt eines stehenden Heeres (jeder fünfzehnte Mann in Preußen»stand unter Waffen«) und für die »langen Kerls« (von denen der Ire James Kirkland mit einer Größe von 2,18 Meter rund neuntausend Taler kostete und der 1739 Flügelgrenadier bei den Großen Unragierten wurde).
An dieser Stelle ist ein Exkurs über die brandenburgisch-preußischen Herrscher jener Zeit angebracht:– Von 1640 bis 1688 regierte Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688), ab 1657 Herzog von Preußen (nach dem Sieg über die Schweden bei Fehrbellin»Der Große Kurfürst«), hinterließ eine Armee von 31.000 Soldaten,
– danach 1688 bis 1713 KurfürstFriedrich III. (1657–1713),seit 1701 als König in Preußen Friedrich I. »Der schiefe Fritz«, bucklig und kleinwüchsig, vermehrte nicht das Heer, aber Preußen als Staatsidee entstand durch seine Königsberger Krönung, von seinem Enkel boshaft geschmäht
– gefolgt von König Friedrich Wilhelm I. (1688–1640) (der»Soldatenkönig« mit den »langen Kerls«) regierte 1713–1740 – hinterließ eine Armee von 81.000 Soldaten (1718 schon 66.000), die Gardisten mindestens sechs Zoll lang oder hoch und
– dessen Nachfolger war König Friedrich II. (1712–1786), genannt «Der Große«, »Der alte Fritz«, regierte von 1740 bis 1786; die Soldaten seines Garderegiments sollten nicht größer als ein Meter 83 sein und gut anzuschauende Gesichter haben.
Danach wurde es gewöhnlich.
Und noch ein Ausflug in die preußische Geschichte:
1618–1648 »Dreißigjähriger Krieg« (Brandenburg wird zum Durchzugsgebiet schwedischer Heere mit Zerstörungen und Entvölkerung); aber erst 1650 ziehen die Schweden und Franzosen aus Deutschland ab, wobei die Schweden bei dieser Gelegenheit Kartoffeln in ihr Heimatland mitnahmen
1672–1679 »Holländischer Krieg«: Frankreich, Schweden und England gegen die Niederlande, Brandenburg, Spanien, Österreich (1675: Fehrbellin)
1713 Friede von Utrecht; Preußen erhält Obergeldern; der »Spanische Erb-folgekrieges« endet
1715 Preußen tritt in den»Nordischen Krieg« gegen Schweden ein; 1720 kommt das östliche Vorpommern von den Schweden an die Preußen; der Krieg endet 1721
1740–1748 »Österreichischer Erbfolgekrieg« (Österreich, England und Niederlande gegen Preußen, Bayern, Frankreich, Spanien)
1740–1742 »Erster Schlesischer Krieg« gegen Österreich
1744–1745 »Zweiter Schlesischer Krieg«; Österreich bestätigt Abtretung Schlesiens an Preußen; der Preuße Friedrich II. rettet Bayern vor Österreich, was – nachträglich und bei Licht besehen – eine Fehlentscheidung war
1756–1763 »Siebenjähriger Krieg«:Preußen gegen Rußland, Österreich, Frankreich und Kursachsen (1759: Kunersdorf, 1760: die Russen besetzen das erste Mal Berlin)
1772 Erste Teilung Polens zwischen Österreich, Preußen und Rußland; Preußen erhält Westpreußen und den Netze-Distrikt
1778–1779 »Bayerischer Erbfolgekrieg«:Österreich gegen Preußen (mit Unterstützung von Rußland); Friedrich II. rettet wieder einmal Bayern (1704, als Bayern von den Österreichern besetzt wurde, sagte man:»Lieber baierisch sterben als kaiserlich verderben«)
Und dann ging’s 1792–1795 gegen die französischen Revolutionsheere, 1793 Eroberung und zweite Teilung Polens, 1794/1795 Niederschlagung polnischer Aufstände und dritte Teilung Polens, 1806/1807 wüsten französische Revolutionsheere unter Napoleon in Preußen. Es sind jedoch – die Bestrebungen Parmentiers – auch wieder Kartoffeln nach Preußen gebracht worden. Es war eine mörderische Zeit, die auch durch die spätere Verklärung der Freicorps und »Lützows wilde Jagd« nicht besser wurde. Und später (1864) sind’s die »Düppelner Schanzen«, ein kleiner Hügel mit Mühle beim heutigen Dybbøl in Südjütland.
Die Kriege des 18. Jahrhunderts, die das von Friedrich II. hinterlassene Staatsvermögen von fünfzig Millionen Taler aufzehrten und die Verschwendungssucht des »Dicken Wilhelm« (Friedrich Wilhelm II.) führten zur Verarmung des Staates und damit auch der Bürger; gespart wurde an den Bildungseinrichtungen. Da war es kein Wunder, daß die Bürger wieder verstärkt die Kartoffel auf den Tisch bringen mußten.
Brandenburg-Preußen war– wie alle Staaten jener Zeit – feudalständisch organisiert, der Reichtum des Landes wurde in der Landwirtschaft erwirtschaftet. Die althergebrachte ostdeutsche Agrarverfassung sah eine Gutsherrschaft zur Ausnutzung bäuerlicher Arbeitsdienste für die Bewirtschaftung des adligen Landes vor; im Westen Deutschlands und in Westeuropa bildete sich zur selben Zeit die andersgeartete»Rentengrundherrschaft« aus. Angebaut wurde in der Mark Brandenburg, dem Kernland Preußens, vorwiegend Getreide, für dessen Export (wie auch für Erbsen, Bohnen und Kartoffeln) zeitweilig strenge Maßstäbe galten oder der sogar verboten war.
Das Verbot des Exports von Kartoffeln (zum Beispiel in einem Edikt der Kriegs- und Domänenkammer im preußischen Kleve vom 5. Dezember 1771) ist ein Hinweis auf die Bedeutung der Knolle als Nahrungsmittel; im kölnischen Herzogtum Westfalen wurde am 17. September 1771 in einem Edikt der Kartoffelzehnte ausdrücklich angemahnt und zugleich ein Exportverbot für Nahrungsmittel erlassen. Auch in der Grafschaft Mark wird 1771 ein Exportverbot wegen der großen Hungersnot verkündet.
Voraussetzung für das Bestehen Brandenburg nach dem Dreißigjährigen Krieg war die Existenz eines stehenden Heeres. Falls KurfürstFriedrich Wilhelm als Herrscher reüssieren wollte, so bedurfte es der Unterstützung des Adels für das zu schaffende Heer und ausreichender Steuereinnahmen.
Es gab kein preußisches Volkstum, keinen mehr oder weniger einheitlichen Dialekt, kein Patois, keine vorherrschende Folklore wie man sie sogar noch heute in Bayern findet mit Lederhose und Gamsbart (in Preußen fehlen die Berge), keine gemeinsame Historie, nicht einmal ein einheitlicher gemeinsamer Glauben. Der Berliner Erwin Blumenfeld in »Einbildungsroman«:»Man war Preuße, kennt ihr meine Farben. Man war markiger Brandenburger: heilige Dreieinigkeit, Knorke. Nie war ich Deutscher. In Wahrheit war ich nur Berliner und bin’s geblieben, immer nur Berliner. Genauer Südwestberliner und Westwestberliner. Die anderen Stadtviertel waren Ausland.«
Das Verbindende Preußens war der jeweilige Herrscher und der Staatsname (jedenfalls für große Teile des Gebietes), von dem mit militärischer Gewalt christianisierten Volksstamm der»Pruzzen« oder »Prußen« im Baltenland übernommen.
Die Verschiedenheit war das Wesentliche. Die Autorität des Kurfürsten rührte ausschließlich aus der Funktionsfähigkeit des Staatsgebildes her, aus der Leistung der Zentralgewalt, der Subordinarien und des Volkes. Protestantischer Leistungswillen war das Kennzeichen dieses Preußen; dafür gab es wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt, gab es Freiheiten, die anderswo unbekannt waren. Preußen war ein Militärstaat – Preußen soll ein Militärstaat gewesen sein! Der Franzose Honoré Gabriel Graf Mirabeau:»Andere Staaten besitzen eine Armee, Preußen ist eine Armee.« Aber hier unterschied sich dieses Land nicht von den anderen Staaten jener Epoche. Gilbert Keith Chesterton 1905:»Nie waren die Nationen militaristischer als heute. Nie waren Männer weniger tapfer. ... Der Militarismus war Zeichen für den Untergang Roms, und er ist Zeichen für den Niedergang Preußens.«
Das Landvolk war nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht befriedet, und schon gar nicht im Sinne der Obrigkeit; es hatte genug von den Fehden, von Brandschatzung und Plünderungen, von Notzucht und Totschlag, von der Ausbeutung durch geistliche und weltliche Landesherren. Bettelei und Räuberei waren vielfach einzige Mittel, das Leben zu fristen; zugleich bot diese entwurzelte Gruppe ein schier unerschöpfliches Reservoir für ein stehendes Heer, mit dem der Landfrieden (wieder) hergestellt werden konnte.
DemGroßen Kurfürsten gelang beides: Er ließ die bäuerliche Jugend in die Rekrutierungslisten eintragen («enrollieren«), schuf ein Beurlaubungssystem vom Heer, damit auf den Gütern die Landwirtschaft nicht darniederging und erhöhte seine Steuereinnahmen auf sieben Millionen Taler, von denen sechs Millionen für das Heer wieder draufgingen.
Wenn man diese Armee bezahlen wollte und außerdem noch einen Kriegsschatz ansammeln wollte (fünf Millionen waren nach einem der politischen Testamente Friedrich II. von 1752 nötig für einen Krieg), mußte eine moderne Wirtschaftspolitik betrieben werden, damit Steuern erhoben werden konnten.
Der preußische Staat, ob Kurfürst oder König, finanzierte und subventionierte Manufakturen, die Leinen- und Wollweberei (auch für die Soldatenröcke), gründete eine Staatsbank, kümmerte sich um Landverbesserung und Landgewinnung. Das war für die damalige Zeit modern, zufälligerweise auch menschenfreundlich, denn es gab Arbeit und damit Brot und Kartoffeln.
Das von König Friedrich Wilhelm I. und von König Friedrich II. geschaffene Finanzsystem kannte zwei Arten von Steuern: Die»Akzise« als eine in den Städten erhobene Verbrauchssteuer und die»Kontribution« als auf dem Land gebräuchliche Besitzsteuer.
Hilaire Belloc, ein englischer Schriftsteller und Historiker (1870–1953) schrieb dazu passend:»Lord Finchley flickte eigenhändig sein elektrisch Licht.Der Schlag ihn traf: Geschieht ihm recht!Denn es dem reichen Mann obliegt, Daß er dem Handwerk Arbeit gibt.«
Wer nicht arbeitete, zahlte keine Steuern. Auch nach dem Beginn der Neuzeit galt das antike Weltbild, wonach derjenige, der Verantwortung trug, nicht arbeiten durfte. Aber der Adel hatte das Privileg, sie demjenigen, der an der Spitze des Landes stand, zu bewilligen, der wiederum alle, die unter ihm standen und nicht zum Adel gehörten, schröpfen durfte (und mußte). Steuern mußten also bewilligt werden – vom Junker und vom Bürger in den Landtagen, wo nach altem Recht der Steuerwunsch des Landesherrn bewilligt oder abgelehnt wurde.
Der Adel – nicht nur in Preußen – betrachtete Nehmen und Geben nach althergebrachtem Brauch als Zeichen und Mittel der Macht, die Bürger in den Städten sahen Kaufen und Verkaufen als Zeichen und Mittel des von ihnen erarbeiteten Vermögens. Der Vorwurf der Bürger, der Adel sei räuberisch auch noch nach dem Ende des klassischen Raubrittertums, wurde berechtigt erhoben.
Es war im preußischen Staat also nicht so, daß Friedrich II. sich seine Einnahmen selbst bewilligen konnte. Absolutismus gab es nur in seinen höchstprivaten Landen. Und schon sein Ahne, der Große Kurfürst, hatte Ärger, weil er zu den Reformierten und nicht zu den Lutheranern gehörte. Auch da hatte die Macht des Landesherrn Grenzen.
Die Steuerpolitik Friedrich II. beschränkte sich vornehmlich auf die Akzise – einer Steuer, die insbesondere auf Nahrungsmittel bei der Einfuhr in die Städte erhoben wurde (größere Dörfer wurden auch schon mal zu Akzisestädte ernannt) –, die den Landadel nicht verärgerte, und einherging mit dem Verbot, auf dem»platten Lande« den Betrieb von Handwerk und Manufaktur zu errichten oder stark einzuschränken; außerdem erhob Friedrich in einem ungeheuren Ausmaß Zölle (an sich nur eine Verrechtlichung der früheren Wegelagerei) und ferner Abgaben für Transit- und Einfuhrwaren.
Zwar förderte Friedrich II., die »Industrie«, andererseits gefährdete er mit seiner Steuerpolitik die Wohlfahrt seines Landes – es war alles in allem eine bönhasige Politik. Im übrigen beherrschte er das Geheimnis der Geldvermehrung durch die Prägemaschine: In keinem großen Land des 18. Jahrhunderts wurde der Silbergehalt der staatlichen Münzen so weit reduziert, daß selbst die Staatsbehörden die Münzen nur mit einem Abschlag zurücknahmen, ganz abgesehen davon, daß es auch nicht der feinen preußischen Art entspricht, wenn man in Leipzig erbeuteten Prägestocke für polnisches und sächsisches Geld einfach mit minderen Edelmetallgehalt weiterverwendet.
Die Steuerfestsetzungen gingen überwiegend zu Lasten der bäuerlichen Bevölkerung die auch aus diesem Grund versuchten, den Zehnt durch den (noch) abgabefreien Knollenanbau zu verringern.
Der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm,konnte nur eine einzige, eine geringfügige, Steuer gegen den Adel durchsetzen: das sog. Lehnpferdegeld. Und dies auch nicht in Brandenburg, sondern in Ostpreußen. Bei der Erfassung der für diese Steuer maßgebende»Hufe« wurde Land in solchen Menge unterschlagen, daß sich Ostpreußens Fläche (daran gerechnet) plötzlich halbierte. Dieser Adel und seine Abkömmlinge übernahm dann die Leitung der Bürokratie, ehrlich, unbestechlich, gewissenhaft, ihrem Staate dienend. FranzMehring schreibt mehr zu diesem Kapitel preußischer Geschichte.
Friedrich II. stellte aufgrund seiner geringen Besteuerungserfolge (Minimax: minimaler Ertrag bei maximalem Ärger) schließlich den Adel steuerfrei, der somit »immun« wurde,»denn ihre Söhne sind es, die das Land defendieren, davon die race so gut ist, das sie auf alle Weise meritieret, konservieret zu werden.«
Das adlige Offizierstum wurde die Brücke, auf der sich Junker und König zusammenfanden. »Jedem das Seine«, »cuum cuique«, heißt es denn auch auf dem höchstem Orden, »Schwarzer Adler«.
Ein Hindernis bei der Steuererhebung war die Politik des Adels, die Bauern zu verjagen und durch Instleute, Häusler, Beständner (Pächter) oder Dreschgärtner zu ersetzen. Als»selbständige« Bauern hatten sie Steuern abgeliefert; beispielsweise waren im kurkölnischen Sauerland die Bauern mit 81 Prozent am Aufkommen der Hauptsteuer beteiligt. Von Kotsassen auf dem mit Adelsland verbundenen steuerfreien Gütern erhielt der Landesherr nichts; darum das Verbot des Bauernlegens durch den preußischen Landesherrn. »Die Rittergutsbesitzer legen so viele Bauern als sie können«; man läßt nur übrig, was für Schanzdienste erforderlich ist, der Rest kann als Tagelöhner eine kleine Hütte bewohnen und auf seinem kleinen Kartoffelstück gegen einen miserablen Tagelohn in Korn und nur sehr wenig Geld schuften. In der Preußischen Gesindeordnung von 1810 heißt es im § 73:»Allen häuslichen Einrichtungen und Anordnungen der Herrschaft muß das Gesinde sich unterwerfen.«
Ein von August Bebel im Reichstag zitierter Landwirt wies daraufhin, daß die Bauern, ihre mannbaren Söhne und die Verwalter auf den größeren Gutshöfen ihre Machtstellung ausnutzten, um sich die »schönsten und besten Arbeiterinnen« zu unterlegen:»Der Herr Verwalter bestimmt z.B., wer von der weiblichen Arbeiterschaft auf dem Kornboden verwendet werden soll. Die betreffende Arbeit wird gewöhnlich gern angenommen, weil sie leichter ist als die Feldarbeit. Ist die Arbeiterin auf dem Kornboden angestellt, so findet der Verwalter als Vorgesetzter genug Mittel und Wege, um das Mädchen, das sein Begehren reizt, seinen Gelüsten willfährig zu machen.«
In Ostpreußen kam noch hinzu, daß die Einwanderungspolitik und die im Osten übliche Erbregel zu einem Überangebot an Arbeitskräften auf dem Lande führten, so daß sich eine Verschiebung von Bauern, Halbbauern und Krügern zu den Knechten, Dienstjungen, Mägden und Margellen ergab, die sich mit »freier« Lohnarbeit (Spinnen, Waldarbeiten) durchs Leben schlugen. Damit wurde (so G. F. Knapp 1927) »auf der einen Seite der Landmann ohne Dienst, auf der anderen Seite der Dienstmann ohne Land« geschaffen.
1766 wird von Friedrich II. ein Erlaß des »Königlich Preußischen General-Oberfinantz-. Kriegs- und Domainen-Directoriums« an die Provinzregierungen herausgegeben. Darin werden die »Gemeinheiten und Gemein-Hüthungen« aufgehoben zur »beßere(n) Cultur derer Ländereyen, die Verbeßerung des Wiesewachses und Verstärckung des Vieh-Standes« seinen »getreuen Unterthanen zu ihrem eigenen Vortheil«. Wichtig für Friedrich und für den später folgenden Kartoffelbau ist, daß»solche Reviere ... unter die Interessenten vertheilet, von dem Eigenthümer der ihm zugefallene Theil geschonet, durch lebendige Hecken oder sonst umzäunet, umgraben und mit guten Futter-Kräutern ... besät«
und dadurch werden. Hört sich gut an, war aber im Ergebnis die letzte Stufe der Enteignung der Allmende, der Wegnahme von Gemeindeland.
Mehr als ein Drittel der Soldaten des Soldatenkönigs waren Ausländer; Preußens Herrscher waren die einzigen Reichsfürsten, die darauf bestanden, in anderen Gebieten Anwerbungen vorzunehmen, zugleich aber Werbungen im eigenen Land unterbanden.
Mit dem Kantonreglement (1735) brachte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ein wenig Ordnung in die Soldatenfängerei: Er legte fest, daß von Militärpflicht »exemt« (befreit) waren die Junker (die als Offiziere dennoch dienten), die Söhne vermögender bürgerlicher Eltern, Theologiestudenten, alle Manufaktur- und Industriearbeiter, die Besitzer von Hofstellen und ihre Erben. Was blieb übrig? Die nichterbenden Bauernsöhne und die Knechte, die Klein- und Ackerbürger, die Handwerker. Mindestens zwei Jahre dauerte die Exerzierzeit des – so hießen die ausgehobenen Soldaten – Kantonisten; und »unsicher« waren diese, weil sie ständig auf Desertion, auf Flucht, warteten. Danach wurde er nach Hause beurlaubt.
Friedrich II. brachte sein Heer nach dem Siebenjährigen Krieg auf 151.000 Mann, 1786 auf 195.000 Mann. Man muß das wissen, denn aus diesem Kreis kamen Lehrer für die Dorfschulen. Für die Verbreitung der Kartoffel war die europaweite Zwangsrekrutierung junger Männer vorteilhaft, kamen durch die fremden Leute auch neue Ernährungsmethoden nach Brandenburg-Preußen – nach Brennus und Borussia.
Kriegsdienst war keine Ehre. Städter und Adel waren von den»Enrollierungen« befreit, Handel, Gewerbe und gelehrte Berufe mußten grundsätzlich keine Rekruten stellen, Bauern und Landwirte mit Grundbesitz, die Neusiedler im Oderbruch und anderswo und die Arbeiter in den Manufakturen waren auch von den Aushebungen geschützt.
Eingezogen wurden also die brandenburgischen Bauernsöhne, zwangsverpflichtet für zwanzig Jahre und wurden jährlich für zwei Monate wieder eingezogen (wobei diese Einziehungen auf die Landwirtschaft Rücksicht nahmen) und zehn Monate waren sie freigestellt; das Schwergewicht der preußischen Armeen lag damit ganz automatisch auf den im Ausland eingefangenen Soldaten. Die Anwerbungs-Methoden waren drastisch, Desertion – trotz Spießrutenlauf und anderer drakonischer Strafen – üblich. Häufig verstanden es die Offiziere, in Absprache mit den Müllern und Bäckern des Ortes, den Soldaten minderwertiges Brot – aus Kleie und Futterwicke – austeilen zu lassen; bisweilen backte man das Brot nur halb aus, so daß das vorgeschriebene Gewicht erreicht, aber eine entsprechende Unbekömmlichkeit in Kauf genommen wurde. Mangelkrankheiten waren die Folge.
Der Engländer James Boswell schildert 1764 die Behandlung preußischer Soldaten:»Mit Hübner im Tiergarten, wo wir einem preußischen Regiment beim Exerzieren zusahen. Die Soldaten vor Furcht gelähmt; beim geringsten Versehen wurden sie wie Hunde geprügelt.«
Und – nochmals – solche Leute bekamen später als Schulgesellen die Macht über Kinder! Der unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und seinem Feldmarschall Leopold von Anhalt-Dessau eingeführte Stechschritt (marschieren mit gestrecktem Knie, Ferse fest auf dem Boden, Synchronizität des Schlagens mit der Hand auf dem Gewehrlauf) wurde unter Friedrich II. beibehalten. Das formale Exerzieren war Vorbereitung auf das »mechanische« (will sagen »ordnungsgemäße« tötungsorientierte) Verhalten auf dem Schlachtfeld.
Ulrich Bräker fällt 1755 in die Hände des preußischen Militärs, und erst ein Jahr später gelingt ihm bei der Schlacht von Lobositz die Desertion; in seinen Lebenserinnerungen schreibt er 1789:»Da mußten wir [in Potsdam] zusehen, wie man sie durch 200 Mann, achtmal die lange Gasse auf und ab Spißruthen laufen ließ, bis sie atemlos hinsanken – und des folgenden Tags aufs neue dranmußten; die Kleider ihnen vom zerhackten Rücken heruntergerissen, und wieder frisch drauflosgehauen wurde, bis Fetzen geronnenen Bluts ihnen über die Hosen hinabhingen.«
Der Aufseher Osmin auf dem Landgut von Selim Bassa in Mozarts »Entführung aus dem Serail«:»Erst geköpft, dann gehangen,
dann gespießt mit heißen Stangen,
dann verbrannt, dann gebunden
und getaucht, zuletzt geschunden.«
Die Auswahl von Garnisonstädten erfolgte immer unter dem Gesichtspunkt, Desertionen zu behindern; so wurden 1710 neue Garnisonen in Zossen und Mittenwalde ausschließlich wegen der vorhandenen Stadtmauern eingerichtet. Während des»Kartoffelkrieges« wegen der bayerischen Erbfolge wurden sechshundert Troßknechte in Emden – eigene Untertanen – unter dem Vorwand ziviler Arbeit geworben, auf Schiffe verbracht und verschleppt. Die Angeworbenen aus allen umliegenden Ländern waren»Taugenichtse, die den Müßiggang der Arbeit vorziehen, Wüstlinge, die unter der Fahne ein freies Leben und ungestraftes Treiben suchten, aus ungeratenen Söhnen, wilden Gesellen.«
SoFriedrich II. selbst. Voltaire sagte über die Soldaten seines Gönners, daß sie»hervorragende Mörder in kurzem Waffenrock« seien.« Lehrernachwuchs? Schulmeister? Schulgesellen? Schon zu Zeiten des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. entstand in Preußen ein System, das neben der Anwerbung ausländischer Soldaten einer selektiven Wehrpflicht, für alle, die darunter fielen, nachkam.
Das Rekrutierungssystem für Friedrichs Armee (zeitweise zweihunderttausend Mann bei etwa 2,5 Millionen Einwohnern) minderte die ackerbauende Bevölkerung erheblich; aber die arbeitsame Stadtbevölkerung war ebenfalls betroffen, geringer, aber so ganz ging die Soldatenfängerei an ihnen nicht vorbei. Handwerker hofften, daß ihre Söhne möglich klein gerieten, damit ihrer Werkstatt der Nachfolger erhalten werden konnte. 1715 flüchten wegen der Rekrutierungsmethoden vierzig Familien französischer Manufakturarbeiter heimlich aus Berlin und gehen nach England und Irland; bereits 1721 war in Preußen die Auswanderung nach»drüben und draußen« verboten worden.
Erst nur die»langen Kerls« unter dem Soldatenkönig, dann junge und ältere Männer beimzweiten Friedrich, wurden vom Pflug weg, fort von Kraut- und Kartoffeläckern, in die Armee geschleift, für Preußens Glanz und Gloria.
Anmerkungen
1 Der Soldatenkönig ließ seine langen Kerls gar »hohe« (nicht große) Frauen heiraten, um seine eigenen Riesen zu züchten – ergebnislos. Den Finnen Daniel Cajanus, der 2,47 m groß war und der sich für die»lange Garde« selbst beworben hatte, ließ der König zwar malen, lehnte ihn aber wegen seiner Übergröße ab.
Das war nicht nur eine spinnerte Idee des Soldatenkönigs mit den »langen Kerls«: Die preußische Infanterie war mit einem Vorderladergewehr ausgerüstet, das mit seinem langen Lauf (etwa 155 cm) bereits auf 200 Meter feuerwirksam war. Nur große Männer besaßen die Armspannweite, die es gestattete, bei sorgfältiger Einübung den komplizierten Schießen–Laden–Ablauf (drei Schuß in der Minute) rasch und mechanisch auszuführen. Und außerdem waren solche lange Kerls schreckenerregend. Die »Langen Kerls« wurden auch »Seiner Majestät Rothe Grenadiere« genannt; bemerkenswert ist auch, daß bei diesen Soldaten der linke und rechte Schuh identisch waren.
Ein anderer Finne mit dem Namen Jonas Cajanus beschreibt 1782 eine auf die finnischen klimatischen Verhältnisse abgestellte Art der chuño-Zubereitung, um die Knolle bei den Landwirten zu popularisieren. zurück
2 Um 1700 bestand noch Kaiser und Reich. »König von Brandenburg« hätte die Reichsmacht provoziert – Preußen, Ost-Preußen, war außerhalb des »Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation«, deshalb konnte man sich »König in Preußen« nennen. Ähnlich gingen die Wettiner vor, die »Könige von Polen« wurden und die Welfen, die »Könige von England« wurden; damit wurden diese Regionalfürsten stillschweigend auch Könige von Brandenburg, von Sachsen und von Hannover. zurück
3 Damit nicht der Eindruck entstehe, daß davor alles friedlich war, eine kleine Auswahl: 1563–1567 sind die Grumbachschen Händel, 1566–1568 ein Türkenkrieg, 1570–1572 Unruhen in Windischgarten, 1574–1598 Konfessionsstreitereien in Aachen, 1575 Unruhen im Taunus, 1582–1590 Kölner Krieg, 1583–1604 der Straßburger Kapitelstreit, 1592–1608 ein (diesmal) Großer Türkenkrieg, 1605–1611 Bruderzwist bei den Habsburgern, 1609–1614 Jülicher Erbfolgestreit und dann erst kommt der Prager Fenstersturz 1618. zurück
4 Pommern war damals schon arm. In seiner Frühzeit war es von Wenden und Slawen besiedelt, von Wikingern erobert und bevölkert, später von Dänen, von Polen und vom Deutschen Ritterorden unterjocht und christianisiert. Während des Dreißigjährigen Krieges war Pommern »Blutland« unter schwedischer Herrschaft, danach die Sorgenprovinz der preußischen Könige, hier kommt der Haß auf die Junker her, die die Menschen bedrängten. Heute existiert es nur noch als MeckPomm: Ohne Bodenschätze, nur Torf, Landwirtschaft, hochsubventionierte Fischverarbeitung (zu Lasten Cuxhavener Arbeitsplätze), Landwirtschaft, Rechtsradikalismus (der die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert), Pommersche Dickschädel, »Marienkäfer flieg, Dein Vater ist im Krieg, Pommerland ist abgebrannt und Du kommst angerannt« heißt es in einem Abzählreim. zurück
5 Noch Ende des vorletzten Jahrhunderts:
»Den Schlag der deutschen Bärenpfote / Ihr kennt ihn, Ihr Romanen wohl / Seit Alerich, der junge Gote, das Tor zerschlug am Kapitol / Und Euch, Ihr Slawen und Polacken, ist deutsche Kraft bekannt seit lang, / Seit dröhnend trat auf Euren Nacken der Heineriche Siegergang.«
Das hat doch ‘was, nicht wahr? Darüber sollten die jeweiligen Bundesverteidigungsminister ‘mal eine Kommission einsetzen. zurück
6 Dieser Friedrich Wilhelm II. hatte eine Liaison mit Wilhelmine Encke, der »preußischen Pompadour«, über die tout Berlin klatschte und tratschte. zurück
7 In der Tat wohnte und arbeitete (und heiratete) man in einem der seit 1920 bestehenden zwanzig Bezirke Berlins. Mit wenigen Ausnahmen arbeiten man in einem Umkreis von etwa zwanzig Minuten Fußweg zum Arbeitsplatz. Heiraten außerhalb eines der Berliner Bezirksgrenzen (zum Beispiel zwischen Kreuzbergern und Steglitzern) waren sehr selten, da man nicht nur seinen Kiez verließ, sondern manchmal auch Standesgrenzen übersprang. zurück
8 Die Sprache der Pruzzen oder Prußen, dem Litauischen und dem Lettischen am ähnlichsten, ist seit etwa 1700 untergegangen und lediglich in einem Wörterverzeichnis aus dem 14. und in einer Bibelübersetzung aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Nach dem Geschichtsschreiber Simon Grunau hätten diese alten Preußen sogar eine eigene Schrift gehabt. Dieser baltische Volksstamm verbrannte oder begrub seine Helden »mit Pferden, Menschen, Waffen, Kleidern oder anderen Kostbarkeiten« und mußte nach der Unterwerfung durch den Deutschen Orden auf die bis dahin übliche Witwenverbrennung verzichten. Die Russen bezeichnen – abwertend – die gewöhnliche rote Küchenschabe mit »prussak« und mit »Prussacke« sind die Preußen gemeint. zurück
9 Das Reisen war damals nicht nur mühsam, sondern auch äußerst gefährlich. Nicht erst nach dem Dreißigjährigen Krieg zogen Soldaten durch die Lande, für die Straßenräuberei die einzige Einnahmequelle war. In einer Geschichte aus Norddeutschland aus dem Jahr 1592 heißt es, daß die Mordgesellen vom Riesenbusch (an der Straße von Hamburg nach Lübeck) unter Leitung ihres Hauptmanns Papedoncke ein »durchreisendes Frauenzimmer« gefangen nahmen. »Drei Tage lang trieben sie viehische Unzucht mit ihr, schnitten sie dann am Leibe auf, nahmen ihr Herz heraus, theilten es in vier Teile und fraßen es dann zusammen auf.«
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde es eher noch ärger. In der Schrift »Des Baurenstandes Lasterprob« heißt es:
»Was die schlimmsten Soldaten tun, eben das, und vielleicht ein mehreres, tun die Bauren. Ob sie es von den Soldaten oder die Soldaten von ihnen gelernt haben, ist eine dunkle Frage, es scheint, es sei einer so wert und gut als der andere.« Wer zu Fuß unterwegs war, mußte aufpassen. Zum nächsten Dorf in zehn Meilen Entfernung kam man nicht immer »ungeschoren«.
Bemerkenswert ist, daß in diesen Jahren auch die Anzahl der Wölfe wieder zunahm, die von den Landesherren durch Treibjagden schließlich (bis etwa 1780) ausgerottet wurden; diese Treibjagden dienten zugleich der Disziplinierung der eigenen Bevölkerung (wie – man erinnert sich – die völlig nutz- und sinnlose Volkszählung in den 1980er Jahren). Gleichzeitig eskalierte die Verfolgung der »Tater«, die als »Muster« der Umherziehenden zerstört werden mußten. zurück
10 Mit der »Enrollierung« wurden 14- und 15jährige Jungen als zukünftige Soldaten listenmäßig erfaßt; sie erhielten ein Halstuch oder einen alten Soldatenrock oder ein anderes militärisches Kleidungsstück. zurück
11 In seinem 6. politischen Testament legte Friedrich II. fest, daß dem Bürger mindestens die Hälfte seines Einkommens verbleiben müsse; der ehemalige Bundesverfassungsrichter Kirchhoff »erfindet« diese maximale Steuergrenze als allein verfassungsgemäß auch für die heutige Bundesrepublik.
Jean-Babtiste Colbert (1619–1683), der Erste Minister des Sonnenkönigs, Ludwig XIV.: »Die Kunst der Steuererhebung besteht darin, die Gans so zu rupfen, daß sie unter möglichst wenig Geschnatter möglichst viel Feder liefert.« Da aber heutzutage die Vermögenden zugleich schreien und schreiben können, geht‘s nicht mehr geräuschlos. zurück
12 Ein Beispiel: Der berühmte Antwerpener Drucker Balthasar III. Moretus wird 1692 in den Adelsstand erhoben. Er muß um das ausdrückliche Privileg, sein Gewerbe als Drucker fortzuführen, etliche Bittschriften einreichen. Als Wappen wählt er auf einem goldenen Feld einen schwarzen Adler mit rotem Brustschild, in diesem ein goldener Stern und darunter ein fünfteiliges schachbrettartiges Feld in Blau und Silber; Schachbretter im Wappen galten als besonders edel. Adel ohne Einnahme ist nicht so erstrebenswert. zurück
13 Nach den sprachlichen Regelungen des Mittelalters definierte sich Adel nach Abstammung von einem alten Geschlecht, Herrschaft über das Handeln anderer, materieller Reichtum (zumindest so tun, als hätte man) sowie Ehre als Grundlage der Standeskultur. Und ordentlich gekleidet mußte man sein: jasje en dasje.
Adel war aber auch Stil wie es in einem aristokratischen Erziehungsbuches des 16. Jahrhunderts steht: »Zeigt ein großer Herr sein Glied in Gegenwart eines Menschen geringeren Standes, dann beweist er nicht Hoffart, sondern Liebe und Freundlichkeit.« So ist das also.
Sebastian-Johannes von Spoenla-Metternich weist daraufhin, daß die heutige Namenspraxis des Adels in weiten Teilen nicht grundgesetzgemäß sei: Nach Art. 109 der Weimarer Verfassung dürfen in Deutschland Adelstitel als (unveränderbare) Bestandteile des Nachnamens weitergeführt werden. Das bedeutet – so »Der Spiegel« im Mai 1999 –: »Folglich muß es ... ›Hans Graf von Meier‹ heißen – denn einen Grafen Hans von Meier gibt es genau wie Prinzessinnen, Fürsten und Barone in Deutschland seit 1919 nur noch in der Märchenwelt,« Auch Richard von Weizsäcker müsse demnach angeredet werden mit »Herr Freiherr von Weizsäcker« und nicht nur mit »Herr von Weizsäcker«, denn »Obermüller« würde auch nicht zu »Omüller« verkürzt, und sicherlich ist demnach die Anrede »Frau Graf von H.« verfassungskonformer als »Frau von H.«. zurück
14 Die Domänen des Kurfürsten lieferten etwa vierzigtausend Taler im Jahr ab – das gereichte gerade für die Hofhaltung, denn auf ein bißchen Luxus wollte man nicht verzichten, man gönnt sich ja sonst nichts. zurück
15 Dadurch war die Landbevölkerung gezwungen, in der »Stadt« einzukaufen und dort die »Akzise« als »Kontribution« zu entrichten. Zugunsten der Junker entschied Friedrich II., die – an sich – steuerpflichtigen Einkäufe des Adels von Abgaben zu befreien. zurück
16 Nach dem Siebenjährigen Krieg sollte die preußische Wirtschaft aufgebaut werden: Preußische Uhren waren zu teuer, das Papier zu schlecht, die Landwirtschaft erfolglos, die Herstellung von Stoffen nicht konkurrenzfähig, lebensfähig alles nur durch Importverbote, Schutzzölle und durch Kaufvorschriften – Planwirtschaft. Da konnte, durfte, sich die DDR berechtigt auf Preußen berufen. zurück
17 Friedrich II. verdiente durch diese Münzmanipulationen eine Summe von etwa fünfzig Millionen Reichstaler, immer mehr als ein Drittel der Kosten des Siebenjährigen Krieges. General von Tauentzien war verantwortlich für diese Münzverschlechterung, mit der Preußen die enormen Kriegskosten auszugleichen suchte; es war für den General ein erträgliches Geschäft und sein Sekretär in dieser Zeit war Gotthold Ephraim Lessing (der ebenfalls profitierte). Mehr dazu bei Peter Blastenbrei: »Der König und das Geld« zurück
18 Der Beginn einer Reform des bäuerlichen und ländlichen Wirtschaftens erfolgte nach den Niederlagen Preußens gegen die napoleonischen Truppen (1806). Der preußische König war in Königsberg, die Bürokraten in Berlin machten sich ans Werk. Niebuhr, von Hardenberg, Schön, von Stein schrieben in einer Denkschrift: »Alle schlafenden Kräfte wurden geweckt, das Elende und Schwache, veraltete Vorurteile und Gebrechen wurden – freilich zugleich mit manchem Guten – zerstört.«
In der Landwirtschaft bestand dringender Handlungsbedarf, denn Felder von Kleinbauern, Bauern, Gutsherren und Allmendefelder waren durcheinander und nebeneinander. Die Dreifelderwirtschaft führte dazu, daß ein Drittel der Landwirtschaftsfläche ungenutzt liegen blieb (das wird heute durch Stillegungsflächen seitens der Brüsseler Behörden wieder angestrebt). 1810 wurde das sog. Oktoberedikt erlassen: Alle Gutsuntertänigkeit wurde aufgehoben, vom Martinitag 1810 an sollte es in Preußen nur noch »freie Leute« geben. Man erinnere sich, der Martinitag war seit alters her der Tag, an dem die Gänse geschlachtet wurden; so geschah es denn hier mit den Untertänigen, die das Land, auf dem sie saßen und arbeiteten, ablösen, d.h. kaufen mußten, und sich auf Jahrzehnte verschuldeten. Für den preußischen Adel war es die Gelegenheit, endlich Geld in die Finger zu bekommen und damit in die Industrie zu gehen und überall im Lande Kartoffelschnapsfabriken aufzubauen. Goethe: »Der Deutsche säuft und zählt die Ahnen.«
Selbstverständlich besaßen die alten Grundherren weiterhin das alleinige Jagdrecht und wurden Landrat und entschieden weiterhin, wer Pfarrer oder Lehrer im Dorf werden durfte. »Jämmerliche Maßnahmen« nannte Friedrich Engels später die Agrarreformen nach dem Oktober-Edikt.
Die »Revolution von oben« beschrieb ein Landgeistlicher wurde 1840:»Aus dürftigen Wirthen sind schon nach einem kurzen Zeitraum ziemlich wohlhabende geworden. Einzelne, der Trägheit und dem Laster ergebene Bauern, welche die sich ihnen darbietenden Mittel zur Verbesserung ihrer Güter nicht nutzen wollten, gingen zwar mit raschen Schritten ihrem Untergang entgegen; die übrigen hingegen, welche, nachdem ihre Fesseln gelöst waren, die erlangte Freiheit mit umsichtiger Betriebsamkeit ausbeuteten, sind in eine viel bessere Lage gekommen. Nicht nur reichen die verbesserten Weiden, der ausgedehntere Klee- und Erdtoffelbau dem Vieh kräftige Nahrung dar, sondern auch die sorgfältig bestellten, zum Teil abgemergelten Felder gewähren reiche Ernten.« zurück
19 Zitiert nach Bernd Kölling: »Sexualität und Gewalt in der ostelbischen Landwirtschaft« zurück
20 Die oberste Schicht unterhalb des Adels waren die Voll-Bauern, dann die Halbbauern (eine Bezeichnung für Höfe zwischen 20 und 40 Morgen Land, das durch Land-Zukauf oder Urbarmachung mehr als eine Tonne Hartkorn im Jahr produzierte), es folgen Krüger und Häusler, die neben der Feldarbeit Tagelohnarbeiten ausführen, die Kossäten, Eigenkätner, Gärtner (bei denen das Grundstück keinesfalls für die eigene Ernährung ausreicht und die sich verdingen mußten), dann Instleute, Einlieger, Los- und Hirtengänger und als unterste Schicht die Knechte und Mägde, die Dienstjungen und Margellen. Im preußischen Westfalen hieß die unterste Schicht Heuerlinge oder Mietsmänner, die auf ihrem gepachteten Land von den Bauern abhängig waren. Ein Pfarrer Schwager schreibt 1786, daß dies eine besondere Form der Sklaverei sei. zurück
21 Eine interessante Theorie lautet, daß Karl Marx und Friedrich Engels just in der Zeit auftreten, in der die Privatisierung der jahrhundertelang von den Bauern gemeinschaftlich bewirtschafteten Ländereien vor dem Abschluß steht. Das lateinische »communis« heißt gemeinsam, gemeinschaftlich; die Allmende war demnach eine »kommunistische« Form des Eigentums. Der chinesische Weg zum Kommunismus war demnach näher an Marx als die europäische Interpretation. zurück
22 Die preußischen Offiziere (vielfach die dritten und vierten Söhne des Landadels) hatten in ihren ersten zwanzig Jahren eine frugale und armselige Lehrzeit durchzumachen – mit einem Monatssalär zwischen zehn bis vierzehn Taler. Dann kam die Beförderung zum Compagnie-Chef und innerhalb eines weiteren Jahrzehnts konnte man sich ein kleines Vermögen erwerben. Es ging streng nach dem Senioritätsprinzip (bis zum Majorsrang) vor, so daß jeder Offizier irgendwann in den Genuß eines Vermögens kam. Wilhelm Weitling, ein Schriftsetzer, der zu den Mitbegründern des »Bundes der Kommunisten« Mitte des vergangenen Jahrhunderts gehörte, schrieb 1842 über die verheirateten Unteroffiziere:
»Diese nun sind gezwungen, alle Löcher auszustöbern, wo es etwas für sie zu krebsen geben kann; denn von ihrem knappen Sold können sie kaum ein Glas Schnaps zu ihrem Kommißbrot trinken.« zurück
23 Dementsprechend war das Bildungsniveau, wenn man für diese Zeit überhaupt von »Bildung« sprechen kann, hat es sich doch nur darum gehandelt, die Kinder möglichst schnell für die Feld- und Fabrikarbeit fit zu machen. Die US-amerikanische Armee ließ für die Analphabeten und für die sonstigen englisch-unkundigen Soldaten »Icons« entwickeln, um die geringe Lesefähigkeit ihrer Angehörigen auszugleichen – »in die Tonne werfen« kommt von diesem »Icon«-Dialekt (Lotus-Notes). Spanien hat 2002 für neue Rekruten den Intelligenzquotienten auf 70 herabgesetzt. Da wird die Bundeswehr aufgrund der desolaten Bildungseinrichtungen in Deutschland bald folgen müssen. zurück
24 Der große Kurfürst, Friedrich Wilhelm I., hat preußische Anwälte genauso geschunden wie seine Soldaten: Sie hatten »ein kurz schwarz Mäntelchen zu tragen, damit man die Schelme von weiten erkennt.« Bei heutigen Gerichten sieht man manchmal Anwaltsroben, die noch aus jener fernen Zeit stammen müssen, verschlissen wie sie sind. Aber es gab – wie bei den Soldaten – Ausnahmen: Für Geld konnte man sich vom Tragen der Robe freikaufen. zurück
25 Für einen Nichtbetroffenen sah es schon merkwürdig aus, wenn die NVA-Soldaten in ihrem Stechschritt paradierten. Auch hier: Militärische Ordnung als Voraussetzung und Begleitung der Industriearbeit im realen Sozialismus. zurück
26 Heutzutage würde eine solche Äußerung sicherlich bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe führen. zurück
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