Warum Friedrich II. einige
                    Soldaten zu Lehrern machen mußte 
                
                Über die Situation der Frauen in jenen fernen
                Jahrhunderten muß hier geredet werden. Dann wird
                verständlicher, warum die Kartoffel einen so starken
                Einfluß auf das Bildungswesen in Preußen hatte. Nur
                unter den bestimmten Bedingungen, dieFriedrich
                II.vorfand (und die er nicht wesentlich verändern konnt
e), war es überhaupt möglich (und
                notwendig) Soldaten zu Schulmeisternzu machen. 
                
                Frauen konnten ursprünglich – im frühen Mittelalter –
                den Beruf einer 
Schreiberin ausüben
                und später sogar Lehrerinnen an städtischen Schulen
                werden. Daneben betrieben Frauen wie auch Männer auf
                eigene Rechnung 
Schulen
                (Winkelschulen genannt), ohne von einer Stadt oder von
                einem Kloster hierzu beauftragt worden zu sein. Diese
                Winkelschulen boten Schreibern und Rechenmeistern,
                Studenten, Klerikern, Magistern und Scholaren eine
                Möglichkeit, ihre Kenntnisse gegen Entgelt 
weiterzugeben. »Sie henkten die Tafel
                aus« und richteten in Wohnungen oder in gemieteten
                Räumen, in irgendwelchen Winkeln des Ortes, ihre Schule
                ein. Winkelschulen waren vielfach Familienbetriebe; die
                Mitarbeit als »Lehrfrau«, bei der Versorgung von
                Kostgängern, beim Unterricht der Mädchen und bei der
                Beaufsichtigung, wenn der Lehrer die Glocken läuten
                ging, und die Bearbeitung des Schul- und Küchengartens
                war für die Lehrerfrau und für den Unterhalt der Familie
                unerläßlich.
 
                
                Schulunterricht wurde bis weit ins 19. Jahrhundert im
                Regelfall in einer Klasse für alle Schüler (unabhängig
                von Lebensalter und Schuljahren) 
gemeinsam
                  durchgeführt. Später hießen solche Schulen
                »Zwergschulen«; aber auch daraus kamen hervorragende
                Landwirtschaftsminister und Bundespräsidenten. In
                der Württembergischen Schulordnung von 1559 steht:
                
                  »So dann der Schulmeister die Schulkinder mit nutz
                  leeren will, So soll er die in drey Heüfflein theilen.
                  Das ein, darinn die jhenigen gesetzt, so erst anfahen
                  zu Buchstaben. Das ander, die, so anfahen, die
                  Syllaben zusamen schlahen. Das dritt, wölche anfahen
                  lesen und schreiben.«
                
                
                In Orten, in denen es keine Kirche, wohl aber
                bildungshungrige Dörfler gab, unterrichteten
                Wanderlehrer, die im Frühjahr weiterzogen (weil der
                Schulbetrieb eingestellt wurde). Zumeist kam im
                Spätherbst ein anderer dieser Lehrer an eine solche
                Unterrichtsstätte; die Dörfler versorgten diesen
                Wanderschulmeister so lange, wie er Schule hielt, und
                nur dann gaben sie ihm eine (einfache) Unterkunft und
                Kost; Schulgeld gab es nicht, so daß die Lehrer zum
                Frühjahr wieder mittellos auf Wanderschaft gingen.
                Irgendeinen Winkel hatten die Bauern schon, in dem ihre
                Kinder lesen und rechnen lernen sollten.»Berufslehrer«,
                die ganzjährig tätig wurden, mußten in öffentlicher
                Kirchenversammlung die»Sing- und Orgelprob« ablegen.
                Viel mehr wurde nicht verlangt (und konnte auch nicht
                geprüft werden). 
                
                Im verhältnismäßig fortschrittlichen Brandenburg-Preußen
                werden die Zustände um 1800 wie folgt beschrieben:
                
                  »In vielen Dörfern wird zwar Schule gehalten, aber
                  nicht von einem vorbereiteten, geprüften, förmlich
                  angesetzten und besoldeten Lehrer, sondern die
                  Gemeinde mietet sich, für drei oder vier Wintermonate
                  irgend einen leicht zu befriedigenden
                  Schneidergesellen, der dann mit seiner Schule
                  wöchentlich von einem Haus zum andern wandert, und
                  ebenso in der Reihe von den Hauswirthen gespeiset
                  wird. In der Altmark und in Pommern pflegt man diese
                  wandernden Lehrer, die immer nur für das nächste Jahr
                  gemietet werden, Gang- oder Laufschulmeister zu
                  nennen. Oft hütet dann ein und
                  derselbe Mann im Sommer das Vieh, im Winter die Jugend
                  des Dorfes; und die Vereinigung dieser beiden Posten
                  ist immer noch natürlicher und begreiflicher, als
                  wenn, wie dies würklich auf mehreren Dörfern der Fall
                  ist, der Schulmeister, um leben zu können, zugleich
                  Nachtwächter ist.«
                
                
                Erst in den 1820er Jahren setzte sich eine Prüfung der
                Lehrer durch, was zu unterschiedlichen,
                leistungsbezogenen Einkommen führte: Vom
                hochqualifizierten Lehrer »Erster Klasse« bis zu den
                »Lehrern 5ter Classe, die völlig unfähig sind«. In
                Oldenburg gab es nach 1828 nur noch Lehrer der Klassen
                eins bis drei, die zwischen 30 und 50 Taler (jährlich)
                erhielten. 
                
                Die allgemeine Bildungsmöglichkeit im Mittelalt
er wurde abgelöst durch nach
                Geschlechtern getrennte Schulen, durch die Einschränkung
                des Schulbesuchs – insbesondere für Mädchen – und durch
                den Ausschluß der Frauen vom Lehrerberuf. Mädchenbildung
                wird fast überwiegend nur noch als Vorbereitung für 
Hausfrauen- und Mutterdasein angesehen;
                die 
Frauen verdrängt, die Männer
                alles beherrschend. 
                
                Deshalb waren die Schullehrer schon zu Beginn des
                Dreißigjährigen Krieges männlich und so blieb es
                weitgehend denn auch bis ins 20. Jahrhundert, mit
                wenigen Ausnahmen im 19. Jahrhundert: Im
                Württembergischen Volksschullehrergesetz aus dem Jahr
                1877 heißt es:
                
                  »Die Lehrerinnen verlieren im Fall ihrer Verehelichung
                  den Anspruch auf ihre Stelle« und »haben keinen
                  Anspruch auf ein Ruhegehalt«, denn die »Anstellung
                  weiblicher Individuen im öffentlichen Dienst steht im
                  Widerspruch mit dem Wesen und der Natur des Weibes.«
                
                
                Nachdem die Frauen erst aus den Handwerken
                ausgeschlossen waren, kamen (konsequent waren die Kerle
                schon) die Heil- und Lehrberufe, aus 
denen
                die Frauen entfernt wurden. Übrig blieben Tätigkeiten im
                nichtmilitärischen Troß der Söldnerheere, als
                Marketenderin (»Mutter Courage«) oder als Köchin oder
                für die »nichtehelichen wercke«: In Stadt und Dorf
                wurden »Rosen«-Straßen eingerichtet (in Köln durften die
                
gemeyn frauwen auf dem Domplatz den roten
                Schleier tragen und zeigen). 
                
                Das Verdrängen der Frauen aus den 
Meisterfunktionen
                und den Handwerksbereichen und aus anderen beruflichen
                Tätigkeiten war
 die Problemlösung des damaligen
                Arbeitsmarkts. Jetzt gelang es, die frauenfreundlichen
                Bestimmungen des 
»Corpus iuris civilis«
                des byzantischen Kaisers Justinian aus dem Jahr 527
                abzuschaffen. Jetzt gelang es dem biederen Bürger, seine
                Frau wieder zum »Heimchen« zu machen und sie dem Mann
                untertan zu halten. Adolph Freiherr von Knigge über den
                Umgang mit Menschen:
                
                  »Freilich, da der Mann von Natur aus bestimmt ist, der
                  Ratgeber seines Weibes, das Haupt der Familie zu sein;
                  da die Folgen jedes übereilten Schrittes auf ihn
                  fallen.«
                
                
                Die wirtschaftliche Konkurrenzsituation erlaubt es den
                allein stimmberechtigten Männern in Zünften und Räten,
                die Zulassungskriterien für Zunftberufe zu verschärfen
                und die Frauen aus den Zünften auszuschließen, nachdem
                die Handwerke den Juden schon längst verschlossen waren
                und sich im 15.Jahrhundert die Handwerker-Organisationen
                auch gegen christliche Konkurrenten abschlossen. Frauen
                konnten das Handwerk, das Geschäft, erben, aber besaßen
                im Regelfall innerhalb der Zünfte nur die Kontrolle (im
                Rahmen der Zunftregeln) über die Technik, über die
                Produktion. Insofern ist eine Kontrolle der Produktion
                allein nicht ausreichend, auch die politische Kontrolle
                auszuüben: Da haben sich Karl Marx und seine Adepten
                etwas vertan. Das Drängen in die Städte (»Stadtluft
                macht frei«) führt überdies zu einem Überangebot
                vorwiegend männlicher Arbeitskräfte.
 
                
                Die Reformatoren sorgten in ihrem Gebiet für klare
                Verhältnisse; so wurden 1537 als ein Zeichen
                protestantischer Neuorientierung in Augsburg die
                Frauenhäuser, vormals teilweise städtisch lizenzierte 
Bordelle, geschlossen und die Frauen
                vor den Rat zitiert, um wegen fehlender Zucht verhört,
                gerügt und bestraft zu werden. Zu jener Zeit entstand
                die Vorstellung, daß Frauen sexuell unersättlich und
                herrschsüchtig seien, mithin eine Gefahr für die
                männliche Vorherrschaft, jetzt wurden den Frauen
                die»Zügel« angelegt, dem Ehemann und einem neuen
                Eherecht unterworfen und wirtschaftlich 
eingeschränkt .
                
                
                Als Ausgleich durften die ehe
mals
                katholischen Priester jetzt heiraten und die Nonnen
                sollten/mußten sich einen»Herrn« nehmen, sofern sie
                nicht als»Hübschlerin« enden wollten. So kam das
                »geistliche Nymphlein« 
Katharina von
                  Bora zu ihrem Martin Luther und schuf damit den
                Mythos des protestantischen Pfarrhauses: Keuschheit und
                Sex (
patella dignum operculum: da paßt der
                Deckel zur Schüssel) – zusammengeführt in der
                christlichen Ehe; die Bora kann nun die von Martin
                gewünschten matrinalen Handreichungen zulässig und
                zuverlässig erledigen. Martin Luther und die anderen
                Reformatoren sehen die Ehefrau als »Gehilfin« – der
                Mann übernimmt die materielle Versorgung der Familie,
                die Frau die Kinder und deren rechte Erziehung im
                Glauben –, während im »Catechismus Romanus« und der
                seelsorgerischen Umsetzung des Trienter Dekrets von 1566
                die Frau als »Gesellin« geschätzt wird. Mutterschaft,
                Treue und Gehorsam finden ihre Begründung nicht mehr
                nur in Evas Ungehorsam. Gelobt wurde die züchtige und
                ehrbare Ehefrau, aber das Landvolk hat sich um dieses
                »Ideal« – wegen der Arbeitsumstände, die die
                mitarbeitende Frau erzwangen – weniger bemüht als die
                bürgerlichen und gebildeten Stände. 
                
                Die damaligen
 – vielfach nur Frauen
                zugänglichen Badestuben – sind nicht zu verwechseln mit
                den heutigen Frauenhäusern. Gemeinsam ist ihnen, daß
                sie ein Hort der Freiheit von unterdrückten Frauen sein
                sollen. Aber die 
Badestuben sorgten
                für Reinlichkeit und Lustgewinn – was wollte man mehr
                verlangen? 
                
                Damit die Frauen nicht wieder ins Wirts
chaftsleben
                zurückdrängen konnten, wurde die Inquisition,
                ursprünglich nur gegen die Katharer in Aquitanien
                gedacht, als Mittel der wirtschaftlichen Demütigung der
                Frauen eingesetzt. Die Hexenverfolgung, die allzu
                selbstbewußte oder auch nur berufstätige Frauen mit
                eigenem Vermögen mit Folter (in Regensburg in der 
»Fragstatt«) und anschließender
                Verbrennung und ähnlichen Gottesurteilen bestrafte und
                ihre Enteignung betrieb, erreicht Mitte des 16.
                Jahrhunderts einen traurigen Höhepunkt. Zu Beginn des
                15. Jahrhunderts waren die Frauen in die ihnen gemäße
                Rolle einer Hausfrau und Hausbesorgerin zurückgedrängt.
                Die Verurteilung als Hexe schloß die Frau aus der
                Gesellschaft aus und wehrte so die Gefahr ab, die diese
                Frauen für das patriarchalische System darstellten; ihr
                Vermögen wurde der Kirche übergeben, die
                mit»Hexengeld« manch’ schöne Kirche baute. 
                
                Anzumerken ist an dieser Stelle, daß in der Schweiz noch
                im 20. Jahrhundert die Disziplinierung insbesondere
                lediger Frauen auch durch die 
Erzählung
                von Märchen und Volkssagen erfolgte, die zumeist mit dem
                lakonischen Hinweis enden: »Die wurde dann verbrannt.«
                Hexe und Hure wurden/blieben 
austauschbar.
                Ursula Brunold-Bigler verweist in »Hungerschlaf und
                Schlangensuppe« auf das kirchliche Frauenbild,
                
                  »nach welchem die einen Frauen auf die Altäre, die
                  anderen auf den Scheiterhaufen und nach dessen
                  Abschaffung ins soziale Abseits gehören.«
                
                
                Hinzuweisen ist an dieser S
telle
                auch, daß insbesondere Frauen mit der Androhung der
                anatomischen Sektion diszipliniert wurden. Die Anatomen
                des 17. Jahrhunderts bestanden nämlich darauf, die 
Anatomie vorwiegend am weiblichen
                Körper zu erlernen. Auch aus den entstehenden Alten-
                und Armenhäusern wurden die Leichen geholt, so daß die
                Armen und Alten sich mühten, rechtzeitig wieder auf der
                Straße zu sein: Als besonders schimpflich wurde nicht
                nur die Zerstückelung empfunden, sondern auch, daß die
                Leichen in aller Öffentlichkeit seziert wurden; jeder,
                der bereit war, den Zutritt zum »anatomischen Theater«,
                mit Geld zu bezahlen, konnte bei einer Sektion
                dabeisein. Bei den Verbrechern galt die Sektion sogar
                als strafverschärfend – man hoffte gar, die Sektion
                würde »liederliche Frauen (dazu zählten auch die
                unverheirateten Frauen mit Kindern – nicht jedoch die
                dazugehörenden Väter) vielleicht dadurch vor manchem
                Bösen desto mehr abhalten«. 
                
                Beispielhaft sei aber auch – neben den»offiziellen«
                Frauen = Hexen-Verfolgungen genannt: 1597 wird erstmalig
                eine (gesonderte) Strafanstalt für Frauen in Amsterdam
                mit Arbeitszwang eingerichtet, 1621 werden kinderreiche
                Familien in Spanien steuerlich entlastet und 1700
                werden in Brandenburg unverheiratete Frauen höher
                besteuert, was aber wohl nur die Bürgerfrauen traf. 
                
                Andererseits kann festgestellt werden, daß nach der fast
                uneingeschränkten Wiederherstellung der
                Männerherrschaft die Hexenverfolgungen Folterungen
                und aufhörten (1712 in England, 1714 in Preußen, 1749
                in Würzburg, 1782 in Glarus, 1793 in Posen). Damit
                hörten die Torturen nicht auf; man nannte sie nur
                anders. In Preußen wurde die Aufhebung der Folter 1747
                (vertraulich) nur den Richter-Kollegien und
                Schöffenstühlen mitgeteilt und drittens, wenn’s denn
                sein mußte, wurde auf direkte Anweisung Friedrichs
                wieder geprügelt und gefo
ltert. 
                
                Die Verfolgung von Frauen, die empfängnisverhütende
                Mittel kannten und anwendeten (Hebammen, Apothekerinnen
                und Ärztinnen), geht jedoch weiter. Wie sagte doch
                Darryl Van Horne über diesen Aspekt der Hexenverfolgung
                richtig: »Die Ärzte wollten die Frauen aus dem
                Hebammengeschäft verdrängen.« 
                
                Die aus Schlesien stammende »Hof-
Wehe-Mutter«
                Justina Siegemund veröffentlichte 1690 ein »Ein höchst
                nöthiger Unterricht von schweren und unrecht stehenden
                Geburthen«, das von den meisten männlichen Ärzten
                abgelehnt wurde, weil »blinde Manöver« im Unterleib der
                Gebärenden sich schlecht mit der Wissenschaftlichkeit
                vertrug und obwohl die »Ordinarii der medicinischen
                Facultät« der Universität Frankfurt an der Oder »geben
                zu vernehmen, daß unter solcher Schreibens-Art viele
                gute und nützliche Dinge ... angegeben und ...
                beschreiben seynd«. Die Ärzte vertrauten mehr dem, was
                sich sehen ließ, auch wenn ein solches Wissen erst bei
                einer Autopsie gewonnen werden konnte. 
                
                Und weiter geht auch die Verfolgung der Frauen und die
                Verdächtigung auf teuflische Künste, die ihren Anteil an
                der Sexualität wünschen. Aber immerhin: 1673
                veröffentlichte der Nürnberger Johann Nikolaus Pfizer
                ein Buch, in dem er der Frau einen eigenständigen Anteil
                an der Sexualität gestattet, nur empfiehlt er zugleich,
                sein »Zwey sonderbare Bücher Von der Weiber Natur Wie
                auch deren Gebrechen und Kranckheiten« wegzuschließen,
                denn wer »diese Zeilen mit unverschämten Gemüth liest,
                mag nicht die Natur sondern seine eigene Schuld
                anklagen«, womit wir denn wieder beim Thema »Kunst
                und/oder Pornographie« und der FSO wären. Das war der
                Beginn des viktorianischen Zeitalters, die das 19.
                Jahrhundert in Europa prägten und den heutigen
                Bibel-Gürtel in Amerika. 
                
                In einem erst 1998 bei Laura Ormiston Chants gefundenen
                Brief schreibt George Bernard Shaw, daß er Anhänger der
                Prostitution sei, im übrigen schätze er Sex so sehr wie
                gebratene Kartoffeln (das ist non testatum – n.t.) und
                Pflaumenkuchen. 
                
                  
                Neben anderen Pflanzen (z.B. Melisse) spielt die
                Kartoffel eine sehr rühmliche Rolle in der Sexualität.
                Ein Weg, »bei Nacht schöne und liebliche Dinge zu
                sehen«, ist die sehr vorsichtige Verwendung von
                Nachtschattengewächsen: Man müsse sie zu einer Paste
                oder Salbe verarbeiten und diese an den empfindlichen
                Stellen der Haut auftragen; aus den in der Erde
                verborgenen Knollen und einer Vermischung mit den
                roten (oberirdischen) Beeren stellte »frau« ein Balsam
                her, der in die Haut »eingestreichelt« wurde und den
                »ehelichen wercke« gut tun sollte. Wilder Rosmarin (auch
                als Surrogat für Hopfen verwendet), Liebstöckel, Senf,
                Stechapfel, Bilsenkraut, Schlafmohn, Schierling,
                Muskatnuß halfen dem Ermatteten genau so wie Sellerie,
                den der Volksmund so verehrt als Geilwurz, Bockskraut
                und Hemdenspreizer. Fliegenpilz (Amanita muscaria) und
                Krötenhaut (kann DMT, einen halluzinogenen Wirkstoff
                enthalten) ergaben eine Flugsalbe, die vaginal
                appliziert wurde – und dann konnte man fliegen! oder
                zumindest das Gefühl haben. Heute tut’s »Red Bull« aus
                Österreich. 
                
                Und nicht vergessen, das wiederentdeckte
                Johanniskraut, das gegen schlechte Stimmung hilft, weil
                es auf das Dopamin einwirkt und die Botenstoffe
                Noradrenalin und Serotonin beeinflußt (und bei Ratten
                dämpft es das Verlangen nach Hochprozentigem). Außerdem
                hemmt dieses antibakterielle Johanniskraut auch noch das
                Wachstum verschiedener Mikroorganismen. 
                
                Der aus Neapel stammende Giovan Batista della Porta
                schilderte 1589, wie sich»Hexen« eine Paste (aus
                Kinderfett, Eisenhut, Pappelblättern, Fledermausblut,
                Teufelskirsche und Öl) unter die Achseln rieben, worauf
                sie»high« wurden und zu fliegen anhoben (
carpe noctem)
                und in »Macbeth« ist es die Hexenbrühe-Ingredienz
                Ziegengalle. Schnell war eine Frau bescholten. 
                
                So ist zu verstehen, daß als Hexen verleumdete Frauen
                versuchen, sich der Verfolgung zu entziehen und
                Zauberkräfte anwenden: »Fort, Gespenster!
                Nachtgesichte! Luftgebilde! Fieberträume«. So ist zu
                verstehen, daß Frauen sich Holunderzweige ans Fußende
                des Bettes banden, um zu verhindern, daß sie Hexen
                wurden. Seit de
n alten Römern wurde
                der Tatbestand der Zauberei nicht deshalb geahndet,
                weil er auf einen Aberglauben zurückgeht, der geeignet
                war, manche Leichtgläubige zu täuschen, sondern weil
                die Zauberei ernst genommen wurde und ihre Wirkungen
                sicher eintraten. Der »Sommernachtstraum« von
                Shakespeare (zum Beispiel) besteht nur aus
                Zauberkunststückchen. Erastus meinte in »De Lamiis«,
                es sei nichts Besonderes, daß Hexen versprechen,
                Zaubertränke zu brauen, mit denen sie Männer und Frauen
                zu Haß oder Liebe zwingen könnten. 
                
                Mit dem Hexenwahn verschwanden aber auc
h
                die Solanaceen als Betäubungsmittel aus dem
                Arzneischrank der Mediziner, denn welcher Archiater
                wollte schon seinen Patienten ein Mittel geben, das
                neben Betäubung auch noch orgiastische Träume mit dem
                Teufel hervorrief. 
                
                 
 
                
                Unter der allgemeinen Verelendung nach dem 11.
                Jahrhundert hatten zuerst die Frauen zu leiden. Auch
                hier eine Parallele zur heutigen Zeit: Frauen werden
                schneller arbeitslos als Männer und bleiben es auch
                länger (wie in den neuen Bundesländern deutlich
                erkennbar ist). Die Städte waren zerstört oder verlassen
                – auch als Folge der jahrzehntelangen Kriege um
                irgendwelche Erbschaften – die Landbevölkerung wurde
                von den Höfen vertrieben. 
                
                Beide Gruppen – die Frauen und die Landbevölkeru
ng – erlebten einen deutlichen
                sozialen Abstieg und wurden, so Braudel, zu
                umherziehenden Bettlern und Vagabunden. In Österreich
                werden die Vaganten, die auf der Straße Vagierenden,
                mitsamt ihren Kindern verbrannt als Hexen und Zauberer.
                Zugleich waren diese Entwurzelten vielfach treibende
                Kraft bei vielen Exzessen und Pogromen gegen »Hexen« und
                Juden; das »Hepp, hepp« ertönte bei jeder Gelegenheit
                zur Schuldbefreiung. 
Das »Christentum« fühlte
                sich bedroht und ging in Aggression über: nach innen
                gegen Frauen und Juden, nach außen gegen Sarazenen und
                Türken (die sich wehrten). 
                
                Je schwächer die Herrschaft im jeweiligen Gebiet
                ausgeprägt war, desto stärker die Verfolgung der Juden,
                desto häufiger die Verbrennung unschuldiger Frauen; in
                Frankreich, den Niederlanden, in der Kurpfalz, in
                Kursachsen und Kurbayern waren Hexenverfolgungen die
                Ausnahme; in den schwachen und kleineren Staaten hing
                das Schicksal der Betroffenen davon ab, ob die Gerichte
                den Pressionen der Straße ausgesetzt waren und deshalb
                – wegen der fehlenden Unterstützung ihrer Herrschaft –
                nachgeben mußten. Nur in einem nach innen starken Staat
                (wie Preußen) konnte ein Spee von Langenfeld
                wirken.fz28-29 
                
                
  
                
                Nach dem Ende der auf Selbstversorgung ausgerichteten
                Villikationshöfe (
Bauern mit Erbrecht und
                  persönlicher Freiheit) müssen die Landwirte immer
                häufiger Produkte für den (anonymen) Markt an ihre
                Verpächter abliefern oder – später – an deren Stelle 
Geld. Die ursprünglich bestehenden
                Grundherrschaften, deren Basis die »familia«, der
                jeweilige Hörigenverband bildete, wurde bereits zwischen
                dem 11. und 13. Jahrhundert zugunsten eine
                territorialen Herrschaft zurückgedrängt; über die
                »familia« wurden eigene Zwing- und Bannrechte,
                Steuererhebung und Frondienste verhängt. Damit waren die
                herkömmlichen Organisationsformen der Eigenversorgung
                veraltet, wurden nicht mehr berücksichtigt. 
                
                Der Kartoffelanbau mit seiner gleichmäßig über das Jahr
                verteilten Arbeitsintensität, aber auch die
                verhältnismäßig schnelle Herstellung einer Mahlzeit aus
                Kartoffeln ermöglichte es, neben der Feld- und
                Gartenarbeit Textilien zu verarbeiten, Tuche
                herzustellen und diese anstelle der Viktualien
                abzuliefern. Im Vogtland waren Kartoffeleintöpfe
                (schmecken erst beim zweiten Mal) üblich, da hier
                die»Koch-Arbeit« am wenigsten Zeit in Anspruch nahm.
                Gekochte Kartoffeln wurden bereits zum Frühstück
                eingenommen. 
                
                
                Dieser Ausflug in die wirtschaftliche und soziale
                Verdrängung der Frauen war notwendig, um die Situation
                im 17. und 18. Jahrhundert zu verstehen. Nur vor diesem
                Hintergrund dieser Umstände war der preußische
                KönigFriedrich II. in der Lage, seine invaliden
                Sergeanten zu Lehrern zu machen; nur in diesen Umständen
                ist nachzuvollziehen, daß die Kartoffel 
ein
                Wegbereiter für die Bildung breiter Volksschichten
                wurde. 
                
                
                
 
                Anmerkungen
                
                1       Frauen konnten
                ursprünglich (im frühen Mittelalter) den Beruf einer
                Schreiberin ausüben. Die heutigen Sekretariate sind mit
                wenigen Ausnahmen immer noch (»feministische
                Errungenschaft«?) oder wieder eine weibliche Domäne.
                Die Bedeutung der Frauen in der
                christlich-abendländischen Bildung ist auch daraus zu
                ersehen, daß zum Beispiel im Freiburger Münster die
                »Sieben Freien Künste« noch 1270 von Frauen (Grammatica,
                Rhetorica, Dialectica, Musica, Arithmetica,
                Geometria, Astronomia. In Freiburg hat die
                Grammatica eine Rute in der Hand, um einen Schüler zu
                schlagen) dargestellt werden. Gegen Ende des 15.
                Jahrhunderts werden diese Künste nicht mehr durch
                Frauen repräsentierte Teile der göttlichen Weltordnung;
                jetzt sind es Männer, die die Disziplinen
vertreten.                
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                2       In Bologna sind
                die Anfänge einer Universität auf die Initiative von
                Studenten zurückzuführen, die sich einen Lehrer
                suchten, ihn bezahlten und sich als Korporation
                Privilegien von der Stadtverwaltung zusichern ließen.
                Erst später fanden Vorlesungen regelmäßig und in
                bestimmten Gebäuden – zumeist nationalen Kollegien –
                statt.   
                
                Die Einführung von Studiengebühren an deutschen
                Universitäten Anfang des 21. Jahrhunderts soll nur die
                leeren Kassen der öffentlichen Haushalte füllen; eine
                Qualitätsverbesserung ist nicht
beabsichtigt.                
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                3       »Ist es besser,
                daß in sogenannten lateinischen Schulen alle Lehrer in
                allen Klassen unterrichten, oder daß jeder Lehrer seine
                eigene Klasse habe?« wurde 1798 in den »Beiträgen zur
                Verbesserung des Kirchen- und Schulwesens«
                gefragt.                
                
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                4      In Tönning an der
                Eider – zum Beispiel – existierte bis 1806 eine
                Gelehrten- und spätere Bürgerschule, in der Knaben und
                Mädchen getrennt unterrichtet wurden. Die Knabenschule
                bestand aus vier Klassenstufen: Unterelementarklasse,
                Oberelementarklasse, Rechenmeisterklasse und
                Rektorklasse, für die Mädchen gab es nur zwei
                Klassenstufen: eine obere und eine untere, was damals
                als ausreichend angesehen
wurde.                
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                5      Nur ein Schelm käme
                auf die Idee, zu sagen, daß wegen der überproportional
                hohen Anzahl von Lehrern in den deutschen Parlamenten
                die Bundesrepublik ein Nachtwächterstaat
                sei.                
                
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                6      Gegen Ende des 18.
                Jahrhunderts schreibt – beispielsweise – die
                ostpreußische Elisabeth von der Recke: »Die
                Wissenschaft, zu der ich erzogen wurde, bestand darin,
                die Anwesenden mit Bescheidenheit zu unterhalten und in
                Gesellschaft zu glänzen.« Heute: Weder Glanz noch
Bescheidenheiten.                
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                7      Vielleicht hängt
                diese Vertreibung aber auch nur damit zusammen, daß die
                Frauen – wie britische Wissenschaftler feststellten –
                ein »Plapper-Gen« besitzen und an einem Tag
                durchschnittlich rund 23.000 Wörter aussprechen
                gegenüber nur 12.000 Wörter von Männer. Die Kerle
                wollten vielleicht in der Zunftstube nur ihre Ruhe haben
                und ihren Geschäften nachgehen. Wie schon Plautus zu
                Recht bemerkte: 
Tacita bona est mulier semper quam
                  loquens – Eine Frau ist immer besser, wenn sie
                schweigt, als wenn sie redet. Am Ende des 15.
                Jahrhunderts waren in Köln unter 2782 Steuerzahler 733
                Frauen.   
                
                Im übrigen muß darauf verwiesen werden, daß Frauen nur
                erwähnt wurden, wenn’s gerichtsnotorisch wurde, so daß
                es eine große »Dunkelziffer« über die Tätigkeiten der
                damaligen Frauen gibt.  
                
                Schon Xenophon schrieb um 375 vor Chr. im Zusammenhang
                mit Landwirtschaftsangelegenheiten im »Oikonomikos«:
                
                  »Denn der Männer Leib und Seele hat Gott so
                  zugerichtet, daß sie Kälte, Hitze, Reisen und
                  Kriegs-Dienste besser ausstehen können, wodurch er
                  ihnen die auswärtigen Geschäfte angewiesen. Indem er
                  aber den Weibern nicht Körper von so harter Natur
                  gegeben, so scheint es ihm, daß Gott dadurch die
                  Verrichtung innerhalb des Hauses anbefohlen
                  hat.«                zurück
                
                   
                
                8      Die Leitung der
                nicht-militärischen Gruppen in diesen Heeren oblag in
                vielen Fällen den weiblichen »Hurnweibel« («hurn«:
                heuern, einstellen); »Hurerei« entwickelte sich erst
                später zum Synonym für Prostitution. Eine berufstätige
                selbständige Frau, die dem Mann schließlich untertan
                war, wie es die zölibatäre Schule, aber auch Luther und
                seine Nachfolger lehrten, störte die sauberen Herren.
                Umberto Eco sieht es richtig: Einem solchen Mannweib wie
                Eva,
                
                  »einer so gedankenlosen Person, die, kaum daß man ihr
                  Ausgang gibt, Arm in Arm mit dem Fürsten der
                  Finsternis loszieht«,
                
                konnte man eine aushäusige Berufstätigkeit nicht
                erlauben. Das Streitgespräch zwischen einem Jesuiten
                und einem Benediktinermönch (1671) über die Frage »Ob
                Frauen Menschen seyn, oder nicht?« endete nicht mit der
                Drucklegung dieser Disputation. Beide trugen treffliche
                Argumente für ihre jeweilige Sichtweise
                vor.                
                
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                9       Kaiser Justinian
                stand wohl unter dem Schnabelschuh seiner Kaiserin
                Theodora, die (aus dem Bordell kommend) wußte, welche
                Bedeutung ein eigenes Vermögen hat und deshalb den
                »Corpus Iuris Civilis« zusammenstellen
                ließ.                
                
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                10      Das Wort »Bordell«
                ist auf das fränkische »borda« = (Bretter-)Hütte
                zurückzuführen. Louis IX. »der Heilige« von Frankreich
                ordnete im 13. Jahrhundert an, daß die »bordeaux«, die
                Aufenthalts- und Arbeitsstätten der käuflichen Frauen,
                außerhalb der Stadtmauern anzusiedeln seien. In der
                »Ballade von Villon und der Dicken Margot« steht »En ce
                bordeau ou tenons nostre estat«, »in dem Bordell, wo wir
                selbzweit zusammen wohnen.« Der aus Wittenberg kommende
                Hamlet: »Get thee to a nunnery.« Die Frauen wurden auch
                als Betreiberinnen von Badestuben, wegen des angeblich
                und tatsächlich bordellartigen Charakters – verjagt und
                verfolgt. Aber, zugegeben, manche Badestuben ergänzten
                ihr Angebot nach Ladenschluß mit mancherlei
                Erfrischungen durch Wein, Weib und Gesang.   
                
                Der Ausdruck »Kurtisane« ist auf das italienische 
Cortigiani
                zurückzuführen, eine Bezeichnung für Angehörige des
                päpstlichen Hofes, die zum Beispiel in Konstanz beim
                vierjährigen Konzil in eleganten Fehmäntelchen aus dem
                Fell sibirischer Eichhörnchen durch die Stadt
                stolzierten, um sich von einer der etwa 700 offiziellen
                und einer genauso großen inoffiziellen Zahl von
                »geheimen Frauen« verwöhnen zu lassen. Der Tiroler
                Oswald von Wolkenstein doppeldeutig: »Denk ich an den
                Bodensee / So tut es mir im Beutel
weh.«                
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                11       Die
                vorreformatorische Kirche untersagte alle ehelichen
                Beziehungen an jedem Mittwoch, Freitag und Sonntag wie
                auch während der letzten vierzig Tage vor Ostern,
                während der ersten acht Tage nach Pfingsten, während der
                letzten fünf Tage vor jeder heiligen Kommunion sowie an
                den Tagen vor großen Kirchenfesten und an den Bittagen;
                insgesamt waren also die »ehelichen wercke« an etwa
                zweihundertzwanzig Tagen im Jahr untersagt. Da wird
                verständlich, daß die Reformation so erfolgreich war,
                denn Luther erklärte auf Befragen: »In der Woche zwier
                schadet weder dir noch ihr.« Der französische Philosoph
                Michel Foucault vertritt die These, daß die
                staatlich-kirchliche Regulierung der Sexualität ein
                Mittel der Politik sei, die Menschen zu disziplinieren;
                deshalb wollten die Herrschenden möglichst viel über die
                Sexualität ihrer Bürger wissen. Pfui
Deibel.                
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                12       Die letzten Reste
                von wirtschaftlicher Freiheit auf Seite der Frau werden
                mit dem 
Code Napoléon aufgehoben: Frauen
                erhalten im (lustfeindlichen) 19. Jahrhundert die
                Pflicht der Hege und Pflege von Gatten und Kinder, was
                denn bis zum Ende des 20. Jahrhundert auch so bleiben
                wird. Im sog. Vormärz entschied 1843 eine preußische
                Staatskommission, daß bei Ehebruch die Verschuldung der
                Ehefrau eine sehr viel schwerere und ihr Ehebruch »in
                höherem Grade als der des Mannes unsittlich« sei (erst
                1998 wird in der laizistischen Türkei im Strafgesetzbuch
                die Gleichstellung von Mann und Frau in diesem Punkt
                festgeschrieben). Der Ehrverlust des Mannes wegen
                Ehebruch war geringfügig, denn er verfügte noch über
                eine Berufsehre oder eine Ehre kraft Herkunft, die Ehre
                der Frau jedoch hing am seidenen Faden sexueller
                Integrität.    
                            
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                13      Katharina von Bora
                hatte im Kloster das Brauen erlernt und ist auch dort zu
                ihrer Braugerechtsame gekommen, die sie später weiter
                benutzte, um ihren Martinus bei Laune zu halten.
                Besonders in den protestantischen Gebieten ging die
                Obrigkeit mit Strenge gegen das »Weiberzechen« vor, das
                nach der Geburt eines Kindes oder an bestimmten
                Feiertagen angesagt
                war.                
                
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                14      Für Martin Luther
                bedeutet dies, daß er sich die Klagen seiner »Kattarina
                Lvtterin« wegen fehlenden Geldes anhören muß und
                deshalb in seinen Tischreden eine Parodie textet: »Die
                Hessen beten also: Vater unser, der du bist im himel,
                wir sint auff erden, giebst du nichts, so haben wir
                nichts, so versetzen wir ein pfandt, losest du es nicht,
                so losens wir auch nicht.« .» In einer Tischrede über
                die 
junge Ehe sagt Luther (über sich): »Wenn er
                im Bette erwacht, sieht er ein paar Zöpfe neben sich
                liegen, welche er früher nicht sah.« Lilo Schumann,
                Tochter des Hofpredigers Johannes Kessler, sagte dazu:
                »Wer öfters zu den Frauen rennt, der wird so schnell
                nicht
                impotent.«                
                z
urück 
                
                  
                
                15      Sauberkeit und
                Hygiene fielen soweit zurück, daß in Paris (römisch und
                ursprünglich Lutetia Parisiorum, wobei 
Parisiorum von
                dem Stamm der Parisii abgeleitet wird und Lutetia von
                Schmutz und Kot) das Parfüm wieder erfunden werden
                mußte. Katharina von Medici brachte in ihre neue Heimat
                ihre italienischen Hofkosmetiker mit, die das dumpfe
                Paris mit einem neuen Odeur besprühten und das »Eau de
                Toilette« verbannten.   
                
                Marquise de Pompadour und andere kleine Meister wußten
                um das Geheimnis ihrer Schönheit und mußten als 
dames
                  du lit royal dies auch wissen, wenn sie Favoritin
                bleiben wollten. Napoleon an Josephine: »Wasch Dich
                nicht, ich komme heim.«   
                
                Der Araber Ibn Fadhlan schrieb nach einer Begegnung mit
                Wikingern ungefähr um die Jahrtausendwende:
                
                  »Sie sind die schmutzigsten unter den Geschöpfen
                  Gottes, sie säubern sich nicht von Schmutzspuren ihrer
                  Exkremente und des Urins; sie waschen sich nicht nach
                  dem Beischlaf. Sie sind wie streunende Esel.« Und
                  ar-Tartuschi nach einer Reise zum Frankenkönig Otto I.
                  im 10. Jahrhundert: »Sie reinigen und waschen sich
                  nur ein- oder zweimal im Jahr mit kaltem Wasser. Ihre
                  Kleider aber waschen sie nicht, nachdem sie sie
                  angezogen haben, bis daß sie in Lumpen zerfallen.«
                
                Es hatte sich nichts geändert.   
                
                Noch zu Kaiser Wilhelm II. Zeiten wechselte man, mußte
                man wechseln, zwischen Sommer- und Winterresidenz, damit
                im jeweils leerstehende Gebäude eine Grundreinigung
                durchgeführt werden konnte. In Sanssouci ließ Friedrich
                II. keine Toiletten einbauen, man schiß sich zu – im
                Schloß, im Gelände, der Park stank erbärmlich, überall
                lagen Kothaufen – und nicht nur von des Königs
                Windhunden. Das war keine preußische Sparsamkeit, das
                war Stand der Hygiene in Westeuropa.  
                
                In »Zedlers Großem vollständigem Universal-Lexicon« ist
                es keine Sünde »sich nett und reinlich zu halten«, doch
                warmes Wasser mache »runzlicht« und Seife »nutzt nicht
                eher als zur Noth, den Schmutz wegzunehmen«. Für die
                Schönheitspflege, »um Gestanck und andere
                widernatürliche Dinge abzuschaffen oder doch wenigstens
                zur Besserung zur bringen« und die als praktizierte
                Nächstenliebe bezeichnet werden kann, empfiehlt Zedler
                u.a. Ochsengalle und Ziegenfett.  
                
                Justus von Liebig soll 1844 gesagt haben, daß die Seife
                zum »Maßstab für den Wohlstand und die Cultur der
                Staaten« geworden sei. Er sagte aber auch im selben
                Zusammenhang, er befürchte die »Entstehung von
                Hungerkriegen«, weil die menschlichen Exkremente nicht
                zur Düngung in der Landwirtschaft verwendet werden
                würden: Der »Fortschritt der Kultur ... eine
                Kloakenfrage.«   
                
                Nach Manuel Frey gab es vor Beginn der Neuzeit drei
                getrennte Körperkulturen: die ländliche Bevölkerung,
                die an der rituell-magischen Bedeutung des Waschens
                festhielt (und nicht nur am Festtag von Johannis dem
                Täufer) in Flüssen und Dorfteichen badete, der Adel,
                der sich reinigte mit Klistier, Spucken und Aderlaß
                (Minutio monachi, Mönchsverminderung) und ansonsten
                Parfüm, Schminke und Puder wählte und drittens die
                städtische Bevölkerung, die die Straßen kehren und an
                Reinigungsritualen in den Badehäusern teilnehmen mußte.
                Freys versimplifizierende Darstellung über die
                Geschichte der Reinigung in Deutschland entspricht nicht
                immer den historisch belegbaren
                Tatsachen.                
                
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                16       Scharfrichter
                gehörten früher vielfach zum anerkannten Heilerpersonal
                wie Mediziner, Chirurgen, Bader und Barbierer (die es
                in Spanien zum »practicante« – einem Arzt mit
                eingeschränkten Befugnissen – bringen konnten), bis die
                Mediziner aus Konkurrenzneid dafür sorgten, daß die
                »Nachrichter« von den Heilberufen ausgeschlossen wurden.
                Weiterhin galt für beide Gruppen jedoch ein ähnliches
                Berufsbild – beide sollten ein »aufgeräumbtes und
                herzhaftes Gemüth« haben und sich nicht durch das
                »Schreyen des Patienten hindern« lassen. Bei ihrer
                Arbeit sollten die Scharfrichter seit dem 16.
                Jahrhundert bleibende Gesundheitsschäden vermeiden;
                Handwerkerstolz verbot eine Pfuscharbeit.   
                
                Die damalige Medizin verstand Krankheiten als Folge
                mangelhaft fließender Körpersäfte und kurierte durch
                Aderlässe und Abführmittel. Beim Kriminal- und
                Hexenprozeß kam es darauf an, »die Seele
                aufzuschließen«; weigerte sich der Delinquent, die
                erbetene »Wahrheit« auszusprechen, mußte »extorquiert«
                werden, um die »Verhärtung« des Körpers aufzubrechen.
                  
                
                Der Scharfrichter trug dazu bei, die kranke Seele des
                Delinquenten zu heilen. Die Folter- und
                Hinrichtungsinstrumente, die »Werkzeuge« also, waren
                notwendige Hilfsmittel der Medizin, der Henker war der
                Arzt, der die letzte Heilung vollzog. Walter Raleigh
                ließ sich vor seiner Enthauptung das Beil zeigen: »Das
                ist eine bittere Arznei, sie heilt aber alle
                Krankheiten«.                
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                17       Der 1486/1487 von
                Peter Drach in Speyer gedruckte »Hexenhammer« (»Malleus
                Maleficarum«) des Dominikanermönches Heinrich
                Institoris richtet sich gegen Teufel und böse Magie und
                alle Frauen; von männlichen Zauberern spricht der
                »Hexenhammer« nur nebenbei, und der Doktor Faustus war
                ein angesehener Mann. Die vielen Goldmacher und
                Alchimisten waren gern gesehene Betrüger an
                Fürstenhöfen, die entweder Reichtum oder ewiges Leben
                bringen sollten. Christoph Gundermann klagt 1615:
                »Jedweder kauft Teufelsbüchlein und Gemälde und Reyme
                von verborgenen zauberischen und teuflischen Künsten,
                und habe ich einen Schneider gekannt, der zum mindesten
                40 oder 50 solcher Büchlein und Blätter besessen hat und
                wohl gar dessen sich rühmte, als sei es ehrbar und
                christlich, solch Teufels und Schandmähren im Hause zu
                behalten.«   
                
                Johannes Gutenberg in seiner Straßburger Zeit befaßte
                sich mit dem Herstellen von Spiegeln, die an Pilger
                verkauft wurden, die zur Aachener Heiligtumfahrt 1440
                gingen. Auf dieser alle sieben Jahre stattfindenden
                Veranstaltung (heute würde man dazu »event« sagen)
                wurden Reliquien von wahrhafter Bedeutung gezeigt: »ein
                Gewand der allerseligsten Jungfrau von gelblich-weißer
                Baumwolle, die Windeln des Jesuskindes von dunkelgelbem
                Wollzeuge, das blutgetränkte Lendentuch des Herrn vom
                Kreuze und das Leichentuch des Vorläufers Christi aus
                feinem Linnen«. Weil die vielen Pilger überhaupt nicht
                mehr in die Nähe dieser Kostbarkeiten kamen, wurde die
                verehrten Reliquien mittels »Fernzeigung« (
Television
                von der Turmgalerie des Doms) vorgeführt. Damit nun die
                Pilger auch nach ihrer Heimkehr ins Dorf noch von den
                Wundern berichten konnten, steckten sie handtellergroße
                Spiegel ans Tuch oder an ihre Kappe, um die »strahlende«
                Wirkung einzufangen. Und mit Herstellung und Verkauf
                diesen Spiegeln konnte man gut verdienen.   
                
                Das war doch schlimmerer Hexenglaube als die Verwendung
                von aus Kartoffeln (und anderen Nachtschattengewächsen)
                hergestellte Salbe zwecks Beförderung der »ehelichen
                wercke«. Hexen, abgeleitet vom westgermanischen Wort
                »hag«, Zaun oder Hecke, saßen auf dieser Einfassung, die
                um das biblische Paradies gezogen war, vor der nach
                Adams und Evas Vertreibung Engel mit Schwertern wachten.
                Hexen waren die Mittler zwischen dem Paradies, dem
                persischen »Garten der Entzückungen«, diesem 
gan-eden
                in der hebräischen Übersetzung, und dem mühseligen Leben
                auf Erden.  
                
                Nur wenige Männer sind verbrannt worden – sie konnten
                sich meist (und schon vor dem »Zeigen der Werkzeuge«)
                mit »Hexengeld« freikaufen. Aber fairerweise soll darauf
                hingewiesen werden, daß es keineswegs nur Frauen waren,
                die gefoltert und anschließend verbrannt wurden: In
                Würzburg (zum Beispiel) wurden zwischen 1627 und 1629
                bei neunundzwanzig Bränden 83 Männer und 72 Frauen
                ermordet. Brandenburg blieb von solchen Exzessen
                verschont. Friedrich II. ließ sich 1786 ausrechnen, was
                denn ein Scheiterhaufen für das Verbrennen einer Hexe
                kostet:
                
                  »Spezifikation derer Gerätschaften, welche zur
                  Verbrennung des berüchtigten Delinquenten am 15.
                  August gebraucht wurden. Ein Pfahl aus Eichenholz, ¾
                  Fuß breit und 14 Fuß lang. 16 Klafter trocknes Holz, ½
                  Klafter Kein, 12 Stück etwa 12 Fuß lange Latten zur
                  Befestigung des Scheiterhaufens, 16 12 Fuß lange
                  Bretter, ½ Tonne Teer, 4 Pfund Schwefel, 2 Schock
                  große Nägel, 1 eiserner Kohlekessel nebst einem Sack
                  Kohlen, 2 Leitern zum Aufsteigen, 1 Schemel zum Gesäß
                  des Delinquenten, Ketten zum Fesseln, Haken und so
                  fort.« 
                
                Die Willkür der Hexenverbrennungen diente der
                vollständigen Unterwerfung der Bürger unter Staats- und
                Kirchenmacht, es ging um die Austreibung jeglichen
                »freiheitlichen« Gedankens in der gesamten Bevölkerung;
                eine Parallele findet man im Stalinschen Staatsterror in
                den 1930er Jahren.   
                
                Selbst bei sog. fortschrittlich denkenden Männern gilt
                Frauenlohn als »Zuverdienst« oder – wie es im 19.
                Jahrhundert hieß – »Ergänzungslohn«. Erwerbstätige
                Frauen wurden und werden seit der Nazi-Zeit als sog.
                »Doppelverdiener« beschimpft, die – in Anbetracht der
                Arbeitsmarktsituation – doch auf ihre entgeltliche
                Tätigkeit verzichten und sich wieder auf
                »Kirche–Küche–Kinder« beschränken sollten. Zur
                Nazi-Ideologie mehr bei Sebastian Haffner »Germany:
                Jekyll & Hyde« .   
                
                Es ist keine nur-deutsche Geschichte: In Schweden – zum
                Beispiel – wurde in der Mitte der 1920er Jahre
                gefordert, Gesetze gegen die Erwerbstätigkeit
                verheirateter Frauen zu erlassen (was zwar nicht
                erfolgte, weil man auf billige und willige Arbeitskräfte
                nicht verzichten konnte), aber das Lumpenproletariat
                entließ in der Wirtschaftskrise seine Verkäuferinnen und
                stellte sich selbst hinterm Ladentisch.   
                
                Eine abschließende Bemerkung zu diesem Thema: Im 14.
                Jahrhundert endet die literarische »Verehrung« der Frau
                (im Minnedienst) und wird ersetzt durch Geschichten von
                Frauen, die sich – wie die Männer – gewalttätig
                verhalten (»Nonnenturniere«). Die männlichen
                Protagonisten dieser Geschichten produzieren Angst vor
                den Frauen (verbunden mit Erzählungen von Ehebruch oder
                Verletzung des Keuschheitsgelübdes), was sich nach 1450
                in der Massenphobie des Hexenwahns wiederfindet. Im
                mittelalterlichen »Eckenlied« sagt Dietrich von Bern:
                »Ich slah niht gerne wip«, was ihn nicht hindert, der
                Riesin Rütze das Bein abzuschlagen, die Mutter des
                Fasolt querzuteilen und die Mutter des Riesen Zere u.a.
                Brust und Kopf abzuhacken – da war es wahrlich nicht
                weit zu den Folterungen der
                Hexenmeister.                
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                18       Bei jedem
                Taufeintrag vermerkten die Pfarrer, ob es sich um ein
                eheliches oder uneheliches Kind handelte. Im letzteren
                Fall apostrophierten sie den Namen der Mutter nicht
                selten mit Zufügungen wie «huer», wogegen der Vater
                gemäß der Tradition, die nur gefallene Engel und
                Mädchen, nicht aber gefallene Männer kennt, ungeschoren
                blieb. Im 19. Jahrhundert wurden die unehelichen
                Geburten als eigenständige Rubrik in den demographischen
                Statistiken der Staatsverwaltungsberichte geführt. 
                
                
                Im Pfarrbericht des schweizer Ortes Aarwangen (Mitte des
                18. Jahrhunderts) steht: »Was Leibsfrucht abtreiberei
                seye, ist hier keine so unbekannte Sach, bey der Menge
                Landärzten werden schon dere gefunden, die sich kein
                Gewüssen machen, denen schwangeren Dirnen mit
                abtreibenden Mitlen behüflich zu seyn«.     
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                19      Den Anatomen kam
                zupaß, daß man in diesem Jahrhundert begann, Verbrecher
                nicht mehr zu vierteilen oder zu rädern, sondern durch
                Henken oder Köpfen den Körper möglichst unversehrt zu
                lassen. Um nicht nur Verbrecher zu sezieren, vermachten
                in Italien die Wissenschaftler ihren Leichnam den
                Kollegen Medizinern an den
                Universität.                
                
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                20      Nur ein Gedanke
                für die »Liberalen« um Herrn Westerwelle: Könnte man
                damit vielleicht die Anzahl der deutschen
                Sozialhilfeempfänger
                reduzieren?                
                
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                21      Moderne
                pharmakologische Studien zeigen, daß schon bei den alten
                Römern orale Kontrazeptionen auf Pflanzenbasis
                erfolgreich angewendet wurden; auch
                Schwangerschaftsabbrüche mit pharmazeutischen Methoden
                waren bekannt. Dieses Wissen ging erst mit den
                Hexenverbrennungen
                verloren.                zurück
                
                
                 
 
                
                22      Drei kurfürstliche
                Hofprediger bestätigten im Vorwort, daß »wir nichts
                befunden, was wider GOTT und sein H. Wort streite«. Die
                mittelalterlichen Anatomen stellten sich vor, die
                Genitalien der Frau seien nach innen gewendete männliche
                Geschlechtsorgane (dabei hätten sie ja nur nachsehen
                müssen).  
                
                Im den Stand der Medizin ein wenig besser zu beurteilen,
                sei hier ein Brief von Lieselotte von der Pfalz aus dem
                Jahr 1699 zitiert: »Lebenshuck (Leeuwenhoek) seine
                Microscope müßen curieux sein. Der König David muß schon
                gewust haben, daß die menschen von würmern kommen,
                weillen er im 22. psalm sagt: ›Ich aber bin ein wurm
                undt kein mensch‹, muß also wol gewust haben, daß er ein
                wurm ist geweßen.« Das hätte Antonie van Leeuwenhoek
                nicht gedacht als er rund fünfundzwanzig Jahre vorher
                die wuselnden Spermatozoen unter seinem Mikroskop
                entdeckte  
                
                Nach dem Katalog einer Ausstellung in Schloß
                Kirchstetten zum »Frauenleben in Österreich«
                »entdeckte« 1559 ein Wissenschaftler die Klitoris und
                beschrieb sie als weiblichen Penis; dieser »Entdecker«
                soll den Namen Columbus getragen
                haben.                
                
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                23      Der entmannte
                Peter Abelaerd am Anfang des 12. Jahrhunderts schreibt
                der Mutter seines Sohnes in Kloster:
                
                  »Der Wein ist der Feind, den wir im Innern tragen;
                  wohin wir uns auch wenden, wir nehmen den Feind
                  mit.« 
                
                Abelaerd wollte damit Héloise vor dem Gebrauch des
                Weines warnen, da zu seiner Zeit die Auffassung (seit
                Aristoteles) bestand, daß Frauen mit dem Wein leichter
                fertig würden:
                
                  »Der Feuchtigkeitsgehalt des Weibes ist besonders
                  hoch, wie das schon die glatte glänzende Haut beweist;
                  daß der weibliche Körper sich von überschüssiger
                  Feuchtigkeit befreien muß, sieht man vor allem an
                  seinen regelmäßigen Selbstreinigungen. Wenn eine Frau
                  Wein trinkt, dann versinkt er geradezu in diesem
                  Flüssigkeitsüberschuß und büßt seine eigentliche Kraft
                  und Stärke ein.« 
                
                Nun, Tatsache ist, daß Alkohol vom männlichen Körper
                schneller abgebaut wird als vom weiblichen (100:85
                Milligramm Alkohol pro Kilogramm Gewicht). Den Frauen
                war schon von den männlichen Römern der Alkoholgenuß
                verboten
                worden.                
                
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                24      Im Teufelsmoor bei
                Worpswede war es ein alter Brauch, an einem bestimmten
                Tag, daß Frauen Salz vor ihre Tür streuten, um sich
                gegen den Hexenzauber zu schützen. Auch heute sei dies
                noch so, wie ein Teufelsmoorer erklärte: »Wenn im Winter
                die Straßen zugefroren sind, dann streuen wir auch Salz
                vor unsere Häuser.« – Dafür wurde 
frau früher
                verbrannt, heute schimpft nur der örtliche
                NABU-Vertreter.                
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                25      Die Alraune – zum
                Beispiel – wurde von altersher geschätzt und gefürchtet,
                nicht zuletzt wegen ihrer betäubenden Wirkung. Die
                englischen Anästhesisten führen in ihrem Wappen die
                Mohnkapsel und die
Alraune.                
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                26      Helmut Maucher,
                einst oberster Chef der Firma Nestlé, nannte in einem
                Interview diese Arbeitslosen »Wohlstandsmüll«. Der
                Engländer Richard Hakluyt verwendet 1584 zum ersten Mal
                den Begriff »waste« für die Menschen, die wegen der
                wirtschaftlichen Krise in England keine Arbeit fanden
                und deshalb in die Neue Welt auswandern sollten; soweit
                ist Herr Maucher nicht gegangen: Die Arbeitslosen, die
                Loser, dürfen bleiben. Dagegen meinte John K.
                Galbraith, daß eine Gesellschaft im Überfluß es sich
                leisten kann, auch jene zu bezahlen, die nicht arbeiten.
                Erst wenn der wahre Mensch zur Ware Mensch wird, sind
                die Kapitalisten zufrieden.  
                
                Aber auch gegen die »Tater« richtete sich der Haß der
                Bevölkerung; die Umherziehenden standen außerhalb
                jeglicher festen Ordnung oder Struktur. Sie wurden als
                »loses Gesindel» der »Herrenlosigkeit« beschuldigt und
                von daher war es nicht weit bis zum Vorwurf von Raub,
                Mord und Brand. Eine detaillierte Darstellung über die
                »Tater« als eine Gruppe der Heimatlosen ist nachzulesen
                bei Martin Rheinheimer in »Historische Anthropologie«,
                1996, S. 330
                ff.                
                
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                27      In allen deutschen
                Landen gab es Bettlerverbote, die jedoch verhältnismäßig
                lax gehandhabt wurden; die Torwächter, Armen und
                Bettlervögte gehörten der gleichen Bevölkerungsschicht
                an und waren auch bestechlich. Zum Betteln bedurfte man
                einer landesherrlichen Genehmigung, dem »Bettelbrief«
                (nicht zu verwechseln mit »Hintz und Kuntz«). Für die
                Mark Brandenburg nennt Wilhelm Abel beispielhaft aus
                1565 ein »Edikt wider die fremden Bettler und
                Landstreicher«, 1567 ein »Edikt wider die
                Landbeschädiger, Räuber und unbekannte verdächtige
                Personen«, 1572 eines »wider die Straßenräuber,
                Mordbrenner, verdächtige Müßiggänger und herrenlose
                Knechte«. In Köln konnten zwei »gute Leute« dem Rat der
                Stadt versichern, daß jemand ohne Schuld in Not geraten
                sei, was diesen dann berechtigte, sich ein Zeichen
                anzuheften, eine Art Gewerbeschein, der ihn als
                »würdigen« Bettler auswies.   
                
                Luther empfiehlt 1528 in »Von der Betrügerei der
                falschen Bettler«, daß die Bettler in ihre Heimatorte
                zurückkehren sollten und dort von ihrer Familie oder von
                der Gemeinde zu unterhalten seien. Und in seiner Schrift
                an den deutschen Adel: »Es ist genug, daß geziemlich die
                Armen versorgt sind, dabei sie nicht Hungers sterben
                noch erfrieren; es fügt sich nicht, daß einer auf des
                andern Arbeit müßig gehe, reich sei und wohllebe bei
                eines andern Übelleben, denn St. Paul sagt ›Wer nicht
                arbeitet, soll auch nicht essen‹.« Luthers Empfehlungen
                würde in einigen Gemeinden heutzutage die
                Sozialhilfekosten deutlich senken.  
                
                Am Ende des 18. Jahrhunderts wird ein Trennstrich
                gezogen zwischen Armut einerseits und Mittellosigkeit
                andererseits, auf der einen Seite die werktätigen Armen
                und auf der anderen diejenigen, die so mittellos waren,
                daß sie auf Almosen und Fürsorge und notfalls
                Unterbringung in den Spitälern (etwa 15.000 solcher
                Einrichtungen gab es im Europa jener Zeit) angewiesen
                waren. Nun wurden Arme unterschiedlich behandelt,
                geschieden nach arbeitsscheuen Müßiggängern und
                ehrwürdigen Armen aufgrund irgendwelcher Gebrechen und
                Gebreste.  
                
                Andererseits waren Bettler unentbehrlich, weil sie den
                Reichen die Möglichkeit gaben, christliche
                Nächstenliebe zu praktizieren und damit ihren eigenen
                Wohlstand zu rechtfertigen. Das ist sicher nicht
                vergleichbar mit den Aktivitäten wohlhabender Bürger in
                Spendenparlamenten oder bei der ehrenamtlichen
                Mitwirkung bei (beispielsweise) der »(Hamburger)
                Tafel«. 1573 werden die Bürger der französischen Stadt
                Troyes erschreckt, als sich die Stadt mit Hungernden
                füllt:
                
                  »Die Reichen und die Regierenden ... ließen Brot in
                  Hülle und Fülle backen, was an die armen Untertanen
                  verteilt werden sollte ... nachdem ... sollten sie zum
                  besagten Tor hinausgeführt werden, welches hinter dem
                  Rücken des letzten geschlossen werden sollte. So ward
                  es getan, und die Armen wurden aus Troyes
                  hinausgejagt.«  
                
                Auch das war typisch; bewarben sich zuviel Arme um die
                knapp bemessenen Unterstützungsleistungen, so wurden die
                Bettelnden abgewiesen. Deshalb gibt es heute die
                Diskussion um die Höhe der Sozialhilfe.  
                
                Im ersten »Armuts- und Reichtumsbericht« der
                Bundesregierung Deutschland (2001) wird errechnet, daß
                je nach Berechnungsmethode 5,7 oder 19,6 Prozent der
                deutschen Bevölkerung »arm« sind. »Arm« sind Deutsche,
                wenn sie weniger als (1998) DM 1220 (Hälfte des
                sogenannten Medianeinkommens) oder weniger als sechzig
                Prozent von (1998) DM 2788 (Durchschnittseinkommens) je
                Monat zur Verfügung haben. Doch Armut ist relativ, denn
                die UN meint, ein Dollar je Tag reiche aus, um nicht
                mehr arm zu
                sein.                zurück
                
                
                 
 
                
                28       Dann gab es noch
                die Unfreien mit eigenem Hof, den die Römer als »servi
                casati« bezeichneten. In diesem Zusammenhang: Die
                späteren Frondienste waren ursprünglich eine Abgabe von
                der Getreideernte des Bauern an seinen Grundherrn
                (lateinisch »agrarium«) und Pflugdienste auf einem
                festgelegten Streifen Ackerland (galloromanisch
                »riga«).                
                
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                29      Michael
                  Mitterauer in »Warum Europa« weist daraufhin, daß sich
                  durch die «Vergetreidung« in der mitteleuropäischen
                  Landwirtschaft die Herrschaftsverhältnisse änderten.
                  Es änderten sich aber auch die Abgaben, die die Bauern
                  an ihre Oberen abzuliefern hatten. Der schlesische
                  Herzog Heinrich der Bärtige (wie auch andere Herrscher
                  im Osten Europas) ordnete im frühen 13. Jahrhundert
                  an, daß anstelle der bisher gelieferten
                  Eichhörnchenfälle Korn zu liefern sein. Verständlich,
                  daß der Herzog auf die bis dahin üblichen
                  Pelzlieferungen verzichtete: Doch am Ende des 12.
                  Jahrhunderts endete die klimatische Warmphase; da
                  waren Fellmützen wieder
                  gefragt.                 
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