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Kartoffel-Geschichte Furche 3.3. Schädlinge der Kartoffel: Schimmel, Kartoffelkäfer etc.

präsentiert von Michael Palomino 2019

damit gutes Wissen nicht verloren geht

aus: Klaus Henseler: Kartoffel-Geschichte: Phytophthora infestans und andere Schädlinge:
https://web.archive.org/web/20120425222949/http://www.kartoffel-geschichte.de/Dritte_Furche/Schadlinge/schadlinge.html

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Schädlinge der Kartoffel: Schimmel, Kartoffelkäfer etc.

In den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts wird zum ersten Mal über die Kräusel­krankheit berichtet. Eine weitere Krankheit, wurde durch einen Schimmelpilz, erstmals in Irland 1795, verursacht. Die Schwarzfäule, die die ganze Pflanze befällt, wurde erstmals 1833 festgestellt; sie überträgt sich bei Zusammenlegen von befallenen Kartoffeln mit gesunden Knollen auch auf diese. Eine vierte – und die schlimmste Krankheit – ist die Braunfäule, die aus Amerika stammt und erstmals im Juni 1845 auf der Insel Wright erwähnt wird.

Man nimmt an, daß am Anfang der Infektionskette ein einziges, über Mexiko (das damals die Kartoffel nicht systematisch anbaute) aus dem Hochland von Peru in die Vereinigten Staaten eingeschlepptes Pilzindivi­duum stand, da nur ein einziger Kreuzungs­­­­typ gefunden wurde: Zwischen Pilzen aus dem Ural, Ruanda, England, der Schweiz, Philippinen und Brasilien besteht eine so hohe Ähn­lich­keit, daß sie nur durch eine gemeinsame Herkunft erklärt werden kann; es handelt sich um den sog, Typ US-1, der um 1840 nach Nordamerika ein­geschleppt wurde und dann nach Europa kam. Der Phytophthora infestans kann sich geschlechtlich wie auch ungeschlechtlich vermehren. Der Erreger ist trotz moderner Fungi­zide immer noch virulent; ein Forscherteam an der Universität North Carolina hat deshalb ein genetisches Testverfahren zum Nachweis des Kartoffelschädlings entwickelt. An acht in irischen, schottischen und französischen botanischen Archiven gefundenen Kartoffelpflanzen aus den Jahren 1845 bis 1847 erprobten die Forscher den neuen Test und konnten einen Abschnitt der Erbinformation des Schädlings mit einhundert Basenpaaren entschlüsseln, so daß sie jetzt ver­suchen können, auf dieser Grundlage die Ent­stehungs- und Ausbrei­tungs­geschichte und einen Ansatz zur gezielten Bekämpfung zu finden.

Dem Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln ist es gelungen, in der Kartoffel ein Gen zu isolieren, das ihr einen besonderen Schutz gegen Phytophthora infestans verleiht. Das Gen mit der Bezeichnung »R1« ist nicht die einzige Erbanlage, die an der Abwehr des Pilzes beteiligt ist, doch wenn der schädliche Pilz eine Pflanzenzelle angreift, löst das von »R1« gebildete Eiweiß eine Signalkette aus, die in kürzester Zeit mehrere Abwehrreaktionen auslöst.

Eine Forschergruppe von der University of Wisconsin unter Leitung von Jiming Jiang haben jetzt in der Wild-Kartoffel solanum bulbocastanum ein Gen gefunden, daß zuverlässig vor der Kar­tof­felfäule schützt. Diese Kartoffelsorte verfügt über eine besondere Resistenz gegenüber dem Pilz Phytophthora infestans aufgrund des Gen »RB«. Nun soll das Gen in wirtschaftlich bedeutende Kartoffelsorten eingekreuzt werden. Übrigens hat man schon immer einzelne Resistenzgene in Wildkartoffeln gefunden: Allein elf Resistenzgene gegen bestimmte Erregerstämme sind bei der Kar­toffelsorte solanum demissum gefunden worden.

Die Anfang des 20. Jahrhunderts in Nordamerika aufgetretene Kartoffel­krankheit wird ebenfalls auf eine mexikanische Wildform der Knolle zurückgeführt. Mit dem »Mexika­ni­schen Papitaviroid« waren die Wildkartoffeln zwar infiziert, aber nicht krank. Inter­essant ist an diesem Erreger, daß er aus reiner Nukleinsäure besteht, die keine Ähnlich­keit mit der üblichen Kartoffel-Nukleinsäure aufweist – eine Folge früherer Züchtungs­versuche, denn bei Wildformen aus den Anden ist diese Nukleinsäure nicht zu finden?

Binnen eines Monats wurde in allen europäischen Ländern von dieser Kartoffelkrankheit berichtet. Heute weiß man, daß eine Kupfer-Kalk-Brühe­ oder eine Kupfersulfat-Lösung oder eine Schwefel­säurelösung, jeweils auf dem Feld verspritzt, diese Kartoffelkrankheiten verhindern können. Aber selbst wenn dies dem irischen Bauern, dem »Paddy«, bekannt gewesen wäre: Sie hätten nicht das Geld, diese Mittel zu kaufen und zu verwenden. Insgesamt sind aus den Jahren 1700 bis 1900 mehr als zwanzig Kartoffelkrankheiten bekannt geworden.

Bereits von den ersten spanischen Eroberern in Südamerika wird von Krank­heiten der Kartoffel berichtet. So wird eine von den Spaniern »Andi­nische Krank­heit« genannte Kartoffelkrankheit er­wähnt (in Quechua: acapana-ayapcha), die sich durch rote Flecken auf der Knolle bemerkbar macht. Eine andere Kartoffelkrankheit, »Verruga« in Que­chua: »Sara papa Acoya«, ist ge­kenn­zeichnet durch warzen­artige Auswucherungen; diese Krankheit trat auch bei der anderen wichtigen südamerikanischen Kulturpflanze, beim Mais, auf und wird in spanischen Aufzeichnungen als »Zarnas cara­chos« aufgeführt.

Erste wissenschaftliche Beobachtungen der Kartoffelkrankheiten stammen vom Ende des 18. Jahrhunderts. Im frühen 19. Jahrhundert wurde dann fest­gestellt, daß Kartoffeln aus bestimmten Anbaugebieten besondere Krankheiten aufwiesen. Die Belgierin Libert bemerkte bereits 1845, daß die erkrankten Pflanzen von einem Pilzgewebe durchzogen waren. Dr. John Lindley, ein Botaniker und Herausgeber der Zeitschrift »The Gardener’s Chro­nicle and Horticultural Gazette« schreibt 1845, daß die Wissenschaft der Kartoffel­krankheit hilflos gegen­­über stehe. »Einer unser Korrespondenten ist verärgert über die Redaktion der Zeitschrift«, so schreibt Lindley in einem Editorial,

»weil wir keine­ Veröffentlichung über die Bekämpfung der Kar­tof­fel­krankheit bringen. ... Wir erleben einen großen Schicksalsschlag, den wir ertragen müssen.«

Aber erst 1913 konnte der US-Amerikaner Orton brauchbare Erklärungen für Viruskrankheiten geben. 1920 wurden die Übertragungsmechanismen durch die Holländer Quanjer und Oortwin Batjesund in den 1930er Jahren durch Dr. E. Köhler erforscht. Virus­krankheiten wurden durch Blattläuse,­ insbesondere die Pfirsichblattlaus (gegen die Läuse­ hilft eine Nikotinbrühe), übertragen. Andererseits wurde be­wiesen, daß rauhe Lagen mit ungünstigen Bedingungen für Blattläuse (Moor und Mittel­gebirge bzw. küstennahe Gebiete) als Kartoffelpflanzgebiete be­­sonders gut geeignet sind. Sollten künftig die Winter milder werden – wie die Prognosen für das künftige Weltklima lauten – und sie sich nur zögerlich ausmatschen, be­stünde die Gefahr, daß sich die gegen Insektizide resistenten Blattläuse immer weiter verbreiten und damit der Knollenanbau geschädigt wird. Die resistenten Blattläuse werden durch Frost (Temperatur unter –2° C) besonders stark dezimiert, da sie bei niedrigen Temperaturen an die Oberfläche kommen und sich dort jedoch nicht ernähren können – sie verhungern innerhalb kurzer Zeit.

Die wichtigsten Kartoffelkrankheiten sind:
    – Blattroll-, Mosaik-, Strichel- und Bukettkrankheiten (erkennbar am Rollen oder Verfärben der Blätter),

    –  die Kraut- und Knollenfäule,

    – die Schwarzbeinigkeit (die auch beim Raps auftritt) mit nachfolgender Knollennaßfäule,

    –  die Fußkrankheiten (Abfaulen der Triebe und Fußvermorschung – Weißhosig­keit),

    – der Kartoffelschorf (Pusteln auf der Schale der Knolle) und

    – der anzeige­pflichtige Kartoffelkrebs (verursacht durch den Pilz Synchytrium endo­bioti­cum).

    –  die Kräuselkrankheit wird durch einen Virus hervorgerufen, von Blattläusen übertragen. Der Virus kann die Ausbildung von Kartoffeln um etwa 70 Prozent vermindern, ohne daß dies während der Wachstumsphase erkannt werden kann.

    – der Schimmelpilz »Botrytis cinerea« befällt Blätter und die fast reifen Kartoffeln und überzieht die befallenen Pflanzen mit einem blaugrauen Schimmel, der die infizierten Teile der Pflanze schrumpfen und austrocknen läßt.

    – die Schwarzfäule ist daran zu erkennen, daß im Juni/Juli die Blätter gelb und Blüte und Stengel schwarz werden.

    –  die Braunfäule bzw. Kraut- und Knollenfäule (Brand) wird von einem Algenpilz, nach dem Tübinger Professor Henri-Antoine de Bary»Phytophthora in­festans (Mont.) de Bary« genannt, hervor­gerufen. 1832 wird sie in Han­nover erstmals in Europa fest­gestellt. Im Osten der Ver­einigten Staaten wird sie 1842 entdeckt; es ist möglich, daß sie auf ameri­ka­nischen Schiffen, von denen Kartoffelschalen in den Ärmel­kanal geschüttet wurden, wieder nach Europa kam. 1845 erhält die Braunfäule von dem Franzosen Montagne die Be­zeichnung »Botrytis infestans«. Die süd­­amerikanischen Knollen sind weit­gehend widerstandsfähig gegen die Krautfäule, weil anfällige Pflanzen über lange Zeiträume hinweg selektiert worden sind.Der Pilz überwintert in den Knollen; schon eine infizierte Kartoffel kann ausreichen, um eine Epidemie in einem Kartoffel­feld zu entfachen. In besonders feuchten Sommern hat der Pilz optimale Bedingungen zur Vermehrung. Schon ein Tag mit 100 Prozent Luft­feuch­tigkeit und Temperaturen zwischen 13 und 20 Grad reichen aus, um den Pilz wild um sich greifen zu lassen, denn er ist immer noch in vielen Böden vorhanden.
Durch winzige Verletzungen, wie sie zum Beispiel der Saugrüssel einer Blattlaus hinterläßt, können Viren ins Innere einer Pflanze gelangen; dort vermehren sie sich dann und befallen weitere Zellen. Nach und nach dringen diese Viren bis zu den Leitungsbahnen vor, um sich dann sehr rasch in der gesamten Pflanze zu verbreiten. Bei der Vermehrung eines eingedrungenen Virus produziert dieser Ribonukleinsäure, gegen die sich üblicherweise eine Pflanze durch einen programmierten Tod befallener Zellen wehrt; zugleich werden an benachbarte Zellen Warnsignale ausgesendet, die sich gegen das eingedrungene Virus wappnen und somit die ungehemmte Virusausbreitung verhindern. Danach ist die Pflanze immun gegen eine erneute Infektion dieses Virus’. Eine Ausnahme von diesem erfolgreichen Abwehr-Mechanismus der Pflanze ist beim Kartoffelvirus X zu finden; dieser hindert infizierte Zellen daran, ein Warnsignal abzugeben. Ohne ein solches Warnsignal können sich bisher verschonte Zellen nicht auf einen Virus vorbereiten. Der Kartoffelvirus X kann sich also ungehindert ausbreiten und befällt relativ schnell die ganze Pflanze.

 
Man könnte manche der Kartoffelkrankheiten frühzeitig bekämpfen, wenn der Landwirt darauf achten würde, ob sich die Temperatur der Kartoffel ver­ändert; bei infizierten Pflanzen erhöht sich die Temperatur um 0,3 bis 0,4 Grad, was mit einer Infrarotkamera gut zu beobachten sein würde.

Nicht zu vergessen bei der Aufzählung der Schädlinge sind die Nematoden, Schädlinge, die noch Mitte der 1960er Jahre als eine der hauptsächlichen Ursachen der Kartoffelmüdigkeit anzusehen sind. Es handelt sich um einen winzigen Fadenwurm, ein sog. Älchen, der auch im Rüben- und Haferbau eine gefährliche Rolle spielt. Man stellte fest, daß der Kartoffelnematode ein typischer Fruchtfolgeschädling ist, der meist dort auftritt und sich stark ver­mehrt, wo allzu oft auf ein und derselben ­Fläche Kartoffeln angebaut werden. Bei Nematodenbefall vertrocknen große Teile der Pflanze, die übrigen zeigen starken Kümmerwuchs. Kranke Stauden sind an der Wurzel mit perl­schnurartig ­aufgereihte, fast stecknadel­kopfgroße, weiße Kügelchen ­(Zysten) be­fallen. Diese Kügelchen sind die Hinter­leiber befruchteter Weibchen. Kartoffel­nematoden befallen auch Tomaten.

Forscher des Internationalen Kartoffelinstitutes in Lima sind 1998 zu­versichtlich, daß ihnen ein Durchbruch im Kampf gegen die auch als »Falschen Mehltau« bekannte Kraut- und Knollenfäule gelungen sei. Der Krank­heits­erreger verursacht jährlich etwa fünfzehn Prozent Ernteverluste, allein in den Entwicklungsländern betragen die jährlichen finanziellen Ein­bußen rund 2,5 Milliarden Dollar bei gleichzeitig rund 750 Millionen Dollar für zusätzliche Pflanzenschutzmittel. Sobald »El Niño« die Witterung in den Tropen mit einem feucht-warmem Klima beeinflußt, breitet sich der Pilz besonders erfolgreich aus. Durch wiederholte Selektion und Kreuzung von widerstands­fähigen Sorten sind jetzt Kartoffeln gezüchtet worden, die durch zehn bis zwanzig veränderte Erbanlagen gegen den Pilz resistent ist.

1994/1995 entwickelt die Biologische Bundes­anstalt in Braunschweig eine Diagnosemöglichkeit, um mittels Gentests den Befall von Kartoffeln früh­zeitiger festzustellen. Der Nachweis ist für die von Bak­terien  verursachten  Kartoffel­krankheiten Schwarz­beinigkeit, Knollennaßfäule (Erwinia caro­tovora), Bakte­rien­ringfäule und Bakte­rien­schleim­fäule möglich. Ebenfalls entwickelt wurde ein Verfahren, das die durch Pilze verursachte Kraut- und Knollenfäule diagnostizieren kann. 1998 stellt Karen Barrett vom nationalen Umweltlabor in Idaho Falls fest, daß die Erreger der Knochennaßfäule und der Kraut- und Knollenfäule extrem emp­findlich auf Malzextrakte reagieren und besonders rasch abgetötet werden. Als Grundstoff für die Gärung im Brauprozeß enthält Malzextrakt viele leicht lösliche Zuckerverbindungen, die für pathogene Pilze und Bakterien schädlich sind. Man muß also nicht immer die chemische Keule nehmen.
 

Ein kleines Kapitel über den Kartoffelkäfer

Ein Rückschlag für die Kartoffel, nach der Braunfäule, in Europa war die Ein­schleppung des Colorado-Käfers (bei uns als Kartoffelkäfer bezeichnet). Der Colorado-Käfer(Leptino­tarsa decem­lineata say) ist etwa ein Zentimeter groß mit je fünf schwarzen Längsstreifen auf dem gelben Untergrund der Deckflügel. Die Weibchen legen auf der Blattunterseite der Kartoffelstaude in einem Sommer bis zu fünfzehn­hundert Eier (in zwei bis fünf Generationen). Die gelblich-rötlichen Larven sind die sehr gefräßigen eigent­­lichen Schädlinge und vernichten innerhalb kürzester Zeit das Blattwerk ganzer Kartoffelfelder.


1823 wurde der Colorado-Käfer erstmals in den Rocky Mountain entdeckt; der Käfer lebte von wildwachsenden Nachtschattengewächsen und wechselte auf die Kartoffelfelder der ersten Siedler. 1853 wurden in Nebraska die ersten großen Schäden festgestellt. Bereits zwei Jahre später überschritt der Käfer den Missouri und erreichte ein weiteres Jahr später Kansas; die nächsten ­Stationen waren die heutigen Bundesstaaten Iowa, Minnesota und Missouri. 1866 ge­langt der Käfer mit Kartoffellieferungen über den Missouri und nach Wisconsin und Kentucky. In den nächsten fünf Jahren erreichte er Indiana, kommt über den Michi­gan-See nach Michigan und Ohio, wo er (und die Kartoffelfelder) mit Arsenik besprüht werden (was nun für den menschlichen Magen auch nicht so förderlich sein konnte). Während des Kartoffel-»Feldzuges« 1914 auf den Stader Feldern wurden die Felder mit Rohbenzol getränkt und die Pflanzen mit Rohbenzol übergossen; die »Zeitschrift für angewandte Entomologie«:
    »Durch die abziehenden Gase wurden die Blätter der Runkelrüben, Gurken und ­Boh­nen fast augenblicklich gebräunt. Ebenfalls litten die Arbeiter durch die Benzolgase, wenn auch glücklicherweise keine ernst­lichen Beschädigungen festgestellt wurden.«

Die Verwendung von Pestiziden und ähnlichen Gift­mitteln ist also keines­wegs eine Erfindung neueren Datums. Damals dachte man wohl noch an den angeblichen Zweitnutzen von Arsenik als Aphrodisia­kum, als Sympathie­mittelchen. Da sind die Spitzenhäubchen entbehrlich. 1871 mußten die Käfer in Süden Kanadas, im Staat New York und in Pennsylvania von den Kartoffel­stauden ab­gepflückt werden. Drei Jahre später, 1874, waren zwischen vierzig­tausend und fünfzigtausend Quadratmeilen an der Atlantik­küste befallen; 1876 ist er in Connecticut:
    »Zu wiederholten Maße hat man ... Massenflüge beobachtet oder es waren Flüsse buchstäblich mit Käfern bedeckt, die auch alle schwim­mende Gegenstände benutzten, um Seen zu überqueren. In großen Mengen flogen sie in Richtung Ost auf das offene Meer. Im September 1876 wurden solche Mengen ertrunkener Käfer von der Flut angespült, daß von ihren Leichen die Luft wie ver­pestet war und Dampfer auf offener See mußten ihre Luken schließen, um die Käfer abzuwehren. In den Seebädern zertrat man sie bei jedem Schritt und nächst der Station Grindell bedeckten sie in einer Ausdehnung von ­einer Meile die Eisenbahnschienen derart, daß der Zug nicht weiter konnte, ehe die Schienen geräumt und mit Sand bestreut wurden.«

Von den nordamerikanischen Häfen aus ­gelangte der Schädling, der sechs Wochen ohne Nahrung existieren kann, auf das europäische Festland. Hier findet er schnell den Weg auf die Kartoffeläcker, denn er hat eine Riech­fähigkeit, die es ihm ermöglichen würde, ein Stück Würfelzucker, auf­gelöst im Bodensee, zu finden.

1874 ist der Käfer in Ungarn, und 1877 wird der Colorado-Käfer erstmalig in Mühlheim am Rhein gesehen (nach anderen Belegen ist er bereits 1874 nach Frankreich eingeschleppt wor­den). Das gegen amerikanische Kartoffeln und andere pflanzliche Boden­erzeugnisse 1875 von der deutschen Reichsregierung verhängte Embargo kam zu spät. Man nimmt an, daß die Larven oder Eier in Erdbrocken von aus Amerika eingeführten Kartoffel saßen, die sich dann in Europa zum vollen Käfer ausbildeten. Manche Insektenart nutzt den Wind für die Verbreitung ihrer Art; es gilt heute als sicher, daß die Aus­breitung des Kartoffelkäfers von West- nach Osteuropa mit der Westwindlage zu tun hatte. Europa hatte bereits schlechte Erfahrungen mit aus Amerika eingeschleppten Schäd­lingen: Mit der Reblaus Phylloxera, die den euro­päischen Weinbestand ver­nichtete.

Bis zum zweiten Weltkrieg konnte der Colorado­-Käfer von den britischen Inseln ferngehalten werden; amerikanische Soldaten schleppten ihn dann jedoch auch nach England. Seit seiner Ankunft in Bordeaux (1922) als unbeabsichtigte »Beiladung« gehört der Kartoffelkäfer zum Schädlings­bestand Europas. Während des letzten Krieges gehörte es zur vornehmsten Aufgabe der sog. Hitler-Jugend (wie es in einem Aufruf des»Kartoffelkäfer-Abwehrdienstes des Reichsnährstandes« heißt),
    »diese schwarzgelbe Gefahr aufzufinden und zu vernichten. Hier seid ihr die Soldaten ... so verläßt sich das deutsche Volk auch auf Euch im Kampfe um das wichtigste deutsche Nahrungsmittel, die Kartoffel.«

In der Nazi-Propagandawurde behauptet, die Alliierten Streitkräfte hätten während des zweiten Weltkrieges Kartoffelkäfer aus Flugzeugen aus­geschüttet und damit über Deutschland verteilt, um die Ernährungsbasis, den deutschen Reichsnährstand, zu zerstören. Die Hungerkatastrophe am Ende des Ersten Weltkrieges sollte sich nach den Willen Goebbels nicht wiederholen. Da aber die Ernährungslage während der gesamten Nazi-Zeit angespannt und die angestrebte Autarkie nie gewährleistet war, mußte bei der 1944/1945 erkennbar auftretenden Mangelversorgung (trotz Ausbeutung der über­fallenen Länder) der Kriegsgegner hierfür herhalten. Da half es nicht, zu behaupten »15 Millionen Hausfrauen lenken die Wirtschaft«, weil durch unzweckmäßigen Gebrauch der küchentechnischen Hilfsmittel (wie Kartoffelschälmesser) das Volks-»Vermögen im Abfalleimer» lande. Just zu diesem Zeitpunkt wurde entdeckt und propagiert in deutschen Landen, daß direkt unter der Schale von Obst und Kartoffeln die Kraft liege und man deshalb das Schälen tunlichst unterlassen solle. Und nicht vergessen: 1937 wurde sogar die Klappstulle verboten. In einer Ende 1933 veröffent­lich­ten Broschüre zum Versailler Vertrag wird darauf verwiesen, daß durch diesen Friedens­vertrag u.a. dreizehn Prozent an Fläche »verloren« gingen, aber über siebzehn Prozent der Kartoffelanbaufläche – so ist es, wenn man einen Krieg anfängt.

Wegen Personalmangels konnte das von Freiburg nach Potsdam umgezogene »Militär­historische Institut« keine Auskunft über diesen angeblichen Kartoffel­käfer­krieg geben. Jürgen Strempel be­stätigte dem Autor, daß er während seiner Freiburger Studien keinen Beleg für den von den Nazis behaupteten Käfer­einsatz gefunden hat. Auch die »Aus­kunftei deutsche Militärgeschichte« in Freiburg konnte in den Akten des »Ministeriums für Propa­ganda« keinen dies­bezüglichen Hinweis finden; es ist nicht aus­zuschließen, daß es sich hier um einen der berühmten Zeitungs-»Käfer« handelt. Eine Version dieser Geschichte lautet, daß der Käfer nach England geschmuggelt werden sollte, aber die ­Ernte­ 1944 sei schon vorbeigewesen und 1945 der Krieg.

Erhard Geißler in »Hitler und die Biowaffen« hat zum Einsatz des Kartoffelkäfers im Zweiten Weltkrieg festgestellt, daß in Kruft bei Koblenz ein Forschungsinstitut zur Phytopathologie unter Leitung von Dr. Martin Schwartz bestand, das der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft zugeordnet war. In Frankreich entdeckte die deutsche Wehrmacht 1940 in Vert-le-Petit bei Paris ein seit 1922 bestehendes Institut (»Labora­toire de Prophylaxe«, Prouderie Nationale de Bouchet), in dem neben dem Einsatz von Bakterien u.a. auch Untersuchungen über die Verwendung von Kartoffelkäfern als Kampf­mittel durchgeführt wurden (durch Abwerfenlassen aus Flugzeugen). In einem Sitzungsbericht des französischen Komitees »Com­mis­sion de Prophylaxe« vom 26. Mai 1939 wurde über eine mögliche Verwendung des Kartoffel­käfers zur Beeinträchtigung der Ernährungssituation in Deutschland beraten.

In einem Bericht des deutschen Geheimdienstes aus Dichtung und Wahrheit vom 23. Mai 1942 an das »Referat I H t« der deutschen Abwehr steht, daß 1941 die USA durch den »Chemical Warfare Service« der »Edgewood Arsenals« »ca. 15.000« Kartoffel­käfer von Neufundland nach England überführt habe. In dem Bericht wird behauptet, daß der Abwurf »grosser Mengen Kartoffelkäfer ... sehr bald bevorstehe«. Es gibt – so Erhard Geißler – keinen Hinweis darauf, daß die USA in Edgewood oder anderswo in den USA den Kartoffelkäfer massenweise gezüchtet habe. Im Juni 1941 notiert Kliewe ein Konzept unter dem Titel »Infektion von Kar­toffelfeldern durch Kartoffelkäfer«, wobei er hier erwähnt, daß ein »Einsatz in diesem Jahr unmöglich­ [sei], da die Zucht einige Monate dauert«. 1941 meinte Regierungsrat Dr. Bayer, »an Pflanzenschädlingen käme hauptsächlich der Kartoffelkäfer ... in frage.« 1943 teilt dieser Dr. Bayer mit, daß die Abteilung Wissenschaft des Allgemeinen Wehr­machts­amtes die Massenzüchtung von Kartoffelkäfern auf­genommen habe und 1944 deren Einsatz möglich sei.

Im Juli 1943 teilte Dr. Bayer in einer Sitzung ­einer für biologische Krieg­führung gegründeten Arbeitsgemeinschaft mit, daß »Abwurfversuche mit gefärbten Kartoffelkäfermännchen über ein bereits versuchtes Gebiet, z.B. in der Umgebung von Bordeaux, gemacht werden [sollen]. In dem Jahr ­seien noch 100.000 Käfer lieferbar.« Am 24. September 1943 beabsichtigt das Wehrmachts­amt (nach Dr. Bayer), daß im »Oktober 1943 ein feldmäßiger Abwurfversuch mit Kartoffelkäfern bei Speyer vorgenommen« werden solle, wobei das Verhalten des Käfers in verschiedenen Höhen, bei wechselnder Temperatur usw. untersucht werden solle. Im Oktober 1943 teilt Bayer mit, daß der Versuch mit 14.000 Kartoffelkäfern stattgefunden habe. Zu einem späteren Zeitpunkt sei auch ein Versuch mit 100.000 Holzmodellen von Kartoffelkäfern durchgeführt wurde. Auch nach der Untersuchung durch Geißler gibt es keinen Beleg, daß Nazi-Deutschland tatsächlich den Kartoffelkäfer als Kriegswaffe eingesetzt hat, aber auch keinen Beleg dafür, daß die Alliierten den Colorado-Käfer über Deutschland abwarfen.

Am 25. August 1997 ver­handelten die Vertragsstaaten des »Abkommens über biologische Waffen« über den kubanischen Vorwurf, die USA hätten am 21. Oktober 1996 den Pflanzen­schädling Thrips palmi über Kuba verstreut, was zwei Mo­nate später zu einer Thrips-Plage geführt hätte. Am 6. Mai 1996 erklärte (nach einem Schreiben vom 21. Januar 1998 des Ersten Botschaftssekretär der Bonner US-Botschaft an den Autor) der damalige Presse­sprecher des US-Außenministeriums, John Dinger, diese Vorwürfe seien un­erhört; richtig sei, daß ein US-Flugzeug Kuba mit kubanischer Genehmigung überflogen habe und durch Rauch seine Position markiert habe. Der zu erstellende Unter­suchungs­bericht durch Vertreter west­licher, öst­licher und neutraler Staaten lag 1998 noch nicht vor. Thrips palmi gehört zu den Gewitterfliegen und kann erhebliche Schäden an Kartoffeln und anderen Nutzpflanzen anrichten. 1948 wurden auf Kartoffel­feldern in Nord­rhein-Westfalen Beutel mit Kartoffelkäfern gefunden, die von unbekann­ten Flug­­zeugen abgeworfen worden sein sollen; das Landwirtschafts­ministe­rium bezeichnete diese An­gelegenheit als sehr mysteriös.

Einige der neuen Herren in der Sowjetischen Be­­satzungs­­zone (SBZ) mußten 1947/1948 nicht umlernen, als sie behaupteten, die amerikanischen Imperialisten würfen Kartoffelkäfer auf Sachsen und Thürin­gen ab, damit der Sozialismussiecht und nicht siegt. 1949 wurden über die Deutsche Post der sowjetischen Besatzungszone Kartoffelgut­scheine vertrieben, die bei der HO eingelöst werden konnten.Es gab Gutscheine für fünf, zehn oder fünfzig Kilogramm, und das Kilogramm kostete achtunddreißig Pfennig; die Knollen waren nur zum Ver­brauch in der sowjetischen Besatzungszone bestimmt, was Berlin also aus­schloß. Im Amtsblatt vom 8. Mai 1949 wurde mit der Verfügung 85/1949 der Vertrieb dieser Gutscheine eingeleitet; diese Kartoffel­gutscheinaktion fand aber nur in den Bezirken Dresden, Erfurt und Halle/Saale statt. Im Amtsblatt vom 15. Juli 1949 wurde mitgeteilt, daß der Vertrieb der Gutscheine über die Post ein­gestellt sei, »da die Kartoffeln nicht mehr rationiert sind, sondern frei ver­kauft werden.«

Oswald Spengler meinte, die Gefahr ginge von den Gelben aus, und man werde noch erleben, daß diese ihre Kamele im Rhein tränken würden. Geht die Gefahr jetzt vom dänischen Königshaus aus?

Neben dem Kartoffelkäfer schädigen Blattläuse, Kartoffelnematoden, Blasen­füße und Zikaden, Engerlinge und Drahtwürmer, Wintersaateule und Gamma-Eule, Wiesenschnaken und Wurzelnema­toden, Stengelälchen und Kartoffel­krätz­älchen die Knolle. Gegen diese tierischen Schädlinge helfen Rebhühner oder Fasane, die den Kartoffelkäfer zum Fressen lieb haben, aber auch der Marienkäfer, der sich als Eiräuber die Käferlarven zuführt. Möglich ist auch die Bekämpfung durch Einsatz des Pilzes Beauvaria bassiana und des Bakteriums Bacillus thu­ringiensis var. tenebrio­nis, abgekürzt BT, das sich gentechnisch auf die Pflanze übertragen läßt und die Kartoffelkäfer vergiftet.

Bedauerlicherweise sind manche Insektenarten inzwischen teilresistent gegen dieses wichtigste biologische Schädlingsbekämpfungsmittel. Der Pilz Beauvaria bassiana tötet die Kartoffelkäfer und ­-lar­ven bzw. macht sie aufgrund ihrer vor­herigen Apathie zu einem gefundenen Fressen für die ­Vögel, ohne diesen zu schaden. Mikrobielle Schädlingsbekämpfungsmittel, sog. Microbials, gehören zur dritten Genera­tion von Insektiziden, nach den chlorierten Kohlen­wasserstoffes der fünfziger Jahre (wie DDT) und nach den zur Zeit noch über­wiegend eingesetzten phosphor-orga­nischen Ver­bindungen. Microbials um­fassen Viren, Bakterien, Pilze, Einzeller und parasitäre Wür­mer. Das ukrainische Institut für Mikrobiologie und Virusologie in Kiew hat in Zusammenarbeit mit der Chemiefirma Monsanto und der kanadischen »Solanum Prince Edward Island Inc.« inzwischen eine Kar­toffelsorte gentechnisch so verändert, daß sie gegen bestimmte Insekten resistent ist, wenn die vor­geschriebenen Pflanz­bedingungen eingehalten wer­den. In der Ukraine, der früheren Korn­kammer Europas und der Sowjetunion, werden Freilandversuche von Bürgerinitiativen nicht behindert; wohl deshalb hat Monsanto in diesem von Tscherno­byl-Folgen verseuchtem Land mehrere tausend Hektar Agrarland gepachtet. Kartoffeln, Körnermais und Silomais, Weizen und Gerste, Sonnenblumen und Raps, Obst- und Weinbau – allesamt Pflanzen, die zu gentechnischen Experimenten einladen. Mon­santo – von der »New York Times« und den eigenen Mitarbeitern intern angeblich Monsatan und Mutanto ge­nannt – »macht sich vom Acker« Ende 1999, da die gentechnisch veränderten Lebensmittel nicht akzeptiert werden und der Aktienkurs sinkt: Sie fusionieren mit Pharmacia & Upjohn, und werden eine Tochterfirma weiter manipulieren ­lassen.

In den USA werden mittlerweile Kartoffeln an­geboten, denen ein Resistenz­-Gen gegen ­Insekten, ins­besondere  dem  Kartoffelkäfer, ein­gepflanzt wurde – nichts mehr mit Fungiziden (gegen pflanzen­schädigende Pilze),  Herbiziden (gegen Unkraut/Wildkräuter) und Insektiziden (gegen Insekten) – Pflanzen­biotechnologie als »grüne Gentechnik«. Die Environmental Protection Agency (EPA) in den USA meint Ende 2001, daß die Implementierung des Insektengiftes des Bacillus thuringensis keine Schäden verursachen würde; da keine negativen Auswirkungen bemerkt worden seien, ist der Anbau solch manipulierten Maises in den USA für weitere sieben Jahre genehmigt worden. Aber vielleicht hat auch nichts bemerkt, weil viel zu wenige Untersuchungen von Bodenproben vorgenommen worden.

Monsantos Kartoffel »NewLeaf«, Neues Blatt, produziert ein pflanzeneigenes Pestizid – und zwar in jeder einzelnen Zelle jedes einzelnen Blattes, jeder Blüte und jeder Wurzel und in jeder einzelnen Kartoffel und so gelangt dieses Pestizid in den menschlichen Magen. »NewLeaf« enthält in allen Pflanzenteilen genügend bakterielles Gift, um den Verdauungstrakt jedes Kartoffelkäfers, der sich an der Knolle gütlich tut, zu zersetzen; da ist ja nur zu hoffen, daß der genetische Unterschied zwischen Kartoffelkäfer und Mensch groß genug ist und bleibt. »NewLeaf« ist eine Kartoffelsorte, die vom Käufer nur einmal angepflanzt werden darf, weil sie geistiges Eigentum von Monsanto ist. Die für den normalen Kartoffelbauern übliche Methode, aus der diesjährigen Ernte die Saatkartoffeln für das nächste Jahr herauszusuchen, ist mit der Monsanto-Kartoffel vorbei. Es ist eine »Terminator«-Technik.

Ganz neu ist ein Gerät, das aussieht wie ein Staub­sauger und auch so funktioniert und die ­Käfer von den Blättern absaugt; die von Edmund Show für die kalifornischen Erdbeerfelder entwickelte Maschine »schlürft« auch den Coloradokäfer und die Reblaus, was wiederum erhebliche Mengen von Pestizi­den einsparen könnte. Mit einer anderen Maschine wird der Kartoffel­käfer mittels eines Gebläsestrom von den Blättern entfernt und anschließend eingesammelt; aber hiermit lassen sich nur zwei Drittel der Käfer verjagen (und die verbleibenden legen entsprechend mehr Eier). Man kann es natürlich auch noch einfacher machen, in dem man Mischkulturen von Bäumen und Kar­toffeln pflanzt, die nach neuester Erkenntnis weniger anfällig sind für Krankheitserreger und Schädlinge. Oder man besprüht die Kartoffelpflanze mit Neembaumöl, das die Käfer nicht mögen und sie auf andere Nachtschattengewächse ausweichen läßt.

 


 

Anmerkungen
 

1        Im selben Jahr fiel in Nebraska der bisher größte Heuschreckenschwarm mit geschätzt mehrere Billionen Tieren ein.        zurück

 

2          Etwa drei Viertel aller heute lebenden Tierarten steht oder geht auf sechs Beinen. Es ist die Gliederfüßerklasse der Hexapoda (= Sechsfüßer) – die Insekten. Nicht nur ihre Anpassungsfähigkeit, sondern auch ihre geringe ­Größe hat zum Erfolg im Laufe der Entwicklungsgeschichte bei­getragen. Die Insekten haben alle denkbaren Lebens­räume erobert. Die sechs Beine entspringen an der Insektenbrust (Thorax), und zwar an jedem Segment ein Beinpaar. Wie alle Tiere verfügen auch die Insekten über angeborene Verhaltensmuster, die ein geordnetes Laufen ermöglichen. Im normalen Schritt heben drei der sechs Beine gleichzeitig vom Boden ab, das 1. und 3. einer Seite mit dem 2. der Gegenseite. Das bedeutet, daß auch der Kartoffelkäfer nicht umfällt, wie es sein würde, wenn er alle drei Beine auf einer Seite gleichzeitig anheben würde:          zurück

Bei der ersten Vorwärtsbewegung bewegt der Kartoffelkäfer die Beine
    Links vorn------------Links hinten-----------Rechts Mitte
Bei der zweiten Vorwärtsbewegung bewegt der Kartoffelkäfer die Beine
         Links Mitte--------------Rechts vorn---------------Rechts hinten
Bei der dritten Vorwärtsbewegung (Wiederholung der ersten Bewegung bewegt der Kartoffelkäfer die Beine
    Links vorn------------Links hinten-----------Rechts Mitte
Die Körperbeine werden nacheinander in den Lauf ein­bezogen. Wenn man’s kann, ist’s ganz einfach; gelernt werden muß es nicht. David Attenborough hat im »Geheimen Leben der Pflanzen« nachgewiesen, daß auch Kartoffeln laufen könnten.

 

3        Die Mangelernährung war so schlimm, daß die durchschnittliche Körpergröße, die nach dem Ersten Weltkrieg kontinuierlich gestiegen war, stagnierte, während sie in den Nachbarländern stieg. Auch die Sterblichkeit unter Kindern und Jugendlichen nahm nach 1933 zu. Eine Ursache war die schlechter werdende medizinische Versorgung, weil viele jüdische Ärzte nicht mehr praktizieren durften. Außerdem wurden die Ausgaben für das allgemeine Gesundheitswesen verringert, da Nazi-Deutschland die Mittel für die Kriegsproduktion benötigte. Die Anzahl der Diphtherie-Todesfälle verdoppelte sich in der Zeit von 1925 bis 1939. Wir wissen heute, daß schlechte Ernährungslagen die Verbreitung solcher Infektionskrankheiten fördern. Wegen der Devisenknappheit verzichteten die Nazis auf Nahrungsmittelimporte aus Dänemark, dem Ostseeraum und der Ukraine, obwohl schon am Anfang des 20. Jahrhunderts rund ein Drittel der verbrauchten Milch- und Fleischprodukte importiert werden mußte. Mit ihren Kampagnen gegen (auch jüdische) Händler wurden zugleich die Handelsspannen verringert, so daß es sich für die Bauern der Transport in die Städte nicht mehr lohnte.         zurück

 

4            Es gab seit 1923 ein auch in Deutschland geltendes Verbot des Völkerbundes, Bakterien und/oder andere biologische Waffen im Krieg einzusetzen. Hitler wollte sich an diese Regelung halten, während zum Beispiel der Bakteriologie-Professor Heinrich Kliewe den bakteriologisch-biologischen Krieg befürwortete (und wahrscheinlich nach dem Krieg von nix was wußte).          zurück

 

5            Auch die Verwendung des japanischen Maikäfers (Pupillia japonica), der in Nord­amerika mehr als zweihundert Nutzpflanzen befällt, wurde dort erprobt.         zurück

 

6                So war zum Beispiel der Koordinator der Ernährungspolitik in der SBZ, Wilhelm Ziegelmayer, während der Nazi-Zeit der »strategische Kopf der deutschen Militär- und Gemeinschaftsverpflegung« gewesen. Im Frühsommer 1946 kam es zu einer Kartoffelkrise in der SBZ, der schwere Winter 1946/1947 brachte im folgenden Frühjahr noch weit größere Engpässe bei Kartoffeln, so daß als Ersatz von Knollen Essiggemüse ausgegeben wurde. Im August 1947 erreichte die Kartoffelnot ihren Höhepunkt.          zurück

 

7              »Gute Küche und Freiheit in der Liebe sind die Grundpfeiler des Sozialismus« schrieb Charles Fourier lang vor dem Erscheinen des Kommunistischen Manifestes.          zurück

 

8            Schon der italienische China-Reisender Andrea Corsali berichtet 1515 korrekt, daß die Chinesen ein »weißhäutiges Volk« seien. Weil man eine »Zwischenrasse« zwischen den Weißen im Norden und den Schwarzen im Süden benötigte, erfand man im 18. Jahr­hundert die Gelben. Nach dem Göttinger Medizinprofessor Johann Friedrich Blumen­bach unterschied man 1794 nach der weißen »kaukasischen Rasse« während die mon­go­­lische Rasse »meist waizengelb (theils wie gekochte Quitten)«, die amerikanische »kupfer­roth« und die afrikanische schwarz. Bemerkenswert an dieser­ Einteilung ist, daß sie eklatant den biblischen Vor­stellun­gen widersprach. Die Amharen – dunkel wie sie waren – begriffen sich dennoch als Weiße und bezeichneten die Europäer als »rosa« Rasse. Für Montesquieu kommen die Unterschiede vom Wetter: »Kalte Luft strafft, ­warme Luft erschlafft«. Der Naturhistoriker Graf Buffon erklärt Aussehen und (behaup­tete) Kulturlosigkeit der Afrikaner durch ein Klima, das sie verbrannt und gehindert habe, sich zu vervollkommnen.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurde in der »Règne Royal« von Georges Cuvier festgestellt, daß die Menschheit nach einer Reihe großer Flutkatastrophen auf ver­schiedenen Bergketten überlebt habe: Die Neger hätten sich anschließend vom Atlas­gebirge aus verbreitete, die Asiaten würden vom Altai stammen und der Kaukasus sei die Urheimat der Kaukasier, die Cuvier zusätzlich in »semitische« und »indo­europäische« Stämme unterschied. Neger, so schrieb Julien-Joseph Virey, ständen »dem Tier näher«, ­waren auf der »Skala der Lebewesen« ein Mittelding zwischen Mensch und Affe, aber, so Virey: »Wenn man angestrengt nachdenkt, kommt das Gehirn zu einer Art Erektion«. Kartoffeln tun es auch! Und: Dem äußeren Anschein zum Trotz sind die genetischen Unterschiede zwischen den großen Menschen­gruppen so geringfügig, daß Rasseeinteilungen sinnlos sind oder sein sollten.

Der Barock war das Zeitalter der Ein- und Aufteilungen, Zuschreibungen und Eingruppierungen in die berühmten Schubläden:

Die Spanier sind »klug und weis«, der »Frantzoß« un­beständig bekleidet, der »Teutsche« ist dem Löwen vergleich­bar (das stimmt!), der Engländer ist ein Kriegsheld auf See, der Schwede eifrig im Glauben und die Moskowiter vertreiben sich die Zeit mit Schlafen.

So steht‘s in einer »Kurzen Beschreibung der in Europa befindlichen Völker und ihren Aigen­schaften« aus dem 17. Jahrhundert. Der Barock war auch das Zeitalter der Ver­schrobenheiten. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird deshalb »barock« auch als Synonym für einen ver­alteten Geschmack und überholter Ansichten ver­wendet.         zurück

 

9          BT ist ein im Erdboden natürlich vorkommendes Bakterium, das als ungefährlich für den Menschen angesehen wird. BT agiert jedoch in genetisch veränderten Pflanzen anders als das gewöhnliche. Das in Pflanzen genetisch eingeschleuste Bakterium scheint sich in der Erde anzureichern – anders als das in den üblichen Chemiegiften befindliche BT, das sich nach einer gewissen Zeit zersetzt. Es ist heute noch unbekannt, welche Folgen dies anrichtet; auch ist nicht bekannt, welche Funktion BT im Erdboden überhaupt hat.           zurück

 

10         Das Eigentum der Firma Monsanto ist durch etliche Patente geschützt; in den USA durch 5.196.525, 5.164.316, 5.322.938 und 5.352.605. Was da geschützt wird, kann man auch daran ersehen, daß »NewLeaf« bei der US-Umweltschutzbehörde registriert ist und zwar als Pestizid (US EPA Reg. No. 524-474).          zurück

 

11         Monsanto ist inzwischen (einstweilen) von dieser Terminator-Technik abgerückt; an deren Stelle ist eine andere Technik getreten, die letztlich demselben Zweck dient: Genetic Use Restriction Technology (GURT). Bei diesem Verfahren wird bei Feldpflanzen durch den Einsatz bestimmter chemischer (von Monsanto hergestellter) Artikel ein beliebiges An- oder Ausschalten genetischer Eigenschaften bewirkt. Sofern die betreffende Pflanze überhaupt noch lebensfähige Samen produziert, wird die Resistenz gegen Krankheiten und Herbizide ausgeschaltet. Aber dem ist zu helfen: Monsanto verkauft die Mittel gegen die angezüchtete Anfälligkeit.         zurück



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