Kartoffel-Geschichte 3.9.
                      Aberglaube um die Kartoffel
                
                ABERGLAUBE: Eine gequetschte Kartoffel
                hilft gegen Zahnschmerzen, wenn sie in der Hosen- oder
                Jackentasche getragen wird. Aber: Zahnschmerzen unten
                links: Kartoffel in die linke Hosentasche, rechts oben
                Zahnweh: Kartoffel in die rechte Jackentasche, gelbes
                Taschentuch in die linke hintere Hosentasche, braunes
                in die rechte usw. 
                
                
ABERGLAUBE: Schwangere Frauen, so der
                Aberglaube, sollten Kartoffeln meiden, besonders bei
                Nacht, wenn ihr Kind einen schmalen (vornehmen) Kopf
                haben soll. Dickköpfige Menschen sind also nicht
                widerborstig, sondern nur während der Schwangerschaft
                falsch ernährt worden. 
                
                
 ABERGLAUBE: Wenn am 1. Mai eine Kartoffel
                vor eines Mädchen Tür gefunden wird, so bedeutet es in
                Irland, daß jemand seine Verachtung für sie ausdrücken
                will. Es ist leider nicht überliefert, was eine
                Kartoffel vor der Tür zur Sommernachtwende bedeutet
                oder wenn die Knolle beim Paddy vor der Tür anliegt. Der
                Ire weiß auch, daß man die ersten Kartoffeln
                grundsätzlich am Karfreitag in den Boden setzt –
                unabhängig vom Termin. 
                
 Die Kartoffel trat an
                    die Stelle des teuren Salzes, das Brautpaare in der
                    den Pyrenäen in ihrer linken Tasche trugen; in
                    einigen Gebieten Frankreichs trug der Bräutigam Salz
                    in der Tasche. Die Römer bezeichneten einen
                    verliebten Mann als salax, wovon sich das
                    englische Wort salacious, wollüstig, geil,
                    herleitet.
                ABERGLAUBE: Mit Aberglauben kann man sogar
                Nobelpreise gewinnen: Der Wirtschaftswissenschaftler
                James McGill Buchanan behauptet, daß ökonomisch
                handelnde Menschen – wenn sie denn nur ihrem Eigennutz
                und ihrer Vernunft folgend würden – zwangsläufig einen
                demokratischen Rechtsstaat gründen würden. Er macht dies
                fest an einem Beispiel mit Kartoffeln: Auf einer Insel
                leben zwei Robinsone, beide werden als sogenannte »homo
                oeconomici« bezeichnet. Beide wenden ihre knappen
                Ressourcen nur für drei Tätigkeiten auf: sie bauen
                Kartoffeln an, sie stehlen sich gegenseitig Kartoffeln
                und sie verteidigen sich gegen die Übergriffe des
                jeweils anderen. Eines Tages fällt ihnen auf, daß es
                beider Wohlstand fördern würde, wenn sie auf die
                gegenseitigen Raubzüge verzichten und sich dadurch auch
                die jeweils erforderlichen Abwehrreaktionen ersparen
                würden. Damit hätten sie Ressourcen und Kräfte frei für
                die Förderung des Kartoffelbaus und könnten diesen
                ertragreicher gestalten. Mit diesem Beispiel will
                Buchanan beweisen, daß eigennützig-rationales Handeln –
                ohne weitere ethische Regeln – in einen Rechtsstaat
                mündet. Eine Bitte an den Leser an dieser Stelle: Nicht
                neidisch werden, daß für diesen hanebüchenen
                Kartoffel-Aberglauben 1986 der Nobelpreis ausgeschüttet
                wurde. Denn erstens gibt es keine Robinsone – wozu hat
                man schließlich ein handy (dadurch fällt schon die
                Grundannahme in sich zusammen), zweitens gibt es seit
                Freud nicht mehr den reinen »homo oeconomicus« (für
                diese Feststellung erhielt ein anderer einen
                Nobelpreis), auf Dauer – drittens – ist es eine sehr
                einseitige Ernährung mit Kartoffeln (dafür hat’s noch
                keinen Nobelpreis in Biologie gegeben), so daß der
                Eigennutz dazu geführt hätte, daß einer der beiden
                anfängt, Hühner oder Schweine zu züchten, um somit,
                viertens, mehr Proteine zu sich zu nehmen, damit
                stärker, kräftiger, blutrünstiger zu werden als der
                Knollenbauer und deshalb dann diesen zu knechten (wofür
                es nicht den Friedens-Nobelpreis gegeben hätte) –
                natürlich im Rahmen der üblichen gesetzlichen
                Bestimmungen und vielleicht sogar auf dem Boden der
                »FDGO«, der 
frühzeitig
düngenden 
Gartoffel-
Ordnung.
                Wie gesagt, dafür gab’s über eine Million Kronen für
                Buchanan. 
                
                
 ABERGLAUBE: Im Jahr 1950 behauptet
                Roderich Menzel in seinem Elaborat »Triumph der
                Medizin«, der starke Kartoffelgenuß sei für den
                Niedergang des geistigen und sittlichen Bewußtseins in
                Mitteleuropa und Rußland verantwortlich. Ist das nun
                medizinisch oder mystisch zu interpretieren? Oder hängt
                das nur mit dem »Kalten Krieg« zusammen? 
                
                
 ABERGLAUBE: Der Aberglaube über die
                magischen Kräfte der Kartoffel hielt sich lange: Noch
                Anfang des 20. Jahrhunderts glaubten die Leute in
                Sutherland in Südengland, daß frisch gegrabene
                Kartoffeln von der ganzen Familie gekostet werden
                müßten, weil sonst »die Geister, die in den Kartoffeln
                sind, Anstoß nehmen« und die Kartoffeln nicht halten;
                das erinnert an alte irische Elfenmärchen.
                Südenglischer Aberglaube in den Bauernfamilien sicherte
                aber auch zugleich das Überleben aller
                Familienmitglieder: Alte, Weiber, Kinder und andere
                Schwache konnten wie die Starken (Männer) Kartoffeln vom
                Tisch nehmen und sich nähren. 
                
                
 ABERGLAUBE: Zum Aberglauben gehört, daß
                Kartoffel am besten an Karfreitag gesetzt werden, wenn
                sie gut geraten sollen; problematisch war (und ist) es,
                wenn Ostern später fällt als es einem vernünftigen
                Wachstum der Knolle dienlich ist. 
                
                
 ABERGLAUBE: In Irland wurden
                Saatkartoffeln vor dem Setzen mit Weihwasser
                besprenkelt (»Die Setzkartoffel will unter der Erde
                noch das Mittagläuten hören.«). Ungünstig für das
                Wachstum der 
Buntahgta war, die Kartoffel am
                vierten Tag nach dem Heiligen Abend zu pflanzen.