Kontakt /
                contact      Hauptseite / page principale / pagina principal /
                  home      zum
                Europa-Index 1850-2000      
<<        >>

Kartoffel-Geschichte Furche 3.9. Aberglaube um die Kartoffel

präsentiert von Michael Palomino 2019

damit gutes Wissen nicht verloren geht

aus: Klaus Henseler: Kartoffel-Geschichte: Medizin und Aberglaube:
https://web.archive.org/web/20120226083624/http://www.kartoffel-geschichte.de/Dritte_Furche/Medizin-Aberglauben/medizin-aberglauben.html

Teilen / share:

Facebook







Kartoffel-Geschichte 3.9. Aberglaube um die Kartoffel

ABERGLAUBE: Eine gequetschte Kartoffel hilft gegen Zahnschmerzen, wenn sie in der Hosen- oder Jackentasche getragen wird. Aber: Zahnschmerzen unten links: Kartoffel in die linke Hosentasche, rechts oben Zahnweh: Kartoffel in die rechte Jacken­tasche, gelbes Taschentuch in die linke hintere Hosen­tasche, braunes in die rechte usw.

ABERGLAUBE: Schwangere Frauen, so der Aberglaube, sollten Kartoffeln meiden, be­sonders bei Nacht, wenn ihr Kind einen schmalen (vornehmen) Kopf haben soll. Dick­köpfige Menschen sind also nicht wider­borstig, sondern nur während der Schwangerschaft falsch ernährt worden.

ABERGLAUBE: Wenn am 1. Mai eine Kartoffel vor eines Mädchen Tür gefunden wird, so bedeutet es in Irland, daß jemand seine Verachtung für sie ausdrücken will. Es ist leider nicht überliefert, was eine Kartoffel vor der Tür zur Sommer­nachtwende bedeutet oder wenn die Knolle beim Paddy vor der Tür anliegt. Der Ire weiß auch, daß man die ersten Kartoffeln grundsätzlich am Karfreitag in den ­Boden setzt – unabhängig vom Termin.
Die Kartoffel trat an die Stelle des teuren Salzes, das Brautpaare in der den Pyrenäen in ihrer linken Tasche trugen; in einigen Gebieten Frankreichs trug der Bräutigam Salz in der Tasche. Die Römer bezeichneten einen verliebten Mann als salax, wovon sich das englische Wort salacious, wollüstig, geil, herleitet.
ABERGLAUBE: Mit Aberglauben kann man sogar Nobelpreise gewinnen: Der Wirtschafts­wissenschaftler James McGill Buchanan behauptet, daß ökonomisch handelnde Menschen – wenn sie denn nur ihrem Eigen­nutz und ihrer Vernunft folgend würden – zwangsläufig einen demokratischen Rechtsstaat gründen würden. Er macht dies fest an einem Beispiel mit Kartoffeln: Auf einer Insel leben zwei Robinsone, beide werden als sogenannte »homo oeconomici« bezeichnet. Beide wenden ihre knappen Ressourcen nur für drei Tätigkeiten auf: sie bauen Kartoffeln an, sie stehlen sich gegenseitig Kartoffeln und sie verteidigen sich gegen die Übergriffe des jeweils anderen. Eines Tages fällt ihnen auf, daß es beider Wohlstand fördern würde, wenn sie auf die gegenseitigen Raubzüge verzichten und sich dadurch auch die jeweils erforderlichen Abwehrreaktionen ersparen würden. Damit hätten sie Ressourcen und Kräfte frei für die Förderung des Kartoffelbaus und könnten diesen ertragreicher gestalten. Mit diesem Beispiel will Buchanan beweisen, daß eigennützig-rationales Handeln – ohne weitere ethische Regeln – in einen Rechtsstaat mündet. Eine Bitte an den Leser an dieser Stelle: Nicht neidisch werden, daß für diesen hane­büchenen Kartoffel-Aberglauben 1986 der Nobelpreis ausgeschüttet wurde. Denn erstens gibt es keine Robinsone – wozu hat man schließlich ein handy (dadurch fällt schon die Grundannahme in sich zusammen), zweitens gibt es seit Freud nicht mehr den reinen »homo oeconomicus« (für diese Feststellung erhielt ein anderer einen Nobelpreis), auf Dauer – drittens – ist es eine sehr einseitige Ernährung mit Kartoffeln (dafür hat’s noch keinen Nobelpreis in Biologie gegeben), so daß der Eigennutz dazu geführt hätte, daß einer der beiden anfängt, Hühner oder Schweine zu züchten, um somit, viertens, mehr Proteine zu sich zu nehmen, damit stärker, kräftiger, blut­rünstiger zu werden als der Knollenbauer und des­halb dann diesen zu knechten (wofür es nicht den Friedens-Nobelpreis gegeben hätte) – natürlich im Rahmen der üb­lichen gesetzlichen Bestimmungen und vielleicht sogar auf dem Boden der »FDGO«, der frühzeitigdüngenden Gartoffel-Ordnung. Wie gesagt, dafür gab’s über eine Million Kronen für Buchanan.

ABERGLAUBE: Im Jahr 1950 behauptet Roderich Menzel in seinem Elaborat »Triumph der Medizin«, der starke Kartoffelgenuß sei für den Niedergang des geistigen und sittlichen Bewußtseins in Mittel­europa und Rußland ver­antwortlich. Ist das nun medizinisch oder mystisch zu interpretieren? Oder hängt das nur mit dem »Kalten Krieg« zusammen?

ABERGLAUBE: Der Aberglaube über die magischen Kräfte der Kartoffel hielt sich lange: Noch Anfang des 20. Jahrhunderts glaubten die Leute in Sutherland in Südengland, daß frisch gegrabene Kartoffeln von der ganzen Familie gekostet werden müßten, weil sonst »die Geister, die in den Kartoffeln sind, Anstoß nehmen« und die Kartoffeln nicht halten; das erinnert an alte irische Elfen­märchen. Südenglischer Aberglaube in den Bauernfamilien sicherte aber auch zugleich das Überleben aller Familienmitglieder: Alte, Weiber, Kinder und andere Schwache konnten wie die Starken (Männer) Kartoffeln vom Tisch nehmen und sich nähren.

ABERGLAUBE: Zum Aberglauben gehört, daß Kartoffel am besten an Karfreitag gesetzt werden, wenn sie gut geraten sollen; problematisch war (und ist) es, wenn Ostern später fällt als es einem vernünftigen Wachstum der Knolle dienlich ist.

ABERGLAUBE: In Irland wurden Saatkartoffeln vor dem Setzen mit Weihwasser be­sprenkelt (»Die Setzkartoffel will unter der Erde noch das Mittagläuten hören.«). Un­günstig für das Wachstum der Buntahgta war, die Kartoffel am vierten Tag nach dem Heiligen Abend zu pflanzen.


<<        >>

Teilen / share:

Facebook








^