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Einstein-Dokumente 05: Das Preisgeld
Barbara Wolff: „Derartige kolossale Opfer ...“
Der Nobelpreis für Physik für das Jahr 1921 – was geschah mit dem Preisgeld?
Mileva Einstein in Zureich (Zürich): 3 Häuser gekauft - 3 Häuser verkauft - ab 1948 teilen sich die Söhne Hans Albert Einstein und Eduard Einstein das restliche Geld
aus: MAX PLANCK INSTITUTE FOR THE HISTORY OF SCIENCE - https://www.mpiwg-berlin.mpg.de/sites/default/files/P493.pdf (78 Seiten) - 2019 - Preprint N°493
präsentiert von Michael Palomino (2019)
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2019
„Derartige kolossale Opfer ...“
Der Nobelpreis für Physik für das Jahr 1921 – was geschah mit dem Preisgeld?
Barbara Wolff
„Derartige kolossale Opfer…“
Der Nobelpreis für Physik für das Jahr
1921 – was geschah mit dem Preisgeld?
Barbara Wolff [1]
[1] barbaraw@mail.huji.ac.il
[S.III]
Inhaltsverzeichnis
1. „ … und ist sehr revolutionär“:
Vom annus mirabilis 1905 bis 19181
2. „Derartige kolossale Opfer …“:
Von der Scheidung bis zum Nobelpreis, 1918–19223
3. „...ein grosser Teil Eures Vermögens“:
Von der Rückkehr aus Japan 1923 bis zum Hauskauf 19247
4. „Ich bin ja immer dafür gewesen...“:
Jahre des – bescheidenen – Wohlstands vom Kauf des ersten Hauses 1924 bis zum Sommer 1930, in dem Mileva ihr drittes Haus kauft14
5. „...ich fürchte, sie könnte einmal ganz zusammenklappen“:
Von Milevas ersten finanziellen Problemen mit den Häusern 1931 bis zu Alberts Abreise in die USA Ende 193223
6. „ …in einer ständigen Hetze“:
Milevas desolate finanzielle Situation 1933–193830
7. „Noch nie habe ich mich so viel um faule Geschäfte bekümmert als hier, sondern mein Geld auf bequemere Weise verloren“:
Die Huttenstraße Realty Corporation 1939 bis 194639
8. Wovon haben Mileva und Eduard gelebt? „Die Corporation will uns … betteln gehen lassen“:
Vom Entschluss, das Haus zu verkaufen, 1946, bis zu Milevas Tod 194852
9. Mileva stirbt am 4. August 1948. 87.300 Schweizer Franken in Scheinen:
Die Auseinandersetzungen um Milevas Nachlass bis zur endgültigen Aufteilung der Restsumme zwischen den Söhnen 195065
10. Mit der Aufteilung des Geldes aus Milevas Nachlass gehen 1950 die letzten Reste der Nobelpreissumme in die Hände seiner Kinder über, so wie Albert das 1918 vorgesehen hatte 74
11. Zu den Fußnoten 77
12. Quellen 77
[S.V]
[[Abkürzungen (aus S.77)
Albert Einstein: AE
Mileva Einstein-Maric: ME
Hans Albert Einstein: Hans Albert
Eduard Einstein (Tete, Teddy): Eduard
Otto Nathan: Otto Nathan
Heinrich Zangger: HZ
Georg Guggenheim: Guggenheim
Huttenstraße Realty Corporation: Corporation HuttRC
Dr. jur Heinrich Meili, Vormund von Eduard und Mileva Einstein: Vormund Meili]]
[[Einleitung]]
Eine Augsburger Rechtsanwältin, die 2015 ein schmuckes kleines Büchlein darüber veröffentlichte, „[w]ie sich Mileva Einstein Alberts Nobelpreisgeld sicherte“[2],
[2] Anne-Kathrin Kilg-Meyer: Wie sich Mileva Einstein Alberts Nobelpreisgeld sicherte. München 2015.ist nur eine unter mehreren AutorInnen, die sich in den letzten Jahren Fragen zum Verbleib dieses Preisgelds stellten und merk-würdige, frag-würdige Antworten darauf fanden.
Gab Albert das Preisgeld tatsächlich an „die Verflossene“, seine erste Ehefrau Mileva, weiter? Darf man, muss man sogar diese Geste als eine späte Anerkennung für Milevas Beitrag zu all den physikalischen Forschungsergebnissen verstehen, die in den rund zwölf Jahren ihres Zusammenlebens lediglich unter Albert Einsteins Namen veröffentlicht wurden? Behielt er nicht doch einen Teil des Preisgelds für sich, veruntreute es, verspekulierte es? Oder ist allein der große Börsenkrach in den Vereinigten Staaten schuld daran, dass Mileva in den letzten zwei Jahrzehnten ihres Lebens beständig in Geldnöten steckte? Wer hat und wann die drei Häuser in Zürich gekauft, die sich bald als unrentabel erwiesen und die Mileva nicht halten konnte? Wurden diese Häuser zwangsversteigert? Oder verkaufte Mileva sie, weil die Pflege des kranken Sohnes immer größere Summen verschlang?
„Der pfiffig erfundenen Legenden ist kein Ende.“ [3]
[3] AE an Elisabeth Gabriele in Bayern, die Witwe des belgischen Königs, 28.3.1954. In De Dijn, Rosine: Albert Einstein und Elisabeth von Belgien: Eine Freundschaft in bewegter Zeit. Regensburg 2016, S.166.Darüber wird sich Albert noch im Jahr vor seinem Tod amüsieren, als nicht nur all die Annehmlichkeiten, die mit einer so lukrativen Auszeichnung wie dem Nobelpreis einhergehen, sondern glücklicherweise auch die Unannehmlichkeiten, die er sich damit eingehandelt hatte, schon der Vergangenheit angehörten. 1954 lag diese Vergangenheit nicht allzuweit zurück.
Begonnen hatte die Geschichte des Nobelpreises für Physik für das Jahr 1921 im Jahr 1905.
1. „ … und ist sehr revolutionär“:
Vom annus mirabilis 1905 bis 1918
„Sie eingefrorener Walfisch, Sie geräuchertes, getrocknetes, eingebüchstes Stück Seele“ kanzelt der Berner Patentbeamte Albert seinen Freund Konrad, Mathematiklehrer und seit kurzem promoviert, ab, der ihm seine Dissertation noch immer nicht zum Lesen [S.1] übersandt hat. Albert vermisst den anregenden Austausch mit den beiden Kumpanen der „Akademie Olympia“, die Bern verlassen haben. Aber in seinem alten Freund Michele Besso, der im Mai 1904 auch sein Kollege im Patentamt geworden war, hat er einen neuen ‚Resonanzboden‘ entdeckt, und so kann er Konrad Habicht in diesem Frühjahr 1905 vier Arbeiten aus seiner eigenen Feder anbieten, die erste schon in Bälde: „sie handelt über die Strahlung und die energetischen Eigenschaften des Lichtes und ist sehr revolutionär.“ [4]
[4] AE an Konrad Habicht, 18. oder 25.5.1905.Weltruhm erlangt Albert Einstein anderthalb Jahrzehnte später mit einer anderen Arbeit, deren einprägsamer Titel in den frühen 1920erjahren die Phantasie ‚jedes Kutschers und jedes Kellners‘ [5]
[5] AE an Marcel Grossmann, 12.9.1920.inspirieren wird und mit dem die Welt den Physiker auch noch im 21. Jahrhundert identifiziert: Die „Relativitätstheorie“.
Der Nobelpreis wird ihm 1922 allerdings in erster Linie für die „revolutionäre“ Arbeit aus dem Jahr 1905 zugesprochen.
Als er sie schrieb, war er noch nicht promoviert. Fünf Jahre später – die Ernennung des Berner Patentbeamten zum außerordentlichen Professor für theoretische Physik an der Universität Zürich liegt gerade ein Jahr zurück – wird er zum ersten Mal für den Nobelpreis nominiert – pikanterweise von einem Professor, der ihn wenige Jahre zuvor nicht einmal als Assistenten einstellen wollte.
1912 sind es schon vier Kollegen, die ihn für den Nobelpreis in Physik vorschlagen, und bis einschließlich 1917 werden elf Wissenschaftler Albert Einstein insgesamt vierzehnmal nominiert haben. Fast alle begründen ihr Votum damit, dass das Relativitätsprinzip einen der bedeutendsten Fortschritte in der Naturwissenschaft darstelle. Nach 1915 schließt dies die „Allgemeine Relativitätstheorie“ ein.
Weiß Albert davon?
Dass er bisher nicht in die engere Auswahl gezogen wurde, liegt auch daran, dass das Entscheidungsgremium, die Nobelstiftung, Nachweise für die Stichhaltigkeit der Theorie vermisst. Es sei noch zu früh, heißt es; man warte auf empirische Beweise. Möglicherweise handle es sich gar nicht um eine wirkliche Entdeckung oder Erfindung [S.2], sondern um eine spekulative Hypothese. Ob man der Theorie Vertrauen schenke oder nicht, behaupten die Skeptiker, sei wohl am ehesten eine „Glaubensfrage“. Albert selbst zweifelt nicht an seinen Erkenntnissen. Die Frage einer Studentin, wie er reagieren würde, wenn die während der Sonnenfinsternis 1919 gemessenen Daten seine Berechnungen nicht bestätigten, entlockt ihm ein überlegenes „Da tät mir der liebe Gott aber leid. Denn die Theorie ist korrekt.“ [6]
[6] Zitiert in Rosenthal-Schneider, Ilse: Reality and Scientific Truth. Detroit 1980, p.74.
2. „Derartige kolossale Opfer …“:
Von der Scheidung bis zum Nobelpreis, 1918–1922
So überzeugt ist Albert von seinen Erkenntnissen und davon, dass er eines nicht zu fernen Tages dafür den Nobelpreis erhalten wird, dass er, in einem zweiten Versuch, seine Frau Mileva dazu zu bewegen, die Scheidung einzureichen, ihr im Januar 1918 das Preisgeld anbietet:
Der Nobelpreis würde Dir im Falle der Scheidung und für den Fall, dass er mir zuteil wird a priori vollständig abgetreten. Die freie Verfügung über die Zinsen bliebe Dir überlassen. Das Kapital würde in der Schweiz deponiert und für die Kinder sichergestellt. [7]
[7] AE an Mileva, 31.1.1918.Günstig und gewinnbringend angelegt könnte das Preisgeld Zinsen abwerfen, die Alberts laufende Unterhaltszahlungen vielleicht vollständig, zumindest aber zum größeren Teil ersetzen würden – eine bedeutende, höchst erwünschte Entlastung in diesen Jahren der Devisenverkehrsbeschränkungen und des schwankenden Wechselkurses, in denen Albert den Verpflichtungen gegenüber seiner Zürcher Familie oft nur mit Mühe und selten zur Zufriedenheit aller Beteiligten nachkommen kann.
Aber er warnt: Derartige kolossale Opfer würde ich natürlich nur im Fall freiwilliger Scheidung bringen. [8]
[8] AE an Mileva, 31.1.1918.Offenbar teilt Mileva Alberts Zuversicht. Sein Angebot scheint ihr die ihr erwünschte Sicherheit zu versprechen und so lässt sie, ermutigt von den Freunden Michele Besso [S.3] und Heinrich Zangger und beraten von Anwalt Emil Zürcher, sich auf Verhandlungen ein.
Im April 1918 – die Verhandlungen schreiten voran, aber „die schauerlichen Vorgänge in der grossen Welt“ [9]
[9] AE an Zangger, 22.4.1918.und sein desolater Gesundheitszustand fördern trübe Gedanken – hat Alberts Zuversicht eine Einbuße erlitten. Es wäre immerhin möglich, dass ihm der Nobelpreis versagt bliebe. Um den Unterhalt seiner Zürcher Familie auch in diesem Fall zu sichern, macht er ein weiteres Zugeständnis. Er werde Wertpapiere im Wert von 40.000 Mark in der Schweiz deponieren: „Es ist alles, was ich besitze; ein grosser Teil davon besteht in zwei grossen wissenschaftlichen Preisen, die ich vor kurzem erhalten habe.“ [10]
[10] AE an Mileva, vor 8.5.1918.Das lässt er auch den Freund Zangger wissen und fügt hier hinzu:
Sie lachen gewiss darüber, dass ich Ihnen das mit einem gewissen Stolz sage; aber für meine Kinder bedeutet es doch etwas, dass sie im Falle meines Todes nicht so ganz auf Freunde angewiesen sind. Ich habe es an mir erfahren. [11]
[11] AE an Zangger, vor 8.5.1918; s.a. AE an Zangger, 24.6.1918.Auch für diese Papiere solle gelten: die Zinsen stehen Mileva zur Verfügung, nicht aber das Kapital. Wenn ihm der Nobelpreis schließlich zufalle, würden die 40.000 Mark von der Preissumme abgezogen. [12]
[12] AE an Mileva, 23.4.1918.Der Unterhalt, der sich aus den Zinsen und, wenn erforderlich, Alberts Zusatzzahlungen zusammensetzen soll, wird nun in Schweizer Franken festgelegt; er beträgt 8000 Schweizer Franken pro Jahr, gute 10% mehr als Albert drei Monate zuvor angeboten hatte. Er liegt, gemessen an den im Lauf der Kriegsjahre auch in der Schweiz gestiegenen Konsumentenpreisen, zwar nur bei etwa 75% dessen, was im Sommer 1914 „generös“ [13] auf der Basis von Alberts Berliner Professorengehalt vereinbart worden war, aber noch über dem Durchschnittseinkommen eines Angestellten, der in Zürich damit eine Familie ernähren muss. [14] Im Juni 1918 sind die „erstklassigen Wertpapiere im heutigen Kurswert von 40.000 Mark“ [15].
[13] AE an Elsa Einstein, 30.7.1914.
[14] Ein einfacher Arbeiter bringt bei einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden 1918 in Zürich etwa die Hälfte des ME zustehenden Unterhaltsgeldes nach Hause. (Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1919ff online).
[15] AE an Mileva, 4.6.1918; um die Mitte des Jahres 1918 entsprechen 40.000 Mark 30.000 SFr; mit dem Kursverfall der Mark gegenüber dem Franken und der Hyperinflation sinkt der Wert dieser Papierebereits in Zürich angekommen und die Scheidungsvereinbarung, von Milevas [S.4] Anwalt Emil Zürcher juristisch einwandfrei formuliert, kann unterzeichnet werden.Darin heißt es:
Herr Prof. Einstein überträgt im Fall der Scheidung und falls er den Nobelpreis erhält, das Kapital desselben abzüglich 40.000 Mark der Frau Mileva Einstein zu Eigentum und hinterlegt dieses Kapital auf einer Schweizer Bank. [16]
[16] s. „Vereinbarung“, 12.6.1918; in Emil Zürchers Brief an AE vom 2.6.1923 lässt Milevas Anwalt allerdings keinen Zweifel daran aufkommen, dass „das Kapital… den Kindern … reserviert sei…“, ebenso, dass die Verwaltung nicht der Eigentümerin allein zustehe.Mileva dürfe über die Zinsen frei verfügen, über das Kapital jedoch nicht ohne Alberts Zustimmung. Ein Hinweis darauf, dass dieses Kapital „für die Kinder sichergestellt“ werde, fehlt. Ist Albert die Änderung nicht aufgefallen?
Vielleicht hat er, glücklich über das sich nun abzeichnende Ende eines langen bitteren Prozesses, der endgültigen Fassung des Vertrags keine besondere Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Vielleicht auch sah er, bei eher flüchtigem Hinsehen, einen angemessenen Ersatz im Paragraphen 4b, der festschreibt, dass bei Milevas Wiederverheiratung oder im Fall ihres Todes das Geld den Kindern Hans Albert und Eduard Einstein zufalle. Welche Folgen sein eigener Tod – „Ich habe mich nun so viel mit den Zuständen nach meinem Tode beschäftigt, dass es mir ganz kurios erscheint, dass ich noch lebe.“ [17] –
[17] AE an Mileva, 23.4.1918.für die Sicherung des in Milevas Eigentum befindlichen Kapitals haben könnte, scheint ihn zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu besorgen.
[Einsteins Vorschlag: Mileva soll in Süddeutschland leben]
Aber vorerst ist der Nobelpreis noch nicht an Albert gefallen und die Verpflichtung, den Unterhalt seiner Zürcher Familie in Franken zu gewährleisten, wird ihn in den Jahren der rasanten Entwertung der deutschen Mark immer mal wieder vor erhebliche Probleme stellen. [18]
[18] Wiederholt wird AE versuchen, Mileva davon zu überzeugen, dass ein Umzug nach Süddeutschland nur von Vorteil sei, und ebenso oft wird Mileva, die sich am Zürichberg zu Hause fühlt, lieber materielle Einschränkungen in Kauf nehmen, als sich aus Zürich fortlocken lassen.Wenn ihm auch ab 1920 zunehmend Honorare in Devisen gezahlt und direkt nach Zürich transferiert werden können, tritt die große Wende schließlich doch erst vier Jahre nach der Scheidung ein. innerhalb von 5 Jahren auf wenige Prozent der Ausgangssumme. Welcher Ertrag ME aus diesen Papieren
in den Hyperinflationsjahren zufließt, bleibt unbekannt [S.5].
Die Vortragsreise, zu der das japanische Verlagshaus Kaizo-Sha Albert Einstein eingeladen hat und die er, ‚den unwiderstehlichen Lockrufen der Sirenen Ostasiens folgend‘ [19], im Oktober 1922 mit seiner zweiten Ehefrau Elsa antreten will, ist seit längerem beschlossene Sache, da trifft Mitte September ein scheinbar mysteriöser Brief von Svante Arrhenius ein. Darin gibt der Direktor des norwegischen Nobelinstituts, ein Eingeweihter aus dem Team derer, die über die Preisvergabe zu befinden haben, Albert zu bedenken, dass seine Anwesenheit in Stockholm im Dezember 1922 „wahrscheinlich sehr erwünscht sein“ werde [20].
[19] AE an Paul Ehrenfest, 15.3.1922.
[20] Svante Arrhenius an AE am oder vor dem 17.9.1922. Eine ähnlich verschlüsselte Nachricht sendet Max von Laue, offenbar durch Arrhenius informiert, am folgenden Tag.Zieht Albert wenigstens einen Moment lang in Erwägung, die Japan-Reise aufzuschieben? Es sieht nicht so aus. Den Kollegen Arrhenius lässt er wissen, dass er dazu außerstande sei, da „durch Vertrag mit Japan unwiderruflich gebunden.“ [21] Dem Freund Zangger hatte er schon im Juni einen weiteren Grund für diese Reise genannt:
„Ich sehne mich unsagbar nach Einsamkeit, und deshalb gehe ich nach Japan [...], denn das bedeutet 12 Wochen Ruhe auf dem Meer.“ [22]
[21] AE an Svante Arrhenius, 20.9.1922.
[22] AE an Zangger, 18.6.1922.
Niemanden wird wundern, dass, als nach dem Mord an Walther Rathenau und dem Anschlag auf Maximilian Harden auch gegen ihn selbst „von völkischer Seite Attentate geplant“sind [23], Albert Einstein an seinen Reiseplänen festhält. Die in Aussicht genommene Einladung nach Schweden, antwortet er Arrhenius, sei hoffentlich nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben. [24] Auf Zwischenstation in Shanghai erreicht ihn Mitte November die offizielle Nachricht. Dass ihm nun tatsächlich der Nobelpreis zugesprochen worden ist, hält er keines Eintrags in seinem Reisetagebuch mehr für wert. Als er Mitte Dezember in einem Brief aus Kyoto die Auszeichnung zum ersten Mal erwähnt, spöttelt er noch: „Nun kriegt Ihr also wirklich den Nobelpreis“, schreibt er seinen Söhnen. „Ihr seid dann so reich, dass ich Euch weiss Gott noch einmal werde anpumpen müssen.“ [25]
[23] AE an Max Planck, 6.7.1922; AE an Wilhelm Solf, 20.12.1922.[S.6]
[24] AE an Svante Arrhenius, 20.9.1922.
[25] AE an Hans Albert, Eduard, 17.12.1922.
[Einstein ist auch ein Kommunist
Dieser Albert Einstein ist politisch gesehen ein Dummling, weil er auch Aktionen macht, um Kommunisten in Gefängnissen zu unterstützen, ohne jemals die Sowjetunion oder die Konzentrationslager von Lenin und Stalin (Gulag) einmal gesehen zu haben. Das heisst: Einstein unterstützt kommunistische Juden statt verarmte Deutsche. Und wegen diesen Aktivitäten für Kommunisten ist Albert Einstein bei den Geheimdiensten ein Leben lang bis zu seinem Tod registriert und wird ausspioniert].
3. „...ein grosser Teil Eures Vermögens“:
Von der Rückkehr aus Japan 1923 bis zum Hauskauf 1924
Die Preis-Summe beträgt 121.572,54 schwedische Kronen [26] das Äquivalent von mehr als einem Dutzend seiner Berliner Jahreseinkommen [27].
[26] s. Scheck der Stockholms Enskilda Bank vom 11.12.1922.
[27] Eine genaue Berechnung seines Berliner Einkommens ist, besonders in diesen Monaten der Hyperinflation, äußerst problematisch. Die Schätzung beruht auf dem Gehalt, das er von der Akademie, der Universität und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft erhielt. Weitere, weniger kontinuierliche, wenngleich höhere Einkünfte, z.B. für seine Arbeit am Kreiselkompass oder aus den Aktien der Schweizerischen Auer-Gesellschaft, Gelder, die in den zurückliegenden Jahren wohl überwiegend an die Zürcher Familie weitergeleitet wurden, sind hier nur am Rande berücksichtigt.
Das erfährt Albert vermutlich erst nach seiner Rückkehr in Berlin.
Bereut er es, 1918, im „Bestreben, endlich eine gewisse Ordnung in [s]eine privaten Verhältnisse zu bringen“ [28], den damals noch ganz ‚immateriellen‘ Nobelpreis Milevas nicht unberechtigtem Sicherheitsbedürfnis geopfert zu haben? Seine Freunde Fritz Haber und Heinrich Zangger werden sich Jahre später aus ihrer Sicht zu Alberts Blick auf dieses Geld sehr unterschiedlich äußern. Im Mai 1923, als die Preissumme in Form eines Kontoauszugs der Stockholms Enskilda Bank eine gewisse Realität angenommen hat, zeugt nur ein scheinbar nebensächliches Indiz davon, wie Albert fühlt. In einem ungewöhnlichen Anflug von Knauserigkeit reklamiert er die Zinsen, die sich dank Arrhenius’ „liebenswürdige[r] kapitalistische[r] Fürsorge“ [29] seit dem Tag der Preisverleihung im Dezember des Vorjahres auf dem schwedischen Konto angesammelt haben, für sich [30] .
[28] AE an Mileva, 31.1.1918; in anderen Worten: „nach all den Jahren der Kämpfe, da [Elsa] endlich am Ziel und AE bereit ist, sie zu heiraten“; s. Ilse Einstein an Georg Nicolai, 22.5.1918.
[29] AE an Svante Arrhenius, 23.3.1923.
[30] AE an Stockholms Enskilda Bank, 28.5.1923.Es sind dies knapp 1½ % der Gesamtsumme, 1.659,24 schwedische Kronen, rund 440 $ oder – in Deutschland hat die Inflation bereits ungeahnte Höhen erreicht – etwa 300 Millionen Mark.
[1923: Nach 8 Jahren Armut macht das Nobelpreisgeld Probleme: Diskussionen über Überweisungen, Steuern, Investitionen]
Mitte März 1923, auf dem Rückweg nach Berlin, hatte Albert Mileva und die Söhne in Zürich besucht und sicherlich schon Einzelheiten des Geldtransfers erörtert. Zu bedenken waren die Steuern, die Art der Anlage und die Frage, ob es angesichts der unsicheren Wirtschaftslage nicht eventuell günstiger sei, das Geld außerhalb Europas anzulegen [S.7].
Nur eines war von vornherein sicher: Mileva will ein Haus kaufen – ein Plan, den Albert unterstützt – und sie will dafür sofort etwa 45.000 Franken zur Hand haben. Während sich Albert in Berlin von Bankier Leopold Koppel beraten lässt, ziehen Mileva und der neunzehnjährige Hans Albert in Zürich unter anderem beim „Sekretär des Steuerwesens“ Erkundigungen ein und kommen zu dem Schluss, dass die in der Schweiz anfallenden Kapitalsteuern so gering seien – vor allem, wenn man „nicht gerade alles angeben“ werde – dass „man ruhig Geld hierher legen kann.“ [31]
[31] Hans Albert an AE, 28.3.1923.Davor allerdings warnt Koppel Albert; er rät stattdessen, die nicht sofort in ein Haus investierte Restsumme in Dollaranleihen anzulegen. Dazu empfiehlt er die Privatbank Ladenburg, Thalmann & Co. in New York, mit der er selber Geschäftsbeziehungen unterhält [32].
[32] Founded in 1876, Ladenburg Thalmann quickly became one of the most influential private merchant banking firms, a major financial intermediary between America, Great Britain and the European Continent. (s. Wikipedia: Ladenburg Thalmann).Dass das ihr und den Kindern zustehende Geld nicht in die Schweiz, sondern nach Amerika fließen soll, versetzt Mileva in Unruhe. Ihre Brandbriefe erreichen Albert, der im April 1923 eine gute Woche in Kiel, im Mai zwei Wochen in Leiden verbringt, mit Verspätung. Das Warten auf Antwort nährt Milevas Ängste; Alberts gelassen-freundliche Erwägungen überzeugen sie nicht. Während er über Steuern und andere Abgaben schreibt, die zugunsten der Zürcher Familie eingespart werden können, wenn das Kapital auf seinen, Alberts, Namen angelegt werde, wächst in ihr der Verdacht, Albert wolle das Geld ihr und den Kindern vorenthalten [33].
[33] AE an Mileva, 18.5.1923; AEs Brief vom 2.5.1923 erhält Mileva erst am 25.5.1923.Nun drängt sie auf sofortige Überweisung der 45.000 SFr, die für den Hauskauf vorgesehen sind. Noch hat sie kein bestimmtes Haus in Aussicht. Vielleicht wagt sie nicht, sich auf Kaufverhandlungen einzulassen, bevor sie das Geld auf ihrem Konto sieht; möglicherweise denkt sie aber auch ganz pragmatisch über den ‚Spatz in der Hand‘, der der ‚Taube auf dem Dach‘ in jedem Fall vorzuziehen sei.
Am 23.Mai 1923 kündigt Albert Mileva die Sendung von 45.000 SFr auf das Geschäftskonto seines Zürcher Freundes Albert Karr an, der seit vielen Jahren Alberts Schweizer Finanzberater ist [34].
[34] Albert Karr(-Krüsi) war ein ehemaliger Mitarbeiter von AEs Onkel Jakob Koch.Der Rest der Summe, schreibt er, werde auf ihren, Milevas [S.8], Namen in Dollaranleihen bei der New Yorker Bank deponiert, falls sie nicht noch telegraphisch verhindere, dass „die Deponierung auf Deinen Namen erfolgt“. Albert ist davon überzeugt, dank Koppels Beistand alles gut und vorsichtig gemacht zu haben: Das flüssige Geld werde zum Zinssatz von 7–8% sicher angelegt, die Zinsen an Mileva ausbezahlt werden; die Verwaltung des Kapitals behält Albert sich „bis auf Weiteres“ vor. „Macht auch Ihr Eure Sache gut!“, ermutigt er Mileva und rechnet mit dem baldigen Kauf eines Hauses für seine Zürcher Familie [35].
[35] AE an Mileva, 23.5.1923; s.a. AE an Leopold Koppel, 23.5.1923; AE an Elsa Einstein, 27.6.1923. AEs Überweisungsauftrag an Stockholms Enskilda Bank vom 28.5.1923, formuliert in Koppels Büro, lautet:
„Ich bitte Sie zu Lasten meines Guthabens bei Ihnen Frs. 45.000.- […] an Herrn Albert Karr […] zur Verfügung von Frau Mileva Einstein […] zu senden.“
Der Rest des Geldes sei zu Gunsten von Frau Mileva Einstein, Zürich, an die Privatbank Ladenburg Thalmann & Co. in New York zu überweisen.Von der Überweisung unterrichtet er am selben Tag auch Albert Karr. Er möge die 45.000 SFr für Mileva bereithalten: „Sie sollen als Anzahlung für ein anzukaufendes Haus dienen (vielleicht auch nur 40.000 davon).“ [36]
[36] AE an Albert Karr, 23.5.1923; Albert Karr wird diese Formulierung missverstehen und den Zürcher Einsteins melden, es lägen 40.000 SFr für sie bereit; s. Hans Albert an AE, ca. Mitte Juni 1923.Am 25.5.1923 trifft Alberts Brief vom 2.5.1923 in Zürich ein und versetzt Mileva in Panik. Telegraphisch beschwört sie Albert, „mit Dispositionen zu[zu]warten.“ [37] - Hat sie Alberts Karte vom 23.5.1923 noch nicht erhalten?
[37] Mileva an AE, 25.5.1923.Am nächsten Tag verleiht sie ihrer Fassungslosigkeit in einem Brief vehement Ausdruck. Sie könne „entschieden nicht begreifen“, weshalb das Geld im Ausland untergebracht, vor allem aber nicht auf ihren Namen deponiert werden solle. Die geringfügige Schweizer Vermögenssteuer mag sie nicht als Grund akzeptieren; sie beruft sich auf den Scheidungsvertrag. In ihre mütterliche Sorge um die materielle Absicherung ihrer Kinder mischt sich deutlich ein irrationales Misstrauen gegenüber dem Ex-Ehemann und Vater [38].
[38] Mileva an AE, 26.5.1923.Tatsächlich widerspricht Alberts Vorgehen dem Wortlaut der Scheidungsvereinbarung von 1918/1919. Aber die veränderte, 1923 höchst unsichere Wirtschaftslage fordert andere Maßnahmen. Albert folgt dem Rat des „Bankiers, Philanthropen, Wissenschaftsmäzens“ Leopold Koppel, den er für vertrauenswürdig und uneigennützig hält [S.9].
Überzeugt, die im Interesse seiner Zürcher Familie bestmöglichen, seiner väterlichen Verantwortung einwandfrei gerecht werdenden Entscheidungen getroffen zu haben, empfindet er Milevas Argwohn als verletzend. „Ich muss mich nur immer aufs Neue über Deine Undankbarkeit und Dein Misstrauen wundern“, empört er sich. „Ich möchte noch eine geschiedene Frau sehen, der man alles opfert, und die sich so schlecht dabei benimmt.“ [39]
[39] AE an Mileva, 30.5.1923.„In grosser Bestürzung“ sucht Mileva Beistand bei einem alten Vertrauten, Staatsanwalt Emil Zürcher, der sich ihr Argument zu eigen macht: wenn sie leichten Herzens in eine Abänderung des Scheidungsvertrages einwillige und die New Yorker Bank zahlungsunfähig werde, müsse ihr dann nicht das Waisenamt Zürich vorwerfen, sie habe pflichtwidrig gehandelt? Deshalb hält der Anwalt es „für sicherer und einfacher den Vertrag zu realisieren“ und anschließend die richterliche Genehmigung für eine Revision der Vereinbarungen einzuholen, die der veränderten Wirtschaftslage Rechnung trägt [40].
[40] Emil Zürcher an AE, 2.6.1923.Aber die Entscheidung, die Albert für angemessen hält, ist längst gefallen, 45.000 SFr. sind nach Zürich gesandt, der „Rest vom N.P. ist schon in New York und wird ausgezeichnet untergebracht“, lässt er die Söhne zufrieden wissen. „Ich will Dir dann alles genau erklären, l. Albert“, verspricht er und freut sich „schrecklich“ auf die gemeinsamen Ferien [41].
[41] AE an Hans Albert, Eduard, 9.6.1923; die nach New York überwiesene Summe beträgt $ 24.210,92 [[in dieser Zeit ist 1 Dollar = 4,2 Schweizer Franken]].Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft ihn deshalb Hans Alberts Angriff. Die „approximative Genauigkeit“ der an Albert Karr überwiesenen Summe – 40.000 SFr, wie Karr gemeldet hat, oder 45.000 SFr, wie Mileva nach Alberts Ankündigung erwarten durfte – mag, schreibt der Sohn, ja nur ein, wenn auch ärgerliches, Versehen sein.
Wichtiger sei es aber, „[w]enn wir das Geld als unser betrachten wollen“, eine Bescheinigung der New Yorker Bank über Milevas Depot zu erhalten. „Wenn Du uns diese Sache verweigern würdest müssten wir annehmen Du habest nicht die Absicht uns das Geld zu lassen.“ [42]
[42] Hans Albert an AE, zw. 8. und 20.6.1923.Dieser Vorwurf, abgeschwächt zwar schon im nächsten Satz, in dem Hans Albert gesteht, er könne sich solch eine Absicht nicht denken, kränkt Albert tief. Dass der [S.10] Neunzehnjährige für das Misstrauen seiner Mutter [43] weniger wohlgesetzte Worte findet als Anwalt Zürcher, wird ihn nicht erstaunt haben. Wenn er darin auch den „Groll wegen der Trennung“ erkennt, kann er, der „fast sein letztes Hemd zeitweise für [Mileva und die Söhne] hergegeben hat“ [44] sich darüber, was er als Hans Alberts Roheit und Mangel an Achtung vor dem Vater erlebt, doch nicht einfach hinwegsetzen [45].
[43] s. Hermann Anschütz-Kaempfe an AE, 24.7.1923
[44] AE an Hermann Anschütz-Kaempfe, 26.7.1923.
[45] AE an Zangger, nach dem 9.6.1923.
[Albert Einstein streicht die geplanten Ferien mit Hans Albert]
Er streicht die gemeinsamen Ferien mit Hans Albert vom Kalender und antwortet dem respektlosen Sprössling in einem Brief, den Mileva abfängt und mit der Begründung vernichtet: „Es wäre Dir später selber nicht recht, wenn er diese harten Worte von Dir lesen würde.“ [46] Mileva mag das richtig sehen. Dass ihr jedoch unverständlich sei, warum Albert „so unversönlich böse“ [47] ist, möchte man ihr nicht abnehmen.
[46] AE an Mileva, nach dem 9.6.1923.
[47] Mileva und Hans Albert an Hermann Anschütz-Kaempfe, vor dem 24.7.1923.
Die Papiere, die Hans Albert als Nachweis für Milevas Eigentum an dem New Yorker Konto eingefordert hat, sind Mitte Juli 1923 in Berlin eingetroffen. Albert sendet sie umgehend nach Zürich weiter, adressiert an den dreizehnjährigen Eduard, dem in der spannungsgeladenen Situation nun die Mittlerrolle zufällt [48]. „Sage Mama,“ schreibt ihm der Vater, besorgt wegen der immer verworrener erscheinenden Wirtschaftslage in Europa, gleich am nächsten Tag, „dass es höchst unvorteilhaft ist, die 45.000 Schweizer Fr. monate lang in der Bank liegen zu lassen.“ Tatsächlich sinkt der Kurs des Franken gegenüber stabileren Währungen seit einigen Monaten. Falls nicht sofort ein Haus gekauft werde, sei anzuraten, die Franken in Dollars, besser noch in schwedische, dänische oder argentinische Dollaranleihen zu wechseln, um einen Zinsverlust zu vermeiden. Mileva möge doch gleich nach Amerika schreiben [49].
[48] AE an Eduard, 15.7.1923; s.a. AE an Elsa Einstein, 27.6.1923.
[49] AE an Eduard, 16.7.1923.
[August 1923: Ferien auf Sylt - mit Hans Albert wird alles geregelt]
Aber unterdessen sind Mileva und Eduard auf Sylt angekommen und kuren, unbesorgt um das Kapital, das in Schweizer Franken auf einer Schweizer Bank liegt, in Schweizer Franken investiert werden soll und bei einer Schweizer Teuerungsrate von weit unter 2% in diesem Jahr wohl nicht Gefahr läuft, zu schnell dahinzuschwinden.
Dank der Intervention besonnenerer Freunde wird der offene Konflikt zwischen Albert und Hans Albert noch vor Ende des Sommers beigelegt. Und nach den schließlich doch gemeinsam verbrachten Ferientagen befindet der Vater, sein Filius sei „prächtiger als je [S.11] zuvor und ganz tadellos in seinem Verhalten [...]. Wenn keine schlechten Einflüsse da wären, wäre er ein idealer Sohn.“ [50]
[50] AE an Elsa Einstein, 14.8.1923; s.a. AE an Zangger, 29.8.1923; an Elsa Einstein, 2.9.1923; an Paul Ehrenfest, 12.9.1923.[November 1923: Der Schweizer Franken fällt - Einstein meint, Mileva solle schnell ein Haus kaufen, bevor er noch mehr fällt]
Im November 1923 ruft eine Mahnung des Finanzamts Albert das im Mai scheinbar so dringend in Zürich benötigte, seither ungenutzt dort liegende Geld in Erinnerung [51].
[51] In Beantwortung der Anfrage des Finanzamts Schöneberg erklärt Ilse Einstein: „Die 40.000 M., die gemäss Ehescheidungsvertrag nach Empfang des Nobelpreises meinem Vater wieder zurückgegeben werden sollten, sind tatsächlich nie an ihn ausgezahlt worden, da diese Summe nach der Rückkehr meines Vaters aus Japan Ende März dieses Jahres durch die Geldentwertung jeden realen Wert eingebüsst hatte.“ 15.11.1923.„Was ist mit dem Hauskauf?“, fragt er an. „Ich bedaure schon, dass ich Euch das Geld geschickt habe, da ich bestimmt voraussehe, dass es mit dem Fr. abwärts gehen wird“. Wenn ein größeres Mietshaus, wie es Mileva offenbar vorschwebt, jetzt nicht zu finden sei, solle sie doch den Kauf eines kleineren Hauses in Erwägung ziehen oder aber Albert das Geld in Amerika anlegen lassen. „Bedenkt, dass es ein grosser Teil Eures Vermögens ist, und dass Ihr wirklich darauf angewiesen seid, dass gut damit gewirtschaftet wird.“ [52]
[52] AE an Hans Albert, Eduard, 24.11.1923.Während Albert überzeugt ist, seine Verpflichtungen aus dem Scheidungsvertrag verantwortungsvoll und sachgerecht erfüllt zu haben, lassen diffuse Zweifel Mileva nicht zur Ruhe kommen. Um die Jahreswende 1923/24 sucht sie Hilfe bei Fritz Haber. Haber, erprobter Vermittler in Einsteins Familienkonflikten und voll freundschaftlichen Verständnisses für Milevas Sorge, verspricht, sich mit Albert zusammenzusetzen. Aber er schickt voraus: „[O]b Geld, das für eine längere Zukunft völlig sicher sein soll, nicht sehr viel besser in den Vereinigten Staaten als in der Schweiz liegt, ist eine sehr ernste und von Ihnen sorgfältig zu prüfende Frage.“ Auch er sieht, dass der Schweizer Franken gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verliert [53 ].
[53] Fritz Haber an Mileva, 16.1.1924.[Regelung 1924: Nun ist das gesamte Nobelpreisgeld Milevas Eigentum - Herr Haber regelt die Angelegenheit]
Allerdings haben Milevas besorgte Fragen ein formales Problem zutage gefördert: Zwar hatte Albert im Vorjahr die New Yorker Bank angewiesen, das Preisgeld auf Milevas Namen anzulegen und anfallende Zinsen an sie auszuzahlen. Eine rechtsgültige Vermögensübertragung stellte dies jedoch offenbar nicht dar; damit sind die schwedischen, dänischen und argentinischen Dollaranleihen genau genommen noch nicht Milevas Eigentum. Unter Habers [S.12] wohlmeinender und die Empfindlichkeiten beider Parteien berücksichtigender Regie erfolgt der juristisch korrekte Schritt am 1. Februar 1924 [54].
[54] s. Fritz Haber an AE, 1.2.1924; Fritz Haber an Mileva, 1.2.1924; AE an Ladenburg Thalmann, 1.2.1924; AE an Mileva, 1.2.1924; Ladenburg Thalmann an AE, 28.2.1924.„Haber war so freundlich“, meldet Albert den Söhnen am folgenden Tag, „die geschäftlichen Angelegenheiten in New York fachgemäss in Ordnung zu bringen. Hoffentlich zieht jetzt Ruhe und Zufriedenheit ein.“ Dass in Zürich aber weiterhin 45.000 SFr ungenutzt auf der Bank liegen, bereitet ihm Sorgen. Er bietet erneut an, sich um eine anderweitige Anlage zu kümmern, falls nun doch kein Haus gekauft werde [55].
[55] AE an Hans Albert, Eduard, 2.2.1924.Den Plan, ein Haus zu kaufen, hat Mileva nicht aufgegeben. Ruhe und Zufriedenheit werden allerdings noch länger nicht einkehren. Daran ändert auch Habers einfühlsame Vermittlertätigkeit nichts [56] und Albert täuscht sich, wenn er Ende Februar 1924 „die leidige Nobelpreis-Angelegenheit“ für abgeschlossen hält und vergnügt und zufrieden „die Streitaxt begraben“ zu können glaubt [57].
[56] Fritz Haber an Mileva, 14.2.1924; Fritz Haber an AE, 14.3.1924.
[57] AE an Hans Albert, Eduard, 23.2.1924.
[Zureich (Zürich), April 1924: Mileva beginnt Verhandlungen für einen Hauskauf - Mai 1924: Hauskauf]
Im April 1924 tritt Mileva in Verhandlungen mit dem Verkäufer eines fünfstöckigen Mehrfamilienhauses am Zürichberg ein. Erste Nachrichten darüber erreichen Albert durch Freund Zangger: „Wenn alles gut geht wird die nächste Zeit ein Haus gekauft, an dem Sie Freude haben werden.“ Der Rest klingt wenig ermutigend: Verluste seien zwar fast ausgeschlossen, die Rendite aber minimal. Die Einkünfte aus den Mieten abzüglich der Hypothekarzinsen schätzt Zangger auf 3500 Sfr p.a., wovon Reparatur- und weitere laufende Kosten abgezogen werden müssen [58].
[58] Zangger an AE, nach 12.4.1924.„Da habt Ihr mit der Verwaltung viel Plackerei und kriegt kaum mehr, als wenn man das Geld sonstwie anlegt“, kommentiert Albert die Nachricht. Für den Kauf spreche, dass ein Haus ein sichererer Besitz sei als Papiere. „[W]enn Ihr an sich Freude an der Sache habt,“ schreibt er, der nun wohl eher mit dem Erwerb eines Einfamilienhäuschens gerechnet hatte, dann wolle er ihnen keinen Stein in den Weg legen [59].
[59] AE an Mileva, 19.4.1924.Es stimmt Albert nachdenklich, dass Mileva „viel Courage, vielleicht zu viel bei dem geringen Vermögen“ hat [60]. Aber da er aus der Ferne ein eigenes Urteil nicht fällen [S.13] möchte, gibt er die hier gar nicht mehr erforderliche Einwilligung unter dem Vorbehalt, dass Freund Zangger den Kauf schließlich gutheiße [61].
[60] AE an Elsa Einstein, 15.5.1924; s.a. AE an Zangger, 15.5.1924.
[61] AE an Mileva, 12.5.1924; s. a. Mileva an Zangger, 26.5.1924.
Ende Mai stehen die Vertragsverhandlungen kurz vor dem Abschluss. Milevas Schwermut überschattet die Chance für einen Neubeginn. Mit gar nichts, schreibt sie dem Ex-Ehemann, auch nicht mit dem Haus könne sie sich so recht freuen angesichts all dessen, was hinter ihnen liegt [62]. Meint sie damit nur den Zwist, der das vorangegangene Jahr verdüsterte? Um seine Söhne macht Albert sich keine Sorgen. Die seien „sehr solid geraten […], sodass ihnen der Nobelpreis wohl nicht zum Verhängnis werden wird.“ [63]
[62] Mileva an AE, 8.6.1924.
[63] AE an Michele Besso, 24.5.1924.
[[Mileva Einstein wird es nie verwinden können, dass die jüdische Einstein-Familie mit den rassistisch-jüdischen Eltern Hermann und Pauline Einstein und den Einsteins in Berlin ihr den Albert geraubt haben, der nun in höchsten Kreisen der Wissenschaft und des Adels herumgeistert, aber immer noch keine hohe Mathe kann...]].
4. „Ich bin ja immer dafür gewesen...“: Jahre des – bescheidenen – Wohlstands vom Kauf des ersten Hauses 1924 bis zum Sommer 1930, in dem Mileva ihr drittes Haus kauft
[[Also, es scheint, als ob die Einsteins einfach zu viel Monopoly gespielt haben, wo die Verwaltungskosten und Reparaturkosten NICHT vorkommen, und politische Wechsel auch nicht (!!!)]]
Anfang Juni 1924 unterschreibt Mileva den Kaufvertrag und Albert wünscht „Glück dazu und alle nötigen Mieter, die zahlen und Euch nicht mehr ärgern, als Ihr sie.“ [64]
[64] AE an Hans Albert, Eduard, Mileva, 17.6.1924.[Zürich, Haus Huttenstrasse 62 - Preis 195.000 Franken - 150.000 davon in 3 Hypotheken angelegt]
Ende Juli [[1924]], zwischen Völkerbundsverpflichtungen in Genf und Ferien mit den Söhnen Hans Albert und Eduard im Allgäu, nimmt er das Haus, zunächst nur von außen, in Augenschein. Zufrieden über Milevas allem Anschein nach guten Kauf und mit berechtigtem Stolz auf „das sichtbare Ergebnis [s]einer Grübelei“ [65] betrachtet er es als einen Beweis dafür, dass er, anders als seine eigenen Eltern, die Zukunft seiner Kinder zu sichern in der Lage war.
[65] ebenda; 1933 [[nach der Rebellion Einsteins gegen Nazi-Deutschland und als er in Berlin alles verlor]] wird Mileva diese Sichtweise noch einmal bestätigen, als sie AE und seiner zweiten Frau vorübergehend Aufenthalt in ihrer Wohnung anbietet: „Ich denke, dass dieses Haus – ein Ertrag Deiner Arbeit – nicht nur uns ein Heim sein soll, sondern auch Dir, wenn Du […] das Deinige verloren hast, obdach bieten soll.“ Mileva an AE, 24.4.1933.Das Haus Huttenstraße 62, erbaut 1909, liegt an der Grenze zwischen den erst 1893 eingemeindeten Quartieren Oberstrass und Fluntern. In den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts entstand hier auf den ehemaligen Rebbergen oberhalb der Universität und des Polytechnikums ein Wohnviertel mit mehrstöckigen, teils sehr komfortabel ausgestatteten, freistehenden Mietshäusern mit Zentralheizung, Badezimmer und elektrischem Licht für das aufstrebende Stadtbürgertum.
Um 1920 zahlt eine Familie, die [S.14] 140 m² bewohnt, eine Jahresmiete von 4000 Sfr. Das können sich nur wohlhabende Bürger leisten. Das Haus, das nun Milevas Haus wird, „fast neu, in bester Lage [...], solid gebaut und mit unverbaubarer Aussicht auf See und Berge“ hat einen Schätzwert von ca. 220.000 SFr. Der Kaufpreis beträgt 195.000 SFr. 150.000 SFr davon liegen in drei Hypotheken fest [66].
[66] s. Kaufvertrag, 28.5.1924.[Zürich Huttenstrasse 62: Mileva zieht im Sept. 1924 ein]
Mileva zahlt 45.000 SFr an den Vorbesitzer und wird damit die Hauseigentümerin. Es stehen ihr die Mieteinnahmen zu, von denen sie Hypothekarzinsen und Steuern zu zahlen und für den Erhalt der Liegenschaft Sorge zu tragen hat. Bei Bedarf kann sie, innerhalb des gesetzlichen Rahmens, Mieterhöhungen vornehmen. Ende September 1924 zieht sie mit den Söhnen in die Sechszimmerwohnung im dritten Stock ihres Hauses. Jetzt wohnt sie mietfrei. Zwei Zimmer der geräumigen Wohnung wird sie fast bis ans Ende ihres Lebens untervermietet halten oder Freundinnen und Töchtern von Freundinnen für kürzere und längere Aufenthalte in der Schweiz zur Verfügung stellen.
Gemäß der Scheidungsvereinbarung ist Albert fortan von seinen Zahlungsverpflichtungen befreit, solange Milevas Einkommen aus den Mieten und den Zinsen, die das in Amerika angelegte Geld erbringt, mindestens 8000 SFr p.a. beträgt. Ihre finanzielle Unabhängigkeit, nicht zuletzt auch der neuerworbene – relative – Wohlstand, lassen Milevas Bitterkeit abklingen und in ihren Briefen entdeckt Albert einen neuen Ton: „herzlich und zufrieden [...] wie seit Olimszeiten nicht mehr.“ [67]
[67] AE an Mileva, 14.8.1925; s.a. AE an Maja Winteler-Einstein, 14.9.1925.[Zürich Huttenstrasse 62: Grosse Dachreparatur 1925 - Einstein gibt Privatkredit]
Im Sommer 1925 bringen aufwendigere Reparaturen am Dach des Hauses Milevas Budget aus dem Gleichgewicht. Zur Deckung der Kosten könnte sie amerikanische Papiere verkaufen. Albert rät davon ab; er will ihr die fehlende Summe lieber vorstrecken und vertraut darauf, dass sie sie ihm schon bald, spätestens zum Ende des kommenden Jahres zurückzahlen könne [68] Denn, so verteidigt er sein Angebot gegenüber der skeptischen Ehefrau Elsa, „sie verbrauchen normal bei weitem nicht, was sie einnehmen.“ [69]
[68] AE an Mileva, 14.8.1925.
[69] AE an Elsa Einstein, 21.8.1925.
[S.15]
Alberts Angebot an Mileva scheint durchaus vernünftig. Das Geld, das sich jetzt auf seinem Berliner Konto ansammelt – eine Sicherheitsreserve, von der er einen Teil für die Söhne beiseitelegt – bringt weniger Zinsen als das amerikanische Kapital. Indem Albert das Loch in Milevas aktuellem Budget stopft, ohne dass sie dieses Kapital angreifen muss, zeigt er Umsicht und Verantwortungsbewusstsein.
[Einstein plant ein Testament für die Zürich-Familie und die Berlin-Familie - neue Diskussionen um ein Testament und eine beglaubigte Erklärung]
Es sind wohl dieses Verantwortungsbewusstsein und das Wissen, dass sich in seinen Händen seit einigen Jahren immer mehr Besitz anhäuft, der Begehrlichkeiten weckt [70] die ihn im Herbst 1925 veranlassen, ein neues Testament zu errichten. Wenn es die Möglichkeit gibt, auszuschließen, dass zwischen den beiden Familien, die er versorgt wissen möchte, nach seinem Tod ein Kampf um seine Hinterlassenschaft ausbricht, will er das Seine dafür tun. „Dazu brauche ich eine rechtlich beglaubigte Erklärung“, schreibt er Mileva,
„dass Du und die Kinder, nachdem Ihr den Nobelpreis erhalten habet, keine Ansprüche auf das machet, was ich hinterlasse.” [71]
[70] s. Auseinandersetzung um das Eigentum am Manuskript der ART in den Jahren 1921-1925.
[71] AE an Mileva, 26.9.1925.
Vielleicht hat Mileva Alberts Brief hier niedergelegt und darüber nachgedacht, was ihr und ihren Söhnen entgehen könnte, wenn sie eine solche Verzichtserklärung abgäben. Vielleicht stellte sie sich die Annehmlichkeiten des Lebens eines „M.d.r.F.“ vor, eines Mitglieds der reichen Faulenzerklasse [72]
[72] AE an Mileva, o.D. Ende Februar/Anfang März 1930.die sie niemandem auf Kosten ihrer Kinder – und auch ihrer selbst – gönnen wollte, und malte sich Reichtümer aus, die ihrer Rivalin Elsa und deren Töchtern, die gelegentlich in deutschen Zeitungen als Alberts Töchter vorgestellt wurden, in den Schoß fallen könnten, falls ihr Ex-Ehemann auch weiterhin mit finanziell einträglichen Ehren überhäuft würde.
Vielleicht las sie den Rest des Satzes gar nicht. Der Rest des Satzes lautet: „abgesehen von dem, was ich in meinem Testament ausdrücklich für die Kinder bestimme.“
Für die Kinder bestimmt hatte Albert in einem im Frühjahr 1925 entworfenen Testament: seine Geigen, seine Bücher und alle „Schriftsachen“, die die Söhne
beanspruchen sollten, vor allem aber seine wissenschaftlichen Manuskripte, die schon [S.16] jetzt gefragte Sammlerstücke darstellen, Spekulationsobjekte, deren Wert noch zu steigen verspricht [73].
[73] Testament, 1.3.1925; s.a. AE an Elsa Einstein, 15.4.1925.
[Ergänzung: Manuskripte von 1905 sind nicht mehr vorhanden (!)
Wie sich aber 1943 herausstellt, als eine Kriegsorganisation das Manuskript mit der Relativitätstheorie versteigern will, da muss der Eintein selbst zugeben, dass er das Manuskripte des Jahres 1905 ZERSTÖRT hat - also das scheint ein schlechter Witz, was der Einstein da in seinem Testament von 1925 schreibt (!)].
Weiß Mileva dies? Sie ignoriert Alberts Bitte um die beglaubigte Erklärung. Drei Wochen später hakt er nach: „Sende mir bald die gewünschte Erklärung, dass ich auch für meine hiesigen Leutchen sorgen kann. Sonst würde ich gezwungen sein, mich schon bei Lebzeiten von jeglichem Besitz zu entblössen.“ [74]
[74] AE an Mileva, 17.10.1925.Schon einmal, 1918, als er Mileva das Nobelpreis-Geld zusagte, hat er sich „von jeglichem Besitz entblösst“. 1925 würde sich ein solcher Akt nur geringfügig unterscheiden von dem, was er ohnehin immer wieder in kleinen Schritten tut, indem er etwa ein Konto mit seinen Einnahmen aus der USA-Reise der Stieftochter Ilse überschreibt oder mit seinem holländischen Einkommen 1924 „Haus u. Gütchen“ für Schwester Maja finanziert [75].
[75] AE an Sigmund Zeisler, 28.3.1924; s.a. Maja Winteler-Einstein an AE, 4.12.1924; s. AE an Vero Besso, 9.8.1952.Das Bedürfnis, über ein eher bescheidenes Maß hinaus an Besitz festzuhalten, ist ihm fremd. Mit seiner Bitte um die schriftliche Erklärung fordert er vor allem Milevas Vertrauen in seine Bereitschaft, verantwortungsbewusst gerechte Entscheidungen über diesen Besitz zu treffen.
Das Vertrauen will Mileva ihm nicht schenken. Auch Alberts dritte Aufforderung lässt sie unbeachtet. Dieses Mal hat er die „Erklärung“ in unmissverständlichen Worten vorformuliert:
Da Prof. Albert Einstein den grössten Teil seines Besitzes in Gestalt des Nobelpreises an seine geschiedene Frau, Frau Mileva Einstein, bei Lebzeiten abgetreten hat, welcher Besitz auf dem Wege der Erbschaft auf seine Söhne, Albert und Eduard übergehen wird, erklären besagte Söhne, dass sie an die Hinterlassenschaft des Prof. Einstein keinerlei Ansprüche stellen werden, die nicht dem von ihrem Vater hinterlassenen Testament entsprechen [S.17].„So gut wie für Euch kann ich für sie“, das sind seine zweite Frau Elsa und deren Töchter, „sowieso nicht sorgen“ [76], rechtfertigt er seine Forderung. Und das ist, selbst im Rückblick aus dem Jahr seines Todes, keine unrealistische Einschätzung [77].
[76] AE an Mileva, 1.11.1925.
[77] In den Augen der Allgemeinheit steht heute das Bild der verhärmten, notleidenden Mileva dem Bild einer den Wohlstand an Alberts Seite genießenden, heiteren Elsa gegenüber. Das hat Gründe, die hier nicht zu erörtern sind. AEs finanzielle Sorge für die eine bzw. die andere Ehefrau gehört kaum dazu.
Es wäre müßig, zu fragen, ob tatsächlich die Gefahr besteht, die Albert auszuschließen sucht, dass nämlich Elsa und ihre Töchter „ins Elend kommen“, falls seine Söhne nicht auf ihr Recht verzichten, sein Testament anzufechten. Das Viertel der väterlichen Hinterlassenschaft, das Hans Albert und Eduard nach deutschem Recht erstreiten könnten, würde Elsa und Margot, so wie es im Jahr 1925 aussieht, kaum zum Leben im angemessenen Wohlstand fehlen. Für den nicht so bescheidenen Komfort, den Stieftochter Ilse beansprucht, ist seit 1924 ohnehin ihr Ehemann zuständig.
Erst ein Jahrzehnt später wird Albert zu der fatalistischen Erkenntnis gelangen, dass es „geradezu lächerlich“ sei, über den Tod hinaus sorgen zu wollen [78]. 1925 erfüllt ihn das – im doppelten Wortsinn zu verstehende – Vermögen, vorzusorgen, noch mit großer Befriedigung. Dass Mileva hinter seiner Forderung betrügerische Absichten vermuten könnte, kommt ihm wohl nicht in den Sinn. Ob die gewünschte Erklärung allerdings juristisch Bestand hätte, bleibt eine offene Frage, die Mileva sich und ihren in Rechtsfragen versierteren Freunden ohne Zweifel gestellt hat [79].
[78] AE an Hermann Dukas, 24.12.1935; gemäß dieser Erkenntnis handeln wird AE nicht.
[79] 1932, als es erneut um eine „Erklärung“ geht, wird Zangger diese Frage wieder aufwerfen.
[Zürich Huttenstrasse: Unerwartete Rechnung - es wird Geld geliehen]
Über die Antwort hüllt sie sich in Schweigen. In diesem Herbst 1925, in dem zahlreiche Briefe zwischen Zürich und Berlin hin- und hergehen, sieht Mileva offenbar keinen Grund mehr, sich zu Alberts Bitte zu äußern, und Albert wird das Thema kein viertes Mal anschneiden. Um die Jahreswende findet sich Mileva unvermutet in einer misslichen Lage. Albert hatte für freigewordenes Geld neue Papiere zu einem Preis gekauft, der die Mileva zustehenden Zinsen unter das erwartete Niveau schrumpfen ließ; nun kann sie eine Rechnung, die unvorhergesehen auf sie zugekommen ist, ohne zusätzliches Geld nicht begleichen. Albert, jetzt auch knapp mit Bargeld, empfiehlt, das New Yorker Guthaben zu beleihen [80].
[80] AE an Mileva, 23.12.1925.Vom Verkauf von Papieren rät er, ebenso wie auch zwei Jahre später, ab [S.18], um das Kapital zu schützen:
„Das Geld lass [...] doch lieber in Amerika. Ich begreife jetzt, warum Koppel mir so geraten hat.“ [81]
[81] Das Klavier, das Hans Albert (von Mileva) bekommen soll, wird AE kaufen: „dazu langt’s.“ AE an Mileva, 4.6.1928.
Mileva entscheidet sich schließlich, „in diesem Falle einfach hier noch etwas [zu] ‚pumpen‘“. Sie ist zuversichtlich, dass die Zinsen aus Amerika und die laufenden Einkünfte in Zürich das kleine Defizit schnell wieder ausgleichen werden [82].
[82] Mileva an AE, vor dem 28.1.1926; AE an Mileva, 28.1.1926.Alberts nicht ganz unbegründeter Skepsis – „Ihr hättet ein weit besseres Einkommen, wenn Ihr Euch nicht auf das Haus kapriziert hättet“ [83] – tritt sie so überzeugend entgegen, dass er zugeben muss, es komme schließlich „bei allem auf das Gefühl an, was man dabei hat“, und sich darüber freut, dass Mileva „mit dem Haus so froh“ ist [84].
[83] AE an Mileva, 13.2.1926.
[84] AE an Mileva, 6.3.1926.
Größeres Ungemach scheint sich abzuzeichnen, als im Frühjahr 1926 der ehemalige Hausbesitzer seine Hypothek kündigen will. Aber das Gesetz schützt Mileva; die Hypothek über 17.000 SFr liegt auf weitere drei Jahre fest. Falls der Eigentümer sie verkaufen will, muss er selber einen Käufer finden. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung [85].
[85] s. Zangger an AE, nach 16.3.1926; AE an Zangger, 3.4.1926; AE an Mileva, 3.4.1926.Die geteilte Sorge um das Nobelpreis-Geld hat, nach der von Missverständnissen und Enttäuschungen belasteten ersten Phase, offensichtlich zu einer befriedigenden Zusammenarbeit geführt. Mileva setzt ihren Ehrgeiz darein, das Haus gut instand zu halten und durch kleine Modernisierungen höhere Mieteinnahmen zu erzielen [86], nicht zuletzt, damit ihre Kinder „es in besser[em] Zustande übernehmen werden, als ich es von meinem Vorgänger bekam” [87]; Albert kümmert sich um gewinnbringende Anlage bei und mit der amerikanischen Bank.
[86] Mileva an AE, zwischen 4. und 15.10.1926.
[87] Mileva an AE, nach dem 27.2.1927.[Mileva gibt das geliehene Geld zurück]
Nachdem sich gezeigt hat, dass auch unerwartete Zusatzkosten aus den Einnahmen des laufenden Jahres hatten bezahlt werden können, bietet Mileva Albert am Ende des Jahres 1926 die Rückzahlung ihrer Schulden an. Sicherheitshalber fragt sie gleich nach, wieviel Prozent Zinsen er erwarte. Zinsen, antwortet er sofort, wolle er keine von Mileva, und er [S.19] „wünsche auch nicht“, dass sie sich mit dem Zurückzahlen beeile. „Du kannst mir jeweilen etwas davon zurückgeben, wenn ich in die Schweiz komme.” [88]
[88] Mileva an AE, nach dem 23.12.1926; AE an Mileva, nach dem 10.1.1927Alberts Besuche bei Mileva und Eduard in der Huttenstraße – meist auf dem Weg nach Genf zu den Sitzungen des Völkerbunds und oft auch vor und nach Ferientagen mit dem jüngeren Sohn – sind nun zu einer festen Einrichtung geworden. „Ich erzähle immer allen, wie gut ich mit meiner geschiedenen Frau stehe und wie gut ich in ihrem Hause aufgenommen bin.“ Gelegentlich schockiert er damit konventioneller denkende Zeitgenossen.
[Huttenstrasse 62: Hypothek wird vom alten Eigentümer verkauft - und was nun?]
Um Geldfragen dreht sich die Korrespondenz erst wieder im Sommer 1929 [89] als die Hypothek, die drei Jahre zuvor Unruhe stiftete, endgültig gekündigt wird. Alberts Rat an Mileva, die jetzt vor der Wahl steht, diese Hypothek entweder selbst zu übernehmen oder sie in andere Hände übergehen zu lassen, ist, die Entscheidung in erster Linie von der Höhe der damit verbundenen Zinsen abhängig zu machen. Wären die Zinsen, die sie als Hauseigentümerin an einen neuen Hypothekargläubiger zu zahlen hätte, geringer oder höher als die Zinsen, die sie der Bank für einen Kredit zahlen müsste, mit dem sie die Übernahme der Hypothek in ihre eigenen Hände finanzieren würde? [90]
[89] Die scheinbar mysteriöse Frage in AEs Brief vom 5.5.1928, wie es „mit der Heimkehr des Geldes“ stehe, mag ein Anzeichen dafür sein, dass Mileva sich mit der Rückzahlung der geliehenen Summe doch mehr Zeit ließ, als AE erwartete. Offenbar zog dies aber zunächst keine Unstimmigkeiten nach sich.
[90] AE an Mileva, 4.7.1929.[New York 1929: Börsencrash ist in den Einstein-Briefen NICHT erwähnt?]
Auch jetzt wird noch nicht in Erwägung gezogen, die in jedem Fall einträglicheren Papiere in Amerika zu verkaufen. Der New Yorker Börsenkrach schlägt sich in der Korrespondenz zwischen Mileva und Albert nicht nieder und hat vorerst offenbar keine Auswirkungen auf Milevas amerikanisches Guthaben.
[ab 1929: Mileva unterrichtet Physik an einem Gymnasium in Zürich
(aus Plötz: Die Frau, die Einstein die Mathematik erledigte - 1990, p.428)
[Bank in New York: Es werden 5000 Dollar frei - Einsteins Idee, eine Hypothek aufzunehmen mit 8 bis 10% - oder mit Anleihen in den "USA" zu bleiben mit 7 bis 8%]
Im Frühjahr 1930 wird auf diesem Konto eine größere Summe frei. „Thalmann schlug den Ankauf ähnlicher Staatsanleihen vor, wie Du schon hast“, teilt Albert Mileva mit. Er selbst fände es stattdessen ratsam, „hier eine erste Hypothek auf ein gutes Haus zu nehmen, was 8–10% einbringt“. Sonderbar erscheint solch ein Vorschlag in der Rückschau, auch wenn Albert ihn sachlich begründet. Vielleicht spiegelt er vor allem das neue Lebensgefühl, das Albert seit dem Einzug in sein eigenes Haus in Caputh entdeckt hat. Wenige Tage darauf wird er allerdings zu dem Schluss kommen, dass die [S.20] Verhältnisse in Deutschland doch zu unsicher seien, um „hier“ zu investieren. Falls Mileva das Geld also lieber zu einem geringeren Zinsfuß – 7%, 8% – in Amerika lassen wolle, schreibt er, sei er damit auch einverstanden [91].
[91] AE an Mileva, Mitte Juni 1930; AE an Mileva, nach Mitte Juni 1930.Alberts Vorschlag „jenes Geld betreffend“ hat Mileva überrascht. Sie bittet sich Bedenkzeit aus. „Das angenehme an der bisherigen Anlage [bei Ladenburg, Thalmann & Co. Inc.] ist für mich hauptsächlich das, dass die Sache tadellos funktionierte und alles so unpersönlich ging.“ Seit 1924 führt sie, soweit es nicht um den Kauf oder Verkauf von Papieren geht, die Korrespondenz mit der Bank selbständig; sie erhält Zinsen, die sie zufriedenstellen, und es sieht aus, als werde das auch weiterhin der Fall sein. Sie erkennt keinen Vorteil darin, sich um der geringfügig besseren Verzinsung willen, die eine erste Hypothek bringen könnte, einem Hausbesitzer auf Gedeih und Verderb auszuliefern.
Die Sachlage ist ihr aus eigener Erfahrung vertraut und sie kann sich nicht für Alberts Vorschlag erwärmen. Aber wenn er es für gut halte, die 5000 Dollar so anzulegen, sei es ihr „schliesslich auch recht.“ Nur möchte sie Unstimmigkeiten vermeiden; sie sei „momentan so nervös, dass [sie] eigentlich lieber auf ein % verzichten möchte als irgendeine Aufregung durch machen.“
[Mileva ist nervös: Alte Mutter mit unberechenbarer Schwester - und Eduard im 1. Semester Medizin ist unsicher]
Ursache von Milevas Nervosität ist weder ein finanzieller Engpass, noch der labile Gesundheitszustand des jüngeren Sohnes Eduard; es sind in erster Linie die „trostlosen Verhältnisse“ in Novi Sad, wo ihre kranke alte Mutter mit der geistesgestörten, unberechenbaren Tochter, Milevas jüngerer Schwester, lebt. Vielleicht beunruhigt sie auch die Erkenntnis, dass Eduard, der bald nach dem Beginn eines Medizinstudiums „literarische Gewohnheiten wieder auf[genommen]“ hat, seinem Studienfach nach wenigen Monaten offensichtlich schon mit eher gemischten Gefühlen gegenübersteht [92].
[92] Mileva an AE, 15.6.1930; s. a. Eduard an AE, 22.1.1930.
[Der Wahnsinn 1930: Es herrscht Weltwirtschaftskrise - und die Einsteins kaufen noch zwei Häuser (!)]
[Zürich 18.6.1930: Milevas Idee: Ein zweites Haus kaufen - Bedenkfrist 3 Tage (!) - und Einstein vertraut Mileva blind - Preis zu hoch - Mileva sucht ein anderes zweites Haus (!) - zweites Haus gekauft Juli 1930]
[Das zweite Haus der Einsteins liegt an der Hinterbergstrasse 86 oder 88 in Zürich-Fluntern].
Aber der Gedanke, das freigewordene Geld in ein weiteres Haus zu investieren, geht Mileva nicht aus dem Kopf. Der Zufall will es, dass „ein sehr schönes Haus welches wir gut kennen, zu verkaufen ist.“ Es koste ca. 160.000 SFr, schreibt sie. Jetzt braucht sie Alberts Zustimmung so schnell wie möglich, denn es seien „natürlich verschiedene Liebhaber schon vorhanden“ und man habe ihr eine Bedenkfrist von nur drei Tagen eingeräumt [93]. [S.21]
[93] Mileva an AE, nach 18.6.1930.
[[1 Mathe-Genie und 1 Physik-Kopist spielen Monopoli: Der finanzielle Selbstmord der Einsteins: Weltweiter Börsencrash seit 24. Oktober 1929 - und die Einsteins kaufen weitere Häuser der Luxusklasse - OHNE eine Millionenreserve zu haben (!)
-- seit dem 24.10.1929 ist in den kapitalistischen Staaten der weltweite Börsencrash im Gang, das gilt auch für die Börse in Zureich (Zürich)
-- wenn der Albert Einstein da mit der Mileva weiterhin tut, wie wenn nichts wäre und weiter Häuser der Luxusklasse kauft, ohne Millionen in Reserve zu haben, dann ist das finanzieller Selbstmord
-- Albert Einstein WEISS doch aus eigener Erfahrung in Deutschland, was Krise bedeutet (1. Weltkrieg, Hyperinflation 1923). Also ist es absolut UNverständlich, dass Einstein erlaubt, da noch zwei Häuser dazuzukaufen. Es scheint eigenartig, dass er kein Gold kauft. Jeder gute Verwalter baut ein Vermögen auf verschiedenen Säulen auf, um das Risiko zu verteilen: Haus, Anleihen, Gold, Antiquitäten, Bilder etc.
-- Freunde schreiten nicht ein (??!!) - oder sie glauben alle, die Börsenkrise werde bald vorübersein (!!) - siehe die Grafik beim Jahr 1930 (!!!)]].
Börsenkurse des Dow Jones 1925-1955 [1]
Albert antwortet umgehend: „Ich habe Vertrauen in Dein Urteil [...], weil Du schon einmal gut gekauft hast.“ Dass es auch bei diesem Haus „keine gerade glänzende Verzinsung geben“ werde, erwähnt er nur beiläufig. Falls Mileva genügend flüssige Reserven behalte, „um nicht in Verlegenheit zu geraten“, und falls auch ein Sachverständiger keinen besonderen Haken in der Sache finde, solle sie das Haus doch kaufen [94].
[94] AE an Mileva, nach 20.6.1930.Milevas Verhandlungen mit dem Verkäufer verlaufen schnell im Sand; der Preis ist ihr zu hoch. Aber jetzt hat der Wunsch nach einem zweiten Haus von ihr Besitz ergriffen. Sie macht sich auf die Suche und gewinnt den Eindruck, dass „es sehr viel Möglichkeiten gibt, etwas anständiges zu kriegen“. Deshalb sei sie sehr froh, wenn Albert im Sommer „ein wenig herkomm[e], dann kannst Du uns vielleicht auch helfen aussuchen, oder wenigstens eine etwaige engere Wahl treffen.“ Um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden, bittet sie ihn, das zur Verfügung stehende Geld schon jetzt transferieren zu lassen, in New York werde es ohnehin nur mit 1% verzinst [95].
[95] Mileva an AE, vor 11.7.1930.An einem der letzten Julitage 1930 – Albert ist auf der Rückreise aus Genf zu Besuch in Zürich, begutachtet das ausgewählte Objekt, äußert keine Einwände und gibt seine Zustimmung – kauft Mileva ihr zweites Haus [[der Luxusklasse in Zürich]].
[Zureich, September 1930: Mileva hat eine neue Idee: ein drittes Haus kaufen - Einstein soll schnell das Geld liefern (!)]
Kaum sechs Wochen später nähern sich „[l]angsam zwar, aber allmählig doch“, Milevas Kaufverhandlungen für ein drittes Haus dem Abschluss. Der Preis von 152.000 SFr erscheint ihr „annehmbar“. Albert möge, bittet sie, die beigelegten Zettel unterschreiben und an Ladenburg Thalmann senden, denn es eile mit der Bezahlung. Der Hauskauf belastet Mileva deutlich weniger als das Propädeutikum [[Einführungsveranstaltung]], das Eduard in der nächsten Zeit ablegen soll. „Es hat sich meiner auch eine Nervosität bemächtigt, wie wenn ich das Examen machen müsste.“ [96]
[96] Mileva an AE, 8.9.1930; im September 1930 verkauft Mileva Dollaranleihen im Nominalwert von 7.000 $ zu rund 5.400 $; s. Ladenburg Thalmann & Co., 22.9.1930.Darüber, wie viel Mileva für die Übernahme bezahlen muss, liegen keine zuverlässigen Angaben vor. In einem Anwaltsbrief aus dem Jahr 1937, der aus Gründen der Zweckdienlichkeit überwiegend zweifelhafte, teils nachweislich falsche Daten enthält, ist eine Summe von 40.000 SFr genannt [S.22].
Auch lässt sich nicht ermitteln, welche Summe nach dem dritten Hauskauf auf dem amerikanischen Konto übriggeblieben ist. Wenn Mileva dem hilfsbereiten Freund Zangger im Sommer 1934 erklärt, dass „[d]as Geld, was noch in Amerika war, [...] verloren“ [97] sei, dann ist dies zumindest irreführend. Noch bis 1936 liegt ein allerdings nur geringfügige Zinsen abwerfender Rest des Nobelpreisgelds auf Milevas amerikanischem Konto. Im Sommer 1936 wird diese Restsumme in den Umbau des Hauses Huttenstraße 62 fließen.
[97] Mileva an Zangger, 3.8.1934.Im Herbst 1930 steckt Alberts Preisgeld also in drei Zürcher Mehrfamilienhäusern [[der Luxusklasse!]], deren Mietzinsüberschuss, ergänzt durch die Zinsen aus den restlichen Dollaranleihen auf Milevas New Yorker Konto, eine Unterhaltssumme von mindestens 8000 SFr [[pro Jahr]] erbringen könnte. Oder wenigstens sollte.
5. „...ich fürchte, sie könnte einmal ganz zusammenklappen“:
Von Milevas ersten finanziellen Problemen mit den Häusern 1931 bis zu Alberts Abreise in die USA Ende 1932
[Zureich in der globalen Wirtschaftskrise ab 1931: Mieter können Miete nicht mehr zahlen oder ziehen aus - Mileva hat nur noch reduzierte Mieteinnahmen (!)]
1931 macht sich, in kleinen Schritten, die weltweite Wirtschaftskrise auch in der Schweiz deutlicher bemerkbar. Milevas im Vorjahr erworbene Mietshäuser an der Hinterbergstraße 86 und 88 in Fluntern erweisen sich schnell als kostenträchtige Belastung. Einige Mieter geraten in Mietrückstand, andere ziehen aus. Nicht jeder kann sich in unsicheren Zeiten eine teure Wohnung auf dem Zürichberg leisten [98].
[98] Mileva an AE, 31.5.1932.Und schon eine einzelne über wenige Monate leerstehende Wohnung bringt Milevas Budget ins Schleudern. Verkaufen ließen sich die Häuser nun aber nicht ohne betrübliche Einbußen. Einbußen muss Mileva auch bei den Zinsen auf ihre seit dem Herbst 1930 erheblich geschrumpften Dollaranleihen hinnehmen. Um dem vollständigen Verlust der Zinsen zuvorzukommen, falls etwa Ladenburg, Thalmann & Co. in Konkurs gehen sollten, beschließt sie, dieses Depot auf eine andere Bank zu legen, ein Schritt, den Albert gegebenenfalls mit einem Empfehlungsschreiben unterstützen will. Die Papiere, versichert er ihr, behalte sie, selbst wenn die Bank pleite gehen sollte. Ladenburg Thalmann könne man „den schlechten Einkauf“, den Mileva der Bank zur Last legt, allerdings nicht ankreiden. Die Wirtschaftskrise und ihre Folgen seien nicht voraussehbar [S.23] gewesen, als Koppel ihm 1923 die Bank empfahl, „aber seit dieser Zeit kann sich ja manches geändert haben.“ [99]
[99] AE an Mileva, 20.11. und 29.11.1931; Ladenburg Thalmann ist in den 1920erjahren unter den einflussreichsten amerikanischen Privatbanken und eine der wenigen Banken, die in der Weltwirtschaftskrise prosperieren statt Verluste zu machen.Wechselt Mileva die Bank? Der vorhandenen Korrespondenz lässt sich das nicht entnehmen. Milevas finanzielle Situation konsolidiert sich jedenfalls nicht.
[Ab Mai 1932: Sohn Eduard mit depressiver Störung]
Im Mai 1932 – zu den finanziellen Sorgen ist im Lauf des Winters die Sorge um den jüngeren Sohn getreten, der Symptome einer depressiven Störung zeigt – muss sie sich die Frage stellen, ob sie die im Sommer anfallenden Hypothekarzinsen werde zahlen können. Die Situation erscheint umso bedrohlicher, als auch eine staatlich verordnete Mietzinssenkung um 20% zu erwarten ist.
[Mileva hat 8 Jahre lang NICHTS GEARBEITET - 8 Jahre kein eigener Lohn]
Nach langen Jahren, in denen ein relativer Wohlstand ihr erlaubt hat, auf Erwerbstätigkeit – von gelegentlichen Nachhilfestunden abgesehen – zu verzichten, will Mileva sich jetzt um eine Stelle als Kustodin der Sammlungen an der höheren Töchterschule bewerben. Dafür, hofft sie, werde Albert für sie ein gutes Wort beim Zürcher Stadtpräsidenten einlegen [100].
[100] Mileva an AE, 31.5.1932.Aber Albert will keine Empfehlung aussprechen. In einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit, in der viele Menschen bedürftiger und arbeitsfähiger seien als sie, schreibt er Mileva, empfinde er eine solche Intervention als ungerechtfertigt. Er verspricht, auf andere Weise zu helfen. Er werde den Zürcher Anwalt Hermann Dukas beauftragen, sich einen Überblick über Milevas Einkünfte und Verpflichtungen zu verschaffen, und zusammen mit ihm überlegen, wie er, Albert, ihr zu Hilfe kommen könne. „Ich lasse Dich keinesfalls im Dreck sitzen.“ [101]
[101] AE an Mileva, 4.6.1932.[Mileva beklagt: Ein Haus ist unrentabel und niemand will es kaufen - Empfehlung von Anwalt Hermann Dukas: alles verkaufen - Mileva blockt]
Hermann Dukas’ Unterredung mit Mileva trägt wenig zur Klärung der Lage bei. Seine Fragen verwirren sie, sie fühlt sich missverstanden. Noch einmal schildert sie Albert ihre Misere: Eines ihrer Häuser habe sich als Missgriff erwiesen, die Liegenschaft, die Albert mit ihr im Juli 1930 angesehen hat. „Vielleicht wenn jedes von uns sich allein mit der Sache befasst hätte, wäre die Sache damals besser erledigt“; aber es habe sich „wohl unbewusst“ jeder auf das Urteil des anderen verlassen [S.24].
[Die Gründe, wieso das zweite Haus ein Missgriff war, werden verschwiegen].
So eine kaum versteckte Schuldzuweisung wagt sie dann aber doch nicht stehenzulassen und bekennt, dass „natürlich auch die in den letzten zwei Jahren sehr veränderten Verhältnisse im bezug auf das Wohnen und auch die jetzige Krise im allgemeinen mit[spielen]“. Alle Versuche, „dieses Unglückshaus“ zu verkaufen oder zu verpachten, seien gescheitert. Seit einem Jahr komme sie überhaupt nicht zur Ruhe, könne sich mit nichts anderem befassen und sei „so ziemlich am Ende [ihrer] Kräfte“. Weil die beiden anderen Häuser aber sehr gut ‚funktionieren‘ und sie sehr glücklich mit ihrem Besitz sei, hält sie nichts von Hermann Dukas’ Vorschlag, „alles zu verkaufen“, und argumentiert, nicht zu unrecht, dass „Häuser doch immer einen Wert behalten, während Papiere von heute auf morgen wertlos werden können.“
[Juni 1932: 1 Haus ist defizitär - und schwere Verluste mit Wertpapieren in den "USA"]
Dukas’ Beratung hat Mileva der Lösung ihres Problems nicht nähergebracht. Sie sieht eine Katastrophe auf sich zukommen, sobald die Hypothekenschulden aus dem defizitären Haus einen immer größeren Teil des Einkommens aus den anderen Häusern aufzehren und ihr und Eduard nicht mehr genug Geld zum Leben belassen, „besonders da unser Einkommen schon so wie so durch den Verlust an den Papieren in Amerika ziemlich gekürzt ist.“[102]
[102] Mileva an AE, 12.6.1932.Wie hoch kann dieser Zinsverlust nach dem Kauf zweier Häuser sein, da doch nur noch ein kleinerer Teil des ursprünglich in Amerika angelegten Kapitals die Einbußen unter der amerikanischen Depression hinzunehmen hat, die Mileva jetzt Albert zur Last legt? [103]
[103] Mileva an Zangger, nach dem 28.10.1932: „Ich finde, dass der springende Punkt ist, dass die Summe des Nobelpreises absolut nicht vorhanden ist und dass sie als solche nicht in Abrechnung gebracht werden kann. Einstein hat sich damals das Recht vorbehalten diese Anlage dieses Geldes zu besorgen und zu beaufsichtigen, hat sich aber wenig darum bekümmert, so dass ein beträchtlicher Teil verloren ist.“.Es trifft sie, die nun so nervös ist, dass Eduard fürchtet, „sie könnte einmal ganz zusammen klappen“, [104]
[104] Eduard an AE, nach 21.8.1932.wie ein weiterer Schlag, als Albert im August 1932 auf eine seit Jahren unbeantwortet im Raum stehende Bitte zurückkommt. Auch für ihn sind die Zeiten alles andere als sicher und vermutlich denkt er ein weiteres Mal daran, sein Testament zu aktualisieren.
[1932: Einstein will von allen Erben in Zürich eine notarielle Erklärung, dass sie seine Entscheide im Testament anerkennen]
Zu vererben hat Albert keine großen Reichtümer. Haus und Grundstück in Caputh, sein wertvollster Besitz, sind im Grundbuch auf die Namen der Stieftöchter eingetragen. Das verbleibende Eigentum will er nach seinem Ermessen verteilen dürfen. Aber der Gedanke, dass die Erben kein Verständnis für sein Gerechtigkeitsempfinden aufbringen [S.25] und sich nach seinem Tod „skandalös herumstreiten“ könnten, ist ihm noch ebenso unbehaglich wie im Jahr 1925; und so besteht er im Sommer 1932 nachdrücklich auf einer notariell beglaubigten „Erklärung aller Beteiligte[n], dass sie mein Testament bedingungslos anerkennen werden“. Im Gegenzug bietet er den Söhnen, vorab und sofort, die Zinsen aus einem Guthaben von 25.000 Mark an, das er für die beiden angespart hat. [105]
[105] AE an Eduard, 20.8.1932.Alberts Forderung löst bei den drei Betroffenen Wut und Widerstand, Ängste und Verwirrung aus. Mileva, wie 1925 entschlossen, sich der Forderung zu entziehen, hüllt sich erst einmal in Schweigen und sucht Rückhalt bei den Freunden Besso, Zangger, Zürcher und Haber.
Eduard, harmoniebedürftig, versucht zu schlichten. Er habe, berichtet er dem Vater, über die geschäftlichen Angelegenheiten mit Mutter und Bruder gesprochen und sei überzeugt, dass man sich verständigen könne. Milevas „ein wenig affektiv [g]etrübte“ Reaktion hält er für nicht maßgeblich: „Ich werde persönlich dafür sorgen, dass wir alle eine versöhnliche und objektive Haltung einnehmen werden.“ [106]
[106] Eduard an AE, vor 19.9.1932.Aber seine Lage ist ausweglos. Weder kann er sich mit seinem zornigen Bruder und der fassungslosen Mutter gegen den Vater verbünden, noch sich gegen Mutter und Bruder auf die Seite des Vaters schlagen, der nun seinerseits argwöhnt, dass hinter dem Verhalten der – so sieht er es – unaufrichtigen und listigen Ex-Frau und ihrer Söhne deren Wunsch stehe, nach seinem Tod alles an sich zu reißen, was er hinterlassen werde. Geht es hier um das Nobelpreisgeld?
[1932: Albert Einstein hat fast all sein Cash-Vermögen und Anlagevermögen verloren]
1925 hatte Albert den Verzicht, den zu leisten er Mileva vergebens aufforderte, damit begründet, dass mit dem Nobelpreisgeld sie, in erster Linie aber die Kinder, denen das Kapital eines Tages zufallen solle, besser versorgt worden seien, als er seine zweite Familie je versorgen könne. 1932, zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht nur Mileva sich mit den Folgen der Wirtschaftskrise herumschlagen muss, sondern auch Albert sein [S.26] Erspartes „natürlich auch ziemlich vollständig verloren“ hat [107], erwähnt er den Nobelpreis besonnenerweise zunächst nicht.
[107] [Verluste durch einen Einstein-Freund in Spanien - und auf einem "US"-Konto]
AE an Mileva, 4.6.1932; der Verlust schließt „eine fette, erkleckliche Summe“ ein, die ein guter Freund in Spanien verspekuliert hat (s. Elsa Einstein an Luise Karr-Krüsi, 1.6.1933), möglicherweise auch ein amerikanisches Konto; die deutschen Gelder sind wohl nicht betroffen.[1932: Was ist das Nobelpreisgeld noch Wert? - und Eduard wird wohl nie arbeiten]
Es sind vor allem die Freunde um Mileva, die sich Gedanken darüber machen, was aus den gut 121.000 schwedischen Kronen geworden ist, die ihr und den Söhnen einmal ein jährliches Einkommen von 8.000–10.000 SFr sicherten. Welchen Wert stellt das, was von der großen Summe übrigblieb, im Herbst 1932 noch dar? Falls Mileva eine in ihren Augen gerechte Verteilung von Alberts Nachlass einfordern wollte, sei diese Frage als erste zu klären.
Für Unsinn hält Freund Zangger es jedenfalls, den Nobelpreis hierbei nach seinem ursprünglichen Wert anzusetzen. Diesen Standpunkt vertritt er nicht nur, weil er Albert für den Verlust eines beträchtlichen Teils des von ihm verwalteten Preisgelds in der Depression für verantwortlich hält. Eine gerechte Verteilung von dessen Hinterlassenschaft müsse 1932, ungeachtet der Werte, die 1923 in Milevas Eigentum übergegangen waren, vor allem die Tatsache berücksichtigen, dass Eduard „vielleicht durch seine Krankheit noch lange nicht erwerbsfähig wird, wenn er überhaupt voll erwerbsfähig werden kann.“ Bedenkenswert scheint Zangger auch etwas anderes:
„Einstein war er nie so viel wert.“ Ist dies Zanggers Schlussfolgerung aus einer Bemerkung, die Albert machte, als er Mileva 1918 das Preisgeld versprach: Das Beste, was er seinen Buben vermachen könne, sei nicht Geld, sondern ein guter Kopf, ein zufriedener Sinn und ein tadelloser Name? Alberts Stolz darauf, die Zukunft seiner Kinder dank des Nobelpreisgelds so ordentlich finanziell gesichert zu haben, scheint Zangger aus seiner Erinnerung gelöscht zu haben. [108]
[108] Zangger an Hans Wolfgang Maier, 4.10.1932; Zangger an Michele Besso, 6.10.1932; Zangger an AE, 4.10.1932.Die prekäre politische Lage, Misstrauen auf allen Seiten, materielle Unsicherheit und die von beiden Elternteilen sehr unterschiedlich wahrgenommene Sorge um den gefährdeten jüngeren Sohn machen eine besonnene Verständigung fast unmöglich. Noch einmal legt Albert Mileva seine Sicht der Dinge in deutlichen Worten dar:
Ich habe Euch seinerzeit den Nobelpreis überlassen in der Absicht, damit Deine und der Kinder Zukunft sicherzustellen. Es sollte damals klar zum Ausdruck kommen, dass diese Summe – das Einzige, was ich damals überhaupt besass – bei meinem Tode auf das Erbteil der Kinder angerechnet werde. Denn nur so [S.27] bin ich in die Möglichkeit versetzt, auch noch für andere Menschen, die mir nahe stehen, in hinreichendem Masse zu sorgen. Dies wurde damals versäumt [109].
[109] AE an Mileva, 6.10.1932.Wann immer er sich darum bemüht habe, die Angelegenheit zu klären, habe er ausweichende Antworten erhalten. „Statt dessen habt Ihr bei jeder Gelegenheit versucht, immer wieder Geld von mir herauszubekommen“, und er verweist auf eine größere Summe, die er Mileva geliehen, aber entgegen ihren Versprechungen nicht zurückerhalten hat.
Jetzt erwartet er, "dass Ihr mir alle drei zusammen eine rechtsgültige Erklärung einsendet, welche entweder besagt, dass der Nobelpreis auf das Erbteil der Kinder anzurechnen ist oder dass Ihr mein Testament nicht anfechten werdet." [110]
[110] AE an Mileva, 6.10.1932.[Die Erklärung ist rechtlich illegal - die Kinder haben bisher keinen Rappen vom Nobelpreisgeld gesehen]
Vermutlich wäre solch eine Erklärung, da unter Zwang abgegeben, gar nicht verbindlich. Dessen ist sich Albert nicht bewusst, aber es bleibt auch ohne Belang. Denn was er erwartet, ist nichts als ein Nachweis für Milevas und der Söhne Vertrauen in die Redlichkeit seiner Entscheidungen, die Bestätigung dafür, dass sie in ihm den verantwortungsbewussten Vater anerkennen, als den er sich sieht.
Schon Hans Alberts erste Reaktion zeigt, wie weit Alberts Wunsch und die Zürcher Realität auseinanderklaffen. Hat Mileva mit ihren Söhnen je über das Nobelpreisgeld gesprochen? Hans Albert kann sich nicht entsinnen. Er kennt die Summe nicht, die Mileva erhalten hat, und ist „im einzelnen nicht informiert darüber, wem das Geld eigentlich jetzt gehört“. Vor allem aber habe er „noch keinen Centime davon bekommen“, empört er sich, und das werde vermutlich auch weiterhin der Fall sein, solange Mileva lebt [111].
[111] Hans Albert an AE, nach 6.10.1932.Tatsächlich sieht das Scheidungsabkommen Auszahlungen direkt an die Söhne zu Milevas Lebzeiten nicht vor. Es schließt sie allerdings auch nicht aus, sondern überlässt sie Mileva, solange es sich um Zahlungen aus den Zinsen handelt, und macht sie abhängig von einer Absprache zwischen den Eltern, falls dazu das Kapital angegriffen würde [S.28].
[ab 1927: Mileva verweigert Hans Albert jede Unterstützung im ersten Erwerbsleben]
Was Hans Albert erfahren musste, seit er den gemeinsamen Haushalt mit Mutter und Bruder 1927 endgültig verlassen hat, ist, dass ihm finanzielle Unterstützung „aus pädagogischen Gründen“ versagt blieb, weil Mileva den Standpunkt vertritt, „dass ein junger Mann einigermassen lernen soll, mit dem was er verdient auszukommen.“ [112] Sein jüngerer Bruder werde hingegen „maßlos verwöhnt.“ [113] Hans Alberts Vorwurf an den Vater, unfundiert aber verständlich, gipfelt in dem bitteren Satz:
„Du hältst mich offenbar nicht einmal für würdig, wenigstens ein bescheidenes Andenken an Dich nach Deinem Tode zu bekommen, nachdem Du mir im Leben gestohlen worden bist.” [114]
[112] s. Mileva an AE, vor 28.1.1926. Auch AE vertritt die Ansicht, dass es besser für seine Söhne sei, nicht im Überfluss aufzuwachsen, s. AE an Mileva, 13.2.1926. Hinter Milevas „pädagogischem“ Prinzip steht allerdings vor allem wohl ihre Fehde mit der Schwiegertochter.
[113] Hans Albert an Michele Besso, im Januar 1935; das ist nicht nur im materiellen Sinn gemeint.
[114] Hans Albert an AE, nach 6.10.1932.Mileva, der der wohlwollende, juristisch zuverlässige und freundschaftlich-loyale Beistand der Freunde Rückhalt gibt, kann auf „ein wenig affektiv [g]etrübte“ Anklagen verzichten.
[Testament: Mileva lässt Anwälte und Freunde den Albert Einstein "behandeln": Dr. Zürcher, Heinrich Zangger, Fritz Haber]
Wenn sie es auch nicht überall herumerzählt habe, habe sie doch – außer der Steuerbehörde – niemandem verschwiegen, „dass Du uns den Nobelpreis ganz gegeben hast“, und habe Albert gegenüber immer ein Gefühl der Freude und Dankbarkeit zu zeigen gesucht – „wenigsten[s] soweit das in meiner Natur liegt“. Die gewünschte Erklärung werde sie aber nicht abgeben, denn solche Erklärungen seien „gefährlich und können unübersehbare Folgen haben“. Sie verlässt sich darauf, dass die Freunde ihre Angelegenheit Albert gegenüber vertreten werden. Dr. Zürcher habe ihm deshalb sicher schon geschrieben [115].
[115] Mileva an AE, 18.11.1932.Dr. Zürcher hatte geschrieben, Heinrich Zangger schrieb und schließlich setzt sich auch Fritz Haber in Milevas Auftrag mit Albert zusammen. Im Gegensatz zu Zangger erfasst er, was auf der Hand liegt: dass Albert „ungehalten ist, weil ihm von Seiten seiner Söhne nicht das Zutrauen in seine Gerechtigkeit und Billigkeit entgegengebracht wird, auf das er nach seinem Charakter und seinem Verhalten Anspruch hat“. Haber kann den gekränkten Freund immerhin zu einem Zugeständnis bewegen: mit Hilfe eines Anwalts werde er den entscheidenden Paragraphen seines Testaments so formulieren, dass er dem Erbrecht entspricht und damit die umstrittene „Erklärung“ überflüssig mache [116].
[116] Fritz Haber an Mileva, 28.10.1932.Schon Anfang Oktober 1932, als Angstzustände und nervöse Herzstörungen Eduards Hospitalisierung vorübergehend geraten erscheinen lassen, lenkt Albert ein: „Plage Dich [S.29] in erster Linie nicht mehr wegen der Testamentsangelegenheit“, appelliert er an den verstörten Sohn, „Ich werde sie nie mehr erwähnen.“ [117]
[117] AE an Eduard, 8.10.1932.Er wird sich daran halten.
6. „ …in einer ständigen Hetze“:
Milevas desolate finanzielle Situation 1933–1938
[Eduard hospitalisiert - Eduard wird zum Pflegefall - Wirtschaftskrise macht Luxushäuser unrentabel]
Vor Mileva türmen sich die Probleme. Im Spätherbst 1932 wurde der jüngere Sohn für unbestimmte Zeit hospitalisiert. Er wird sein Studium zunächst nicht fortsetzen können und, statt finanziell bald auf eigenen Füßen zu stehen, bis auf weiteres von der Mutter abhängig bleiben. Die drei Häuser, [[teilweise der]] Gegenwert des Nobelpreiskapitals, werfen nicht ab, was noch bis vor zwei, drei Jahren zu erwarten war und notwendig ist, um die Kosten zu decken, die Mileva jetzt zusätzlich für die Behandlung des Sohnes auf sich zukommen sieht [118].
[118] Mit Schreiben vom 12.11.1932 ersucht AE das Amt für Devisenbeschaffung um die Genehmigung, die erforderliche Summe für Eduards Klinikaufenthalt zu überweisen.
[Dezember 1932 bis April 1933: Einstein schimpft öffentlich gegen Deutschland und gibt seinen deutschen Pass ab
Einstein ist naiv: Statt abzuwarten, schimpft Einstein gegen das Hitler-Regime schon von Anfang an, und er sieht die Zusammenarbeit zwischen Rothschild und dem Rotschild-Abkömmling Hitler nicht, dass einfach massenweise Juden nach IL in die Wüste getrieben werden sollen. Als er seine Worte nicht zurücknimmt, sondern im April 1933 in der deutschen Botschaft in Belgien seinen deutschen Pass abgibt, überlegt sich die Hitler-Regierung Massnahmen gegen Einstein. Statt Geschichte zu studieren, RISKIERT EINSTEIN SEINE VERMÖGEN IN DEUTSCHLAND UND SEIN HAUS IN CAPUTH BEI BERLIN].
[Juni 1933: NS-Regime beschlagnahmt Einsteins Konten unter dem Vorwand "Hoch- und Landesverrat"]
Welchen Beitrag Albert zur Unterstützung von Mileva und Eduard leisten kann, ist ungewiss. Unter dem Vorwand, das Geld solle „zweifellos der Vorbereitung für Hoch- und Landesverrat dienen“, haben die Nationalsozialisten, noch bevor ein „Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens“ sie dazu befugte, seine und Elsas Berliner Bankkonten mit einem Gesamtwert von ca. 60.000 Mark beschlagnahmt, darunter auch die 25.000 Mark, die Albert für die Söhne beiseitegelegt hatte [119]. Sicherheit bietet ihm jetzt vor allem die in Aussicht stehende Position in Princeton, von der er, trotz voranschreitender Dollarentwertung und trotz der seit der politischen Umwälzung in Deutschland immer größer werdenden Zahl auf seine Unterstützung angewiesener Familienmitglieder „ganz ordentlich leben“ zu können hofft [120].
[119] Elsa Einstein an Abraham Shalom Yahuda, 3.6.1933; Elsa Einstein an Luise Karr-Krüsi, 1.6.1933.
[120] AE an Mileva, 29.4.1933; s. a. AE an Schweizer Gesandten in Brüssel, 5.5.1933; s. a. AE an Mileva, 25.6.1933. AEs Gesuch um Intervention der Schweizer Behörden zugunsten der Freigabe der „auch zur Sicherung der Versorgung [s]eines jüngeren Sohnes bestimmt[en]“ Gelder bleibt ergebnislos – die offizielle Schweiz zeigt keine Neigung, sich einem Konflikt mit dem Dritten Reich auszusetzen [[denn Hitler hat alle schweizer Investitionen in Deutschland verstaatlicht, das wird aber später mit jüdischen Betrieben kompensiert, die dann schweizer Industrielle ab 1936 geschenkt bekommen]]. Dazu auch Siegfried Grundmann in: „Einsteins von den Nazis konfisziertes Eigentum“, Berlin 2017, S. 27ff.[Juni 1933: Milevas Ruf nach Hilfe wegen dem "entsetzlichen Haus" - keine Bank will die beiden Häuser an der Hinterbergstrasse - 3000 Stutz Hypotekarzinsen werden fällig]
Schon im Juni 1933 werden Milevas Hilferufe drängender: die Geschichte mit dem ‚entsetzlichen Haus‘ bringe sie noch unter den Erdboden. Wenn sie die im Juli fälligen [S.30] Hypothekarzinsen nicht zahlt, droht ihr die Pfändung der Mieten. Keine Bank wolle ihr einen Kredit geben oder eines der beiden Häuser in der Hinterbergstraße übernehmen, die auf dem freien Markt längst nicht mehr zu einem guten Preis zu verkaufen sind.
„[V]ielleicht wüsstest Du Rat oder Hilfe. Bitte verlass mich nicht“, fleht sie Albert an [121].
[121] Mileva an AE, 20.6.1933; Mileva an AE, 5.7.1933.
Albert weiß Rat und sieht sich, mitfühlend, einstweilen „schon noch in der Lage, Dir irgendwie durchzuhelfen.“ Um ihr und sich einen Überblick über ihre tatsächliche finanzielle Lage zu verschaffen, zieht er erneut den Juristen Hermann Dukas hinzu, der „in Häuserverwaltungen sehr erfahren“ sei und dem er vertraut [122]. Aber wie im Vorjahr verschließt sich Mileva Dukas’ professionellem Rat. Soll sie das teure Haus wirklich um jeden Preis abstoßen? Ist es geraten, einen großen Teil des investierten Kapitals verlorenzugeben, um der Gefahr zu entgehen, weitere Summen umsonst und nutzlos hineinstecken zu müssen? Mitte Juli sieht Mileva nur einen Ausweg aus ihrer Bedrängnis:
„Meine letzte und einzige Hoffnung bist Du, ich muss Dich immer wieder bitten, mich jetzt nicht zu vergessen.“ Spätestens Ende Juli müssen 3000 SFr bezahlt werden [123].
[122] AE an Mileva, 25.6.1933; AE an Mileva, 3.7.1933.
[123] Mileva an AE, 15.7.1933.„[W]enigstens diesmal noch“, verspricht Albert Mileva, wolle er ihr über die heikle Lage hinweghelfen, trotz eigener Kümmernisse und Plackereien, denn die ganze Familie sei an den Bettelstab gekommen. Die Summe, um die es sich hier handelt, könne er „doch noch herausschinden“. Eine Überweisung von 3000 SFr wird umgehend in Auftrag gegeben [124]
[124] AE an Mileva, 19.7.1933; AE an Mileva, 25.7.1933.[Ab September 1933: Amortisationen 2000 Stutz pro Jahr - und: Sohn Eduard bekommt einen privaten Pfleger, Kosten 10 Franken pro Tag+Logie+Verpflegung]
Die vorhandenen Ressourcen ermöglichen Mileva, Eduard und seinem Privatpfleger einen mehrwöchigen Ferienaufenthalt auf dem Land. Schon im September gerät Mileva erneut in Zahlungsschwierigkeiten. Zusätzlich zu den Hypothekarzinsen hat sie nun halbjährlich 1000 SFr Amortisation abzuzahlen, eine Summe, die ihre „momentanen erbärmlichen Verhältnisse“ über das erträgliche Maß belaste, denn seit Eduard im Sommer aus der psychiatrischen Klinik entlassen wurde, drücken Kosten für den Privatpfleger auf ihr Budget. „Wenn Du uns noch etwas behülflich sein wolltest, wäre das eine wahre Wohltat.“ [125]
[125] Mileva an AE, 29.9.1933; neben Kost und Logis erhält der Pfleger 10 SFr/Tag.[Mai 1934: Nun sind BEIDE Häuser an der Hinterbergstrasse nicht mehr profitabel - der Pfleger für Eduard kostet viel]
Die allgemein desolate wirtschaftliche Lage engt Milevas finanziellen Spielraum zunehmend ein. Immer wieder klagt sie über unzureichende Mietzahlungen und die [S.31] vergebliche Suche nach einem Käufer für das eine oder andere Haus in der Hinterbergstraße, die beide „nicht rentieren“. Auch Albert bietet sie „als Gegenleistung für eine event. Hilfe, die Du mir gewähren würdest“ eines dieser Häuser an und überlässt es seinem Gutdünken, ob er seine „Gegenleistung“ als Beitrag zu den Kosten des Pflegers oder zur Abtragung von Schulden verstanden wissen will, die Mileva „doch früher oder später verderblich werden [...] und zum Verlust des ganzen Besitzes führen könnten.“ [126]
[126] Mileva an AE, nach 4.5.1934.Noch kann sie es sich leisten, einen Privatpfleger für Eduard zu beschäftigen, wenn sie auch eingesteht, dass er „etwa[s] teuer für meine jetzigen schwierigen Verhältnisse“ sei. Der Aufenthalt in der Klinik, führt sie zu ihrer Rechtfertigung an, sei nicht viel billiger. Das gilt für die Kosten in der halbprivaten Klasse. Eduard in die allgemeine Abteilung der Kantonalen Heilanstalt Burghölzli einweisen zu lassen, bringe sie nicht übers Herz [127].
[127] Mileva an AE, 4.5.1934.
Anfang 1934 fasst sie ins Auge, ihre komfortable Wohnung in der Huttenstraße zu einem angemessenen Preis zu vermieten und in eine billigere Wohnung umzuziehen. Aber die Summe, die sie vor dem Auszug in die Renovierung stecken müsste, ist nicht zur Hand und Mileva mag erleichtert sein, sich und dem Sohn die geräumige Wohnung mit dem weiten Blick über Stadt und See bewahren zu können [128].
[128] Mileva an AE, 13.2.1934.
[Mileva spielt die Arme? Das normale Mädchenspiel - Mileva beim Psychologen?
Es kommt die Frage auf, wieso Mileva nie in eine psychologische Beratung ging, alles aufgab und normal in der Krise arbeitete. Die Nachbarn müssen das doch beobachtet haben, dass Frau Einstein nicht arbeitet, und das schädigt ihren Ruf ganz gehörig - und der Albert Einstein bemerkt diesen Zusammenhang nicht...]
Dafür findet sie auch Unterstützung bei Albert: „Bleib nur ruhig in Deiner Wohnung; solange es mir ordentlich geht, soll es auch bei Dir der Fall sein“, versichert er ihr. Eine geschäftliche Katastrophe brauche sie nicht zu befürchten. Albert weiß Mileva in guten Händen bei Hermann Dukas.
„Wenn mir Dukas schreibt, dass eine Schuld von mir bezahlt werden soll, oder dass Du nicht genug zum Leben hast, so werde ich es aufbringen.“ [129]
[129] AE an Mileva, o.D. nach 13.2.1934.
[Mai 1934: Einstein-Scheck für 650 Stutz
Im Mai 1934 – Alberts Plan, den Sommer in Europa zu verbringen und dort auch seine Zürcher Familie zu besuchen, hat sich wenige Wochen zuvor zerschlagen – sendet er einen Scheck über 650 SFr. Ist dies Geld für den Pfleger oder Geld, das in die Zahlungen für eines der Häuser fließen soll? Ließe sich das trennen? Die Summe stellt Mileva nicht zufrieden. „Wenn Du mir nur für ein par Monate geholfen hättest bei den Kosten für [S.32] den Pfleger, wäre es für mich schon eine grosse Hilfe.“ Sind ihre finanziellen Reserven wirklich vollständig erschöpft? [130]
[130] Mileva an AE, 4.5.1934; Mileva an AE, 29.5.1934.[Juni 1934: Da sollte noch eine Lebensversicherung für Mileva sein mit 5000 Stutz? - Und Mileva beklagt sich immer wieder]
5000 SFr aus einer Lebensversicherung, die Albert als junger Mann abgeschlossen hat und die Mileva in diesem Jahr ausgezahlt werden sollen, finden in der vorhandenen Korrespondenz nur einmal Erwähnung [131].
[131] AE an Hermann Dukas, 9.6.1934.Erhält Mileva das Geld? Das ist anzunehmen. Sie äußert sich dazu nicht. Während Albert auf der anderen Seite des Atlantik darauf vertraut, dass der sehr zuverlässige Anwalt Dukas sich Milevas finanzieller Probleme mit dem nötigen Sachverstand annimmt, erwecken Milevas Klagen bei den Zürcher Freunden den Eindruck, Albert habe sie mitleidlos ihrem Schicksal überlassen, seit das „Nobelpreisgeld, das in der New Yorker Investmentbank Ladenburg Thalmann & Co deponiert war [...] in der Weltwirtschaftskrise vernichtet wurde.“ [132] „[S]eit er weiss, dass alles so schlecht steht, schreibt er mir nicht mehr“, lamentiert sie. Zwar habe er einen Bekannten beauftragt, sich gelegentlich zu erkundigen, wie es gehe, aber damit sei ihr wenig geholfen. Sie lebe nun ständig in Erwartung der Katastrophe [133].
[132] s. R. Schulmann (Hrsg.): Seelenverwandtschaft, p.541.
[133] Mileva an Zangger, 22.8.1934.
Die Katastrophe ist – oder wäre – die Kündigung einer Hypothek auf eines der Häuser an der Hinterbergstraße im Juni 1935. Findet sich niemand, der diese Hypothek übernimmt, so fällt das Haus in das Eigentum des Hypothekeninhabers oder der Bank zurück und Milevas Anzahlung geht verloren. Von „E.“, schreibt Mileva dem Freund Zangger, erhoffe sie in dieser Sache keine Hilfe [134].
[134] Mileva an Zangger, 22.8.1934.Sie verschweigt, dass „E.“, um Katastrophen abzuwenden oder wenigstens abzumildern, auch weiterhin jede ihm mögliche Hilfe zugesagt hat, sobald der sachverständige Anwalt Dukas sie anfordere. Hat Albert nur leere Versprechungen gemacht und lässt Mileva nun doch „im Dreck sitzen“?
Oder wird Hermann Dukas seinem Auftrag nicht gerecht?
[1934/1935: Die Versteigerung der beiden Häuser an der Hinterbergstrasse]
Bereits gegen Ende des Jahres 1934 ist abzusehen, dass die beiden Häuser an der Hinterbergstraße sich nicht mehr lange halten lassen und zur Versteigerung kommen werden [135].
[135] Emil Zürcher an Hermann Dukas, 7.12.1934.Anwalt Dukas, hier auf einer Linie mit Freund Zangger, rät erneut, mindestens eines der Häuser selbst unter Verlust zu verkaufen. Der Erlös – denn noch ist ein Erlös [S.33] zu erwarten - solle in eine Rente für Eduard investiert werden. Der Rentenplan wird schnell fallengelassen. Die Rente, die mit den zur Verfügung stehenden Geldern zu erzielen wäre – falls sich, bei der trostlosen Lage des Liegenschaftenmarktes, das Haus verkaufen ließe – würde lächerlich klein ausfallen [136].
[136] Zangger an AE, um 14.11.1934; s.a. Hermann Dukas an AE, 11.12.1934.
[Neue Hypothek und die Profite fliessen an die Pflege für den desorientierten Eduard]
Immerhin scheint eine Gefahr für das Haus Huttenstraße vorerst abwendbar. Auf der Grundlage alter Schulden, die Mileva bei Albert hat – oder wie Milevas Anwalt Emil Zürcher es formuliert: „für die aus der Vorgeschichte rekonstruierbare Forderung in der Höhe von etwa Fr. 40.000.-“ kann er [[Emil Zürcher]] im Einvernehmen mit Hermann Dukas in Alberts Namen für dieses Haus eine Inhaberhypothek über 40.000 SFr errichten, die den unbegrenzten Zugriff der Gläubiger verhindern, zumindest erschweren wird. Nutznießer dieser Hypothek soll, das entspricht Zürchers Vorschlag ebenso wie Alberts Wunsch, Eduard sein [137]. Ein akutes Problem wäre auf diese Weise aus dem Weg geräumt [138].
[137] Emil Zürcher an Hermann Dukas, 7.12.1934; allerdings belaufen sich Milevas Schulden an AE nicht auf die hier genannte Summe und auch andere Einzelheiten des Konstrukts erweisen sich bei näherem Hinsehen als fragwürdig; immerhin werden sie ihren Zweck erfüllen.
[138] s. AE an S.D. Leidesdorf, 25.10.1938. Eduard hat damit Anspruch auf die Zinsen, die für die Hypothek zu zahlen sind. Was zunächst bestenfalls einen kleinen Gewinn für Mileva darstellt, die nun vor der Steuer die Zinsen an den Hypothekeninhaber abführt, die sie für ihren und Eduards Unterhalt verwendet, wird mit dem Eigentümerwechsel des Hauses Bedeutung erlangen.Aber „heutzutage muss man sich […] damit abfinden, dass man keines Menschen materielle Existenz für längere Dauer sicherstellen kann“, philosophiert Albert. Das ist, ein Jahr nachdem die Nazis ihm das Haus in Caputh, das Segelschiff und die deutschen Ersparnisse gestohlen haben, keine weithergeholte Erkenntnis. Erstaunlich mag immerhin die Gelassenheit sein, mit der er dem Verlust begegnet [139].
[139] AE an Zangger, 29.8.1934.[1934: Milevas Strategie mit der Behauptung, alles "amerikanische" Geld sei in der Weltwirtschaftkrise verlorengegangen]
Wie realistisch seine Einschätzung ist, zeigt sich an den komplizierten juristischen Konstruktionen, die nötig werden, um wenigstens das Haus Huttenstraße und Milevas Rücklagen von 15.000 SFr zu schützen, die hier zum ersten Mal zur Sprache kommen. Anscheinend handelt es sich dabei nicht um Reste des amerikanischen Kapitals. Gemäß der bewährten Devise, dass man „nicht gerade alles angeben“ müsse, belässt Mileva Freunde wie Zangger – und wahrscheinlich auch die beiden Anwälte, die sich ihrer Probleme angenommen haben – im Glauben, dass das amerikanische Kapital in der Weltwirtschaftskrise vernichtet worden sei [S.34].
[1934: Insulinschocktherapie für Eduard in Wien - Dez.1934: Zürcher+Dukas rechnen: Einstein muss 3000 Stutz jährlich schicken]
Im Dezember 1934 – Eduard und sein Pfleger sind nach einer mehrwöchigen „Insulinkur“ [140] in Wien in die Huttenstraße zurückgekehrt – kommen die Anwälte Zürcher und Dukas zum Schluss, dass die aktuelle Situation Alberts Zuschuss von 3.000 SFr pro Jahr erfordere. Mit den Mieteinnahmen und der zusätzlichen Summe werde Mileva unter den gegebenen Umständen auskommen [141].
[140] später korrekter als „Insulinschocktherapie“ bezeichnet; bis etwa zum Beginn der 1950er Jahre angewandtes Behandlungsverfahren bei Depression und Schizophrenie.
[141] Hermann Dukas an AE, 11.12.1934.[Albert über die Psychose von Mileva: Sie spielt das "arme Mädchen" - Einstein sagt 250 Fr. pro Monat zu - Erhöhung bis 350 Fr. pro Monat]
„Eine grössere Summe“, antwortet Albert, könne man – oder wolle er – Mileva nicht in die Hand geben, „weil sie durch unzählige Handlungen bewiesen hat, dass sie mir gegenüber einen schlechten Willen hat. Sie nimmt mir möglichst viel ab und verbreitet gleichzeitig bei allen Menschen, die sie in Zürich kennt, die Meinung, dass sie von mir im Elend sitzengelassen wird.“ Um zu zeigen, dass er auch jetzt zu helfen bereit sei, sichert er Hermann Dukas zu, „ohne Übernahme einer Rechtspflicht“ den gewünschten Zuschuss ab Januar 1935 in monatlichen Raten von 250 SFr zu überweisen [142].
[142] AE an Hermann Dukas, 23.12.1934. Bis zum Ende seines Lebens – einige Kriegsjahre lang unter erschwerten Bedingungen – wird AE die allmonatlichen Überweisungen sicherstellen und sie in mehreren Schritten auf 350 SFr erhöhen.[1935: Mieteinnahmen decken die Kosten der Häuser nicht mehr - Mileva meint, sie geht bald Bankrott - Privatpfleger für Eduard oder Dauer-Burghölzli für Eduard?]
Ein Jahr später hat sich die zuversichtliche Prognose des Vorjahres als zu optimistisch erwiesen. Immer noch sind alle drei Häuser in Milevas Besitz, immer noch ist sie verantwortlich für deren Erhalt, auch wenn nun die Einkünfte aus den Häusern ihre Kosten definitiv nicht mehr decken. Ende Dezember 1935 hält Mileva ihren baldigen Bankrott für unabwendbar [143].
[143] s. AE an Hermann Dukas, 24.12.1935.Ein weiteres Mal teilt Albert ihre Sorgen und ein weiteres Mal verspricht er ihr, sie solange er lebe, „irgendwie über Wasser [zu] halten“. Ein weiteres Mal fordert er Hermann Dukas auf, Milevas Verhältnisse „zu prüfen, und sie zu beraten und evtl. zu trösten.“ Im schlimmsten Fall – wenn ein Privatpfleger nicht mehr
zu finanzieren sei und Mileva allein mit dem kranken Sohn nicht zurechtkomme – müsse Eduard eben im Burghölzli untergebracht werden und er, Albert, werde für beide Personen getrennt aufkommen [144].
[144] AE an Mileva, 24.12.1935.[Schweiz 1935: Armut und Nazi-Manöver von NS-Deutschland gegen die Schweiz]
Die Krise ist nicht Milevas private Krise; das ganze Land leidet jetzt unter wirtschaftlichen Problemen und die politische Lage gibt nicht weniger Anlass zu Besorgnis. Angesichts all der wirtschaftlichen Verflechtungen fällt es der Schweiz schwer [S.35] sich gegenüber Nazideutschland als unabhängig zu legitimieren. Falls Mileva sich auch darüber Gedanken macht, teilt sie sie zu diesem Zeitpunkt nicht mit ihrem Ex-Ehemann.
[Frühling 1936: Idee von Einstein: Das Haus Huttenstrasse an die Söhne übertragen]
Im Frühjahr 1936 nimmt ein neuer Rettungsplan Formen an. Wenn es den Anwälten gelinge, das Haus Huttenstraße, „das einzige Haus, das gut rentiert“, auf Hans Albert und Eduard zu übertragen, dann „würde für Euch wenigstens etwas von dem mütterlichen Vermögen gerettet und [Eduard] würde nach meinem Tode nicht ganz dem Staate zur Last fallen“, lässt Albert den älteren Sohn wissen. Er ist bereit, die „sehr bedeutenden Abgaben“ für die Übertragung zu übernehmen. Aber das Vorhaben erweist sich als undurchführbar, weil juristisch anfechtbar und damit zu riskant [145].
[145] AE an Hans Albert, 29.3.1936; Hermann Dukas an AE, 14.4.1936 und 14.9.1936.
[Sommer 1936: Mileva mit Umbau am Haus Huttenstrasse - den Häusern an der Hinterbergstrasse droht die Zwangsversteigerung - das Eigentum der Söhne kann nicht angegriffen werden]
Im Sommer 1936 beschließt Mileva, einen Umbau im Haus Huttenstraße 62 vornehmen zu lassen, von dem sie sich höhere und sicherere Einnahmen erhofft. Zu diesem Zweck werden die letzten Papiere auf Milevas amerikanischem Konto verkauft [146]. Die darüber hinaus erforderlichen 4000 SFr leiht Albert Mileva und erhält dafür einen weiteren Schuldbrief auf das Haus.
[146] Hermann Dukas an AE, 14.9.1936.Die Gläubiger der Häuser Hinterbergstraße lassen sich Zeit damit, ihre Forderungen einzutreiben; die (Zwangs-)Versteigerung, die, so wie die Dinge liegen, Milevas einzige Chance ist, von ihren Verpflichtungen entbunden zu werden, wirft dunkle Schatten voraus. „Da man […] für Hypotheken mit dem ganzen Vermögen haftet, kann es sein, dass sie eben auch persönlich gepfändet wird“, gibt Hans Albert dem Vater zu bedenken und bittet ihn um eine schriftliche Erklärung, die die Söhne vor der Pfändung der ihnen gehörenden Gegenstände im Haushalt der Mutter schützen soll. Nachdem Hans Albert mit seiner Familie 1938 nach Amerika übersiedelt ist, wird Mileva in Eduards Namen noch einmal um solch eine Erklärung bitten und auch ihr wird Albert schriftlich bestätigen, dass Klavier, Noten, Radio und Bücher persönlicher Besitz des Sohnes, nicht der Mutter, sind und deshalb von der Pfändung auszunehmen seien [147]
[147] Hans Albert an AE, 21.1.1937; Mileva an AE, 20.7.1938.[Sommer 1937: Dichtung eines Inhaberschuldbriefs mit Mileva in Armut und Einstein als Knauser]
Im Sommer 1937 hält Anwalt Zürcher den Moment für gekommen, bei der Steuerbehörde die Genehmigung zur Errichtung des Inhaberschuldbriefs auf Alberts Namen zu beantragen, der bereits Ende 1934 im Gespräch war. Dafür muss Mileva ihre desaströse finanzielle Lage nachweisen. Der Brief an das Kantonale Steueramt, den Emil [S.36] Zürcher zu diesem Zweck verfasst, liest sich wie eine bitterböse Abrechnung mit Milevas unzuverlässigem, vertragsbrüchigem Ex-Ehemann, einem geizigen und lieblosen Vater. Er enthält falsche Daten und teils zweifelhafte, teils vollkommen aus der Luft gegriffene Anschuldigungen, Mutmaßungen und Widersprüche. Es ist kaum anzunehmen, dass Mileva ihrem Anwalt solch einen Brief diktiert hat, aber es mag sie mit ihrem Schicksal für einen kurzen Moment versöhnt haben, dass da jemand so vehement für sie Partei ergreift. Albert erfährt von diesem Brief vermutlich nichts [148].
[148] Alt-Staatsanwalt Emil Zürcher an Kantonales Steueramt, 13.7.1937. Ein Auszug aus dem Grundbuch vom 15.9.1938 zeigt, dass bereits am 5.2.1935 Emil Zürcher auf seinen Namen – mit dem Vermerk „ns. Prof. Albert Einstein“ – eine Hypothek über 40.000 SFr registriert hat. Nach dem Juli 1937 wurden keine Veränderungen vorgenommen.
[Also begeht der Anwalt Zürcher an Albert Einstein einen schweren Rufmord].
[ab Januar 1938: Monatliche Zahlung von Einstein wird auf 300 Stutz erhöht]
Zum Januar 1938 erhöht er, „um Dir das Leben etwas leichter zu machen“, den monatlichen Zuschuss für Eduard unaufgefordert auf 300 SFr. [149].
[149] AE an Mileva, 21.12.1937. Die Unterhaltssumme entspricht dem Verdienst eines einfachen Arbeiters, der 48 Wochenstunden arbeitet und mit seinem Gehalt eine Familie ernähren muss.
[Schlussfolgerung: Albert Einstein bezahlt ALLES für den Eduard
Damit ist bewiesen: Mileva muss für den Eduard NICHTS bezahlen, Albert Einstein bezahlt ALLES].
[Sommer 1938: 1 Haus an der Hinterbergstrasse ist verkauft - Hausrat in Gefahr - Haus Huttenstrasse in Gefahr - Mietzinseinnahmen in Gefahr]
Nach all den Jahren, in denen Freunde, Anwälte und nicht zuletzt der Ex-Ehemann mit professionellem Geschick und freundschaftlicher Anteilnahme bemüht waren, Mileva und den Söhnen den letzten mit dem Nobelpreisgeld erworbenen Besitz zu erhalten, scheint im Sommer 1938, wie Mileva es formuliert, „der üble Tanz“ [150] doch bald loszugehen, der mit dem Verlust auch des Hauses Huttenstraße zu enden droht.
„Ich lebe in einer ständigen Hetze, meine Gläubiger lassen mich auch keinen Moment verschnaufen.“ Sie sei „an wahre Shylocks geraten“.Es scheint, dass eines der beiden Häuser in der Hinterbergstraße mittlerweile verkauft wurde, ohne jedoch Mileva vollständig zu entschulden; das zweite Haus ist noch in ihrer Hand und „bringt zu wenig ein, um die übrigens unverschämt hohen Hypothekarzinsen zu decken“. Sie ist die Zinsen schuldig geblieben und muss, nachdem die Pfändung ihres Hausrats im letzten Moment durch die Freunde Zürcher und Zangger abgewendet wurde [151], jetzt damit rechnen, dass die Gläubiger sich an dem Haus Huttenstraße schadlos halten.
[150] Mileva an AE, 20.7.1938.
[151] s. a. Albert Züblin an Zangger, 26.10.1938. Nicht alle Angaben in diesem Schreiben entsprechen dem aktuellen Stand; s. a. Mileva an Zangger, 8.10.1938; Zangger an AE, 1.9.1938 (2 Briefe).„Aber auch das wollen sie nicht verkaufen und […] nehmen, was beim Verkauf herauskommt und mich dann in Ruhe lassen, sondern sie wollen die Mietzinseinnahmen […] pfänden.“[Neue Idee 1938: Mileva drängt Albert Einstein zum Hauskauf von Huttenstrasse 62 in Zürich]
Wie im Fall des bereits verlorenen Hauses verbliebe Mileva die Verwaltung einschließlich der daraus erwachsenden Pflichten und Kosten, während die Einnahmen in die Taschen der Gläubiger flössen. Die einzige Möglichkeit [S.37], der Mietzinspfändung zu entgehen, sei, so ein Anwalt Züblin, der Mileva von Freund Zangger empfohlen wurde, das Haus zu verkaufen, bevor der Pfändungsbeschluss vorliegt. Und „das einzig richtige“ sei, schreibt sie Albert, dass er das Haus kaufe, denn er sei Inhaber der letzten Hypothek. „Lieber Albert“, beginnt sie einen neuen Absatz, „ich bringe Dir diese Sache vor und bitte Dich, mir auch dieses Mal zu helfen, wie Du es schon so oft getan hast.“ Sie sei mit allem einverstanden, wenn sie nur ein wenig Ruhe bekommen könne [152].
[152] Mileva an AE, Sep.28, 1938.Im Juli 1938 war Albert sich noch sicher gewesen, dass er mit seinen begrenzten Einkünften und den zunehmenden Verpflichtungen gar nicht in der Lage wäre, dieses Haus auf Dauer zu halten. Selbst wenn es sich, wie Mileva anführt, „gut trägt“, müsse sie sich mit dem Gedanken befreunden, es aufzugeben [153]. Im September 1938 bringen ihre verzweifelten Hilferufe und Zanggers Fürsprache vor allem zugunsten Eduards Alberts Überzeugung ins Wanken [154].
[153] AE an Mileva, 20.7.1938.
[154] s. a. AE an Karl Zürcher, 8.1.1948.Während sein Freund und Finanzberater Otto Nathan noch Erkundigungen zur Rechtslage in der Schweiz einholt [155], teilt Albert seinem älteren Sohn schon Anfang Oktober mit, er werde, „wenn es noch möglich ist, das Haus in der Huttenstraße auf meinen Namen übernehmen müssen.“ [156] Der Gedanke, sich dabei auf ein Verlustgeschäft einzulassen, bereitet ihm Unbehagen; es gefährde seine Hinterlassenschaft.
[155] Otto Natan an Paul Guggenheim, vor 25.10.1938; s. a. Paul Guggenheim an Otto Natan, 25.10.1938.
[156] AE an Hans Albert, 11.10.1938.1938 ist Albert knapp 60 Jahre alt und nichts deutet auf sein nahes Ende hin. Es deutet allerdings auch nichts darauf hin, dass seine Rücklagen, etwa 22.000 $, 1½ Princetoner Jahresgehälter sind es zu diesem Zeitpunkt, sich rasch und erheblich erhöhen könnten. Er muss damit rechnen, in wenigen Jahren, nach der Pensionierung, sein Gehalt vom Institute for Advanced Study auf die Hälfte reduziert zu sehen. Ob seine Einkünfte auch dann noch ausreichen werden, um ihn und die beiden Frauen in seinem Haushalt zu ernähren, dem älteren Sohn in Amerika von Zeit zu Zeit unter die Arme zu greifen, den jüngeren Sohn in Zürich regelmäßig zu unterstützen und gelegentlich auch unbekannten Hilfesuchenden aus dem von den Nazis bedrohten Europa kleinere Hilfen zu gewähren?
Oder wird er seine Rücklagen angreifen müssen, die doch für diejenigen vorgesehen sind [S.38] die er auf seine Hinterlassenschaft angewiesen weiß: den schizophrenen Sohn und die kränkliche und nicht verdienstfähige Stieftochter? [157]
[157] s. a. AE an Karl Zürcher, 8.1.1948.Eine bessere Lösung für das Zürcher Problem als die von Mileva gewünschte wäre ihm höchst willkommen. „Andererseits“, räumt er gegenüber Hans Albert ein, „möchte ich aber Deiner Mutter ihre letzten Jahre erleichtern.“ [158]
[158] AE an Hans Albert, 11.10.1938.[Oktober 1938: Für das Haus Huttenstrasse 62 wird eine Treuhandgesellschaft gegründet]
Ende Oktober 1938 ist er bereit, „die Übertragung des Hauses Huttenstr. zu bewerkstelligen“. Eine Treuhandgesellschaft soll das Haus übernehmen. Auf diese Weise könne vermieden werden, dass Hypothekargläubiger sein persönliches Eigentum beschlagnahmen. Das sei in ihrem, beteuert er, wie auch in Eduards Interesse „nötig, damit meine in erster Linie für Tetel bestimmte Erbschaft gesichert bleibt.“ Und wie schon so oft fügt er hinzu: „Mach Dir keine Sorgen [...]. Irgendwie werde ich es schon deichseln.“ Wenn man ihr schließlich doch noch das Haus nehme, werde er sie und Eduard „schon über Wasser halten, wenn auch bescheiden. [...] Einstweilen versuchen wirs mit der Treuhandgesellschaft. Die Einkünfte des Hauses werden an Tetel gehen und Du wirst […] das freie Verfügungsrecht haben.“ [159]
[159] AE an Mileva, 26.10.1938.
7. „Noch nie habe ich mich so viel um faule Geschäfte bekümmert als hier, sondern mein Geld auf bequemere Weise verloren“:
Die Huttenstraße Realty Corporation 1939 bis 1946
Nach Berechnung eines Zürcher Experten wirft das Haus bei voller Vermietung in der aktuellen Situation immer noch etwa 3000 SFr p.a. für Mileva ab [160].
[160] AE an S.D. Leidesdorf, 25.10.1938. Wie viel von diesen Einkünften für den Erhalt des Hauses noch abgezogen werden muss, geht aus dieser Rechnung nicht hervor. AEs zwei Hypotheken, für die Mileva ihm keine Zinsen zahlt, sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt.[1938: Die Bedingungen für Mileva: keine Miete, sie vermietet 2 Zimmer, Beitraf für Eduard - Eduard kann seit Anfang 1936 ohne Privatpfleger leben]
Sie wohnt mietfrei und hat zusätzliche Einnahmen durch Untervermietung zweier Zimmer in ihrer Sechszimmerwohnung. Albert überweist für Eduard 3.600 SFr pro Jahr. Schon seit fast drei Jahren hat und braucht Eduard keinen Privatpfleger mehr; kostspielige Therapien [S.39] sind nicht vorgesehen. Mit ihren Einkünften können Mutter und Sohn kein Leben im Luxus führen, aber sie müssen keinesfalls darben [161].
[161] AEs allmonatliche Beihilfe für Eduard, die hier fast 40% von Milevas Budget ausmacht, liegt nur wenig unter dem durchschnittlichen Monatsverdienst eines ausgebildeten Arbeiters. Männliche Angestellte verdienen im Juni 1939 zwischen 3.500 und 5.700 SFr p.a., Frauen zwischen 2.200 und 3.500 SFr p.a.
Die Übernahme des Hauses durch die Treuhandgesellschaft soll an dieser Situation im Prinzip nichts ändern [162].
[162] Beim Verkauf wird die Hypothek über 4.000 SFr an den Käufer übergehen. An Milevas Einkommen ändert sich damit nichts.
Zu Milevas Schutz macht die Gesetzeslage allerdings ein Arrangement notwendig, unter dem Mileva als Beauftragte der Treuhandgesellschaft offiziell lediglich eine geringe Aufwandsentschädigung für Verwaltungsarbeiten ausgezahlt bekommt.
[November 1938: Haus Huttenstrasse 62: Otto Nathan+Georg Guggenheim wickeln den Transfer zugunsten der Treuhandgesellschaft ab]
Nachdem der von Otto Nathan [163] zugezogene Zürcher Anwalt Georg Guggenheim Ende Oktober 1938 den Kauf des Hauses empfohlen und wenige Tage später, auf nochmalige Anfrage, telegraphisch versichert hatte, dass Anfechtung oder Annullierung der Transaktion durch die Hypothekargläubiger ausgeschlossen sei [164], und nachdem auch die Erkundigungen, die Albert bei seinen amerikanischen Vertrauensleuten zu denselben Fragen und zu den Modalitäten der Gründung einer Treuhandgesellschaft eingezogen hat [165], seine Bedenken gemildert haben, nimmt die Transaktion Anfang November 1938
konkrete Formen an. Es ist buchstäblich der letzte Moment, das Haus – und damit den Rest des Nobelpreiskapitals – für Mileva und die Söhne zu retten.
[163] Otto Nathan, Nationalökonom, AEs Freund und Finanzberater, ‘Aufsichtsratsvorsitzender’ der Huttenstraße Realty Corporation, s. Otto Nathan an Robert Meyer, 22.11.1948.
[164] Guggenheim an AE, 7.11.1938.
[165] Corporation HuttRC an S.D. Leidesdorf, 1.11.1938; s.a. AE an Guggenheim, um 8.11.1938; s.a. Otto Nathan an AE, 4.11.1938.[Huttenstrasse 62: Nun kommt Anwalt Guggenheim - er hat die Notariatsvollmacht]
Im Einvernehmen mit Mileva erhält Anwalt Guggenheim die Notariatsvollmacht und den Auftrag, die Übertragung der Liegenschaft Huttenstraße 62 von Mileva Einstein auf die zu diesem Zweck gegründete amerikanische Treuhandgesellschaft Huttenstraße Realty Corporation, New York, registrieren zu lassen. Auslagen und Honorar in Höhe von 523 $ überweist die Corporation prompt [166].
[166] AE an Princeton Bank & Trust Comp., 9.11.1938.[Huttenstrasse 62: CH-Recht gibt Einstein keine Sicherheit über sein Eigentum, und die Hypotheken sind unsicher]
Noch im selben Monat zeigt sich, dass die Bedingungen, an die Albert seine Zusage geknüpft, und die Erwartungen, die er auf Guggenheims Bestätigung gegründet hatte, von den schweizer Gesetzen nicht gedeckt sind. Nicht nur wird er keine Sicherheit erlangen, schließlich nicht doch persönlich für Hypothekenschulden des Hauses [S.40] Huttenstraße haftbar gemacht zu werden; die Corporation – deren Kapital nicht größer ist als die vorgeschriebene Mindesteinlage, die er und Otto Nathan beigesteuert haben – hat darüber hinaus damit zu rechnen, dass eine der bestehenden Hypotheken gekündigt und die Gesamt- oder eine Teilsumme innerhalb kurzer Frist ausgezahlt werden müssen.
Und es ist nicht einmal auszuschließen, dass die Gläubiger eines Hauses an der Hinterbergstraße die Transaktion anfechten, sobald sie erkennen, dass ihnen mit der Übertragung des Schuldner-Eigentums in fremde Hände die Möglichkeit genommen wurde, die Schulden einzutreiben [167].
[167] Guggenheim an Corporation HuttRC, 25.11.1938.[Anwalt Guggenheim mit Umschuldungsmassnahmen]
Um der Transaktion gegenüber dem Grundbuchamt eine stabilere Grundlage zu verleihen, leitet Anwalt Guggenheim kompliziert anmutende Umschuldungsmaßnahmen ein [168].
[168] Maas & Davidson, Attorneys, an AE, 15.12.1938 und weitere Daten.[Verkauf von Huttenstrasse 62 für 196.000 Stutz an die Treuhand in New York - Mileva darf weiterhin Mieten einziehen - und Querverrechnungen]
Nach etlichen zwischen Zürich, New York und Princeton hin- und hergesandten Briefen und Schecks resultieren sie im Januar 1939 in einem Vertrag, der den Verkauf der Liegenschaft Huttenstraße 62 in Zürich 6 zum Preis von 196.000 SFr an die Huttenstraße Realty Corporation festschreibt. Anstelle der vormaligen Eigentümerin Mileva Einstein ist vom 1.1.1939 an vor dem Gesetz die Corporation für die Zahlung der Steuern und der Hypothekarzinsen an die drei Hypothekargläubiger verantwortlich, von denen Albert nach wie vor einer ist. Diese Verantwortung und die Sorge für den Erhalt des Hauses würde Albert gerne in Milevas Händen belassen; auch Mileva ist daran gelegen, sobald wie möglich von der Corporation eine Bestätigung zu bekommen, „dass wir das Haus auch weiter verwalten und den Ertrag geniessen können.“ [169]
[169] Mileva an AE, 28.1.1939.
Solch eine Bestätigung, die Milevas offizielle Beziehung zur Corporation regelt, formuliert Albert in deren Namen erst einmal ins Unreine: „Wir ermächtigen Sie hiermit bis auf Weiteres die Verwaltung des Hauses Huttenstraße 62 für uns zu übernehmen, insbesondere die Mieten einzuziehen, die legalen Abgaben für uns zu entrichten, die Hypothekarzinsen zu zahlen etc..“ Für diese Geschäftsführung erhalte Mileva eine Vergütung in landesüblicher Höhe von 600 SFr p.a. [170]; zum Ende jedes Quartals erwarte man von ihr eine Abrechnung. Um Devisenverschiebungen zu vermeiden, werde die Corporation den Mietüberschuss gegen Alberts Zahlungen für Eduard verrechnen. In anderen Worten: die Corporation leihe Albert bis auf weiteres die Summen, die Mileva [S.41] einzieht, und Albert zahle der Corporation die jeweilige Schuld entsprechend der Quartalsabrechnung zurück [171].
[170] AE an Otto Nathan, vor 13.2.1939.
[171] Otto Nathan an AE, 13.2.1939.[Die Angst vor den anderen Hypothekargläubigern der Hinterbergstrasse: Mietzinseinnahmen nach NY senden - Einstein sendet Mileva das Geld zurück]
Solch ein Vertrag zwischen Mileva und der Corporation wäre allerdings lediglich ein Papier für die Schweizer Behörden. In der Praxis muss ein Weg gefunden werden, der Milevas und Eduards Unterhalt wie zuvor sichert, gleichzeitig aber jeden Zugriff der Hypothekargläubiger sowohl auf Geld in Milevas Händen, als auch auf Alberts privates Konto unterbindet. Falls „Devisenverschiebungen“ sich nicht vermeiden lassen, könne als Absender der zu transferierenden Summen Alberts Sekretärin Helen Dukas oder seine Schwester Maja, als Adressat Eduard angegeben werden.
Mitte Februar 1939 hat man in Princeton und New York „alles gründlich überlegt für den Fall, dass die Übertragung nachträglich angefochten werden sollte“. Es habe ihn, berichtet Albert Mileva, „nicht nur viel Geld sondern auch viel Zeit gekostet.“ Zunächst werde Mileva lediglich einen Anstellungsvertrag als Verwalterin erhalten und die Überschuss-Einnahmen an die ‚Coop.‘ überweisen müssen, „damit niemand sagen kann, Du beziehst die Einnahmen nach wie vor und der ganze Verkauf sei Schwindel.“ Albert werde das Geld jeweils umgehend zurücksenden, „natürlich an Tetels Adresse.“ Mit dem Ablauf der Reklamationsfrist werde der Umweg überflüssig. Und mit Verständnis für Milevas Nöte beeilt er sich, diese Erläuterungen abzusenden, damit „Du Dir nicht so ausgeplündert vorkommst, wenn Guggenheim Dir das offizielle Schreiben vorlegt.“ [172]
[172] AE an Mileva, 14.2.1939.[Haus Huttenstrasse: Zürcher Kantonalbank ZKB hat schon vorher die 1. Hypothek angemahnt - Mileva nimmt eine 4. Hypothek auf (!)]
Alberts Brief an Mileva kreuzt sich mit einem Schreiben des Anwalts Guggenheim, dem zu entnehmen ist, dass bereits im Vorjahr die Kantonalbank bei Mileva die Rückzahlung eines Teilbetrags aus der 1.Hypothek angemahnt hatte. Die geforderte Summe beträgt 15.000 SFr. Der Anwalt habe zunächst, erfolglos, versucht, die gesamte Hypothek auf einen anderen Geldgeber umzulegen, dann, ebenso erfolglos, eine Zahlung in kleineren Raten angeboten. Falls aber nun nicht spätestens zum 1.7.1939 die erste Rate von 5.000 SFr, zum 31.12.1939 die zweite Rate von 10.000 SFr eingeht, wird die gesamte Hypothek über 135.000 SFr fällig. Für diese Zahlung sei Mileva zuständig. Die Huttenstraße Realty Corporation könne vom kantonalen Finanzdepartment als Hypothekar erst anerkannt werden, wenn die Forderung erfüllt ist [173].
[173] Zürcher Kantonalbank an Guggenheim, 30.5.1939.[S.42]
Als einzige ihm zu diesem Zeitpunkt realistisch erscheinende Lösung des Problems schlägt Anwalt Guggenheim Albert Einstein vor, eine zusätzliche Hypothek über 15.000 SFr auf das Haus zu legen. Mileva, die „jetzt nicht die kleinste Reserve [hat] etwa für die Fälle der Not“, weil sie „diesen Vampyren hier alles geben [musste], um das Haus Huttenstr. vor Pfändung zu bewahren“ [174], habe sich damit einverstanden erklärt, die neue Hypothek mit 5% zu verzinsen [175] und zu versuchen, sie in kleineren Raten an die Corporation abzutragen [176].
[174] Mileva an AE, 28.2.1939.
[175] 5% ist eine hohe Rendite, was keine Rolle spielt, solange diese Zinsen, wie von AE vorgesehen, von Mileva einbehalten werden und nur auf der Steuererklärung erscheinen.
[176] Guggenheim an AE, 17.2.1939.Muss man Anwalt Guggenheim für sein Verhandlungsgeschick Bewunderung zollen oder wäre es schon jetzt angezeigt, daran zu zweifeln, ob er wirklich nur die Interessen seines Klienten vertritt?
Mileva selbst äußert sich nicht zu der unbeachtet gebliebenen Zahlungsaufforderung. Albert und Guggenheim haben ihr die gravierendste Sorge abgenommen und noch obliegen Guggenheim alle Aufgaben der Hausverwaltung.
[1939: Kriegsgefahr und Gefahr für Eduard]
Mileva hat neue Sorgen. „Hier steigt momentan wieder die Möglichkeit eines Krieges“, schreibt sie Albert und beschwört ihn, der „ja in diesen Ländern genügend Verbindungen“ habe, ihr und Eduard zu helfen, sich in einem der umliegenden Länder „einigermassen in Sicherheit zu bringen; auf eine etwas bequemere Weise, als etwa mit einem Strom von Flüchtlingen hinzuziehen.“ [177]
[177] Mileva an AE, 26.2.1939.Dass ein Einmarsch der Deutschen eine Gefahr für Eduard bedeuten könnte – „Gelegenheit, sich an mir zu rächen“ – hält Albert wohl für eine berechtigte Befürchtung; er sendet umgehend Empfehlungen für die britischen und die französischen Behörden, rät Mileva aber, sich doch zunächst eher in die schweizer Berge zurückzuziehen, wo er sie bei Freunden im Kanton Glarus gut versorgt wüsste, falls Nazideutschland die Schweiz zur Übergabe zwinge. „Wenn die beiden […] nicht sichtbar sind“, schreibt er Hans Albert, „wird niemand nach ihnen suchen.“ [178]
[178] AE an Hans Albert, nach 28.1.1939.
[Einstein hat kaum was flüssig]
Die schon bald zu leistende Zahlung über 5.000 SFr bereitet ihm größeres Kopfzerbrechen. Der überwiegende Teil seiner Gelder ist fest zinsbringend angelegt [179].
[179] s. Princeton Bank and Trust Company, 20.2.1939.Dort etwas abzuzweigen bedeutet, die Zinsen um einer unsicheren Sache willen aufs Spiel zu setzen. Von Alberts keineswegs üppigen Einkünften leben, seit im März 1939 seine Schwester Maja hinzugekommen ist, vier Personen in der Mercer Street 112 [S.43], Princeton.
„Das Haus [Huttenstraße 62] scheint einstweilen gerettet“, versichert Albert Mileva, „aber mit bedeutenden Opfern. Die Hypothek-Angelegenheit ist noch nicht geklärt.“ [180]
[180] AE an Mileva, nach dem 14.2.1939.
[Huttenstrasse Juni 1939: Anwalt Guggenheim verlangt nun von Mileva Miete - Guggenheim will Mileva in eine billigere Wohnung zwingen - Guggenheim erledigt Aufgaben von Mileva]
Guggenheims Vorschlag missfällt ihm; einen erfolgversprechenden Gegenvorschlag kann er allerdings nicht machen. Pünktlich lässt er die erste Rate überweisen. Ob das Geld in eine neue Hypothek einfließen soll, bleibt zunächst offen. Vielleicht hätte er bereits zu diesem Zeitpunkt einen Schlussstrich unter die Angelegenheit gezogen, wäre ihm klar gewesen, wie usurpatorisch Guggenheim mit seinem Mandat verfährt. Aber es scheint, dass Mileva sich nicht nur mit der Beschneidung der ihr von der Corporation übertragenen Aufgaben und Rechte, sondern auch damit abgefunden hat, dass der Anwalt bald nach Übernahme des Mandats mit ihr einen Mietvertrag für den von ihr und Eduard bewohnten Teil der Wohnung abgeschlossen hat. Zwar liegt der Mietzins unter dem Marktpreis, er belastet ihr Budget aber erheblich, zumal ihr Einkommen aus der Untervermietung gleichzeitig wegfällt [181].
[181] Guggenheim an Corporation HuttRC, 6.6.1939.
Bereits im Frühjahr 1939 gerät sie in Rückstand mit der Mietzahlung. Guggenheim zieht die schuldig gebliebene Summe von den Mileva zustehenden Mietzins-Einnahmen ab und schreibt ihre Wohnung zur Vermietung aus. Denkt Mileva jetzt ernsthaft daran, in eine kleinere, billigere Wohnung umzuziehen? Und ist es ein glücklicher Umstand, dass sich bis in den Frühsommer niemand gefunden hat, der die stark renovierungsbedürftige Wohnung im Haus Huttenstraße 62 zum Preis von 3.300 SFr p.a. anmieten will?
[Da fehlen Details, was an der Wohnung alles nicht in Ordnung war].
Von dem, was in Zürich vor sich geht, erfährt die Corporation und damit auch Albert erst Monate später und nur das, was Guggenheim für mitteilenswert hält. Ohne Zweifel bemüht er sich, mit bester anwaltlicher Finesse zum Vorteil der Huttenstraße Realty Corporation zu handeln und keine juristischen Schlupflöcher ungenutzt zu lassen [182].
[182] Guggenheim an Corporation HuttRC, 23.6.1939; Guggenheim an AE, 21.8.1939; s.a. Guggenheim an Corporation HuttRC, 23.10.1941.Dass er sich damit von Erfolg zu Erfolg unentbehrlicher macht – wie etwa durch seinen Einsatz für die 15.000-SFr-Hypothek, die zwischen Februar 1939 und Herbst 1940 in zahlreichen Briefen verhandelt wird – und, vor allem, dass er seine Kompetenzen überschreitet, indem er gegen beträchtliche Gebühren Verwaltungsaufgaben erledigt oder erledigen lässt, mit denen die Corporation Mileva betraut hatte, will Albert, will die Corporation bald nicht länger hinnehmen [183]. Es trifft sich gut, dass Otto Nathan, auf Europa-Reise im Sommer 1939, die Gelegenheit wahrnehmen kann, persönlich mit dem [S.44] Anwalt zu sprechen, um darauf einzuwirken, dass, wie Alberts Auftrag lautet, „meine teure Ehemalige das Haus wieder allein verwaltet.“ [184]
[183] Otto Nathan an AE, 19.6.1939; AE an Otto Nathan, 22.6.1939.
[184] AE an Otto Nathan, um 10.7.1939.[Huttenstrasse 62: Guggenheim schaltet und waltet, wie er will - die Gläubiger der Hinterbergstrasse können immer noch klagen]
Die Unterredung erzielt nicht das angestrebte Ergebnis. Die fortgesetzte Korrespondenz zwischen Georg Guggenheim, Albert Einstein, Otto Nathan und den New Yorker Anwälten, die die Corporation vertreten, zeigt, dass Guggenheims Tätigkeit als Verwalter des Hauses Huttenstraße 62 auch weiterhin keiner Einschränkung unterliegt. Das mag zum einen damit zu tun haben, dass die amerikanische Gesellschaft Guggenheim als Schweizer Vertreter für juristische Belange vor Ort benötigt, zum anderen sollen schon in die Wege geleitete Prozesse zu einem Abschluss geführt werden. Was also hat das Gespräch erbracht?
Noch immer herrscht Unsicherheit darüber, ob und wie lange die unbefriedigten Gläubiger der Häuser an der Hinterbergstraße ihre Ansprüche geltend machen können. Auch ist unklar, ob sich das Haus Huttenstraße 62 selbst trägt oder nicht [185].
[185] Guggenheims Abrechnung vom 20.11.1940 belegt, dass im Jahr 1939 das Haus Mieteinnahmen von 11.740 SFr. erbrachte. Das schließt den Mietzins ein, den Guggenheim von ME und dem Untermieter in ihrer Wohnung kassiert. Nach Abzug der laufenden Unkosten – sind darin die 600 SFr für Mileva enthalten? – und der Hypothekarzinsen bleiben 2.246 SFr übrig. Guggenheim wird gut die Hälfte davon für seine Bemühungen einbehalten.[Huttenstrasse 62: Guggenheim versichert stabile Verhältnisse]
Wird es möglich sein, die Verwaltung des Hauses wieder Mileva Einstein anzuvertrauen, nicht zuletzt um die Ausgaben der Corporation so niedrig wie möglich zu halten? Welche Gebühren würde Georg Guggenheim für seine Dienste veranschlagen, wenn ihm nur noch eine Art „supervisor“-Rolle zufiele?
Mit diesen Fragen wendet sich die Corporation im Oktober 1939 schriftlich an den Zürcher Anwalt. Man lässt durchblicken, dass auch ein Verkauf des Hauses eine Option sei [186]. Guggenheim zeigt sich zuversichtlich, dass die Liegenschaft keine weiteren Kosten verursachen werde, die über die 15.000 SFr hinausgehen, die seit Anfang des Jahres bekannt sind. Das Haus trage sich, versichert er [187].
[186] Corporation HuttRC an Guggenheim, 10.10.1939.
[187] Guggenheim an Corporation HuttRC, 4.11.1939.Zwischen der im Sommer 1938 vorgenommenen Einschätzung und Guggenheims Prognose im Herbst 1939 wird bei genauerem Hinsehen allerdings ein Unterschied von 5.000 SFr oder mehr erkennbar, Geld, das vor allem Mileva verloren geht [188].
[188] Die Summe von 5.000 SFr ergibt sich, wenn man Guggenheims Bemerkung so deutet, dass das Haus zwar kein Defizit machen, nach Abzug der laufenden Kosten aber bestenfalls ein unwesentlicher Rest von den Einnahmen übrigbleiben werde. Für ME bedeutet dies den Wegfall von 2.000–3.000 SFr Mietzinsüberschuss. Darüber hinaus belasten ihr Budget die fehlenden Einnahmen aus der Untervermietung und die Mietzahlungen, die sie nun selber zu leisten hat: 1.600 SFr. Wenn alles gut geht, verbleiben ihr die Zinsen, die sie auf AEs Hypotheken erhält, 1.600+160+675 SFr , ebenso wie die 600 SFr, die die Corporation ihr für ihre Verwaltungstätigkeit zugesagt hat.
[Gleichzeitig arbeitet die Mileva NICHT! Alle kämpfen nur Mileva nicht! Mileva macht keine Weiterbildung, keine Kurse, nichts! Mileva mauert sich ein und baut keine neuen Beziehungen für neue Möglichkeiten auf!]
[S.45]
[Einstein installiert zur Absicherung SEINER 40.000-Franken-Hypothek eine 15.000-Franken-Hypothek]
In der Zwischenzeit hat sich Albert davon überzeugen lassen, dass es für die Absicherung seiner 40.000-SFr-Hypothek – „wohl mit Rücksicht auf noch zu befürchtende Anfechtung des Kaufes“ – günstig sei, die 15.000 SFr in Form einer zusätzlichen Hypothek anzulegen [189]. Diese Summe muss er aus seinen Rücklagen nehmen, über die in seinem Testament allerdings bereits verfügt wurde [190].
[189] AE an Otto Nathan, nach 10.8.1939; AE an Otto Nathan, 5.9.1939; s. a. Guggenheim an AE, 21.8.1939; AE an Otto Nathan, 3.11.1939.
[190] Das macht eine Neufassung seines Testaments nötig. Aber auch in dessen revidierter Fassung steht Eduard an erster Stelle der Begünstigten. Stürbe sein Vater heute oder morgen, würden die Zinsen aus dieser Anlage zusammen mit den Zinsen aus AEs Hypotheken auf das Haus Huttenstraße 62 Eduards Unterhalt sichern.– In monatlichen Raten stockt AE seine Rücklagen langsam wieder auf; s. AE an Otto Nathan, 24.11.1939.Mit Ausbruch des Krieges im Herbst 1939 dünnt die Korrespondenz aus. Guggenheim beanstandet, dass er keine Antworten auf seine Briefe an die Corporation erhalte und dass auch seine Rechnungen nicht beglichen worden seien. Das mag daran liegen, dass die Koordination zwischen Albert, seinem Berater in Finanzangelegenheiten, Otto Nathan, und den juristischen Sachverständigen, die die korrekten Formulierungen und die notarielle Unterschrift beisteuern, nicht immer verzögerungsfrei abläuft. Es mag aber auch mit dem in Princeton sich langsam abzeichnenden Unwillen zu tun haben, an einem Haus festzuhalten, dessen Mietüberschüsse, 1940 reduziert durch eine als „einmaliges Wehropfer“ auf Grundbesitz erhobene Steuer, nahezu vollständig in die Taschen des Anwalts fließen, der schließlich sogar einen Teil der Mileva zustehenden Hypothekarzinsen für sich beansprucht [191].
[191] Guggenheim an Otto Nathan, 13.4.1940; s. a. Corporation HuttRC an Guggenheim, 21.10.1940; Guggenheim an Corporation HuttRC, 30.8.1940; Guggenheim an AE, 18.10.1940; AE an Guggenheim, 11.10.1940; s. a. Otto Nathan an AE, 14.11.1940.[Huttenstrasse-Treuhandgesellschaft mit nur einem Aktionär Otto Nathan - de-facto-Aktionär ist Einstein - das Kantonale Steueramt verlangt Einkommenssteuern von Einstein auf die Hypothekarzinsen]
Im November 1940 – die Hypothek über 15.000 SFr ist seit einigen Wochen amtlich registriert und es wäre der Moment gekommen, die Geschäftsführung aus Guggenheims Büro in Milevas Hände zurückzulegen – zeigt der Anwalt neue Komplikationen an. Jetzt erscheint ihm bedenklich, dass die Corporation, Eigentümer einer Liegenschaft im Wert von knapp 200.000 SFr, nur einen einzigen Aktionär, Otto Nathan, mit einer Einlage von 150 $ aufweist. Aus dieser Tatsache und aus den Unterlagen über die mit juristischer Spitzfindigkeit im Hintergrund vorgenommenen finanziellen Balanceakte habe das kantonale Steueramt – „and rightfully so“ – den Schluss gezogen, dass nicht die Huttenstraße Realty Corporation, sondern Professor Einstein selbst „the main party interested from an economic point of view in the real property“ sei und persönlich, d.i. [S.46] als Privatperson, zur Zahlung von Einkommenssteuern auf die Hypothekarzinsen veranlagt werden müsse [192]. Die Steuer(nach)forderung für die Jahre 1939 und 1940 mag letztlich ein zu verschmerzender zusätzlicher Betrag sein. Heikler sind die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dass das Konstrukt Huttenstraße Realty Corporation ganz offensichtlich den Zweck nicht erfüllt, zu dem es konstruiert wurde.
Noch stellen sie keine direkte Bedrohung dar. Aber erneut ziehen Albert, Otto Nathan und ihre amerikanischen Ratgeber in Erwägung, ob es nicht vernünftiger sei, „das Haus loszuwerden“. Zuallererst aber müssen die hohen Kosten, die Guggenheims Verwaltung verursacht, eingedämmt werden. Das soll in einem freundlichen, informellen Brief an Guggenheim gefordert werden [193].
[192] Guggenheim an Corporation HuttRC, 26.11.1940.
[193] Otto Nathan an AE, 14.11.1940.
[März 1941: Mileva ist weiterhin in Zürich]
Mitte März 1941 meldet sich Mileva nach längerem Schweigen in dieser Angelegenheit wieder zu Wort. Sie hat Zürich nicht verlassen, als im Mai 1940 „eine unbeschreibliche Aufregung“ herrschte und 30.000 Zürcher in Panik vor einer erwarteten deutschen Invasion aufs Land und in die Berge flohen [194] und macht sich weiterhin Gedanken darüber, wie man Eduard vor der Rache der deutschen Invasoren schützen könnte.
[194] Mileva an AE, Maja Winteler-Einstein, 21.5.1940.[Huttenstrasse 62: Guggenheim verlangt zu hohe Gebühren - ist aber unersetzlich - Einstein sieht voraus, dass am Ende auch Sein "Rettungsgeld" verlorengeht]
Alberts Meinung über Guggenheims Hausverwaltertätigkeit teilt sie, soweit es die Gebühren betrifft; die seien maßlos. Grundsätzlich ist sie mit den Ergebnissen seiner Bemühungen bei Bank und Behörden aber durchaus zufrieden. Man dürfe „ihm die Sache nicht einfach aus der Hand reissen, das würde ihn tödlich beleidigen“, argumentiert sie, „und, erbost, könnte er uns irgendeinen Schabernack spielen.“ Vielleicht sei es aber doch möglich, „alle Arbeit, die nicht gerade in seinem Bureau erledigt werden muss“, ihr zu übertragen; sie kümmere sich um „diese Geschäfte mit den Mietern, Handwerkern, Heizung etc.“ ja schon jetzt [195].
[195] Mileva an AE, 26.3.1941.Eine einvernehmliche Lösung kommt nicht in Sicht. Weiterhin verursacht das Haus „enorme Schwierigkeiten und Kosten“ und längst bedauert Albert, dass er sich hat erweichen lassen, es zu übernehmen; es steht zu befürchten, dass schließlich doch alles verloren geht, was er in seine Rettung investiert hat. „Guggenheim erweist sich als ein schlimmer Beutelschneider.“ So schnell wie möglich müsse ein anderer Verwalter gefunden werden. Denn Mileva könne man die Verwaltung nicht anvertrauen, ohne die 192 Guggenheim an Corporation HuttRC, 26.11.1940 [S.47] ganze Transaktion nachträglich zu gefährden. Das ist die Ansicht der Corporation noch Anfang August 1941 [196].
[196] AE an Mileva, nach 8.7.1941, 5.8.1941.Aber zwei Wochen später schreibt Albert ihr: „[W]ir haben uns hier entschlossen, Dir die Verwaltung des Hauses Huttenstr. in die Hand zu geben.“ Ein offizielles Schreiben an Guggenheim ist bereits unterwegs; auch Mileva wird solch ein Schreiben der Corporation erhalten. Unter den obwaltenden Umständen gehe man mit diesem Schritt ein geringeres Risiko ein, als wenn man immer neue Opfer bringe, „die sich doch wahrscheinlich auf die Dauer als vergeblich herausstellen werden.“ [197]
[197] AE an Mileva, 14.8.1941.
[Huttenstrasse 62: Mileva bekommt die Verwaltung - Guggenheim behält Einnahmen für sich - CH erfindet laufend neue Steuern für Hausbesitzer]
Im Oktober 1941 übergibt Guggenheim Mileva die Verwaltungsunterlagen, eine leere Kasse und Steuerschulden aus den Jahren 1939 bis 1941. Den Mietüberschuss aus den vorangegangenen Jahren – gut 900 SFr für 1939 und 1940 und eine Summe in unbekannter Höhe für das laufende Jahr – hält er zurück [198].
[198] Mileva an AE, 20.10.1941; Mileva an AE, 2.12.1941; s. a. Guggenheim an Corporation HuttRC, 16.12.1941; s. a. Mileva an Otto Nathan, 16.5.1947.Eine „Sache mit einem schwierigen Mieter“ hat er gerade noch erledigt, die „leidige Geschichte mit dem Steueramt“ bleibt unabgeschlossen. Guggenheim rechtfertigt sich damit, dass die Corporation seine Briefe nicht beantwortet habe. Die Angelegenheit kompliziert sich dadurch, dass „jetzt leider schwierige Verhältnisse [herrschen] und es wird alles besteuert, was irgendwie geht.“ [199]
[199] Mileva an AE, 14.9.1941, 15.9.1941.[Huttenstrasse 62: Ein Mieter vom Kantonalen Steueramt "erleichtert" Milevas Existenz]
Vielleicht ist es Milevas Wirken im Hintergrund – auf ihre Bitte hin hat sich ein freundlicher Hausbewohner, höherer Beamter im kantonalen Steueramt, der Angelegenheit angenommen – vielleicht aber auch Guggenheims geschicktem Taktieren zu verdanken, dass die Behörde sich schließlich zu folgendem Kompromiss bereiterklärt:
„Man versteuert hier die in Frage kommende Hypothek, die auf Deinen Namen lautet, und [...] verzichtet auf alle weiteren Schikanen, zu denen [man] nach den neuen Bestimmungen eigentlich verpflichtet wäre“. Es bliebe Albert erspart, seine amerikanischen Einkünfte und sein Vermögen offenzulegen. Falls er diesen Vorschlag nicht annehme, könne, warnt Mileva, „die Geschichte recht bös werden“.
Sie ist zuversichtlich, dass die alten Steuerschulden aus dem von nun an unter ihrer Regie erwirtschafteten Geld beglichen werden können, und sie fleht Albert an, den [S.48] Kompromiss anzunehmen, denn „es wäre für uns [...] eine Katastrophe, wenn auch dieses Haus verloren ginge.“ [200]
[200] Mileva an AE, 20.10.1941.
Anfang November 1941 erhält Mileva das Schreiben der Corporation, das ihre Einsetzung als Verwalterin des Hauses Huttenstraße 62 bestätigt. Ihre Aufgaben sind genau beschrieben: sie schließen das Kassieren der Mieten, Wartung des Hauses einschließlich kleinerer Reparaturen, Zahlung der Steuern und Hypothekarzinsen und regelmäßige detaillierte Abrechnungen an die Huttenstraße Realty Corporation ein. Von Zeit zu Zeit erwartet man auch eine Evaluation der Liegenschaft. Mileva ist nicht berechtigt, im Namen der Corporation Verpflichtungen einzugehen außer denen, die zur Instandhaltung der Liegenschaft notwendig sind. Verhandlungen mit den Steuerbehörden bleiben – offiziell oder ohne klares Mandat – vorerst Guggenheims Aufgabe [201].
[201] Corporation HuttRC an Mileva, 7.11.1941.[Januar 1942: Guggenheim agiert immer noch für die Huttenstrasse 62]
Auch im Januar 1942 steht Anwalt Guggenheim noch in nicht enden wollenden Verhandlungen mit den Behörden und noch immer bewährt er sich als ein kluger und zum Vorteil der Corporation agierender Anwalt. So zumindest erscheint es in seinen detaillierten Berichten über die Steuervorteile, die er für die Klientin erhandelt hat und in Zukunft zu erhandeln hofft. Aber sein Verhandlungsgeschick stößt an Grenzen, seine Verzögerungstaktik stiftet Verwirrung, die jüngst ausgehandelte Steuererleichterung verwandelt sich in eine Steuererhöhung, seine Rechtfertigungen überzeugen nur noch für einen kurzen Moment [202].
[202] Guggenheim an Corporation HuttRC, 16.12.1941, 23.1.1941, 3.2.1942; Otto Nathan an AE, 16.1.1942.[Huttenstrasse 62 im Januar 1942: Mileva sendet unvollständigen Bericht - das Haus trägt sich eigentlich nicht (!) - Einstein erwartet die Pleite]
Mitte Januar 1942 sendet Mileva der Corporation die Abrechnung für das vorangegangene Jahr. Den Mieteinnahmen von 11.647.20 Sfr stehen Ausgaben von 10.525.79 SFr gegenüber. Darin sind weder Guggenheims Forderungen von mehr als 2.000 SFr für die ersten neun Monate des Jahres 1941, noch die Steuernachzahlung für 1939 und 1940 enthalten, über deren endgültige Höhe noch nicht entschieden wurde.
Auch hat Mileva unter den Hypothekarzinsen die 1.600 SFr für Alberts Hypothek über 40.000 SFr nicht aufgeführt, die sie für ihren eigenen Unterhalt hätte abzweigen dürfen [203].
[203] Mileva an Corporation HuttRC, 18.1.1942.De facto macht das Haus 1941 also ein beträchtliches Defizit. Ob das eine schlechte Prognose für das gerade begonnene Jahr bedeutet, in dem Guggenheim keine [S.49] größeren Forderungen mehr stellen wird, bleibt abzuwarten. Die Corporation entzieht ihm jetzt offiziell das Mandat für die Vertretung vor den Steuerbehörden.
„Du erhältst“, kündigt Albert Mileva Mitte Februar 1942 an, „von der Corporation eine Vollmacht, sie in Steuersachen vor dem Amt zu vertreten.“ Neue Verpflichtungen dürfe Mileva allerdings nicht ohne Zustimmung der Corporation eingehen. „Wenn die Sache zu bunt wird, werden wir das Haus doch springen lassen müssen.“ Dies, verspricht er ihr, solle nur aus zwingenden Gründen geschehen. Er sei vor allem bestrebt, ihren und Eduards Unterhalt sicherzustellen, und der Grundbesitz könne nur aufrechterhalten werden, wenn es sich nicht zum Nachteil der Unterhaltssicherung auswirke. „Man ist der Willkür ausgeliefert, solange man etwas Greifbares besitzt“, hält er Mileva entgegen, die Besitz und Sicherheit weit höher schätzt als ihr eher bedürfnisloser Ex-Ehemann, der die Zeitläufe nüchtern betrachtet: „Die Pleite ist das einzig Zuverlässige in dieser grossen Zeit.“ [204]
[204] AE an Mileva, 15.2.1942.Eine Pleite zeichnet sich vorerst nicht ab. Nach einigen Mieterwechseln sind im Frühjahr 1942 alle Wohnungen im Haus Huttenstraße 62 vermietet. Die Steuerbehörde hat Mileva genehmigt, die alten Schulden in Monatsraten von 100 SFr abzutragen, was ihr Budget offensichtlich nicht zu stark belastet; ihre Sorge gilt wieder in erster Linie Eduard [205].
[205] Mileva an Corporation HuttRC, 25.3.1942; s. a. AE an Mileva, 26.7.1942.[Dezember 1941: Rothschilds Eskalation nach Pearl Harbor mit Kriegseintritt der "USA" blockiert den Briefverkehr "USA"-CH]
Der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten zieht die Postverbindung zwischen Europa und Amerika in Mitleidenschaft. Alberts Schwester Maja, nun seit drei Jahren im Exil bei ihrem Bruder in Princeton, hält die Korrespondenz mit ihrem Mann in Genf über eine Adresse in England aufrecht. Mileva hat es aufgegeben, Briefe nach Amerika zu schreiben. Es liegt nicht nur an den postalischen Hindernissen, dass über zwei Jahre lang weder Albert, noch die Corporation von Mileva hören. Dabei geht es „im allgemeinen [...] hier noch gut“, wie sie ihrem älteren Sohn nach zwanzig Monaten des Schweigens im Dezember 1943 berichtet. Wegen des Brennstoffmangels könne man zwar nur den Ofen im Wohnzimmer heizen und sie hoffe, der Winter werde nicht zu streng werden, aber „[i]m übrigen haben wir es nicht schlecht“. Was sie brauchen, sei, mit gewissen kriegsbedingten Einschränkungen, erhältlich. Es klingt, als könnten sie sich das Benötigte [S.50] auch leisten. Eduards Gesundheitszustand stellt eine schwerere Belastung dar als die Hausverwaltung. Genaues erwähnt Mileva nicht [206].
[206] Mileva an Hans Albert, 29.12.1943.[Telegramm Februar 1944: Eduard=arbeitsunfähig - Mileva will das Geld für Eduard auf ihren Namen]
Briefe mögen verlorengehen oder von der Zensur konfisziert werden: Telegramme erreichen ihre Adressaten. Im Februar 1944 bittet Mileva Albert telegraphisch darum, die monatliche Überweisung für Eduard ab sofort auf ihren Namen auszustellen. Sie nennt keinen Grund [207] aber Albert, überzeugt, dass es einen guten Grund für die gewünschte Änderung geben müsse, setzt sich ohne zu zögern mit der Bank in Verbindung, mit der er zugunsten des arbeitsunfähigen Sohnes ein besonderes Arrangement getroffen hat, das den Geldtransfer während der Kriegsjahre pünktlich und zuverlässig aufrechterhält. Milevas Wunsch lässt sich erfüllen, ohne das Arrangement infrage zu stellen [208].
[207] Eine erste Vermutung, dass diese Änderung mit Eduards Hospitalisierung zu tun haben könnte, bestätigt sich nicht.
[208] Mileva an AE, 5.2.1944; AE an Weber, Bank Credit Suisse NY, 8.2.1944.[Telegramm April 1944: Einstein gibt 500 Stutz extra für die Huttenstrasse]
Zwei Monate darauf telegraphiert sie ein weiteres Mal: Sie habe unvermeidbare hohe Ausgaben für das Haus gehabt, „PRIE INSTAMMENT AUSSITOT POSSIBLE 500 FR“ (französisch: "Bitte sofort so bald wie möglich 500 Fr."). Albert überweist das Geld prompt [209].
[209] Mileva an AE, 14.4.1944.[Herbst 1944: Wieder zensurfreier Briefverkehr "USA"-CH - Einstein erwartet immer noch den Bankrott der Huttenstrasse - Testament]
Im Herbst 1944 „ist endlich die Schweiz von der Umklammerung befreit“ und Albert hat gehört, dass Briefe wieder unzensiert und verzögerungsfrei befördert werden. Er beeilt sich, Mileva und Eduard wenigstens einen kurzen Gruß zukommen zu lassen. Noch hofft er, „dass es mit dem Haus einigermassen geht“, aber er verhehlt seine Skepsis nicht.
Drei Jahre zuvor hat das Haus ein Defizit gemacht. Es sei wohl nicht vorteilhaft gewesen, daran festzuhalten. Falls sich die Lage in Zürich nicht zum Besseren gewendet habe, kann zumindest er mit einer guten Nachricht aufwarten: „Übrigens hab ich für Euch vorgesorgt, so gut ichs konnte für die Zeit nach meinem Tod (testamentarisch).“ [210]
[210] AE an Mileva, 19.11.1944.Für die Zeit vor seinem Tod gilt nach wie vor: „Solange ich lebe, werde ich Dich schon irgendwie über Wasser halten.“
[Zürich Sommer 1943: Luftschutzraum-Kredit - Herbst 1945 wird die Rückzahlung fällig - 900 Stutz - die 0-Bilanz der Huttenstrasse]
Hat sich die Lage in Zürich zum Besseren gewendet?
Bis in den Herbst 1945 braucht Mileva Alberts Angebot nicht in Anspruch zu nehmen. Dann wird die Rückzahlung eines Kredits fällig, den sie im Sommer 1943 für die Einrichtung des gesetzlich vorgeschriebenen Luftschutzraums aufgenommen hat [S.51].
Vorsorglich knüpft sie an die Bitte um das Geld einen weiteren Wunsch, den Albert, nachdem er Mileva 900 SFr überwiesen hat, an Otto Nathan weiterleitet: „Sie bat dringend, dass man sie des Hauses nicht beraube.“ Und als sei die vorjährige Skepsis für einen Augenblick frischer Zuversicht gewichen, ergänzt er: „Ich denke, dass sie recht hat.“ [211]
[211] AE an Otto Nathan, 12.11.1945; Mileva an AE, 26.11.1945.Wie bedrohlich die Lage in Zürich geworden ist, erfährt man in New York und Princeton zu Beginn des neuen Jahres. Am 19. Januar 1946 sendet Mileva der Corporation Abrechnungen für die Jahre 1942, 1943 und 1944. Der Saldo bestätigt Alberts Vorahnung: „There is no money“, schreibt Mileva. Solange Guggenheim die Verwaltung wahrnahm, habe sie keinen Cent erhalten; in den Folgejahren hätten die Einnahmen die wegen des Krieges außergewöhnlich hohen Ausgaben nicht oder kaum gedeckt. Nach drei Jahren, in denen die Liegenschaft ein Defizit gemacht hat, zeigt Milevas Abrechnung für das Jahr 1944 einen Überschuss von 415 SFr. [212]
[212] Mileva an Corporation HuttRC, 19.1.1946.
[Die Häuser der Hinterbergstrasse werden gar nicht mehr erwähnt?]
8. Wovon haben Mileva und Eduard gelebt? „Die Corporation will uns … betteln gehen lassen“:
Vom Entschluss, das Haus zu verkaufen, 1946, bis zu Milevas Tod
[Huttenstrasse 62: Mieten bleiben gleich - Hypothekarzinsen steigen ohne Ende]
Für das Jahr 1945 weist Milevas Abrechnung ein Plus von 241 SFr aus. Die Mietzinseinnahmen sind seit dem Vorjahr gleichgeblieben [213], die Gesamtsumme der zu zahlenden Hypothekarzinsen ist um 400 Sfr, seit 1942 um 1000 Sfr gestiegen [214];
[213] 1943 waren die Einnahmen gegenüber 1942 erheblich gesunken, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass nun Mileva keine Miete mehr zahlte.
[214] Erstaunlicherweise sind die 1.600 SFr, die für AEs große Hypothek anfallen und von Mileva zurückgehalten werden, darin nicht enthalten, s. Mileva an Corporation HuttRC, 6.3.1946.[1946: Einsteins Treuhand will das Haus Huttenstrasse verkaufen - wieso wurde das Haus nicht an Sohn Hans Albert verkauft? - Zu erwartender Gewinn: 30.000 Franken pro Jahr]
Einzelheiten will Mileva bei Bedarf gerne erläutern. Aber die Corporation zeigt nun kein Interesse mehr an Details. Der Erhalt des Hauses ist ganz offensichtlich endgültig unrentabel geworden, das heißt: nicht mehr zu verantworten.
Im Frühsommer 1946 steht der Entschluss der Corporation fest, das Haus „unter den gegenwärtig relativ günstigen Umständen“ zu verkaufen. „Wir würden versuchen“, schreibt Albert seinem älteren Sohn, „es so zu machen, dass Mileva das Recht erhält, unter [stipulierten] Bedingungen in ihrer Wohnung zu bleiben, so dass die Änderung für [S.52] sie nur eine Entlastung bedeuten würde.“ Hans Albert, der im Sommer 1946 mit Frau und Kindern zu Besuch nach Zürich fährt, fällt die undankbare Aufgabe zu, seine Mutter von der Notwendigkeit des Verkaufs und davon zu überzeugen, dass nichts zu ihren Ungunsten geschehen werde [215].
[215] AE an Hans Albert, 13.5.1946.Nach seiner Rückkehr und nach Rücksprache mit dem Vater in Princeton hält Hans Albert dies für die Mutter noch einmal schriftlich fest: „Der Erlös vom Hausverkauf soll in erster Linie Dir zukommen und Dir in Form einer Rente oder anderweitig einen Unterhalt gestatten.“ Für Eduard werde der Vater auch weiterhin regelmäßig die vereinbarte Unterhaltssumme [216] überweisen, unabhängig davon, ob er zu Hause oder in der Klinik sei [217].
[216] Seit Mitte 1943 sind dies 350 SFr monatlich.
[217] Hans Albert an Mileva, 3.11.1946.Meint Albert mit „Erlös“ den „Gewinn“, den Betrag, der beim Verkauf des Hauses ausbezahlt werden wird? Oder handelt es sich hier um drei verschiedene Summen?
Mileva wird sich ihre Gedanken gemacht haben.
Eine „sehr zuständige Person“ in Zürich errechnet im September 1946 einen Verkaufspreis, der „dem Versicherungswert von 228.000 Franken nahekommt“, für das allerdings schon sehr renovationsbedürftig aussehende Haus. Das lässt, nach Abzug aller Verbindlichkeiten, einen Gewinn von etwa 30.000 SFr realistisch erscheinen [218] und gibt der Corporation den letzten Anstoß dazu, den Verkauf endgültig in die Wege zu leiten.
[218] Leo Hofmann an Helen Dukas, 23.9.1946.Im Auftrag der Huttenstraße Realty Corporation bittet Albert Mileva, sich nach geeigneten Wegen umzusehen.
[Huttenstrasse 62: Mileva vertraut dem Hauseigentümerverband]
Schon Anfang Dezember hat Mileva „die Angelegenheit mit dem Haus [...] in Angriff genommen“, hat die Liegenschaft durch den, wie sie schreibt, als anständig und zuverlässig bekannten Hauseigentümerverband schätzen lassen und Erkundigungen darüber eingezogen, wie der Verband beim Verkauf behilflich sein werde. Die Schätzung sei, meldet sie zufrieden, „ordentlich herausgefallen“, das Haus habe einen Wert von 210.000 – 215.000 SFr. und der Verband nehme eine Gebühr von 1% des Verkaufswertes dafür, dass er ihr einen Käufer zuführe und sich um die amtliche Seite des Geschäfts kümmere [S.53].
[Hinterbergstrasse versteigert - Mileva bleibt verschuldet - Hypothekenbriefe (Inhaberschuldbriefe) noch in Guggenheims Hand]
Mileva lehnt sich nicht offen gegen den Verkauf auf. Wie wenig geheuer ihr der Vorgang aber ist, wird in ihren bangen Briefen an Albert deutlich: „Ich sehe uns schon als obdachlose hier herumirren“, lamentiert sie, denn in Zürich herrsche große Wohnungsnot. Auch fürchtet sie, Bargeld werde ihr mit der Geldentwertung zwischen den Fingern zerrinnen, und erinnert daran, dass ihre Schulden mit der Versteigerung der beiden Häuser an der Hinterbergstraße nicht annulliert worden seien: ”Die Ansprüche jener Leute erlöschen nie.” Und schließlich kommt sie auf die Hypothekenbriefe zu sprechen, bei denen es sich um Inhaberschuldbriefe handelt, die nicht, wie in den vergangenen Jahren mehrfach erwähnt, auf Alberts Namen lauten, sondern von jedem eingelöst werden können, der sie vorweist [219]. Nicht zu Unrecht, wie sich noch einmal zeigen wird, misstraut sie Guggenheim, in dessen Händen die Schuldbriefe über 15.000 SFr und 4.000 SFr belassen wurden, und fordert Albert auf, dafür zu sorgen, dass auch der Schuldbrief über 40.000 SFr in ihre Hände gelange oder bei einer Bank hinterlegt werde und sie Zugang erhalte [220].
[219] Im Grundbuch ist AE allerdings namentlich registriert.
[220] Guggenheim an Corporation HuttRC, 21.1.1947; Guggenheim an Corporation HuttRC, 10.3.1947; Guggenheim an Corporation HuttRC, 11.3.1947; s. Mileva an Otto Nathan, 26.3.1947; Otto Nathan an Mileva, 14.4.1947; Mileva an Otto Nathan, 16.5.1947; Otto Nathan an Mileva, 24.5.1947; Mileva an AE, 12.12.1946.Milevas Bedenken erscheinen Albert vernünftig und verständlich. Aber selbst wenn Bargeld ein weniger beständiger Besitz ist als eine Liegenschaft, hält er doch die Gefahr für größer, mit einem später unter ungünstigeren Umständen erzwungenen Verkauf des Hauses den gesamten Besitz zu verlieren, während bei einer Geldentwertung nur ein Teil des Geldes verloren gehe. Milevas Befürchtung, nach dem Verkauf des Hauses ohne Wohnung dazustehen, setzt er den dringenden Rat entgegen, im Verkaufsvertrag das Wohnrecht auf Lebenszeit auszuhandeln. Falls dies nicht möglich sei, könne vom Erlös eventuell eine neue Wohnung beschafft werden. Und da man Mileva wegen der nicht verjährten Schulden kein Geld in die Hand geben dürfe, weist er sie an, das Geld in Zürich auf den Namen der Corporation zu deponieren. Unbedingt erforderlich sei jetzt Eduards Entmündigung. „Überlege Dir nur die Hilflosigkeit seiner Situation, wenn er irgendwie in die Lage käme, selbst über Geld zu verfügen“, begründet Albert die Maßnahme. An anderer Stelle spricht er vom Schutz vor Ausbeutung. Das schließt, wenn Albert dies auch nicht deutlicher sagt, Milevas Zugriff auf Gelder ein, die er dem Sohn zugedacht hat [221].
[221] AE an Mileva, 22.12.1946.[S.54]
[31.12.1946: Selbstmordversuch von Sohn Eduard - wöchentlich mehrere Besuche von Mutter Mileva im Burghölzli - Beinbruch am 17.2.1948]
Milevas Antwort an die Corporation erreicht Otto Nathan Ende März 1947. Sie bittet um Nachsicht; es sei in der Zwischenzeit ein Unglück über sie gekommen. Einzelheiten nennt sie nicht [222].
[222] In der Nacht zum 31.Dezember 1946 wurde Eduard nach dem Versuch, sich aus dem Fenster zu stürzen, in die Kantonale Heilanstalt Burghölzli eingeliefert. Mileva besucht ihn dort, wenn nicht jeden Tag, dann doch mehrmals pro Woche. Am 17. Februar 1948 gleitet sie auf dem Weg zu ihrem Sohn aus und bricht sich das Bein. All dies erfährt man in Princeton und New York erst Wochen später.Sobald es ihr möglich sei, verspricht sie, werde sie sich um Eduards Entmündigung kümmern; sie hoffe, ihre Verpflichtungen gegenüber der Corporation in
Zukunft „einigermassen“ erfüllen zu können.
Aber bevor Hausverkauf und Entmündigung sie ihrer Einflussmöglichkeiten berauben, verlangt Mileva Gewissheit: Wird Albert sich an seine Zusage halten und Eduard die Hypothek über 40.000 SFr zur Verfügung stellen, vielleicht auch die zweite Hypothek über 15.000 SFr? Sie „wäre sehr froh, wenn Herr Prof mir eine klare Mitteilung zukommen lassen würde, was er Teddi überlassen will, damit ich im Falle irgendeiner Not etwas in den Händen habe. [...Eduard] ist ja auch des Herrn Prof.’s Sohn [...] und sollte, wenn irgend möglich, nicht so ganz mittellos zurückbleiben.“
[ab 1947: Mileva drängt auf jetzige Geldzusendung für Eduard, nicht erst nach Alberts Tod - wegen der hohen Erbschaftssteuer in der CH - Albert wartet ab, wer Eduards Vormund ist]
Weil die Erbschaftssteuer in der Schweiz sehr hoch sei, dringt Mileva darauf, die Übergabe jetzt vorzunehmen, nicht erst nach Alberts Tod. Und um mit solch einer Forderung nicht in ein schlechtes Licht zu geraten, betont sie, Otto Nathan möge nicht glauben, dass sie nur bestrebt sei, „Herrn Prof möglichst viel Geld abzunehmen“. Sie schlägt vor, die Hypothek von 40.000 SFr am Haus zu belassen. Damit bliebe dem Begünstigten die sichere Einkommensquelle von 1.600 SFr p.a. erhalten. Die kleine Hypothek über 4.000 SFr möchte Mileva bar ausbezahlt bekommen. „Ich habe nicht die Absicht, das Geld zum Vergnügen zu verbrauchen“, beteuert sie; sie will es als kleine Reserve für Notfälle in der Hand halten [223].
[223] Mileva an Otto Nathan, 26.3.1947.Milevas Argumente klingen einleuchtend und ihre Wünsche gehen kaum über das hinaus, was Albert vorgesehen hat. Nur hält er aus gutem Grund an seiner Entscheidung fest, die Schuldbriefe erst dann auf Eduard überschreiben zu lassen, wenn der Sohn einen zuverlässigen Vormund hat.
[April 1947: Eduards Burghölzli-Aufenthalt: 600 Dollar - Mileva taktiert gegen die Einstellung eines Vormunds, der auch sie bevormunden könnte (!)]
Mitte April 1947 überweist Albert Mileva 600 $ [[damals sind das ca. 2500 Franken - web01]], um das Defizit zu decken, das ihr Spitalaufenthalt im Budget der Hausverwaltung verursacht hat, und im Auftrag der Corporation verspricht Otto Nathan ihr, dass, sobald das Haus verkauft sei und Eduard [S.55] einen verlässlichen Vormund habe, der Gegenwert der 40.000-Sfr-Hypothek bzw. die Hypothek selbst auf seinen Namen gestellt und 4000 SFr an Mileva direkt ausbezahlt werden [224].
[224] Otto Nathan an Mileva, 14.4.1947, AE an Credit Suisse, 19.4.1947.Im Mai 1947 beauftragt Mileva den Hauseigentümerverband mit dem Verkauf der Liegenschaft und holt nun auch bei Freunden und Bekannten Rat und Hilfe in der Vormundschaftsangelegenheit ein. Es wird offensichtlich, dass sie die Entscheidung so lange wie möglich hinausschieben und die behördlichen Hürden umgehen will. „Die Sache pressiert durchaus nicht“, erklärt sie Albert und weist Otto Nathan darauf hin, dass „das Zeugnis des Direktors“ des Burghölzli Eduard „gegen alle Schwierigkeiten, wie die Entmündigung selbst“ schütze [225]. Geschickt blendet sie aus, was hinter Alberts Forderung steht und was sie sich nicht vorstellen will: ihre eigene „Vormundschaft“ [226] über den Sohn preisgeben zu müssen. Und höchst umsichtig geht sie vor, um sich und ihrem „Mündel“ zu sichern, was – legal wie weniger legal – im letzten Moment noch zu „sichern“ ist [227].
[225] Mileva an Otto Nathan, 16.5.1947; Mileva an AE, 30.5.1947; Mileva an Heinrich Zangger, 4.6.1947; Mileva an Otto Nathan, 5.6.1947.
[226] „Im Anfang von Teddis Krankheit, bin ich amtlich eingeschrieben als sein Vormund“, Mileva an AE, 30.5.1947. Wie offiziell ihre Funktion ist bzw. war, lässt sich den amtlichen Unterlagen nicht entnehmen. Zweifel an der „Amtlichkeit“ ihrer Rolle als Vormund sind angebracht vor allem, da Eduards Vormundschaftsakte erst 1941 angelegt wurde und darin nichts von der Mileva angeblich 1932, 1933 oder auch später übertragenen Verantwortung erwähnt ist.
[227] Dass Mileva in betrügerischer Absicht zielstrebig vorgeht, ist auch R. Milentijevics Annahme (Mileva Maric Einstein – zivot sa Albertom Ajnstajnom, Belgrad 2012). Sie betrachtet Milevas Vorgehen allerdings nicht als verurteilenswert, sondern als zweckmäßig im Sinn mütterlicher Sorge. R. Highfield/P. Carter (Die geheimen Leben des Albert Einstein, dtv München 1996 p.310) bezeichnen es als Milevas „Vergeltungswaffe“.
Anfang Juni 1947 haben sich Interessenten für das Haus gefunden und Mileva braucht nun eine schriftliche Vollmacht der Corporation und die Hypothekenbriefe, die sie bei Vertragsabschluss vorzuweisen habe. Einen Anwalt beizuziehen, wie Otto Nathan vorgeschlagen hat, hält sie nicht für nötig; der Hauseigentümerverband stehe ihr in den Verhandlungen ja zur Seite.
[Juli 1947: Die Organisation des Verkaufs von Huttenstrasse 62]
Mitte Juli – notgedrungen hat die Corporation inzwischen Guggenheims vermutlich ungerechtfertigte, zumindest überhöhte Rechnung für geringfügige Tätigkeit in den Jahren 1943-1947 beglichen – übergibt der Anwalt seine Unterlagen zum Haus Huttenstraße 62 einschließlich der beiden bei ihm deponierten Hypothekenbriefe Bezirksanwalt Karl Zürcher [228], der sie für Mileva bereithält. Auch die erforderliche
[228] Bezirksanwalt Karl Zürcher ist der Bruder des vor kurzem verstorbenen Staatsanwalts Emil Zürcher, mit dessen Familie ME über viele Jahre freundschaftlichen Kontakt pflegte.[S.56]
Vollmacht ist in Zürich eingetroffen. Dem Verkauf sollte nichts mehr im Weg stehen. Noch einmal vergewissert sich Mileva, was sie mit dem Bargeld tun solle, das ihr ausgezahlt werde. Sie erhält die Anweisung, es auf den Namen der Corporation auf einer Bank zu deponieren, und Albert betont noch einmal, wie froh er sein werde, wenn die Transaktion gelungen sei, „damit bei meinem Tode nicht eine so gefährliche und schwierige Situation für Tetels Versorgung bleibt.“ [229]
[229] Mileva an Otto Nathan, 18.7.1947; Otto Nathan an Mileva, 31.7.1947; AE an Hans Albert, 25.8.1947; s. a. AE an Heinrich Zangger, 28.7.1947.[Huttenstrasse 62 am 1.9.1947: Hausverkauf an Walter Siegmann - Einstein ist NICHT ANWESEND (!) - Übernahme der Hypotheken, Restsumme kommt am 1.10.1947]
[Es scheint absolut fragwürdig, wieso Albert Einstein für den Verkauf von Huttenstrasse 62 nicht selbst nach Zürich kommt, zumal Einstein nun im Ruhestand ist].
Am 1. September 1947 unterzeichnet Mileva vor dem Notar einen Vertrag, mit dem die Liegenschaft Huttenstraße 62 zum Preis von 235.000 SFr zum 1. Oktober 1947 in das Eigentum eines Walter Siegmann übergeht. Der Käufer übernimmt die auf dem Haus lastenden Hypotheken von insgesamt 192.000 SFr, in denen Alberts Hypotheken über 40.000 SFr und 15.000 SFr enthalten sind, und wird die verbleibende Summe am 1.Oktober in bar bezahlen. Die verbleibende Summe beträgt 43.000 SFr, von denen Mileva dem Hauseigentümerverband eine Provision und Steuern zu zahlen hat und, wie ihr schon im April von der Corporation zugesagt wurde, 4.000 SFr behalten darf [230].
[230] Robert Meyer an Corporation HuttRC, 1.9.1947, Mileva an Corporation HuttRC, 1.9.1947.[Huttenstrasse 62 wird weiterverkauft: Neuer Besitzer wird: Frieda Ehrler, Privatiere - und neuer Streit wegen einem Hypothekenbrief]
[Mit dem Weiterverkauf wird die Klausel, dass Mileva im Haus wohnen bleiben kann, hinfällig].
Walter Siegmann, Notar und Bevollmächtigter der UTO Handels- und Verwaltungs-AG [[in Luzern]], bleibt nicht lange der neue Eigentümer. Wenige Wochen nach dem Vertragsabschluss wird er das Haus, sicherlich mit Gewinn, an eine Frieda Ehrler, Privatiere, verkaufen. Am 3. September fordert Mileva, da Otto Nathan nicht zu erreichen ist, Albert auf, „unverzüglich“ an Anwalt Meyer zu schreiben, den Kompagnon und Nachfolger des kurz zuvor verstorbenen Alt-Staatsanwalts Emil Zürcher, der den Hypothekenbrief über 40.000 SFr in Verwahrung hat. Zusammen mit einer aktualisierten Vollmacht – denn ein Personalwechsel in der Corporation hat Verwirrung gestiftet – müsse sie dem Notar in Zürich auch dieses Dokument vorweisen, schreibt sie und erinnert ihn: „Du hast mir im Anfang dieser Verhandlungen angetragen, mir das Geld zu geben. Bitte, tue es! Hier angelegt auf den Namen der Gesellschaft mit der Erklärung, dass ich darüber verfügen kann, bestimmt für den Unterhalt des kranken Sohnes.“ [231]
[231] Mileva an AE, 3.9.1947.Spricht Mileva hier von dem Bargeld, das am 1. Oktober ausgezahlt werden wird, oder meint sie vor allem die 40.000 SFr der Hypothek, die auszulösen sie keinen Auftrag hat, und die schon seit 1934 Eduard zugedacht ist? [S.57]
Vier Tage später hat Albert Milevas Bitte bereits an die Anwälte der Corporation weitergeleitet, die die aktualisierte Vollmacht bereitstellen werden. Den Brief an Anwalt Meyer legt er seiner eigenen Antwort an Mileva bei und rechnet nun damit, bald Näheres über den Verkauf zu erfahren: „Sobald wir hier wissen, wo die Verkaufssumme hinterlegt wird, werden wir dafür sorgen, dass Du das Verfügungsrecht darüber erhalten wirst.“ [232]
[232] AE an Mileva, 7.9.1947.Das ist, angesichts der Tatsache, dass Mileva nur über einen kleineren Teil des Verkaufserlöses frei wird verfügen dürfen, eine unglücklich gewählte Formulierung. Am 20. September erläutert Otto Nathan deshalb noch einmal in klaren Worten „die Abwicklung der ganzen Angelegenheit“: 4.000 SFr sollen Mileva sofort nach Auszahlung der Verkaufssumme zur Verfügung stehen. Der Gegenwert der Hypothek über 40.000 SFr (oder, vorzugsweise, die Hypothek selbst) „wird für Ihren Sohn bereitgestellt werden [...] sobald Ihr Sohn einen Vormund hat“. Vom Rest der am 1.10.1947 auszuzahlenden Summe benötige die Corporation 25.000 SFr „erstens, um die Schulden zurückzuzahlen, die die Gesellschaft vor Jahren machte, um die SFr. 15.000 Hypotheken zu zahlen“, und zweitens, um die in den USA für den Hausverkauf anfallenden Gewinnsteuern abzuführen [233].
[233] Otto Nathan an Mileva, 20.9.1947.[Ab 1.10.1947: Kaufvertrag ist rechtsgültig - die Corporation bekommt keinen Kaufvertrag, keine Überweisung, Mileva bleibt stumm - Einstein plant, sein Testament entsprechend zu revidieren]
Mit dem 1. Oktober 1947 wird der Kaufvertrag rechtsgültig. Nun wartet die Corporation auf eine Abschrift der Unterlagen.
Bis Mitte Dezember ist, trotz mehrerer Mahnungen an Milevas Adresse, weder der Kaufvertrag, noch eine Überweisung oder eine Nachricht darüber, wo Mileva die Barsumme deponiert hat, in Amerika eingetroffen.
In dieser Verlegenheit wendet sich Albert an Bezirksanwalt Karl Zürcher mit der Bitte, er möge Mileva veranlassen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Falls sie das Geld nicht aus der Hand geben wolle – inzwischen rechnet Albert auch mit dieser Möglichkeit – müsse er durch eine Abänderung seines Testaments einen Ausgleich schaffen [234].
[234] AE an Karl Zürcher, 18.12.1947.Was wie eine herzlose Machtdemonstration aussehen mag und manchen Biographen als eine Drohung gilt, Eduard zu enterben, muss, ganz im Gegenteil, als ein Hinweis auf Alberts Vor- und Für-Sorge für den kranken Sohn verstanden werden. Für Eduard hat [S.58] der Vater in der aktuellen Fassung des Testaments den bei weitem größten Treuhandfond bestimmt, den einzigen, der nicht zugunsten anderer Erben beschnitten werden darf, selbst wenn der Nachlass geringer ausfallen sollte als berechnet. In die Rechnung eingeschlossen sind die 15.000 SFr der Hypothek aus dem Jahr 1939 ebenso wie die 40.000 SFr der Hypothek, die Albert 1935 aufgenommen hat. Wenn dieses Geld in der Schweiz verloren geht, wenn es nicht als Alberts Vermächtnis für Eduard bewahrt werden kann, wird er die Summen, die er jedem einzelnen Erben testamentarisch zugedacht hat, nach einem neuen Schlüssel umverteilen müssen [235].
[235] „Memorandum re proposed revision of will of dr. Einstein“, 9.3.1940. Diese Umverteilung um „einen gerechten Ausgleich zu schaffen“ wird im Herbst 1948 noch einmal ins Gespräch kommen, als AE und Vormund Meili erwägen, all das in Zürich liegende Geld für Eduards Versorgung zurückzubehalten und Hans Albert dafür testamentarisch eine größere Summe zukommen zu lassen.
Anwalt Zürchers Intervention [236] erweist sich zunächst als erfolgreich.
[236] Karl Zürcher an Mileva, 24.12.1947.[1.10.1947-Jan.1948: Nun kommen Intrigen gegen Mileva: Käufer Siegmann bricht sein Wort, eine Bekannte beraubt Mileva, Mieter werden frech - Eduard will ins Burghölzli flüchten - Mileva klagt, sie werde zur Bettlerin]
Noch vor dem Jahreswechsel bricht Mileva ihr Schweigen und meldet sich bei Albert mit einem längeren Brief: „Es ist schon eine Ewigkeit seit ich wollte und sollte Dir schreiben und über alles berichten.“ Ihr Bericht über den Hausverkauf beschränkt sich auf wenige Zeilen, sehr viel ausführlicher schildert sie die vielen Misslichkeiten und Schikanen, die mit dem Verkauf einhergingen und Eduard so zusetzten, dass er zu Beginn der letzten Novemberwoche schließlich von sich aus verlangt habe, in die Klinik gebracht zu werden. Sie klagt über die frechen Mieter im Haus, über den wortbrüchigen Käufer, über die Bekannte, die ihre Hilfe anbot und sich als Diebin entpuppte [237];
[237] Tatsächlich ist Hilda Dukas, die Witwe des Anwalts Hermann Dukas, eine „notorische Psychopathin“ und auch ihre Schwester sei Kleptomanin gewesen, s. AE an Mileva, 5.1.1948.sie beschwert sich über den habgierigen Anwalt Zürcher und den mit seinem jüngst erworbenen Reichtum auftrumpfenden Freund Zangger und bittet sich Rücksicht auf ihren desolaten Gesundheitszustand aus: „Ich bin krank und sehr leidend, darum kann ich nicht in jedem Moment geschäftliche Dinge erledigen“. In einem neuen Absatz, hinzugefügt vielleicht erst am nächsten Tag, verabschiedet sie sich vom verzagten und Mitgefühl heischenden Ton der ersten Seiten und geht zum Angriff über. Die Corporation – ihre ganze Verachtung liegt in den Anführungszeichen, mit denen sie das Wort umrahmt – „will uns wie es scheint alles aus der Hand reissen und uns betteln gehen lassen.“ [238]
[238] Mileva an AE, 30.12.1947; s. a. Mileva an AE, 3.1.1948.„Vergiss, bitte, auch nicht“, mahnt sie den Ex-Ehemann, „dass wir einen armen leidenden Sohn haben; er hat keinen Vater“ und auf seinen Bruder könne er nicht zählen. Was solle aus ihm werden, da auch seine Mutter dieses traurige Leben wohl nicht mehr [S.59] lange aushalte. Das geforderte Geld sende sie „wohl gleich nach Neujahr“. „[G]edulde Dich nur ein paar Tage“, fleht sie ihn an, „dann kommt schon die nötige Antwort, die Du gewünscht hast“. Das wäre, da Albert ungeduldig darauf wartet, die Gewinnsteuer zahlen und die Huttenstraße Realty Corporation auflösen zu können, eine erfreuliche Nachricht, hätte Mileva ihr nicht einen Satz vorausgeschickt, der erahnen lässt, dass sie etwas ganz anderes im Sinn hat: Eine genauere Antwort werde sie Albert und der Corporation geben, „sobald ich mich mit dem Vormundschaftlichen Juristen besprochen habe, was meine Pflicht ist zu tuen.“ Rechnet sie damit, andernorts die Unterstützung zu erhalten, die Anwalt Zürcher ihr nicht geben kann? [239]
[239] Im nächsten Monat wird Mileva den Karl Zürcher bezichtigen, Verwirrung zu stiften statt Hilfe zu leisten: „Ich beschwöre Dich […] schreibe diesem Idioten nicht mehr“, Mileva an AE, 27.1.1948.
[1948: Mileva beklagt: Einstein kommt nie nach Zürich auf Besuch - lebt aber mit 3 Frauen in Princeton]
Dass Albert mit seinen Zahlungen von „bloss 300 Fr pro Monat“ sie und den kranken Sohn der Not und dem Elend preisgegeben habe und dass im Fall ihres Todes für Eduard nicht vorgesorgt sei, diesen jammervollen Eindruck hat Mileva nicht nur Anwalt Zürcher vermittelt. Ähnlich äußert sie sich in einem Brief an den Direktor der Heilanstalt Burghölzli, der nun Eduards Bevormundung vorantreibt: „Vielleicht wäre es möglich, dass [die Vormundschaftsbehörde] uns etwas helfen könnte, den Vater meines armen Sohnes dazu zu bringen, ihm etwas reichlicher mit Geld beizustehen. Er bringt dem armen, so schwer leidenden Jungen nicht das wenigste Interesse entgegen.“ Hingegen, führt Mileva an, lebe er mit drei oder vier Frauen, die alle den Ruf hätten, ihn „mächtig zu rupfen.“ [240]
[240] Mileva an Manfred Bleuler, 16.1.1948.[1948: Mileva leidet an geistiger Verwirrung - Diagnose Frühsommer 1948 - Einstein zahlt die Corporation aus seinem eigenen Sack]
Es fällt schwer, all diese Beschuldigungen nicht schon jetzt Milevas geistiger Verwirrung zuzuschreiben, die die Ärzte im Frühsommer 1948 diagnostizieren werden. Aber noch erscheint ihr Verhalten konsistent, ihre Behauptungen klingen glaubwürdig und selbst der Direktor des Burghölzli, der Psychiater Manfred Bleuler, schenkt Mileva Vertrauen. Längst hat Albert, in Antwort auf Milevas bewegenden Brief vom 30. Dezember, erst sofort telegraphisch, dann noch am selben Tag brieflich [241] die Überweisungs-Forderung der Corporation widerrufen und zugesagt, die amerikanischen Schulden der Corporation aus seinen persönlichen Ersparnissen in Amerika zu begleichen.
[241] AE an Mileva, 5.1.1948; s. a. AE an Karl Zürcher, 8.1.1948; Karl Zürcher an Mileva, 13.1.1948.Das findet in Milevas Anklagen keinen Niederschlag. Denn noch bevor der „Vormundschaftliche Jurist“ [S.60] seinen Einfluss hätte geltend machen können, hat sie das Problem für sich und auf ihre Weise gelöst. Alberts Versicherung, es werde alles so gemacht, „wie es in Deinem und Tetels Interesse am besten ist“, ist bedeutungslos geworden; sie kann sie ignorieren.
[Mileva wurde aus dem Haus geworfen - sie hat nun Kosten ohne Ende
Es war NICHT vorgesehen
-- dass Mileva mit frechen Mietern konfrontiert würde
-- dass Mileva aus dem Haus geworfen wurde - und die neue Adresse wird hier VERSCHWIEGEN
-- und all der Umzug des Haushalts und die neue Miete für die neue Wohnung kostet - deswegen ist Mileva knapp bei Kasse
-- scheinbar verschweigt Mileva dem Einstein, dass sie aus dem Haus geworfen wurde (?!)].
[1948: Protest von Hans Albert gegen Einstein+Mileva wegen pauschaler Zusage von Einstein - Einstein verspricht Hans Albert eine klare Sicherheit]
Dass alles so gemacht werde, wie es in Milevas und Eduards Interesse sei, alarmiert nun aber Hans Albert, der den Verdacht hegt, dass seine Interessen und Rechte hierbei unberücksichtigt bleiben. Er fordert ein Mitspracherecht in der Verwaltung der Gelder ein, denn am Ende werde er derjenige sein, den der Staat zu Unterhaltszahlungen für seinen Bruder Eduard heranziehen müsse [242].
[242] Hans Albert an AE, 17.1.1948; s.a. Hans Albert an AE, 28.7.1948. Hinter Hans Alberts scheinbar sachlicher Argumentation steht auch die in den Erfahrungen der frühen Jahre begründete Geschwisterrivalität: der kleine Bruder sei gehätschelt, geschont und verwöhnt worden, der Erstgeborene hatte schon als Zehnjähriger die Rolle des Mannes in der Familie zu übernehmen und wurde „aus pädagogischen Gründen“ bis ins Erwachsenenalter finanziell kurzgehalten. Dazu s.a. Hermann Anschütz-Kaempfe an AE, nach 15.11.1925.Dieses Mitspracherecht will ihm sein Vater nicht zugestehen; er verspricht ihm aber, dass mit Hilfe des Vormunds alles unternommen werde, „damit nichts an Dir hängen bleibt wenn ich nicht mehr da bin. [...] Das ärgste, was passieren kann, ist, dass Tetels Versorgung Deine Erbaussichten verdirbt.“ [243]
[243] AE an Hans-Albert, 21.1.1948.Selbst diese Gefahr ist gering, denn nach amerikanischem Recht steht Albert mit dem Testament ein Instrument zur Verfügung, seine Hinterlassenschaft dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden und den Bedürfnissen der Söhne und anderer Erben entsprechend aufzuteilen [244].
[244] AE an Otto Nathan, 4.9.1948.[1948: Mileva wurde die Wohnung gekündigt - Mileva ist wegen Eduard nur noch am Leiden und Einstein kommt NICHT (!!!) - Vormund Meili]
Ende Januar 1948 bittet Mileva die Corporation erneut um Nachsicht dafür, dass sie Kaufvertrag und Abrechnung noch nicht gesandt hat. Schuld sei das „sogenannte Mietamt“. Dort wird ihr Einspruch gegen die möglicherweise rechtswidrige Wohnungskündigung bearbeitet, die die neue Hauseigentümerin zum vergangenen Jahresende ausgesprochen hat. Mileva beschwert sich nicht grundlos über die Misere, in der sie sich befindet. Aber ist dies eine Misere, die mit Alberts finanzieller Hilfe zu beheben wäre, wie ihre Freunde und Unterstützer glauben? [245]
[245] „Es wäre geradezu eine Rettung, wenn Sie Ihrer Familie etwas helfen würden“, Maria Kerekes an AE, 18.5.1948; s.a. Maria Kerekes an Michele Besso, 1.6.1948; Elly Bernet-Studer an AE, 27.1.1947 u.a.Was geht in ihr vor, wenn sie Albert anfleht, „noch etwas Geld für diesen Jungen jetzt schon bereit[zustellen], am besten hier, damit die Menschen beruhigt sind, dass er zum Leben hat“? [246]
[246] Mileva an AE, 27.1.1948.Was glaubt sie, von Albert noch erwarten zu dürfen, da sie selber doch den größten Teil der Gelder, die er für Eduards Unterhalt vorgesehen hat, zu diesem Zeitpunkt bereits ‚in Sicherheit [S.61] gebracht‘ hat? Das werden Albert und Vormund Meili allerdings erst nach Milevas Tod entdecken.
[Anfang Februar 1948: Eduard muss seine Entmündigung unterschreiben - Vormund Meili ab 1.3.1948]
Anfang Februar 1948 unterschreibt Eduard seine Einverständniserklärung für die Vormundschaftsbehörde. Vier Wochen darauf wird seine Entmündigung rechtskräftig. Ab diesem Zeitpunkt ist Amtsvormund Dr. jur. Heinrich Meili zuständig für Eduards Wohl. Damit ist der Moment gekommen, in dem Albert, wie versprochen, die Hypothek über 40.000 SFr auf den Namen seines Sohnes überschreiben oder, alternativ, die Barsumme für Eduard bereitstellen sollte.
[Anfang Februar 1948: Einstein weiss noch immer nicht, wo das Geld vom Hausverkauf von Huttenstrasse 62 ist (!) - Mileva sagt nicht, wo das Geld ist - auch dem neuen Vormund Meili nicht]
Noch sind die Verkaufsunterlagen allerdings nicht in Amerika angekommen, noch weiß Albert nicht, mit welchen Gewinnsteuern er in Amerika zu rechnen hat, welche Summen bei welcher Zürcher Bank deponiert wurden und dort für den Sohn verwendet werden können oder bereits verwendet werden. Nun wartet er auf Bericht und Vorschläge von Eduards Vormund. Auch ihn hat Mileva bisher im Unklaren über ihre und Eduards Vermögenslage belassen.
[März 1948: Mileva wollte eigentlich, dass Albert nach Zürich helfen kommt (!) - und der Albert Einstein kommt NIE (!)]
Mitte März 1948 – Anwalt Zürcher hat in einem weiteren Gespräch mit Mileva den Eindruck gewonnen, dass sie ihren Verpflichtungen gegenüber der Corporation jetzt nachkommen werde [247] –
[247] Karl Zürcher an Otto Nathan, 18.6.1948.„haben sich die Dinge so gedreht“, berichtet sie Albert, dass sie die gewünschten Unterlagen absenden könne. Hinter ihr liege eine unglaublich schwere Zeit: „Alle irgendwie bei der Sache tätigen Männer“ hätten sich als Betrüger und Fälscher erwiesen. Selbst ihren Ex-Ehemann rechnet sie zu diesen Schurken: „Ich würde Gott danken, wenn ich auch von Deiner Seite, etwas Güte und Hilfe bekommen könnte, denn ich habe ja leider gar zu viel Pflichten unserem armen Kinde beizustehen, was auch eine schwere Aufgabe ist und wo ich auch für Deinen Beistand über alles dankbar wäre.“
Welchen Beistand, welche Hilfe erhofft sie sich über die seit Langem zugesagte finanzielle Sicherung des kranken Sohnes hinaus, die jetzt davon abhängen wird, wie Vormund Meili die Lage beurteilt? [248]
[248] Mileva an AE, 11.3.1948.
[Einstein wird nun kriminell, wenn er nie nach Zürich auf Besuch kommt
Mileva musste in eine günstigere Wohnung umziehen, die neue Adresse wird NIE angegeben, und Mileva wird nun schwach, sie fühlt den Tod kommen und will Einstein ein letztes Mal sehen, und dieser Einstein kommt NIE, obwohl dieser Einstein nun pensioniert ist, hat KEINE Arbeitsverpflichtungen mehr!]
[Ende Mai 1948: Mileva verheimlicht das Geld des Hausverkaufts weiterhin - Schlaganfall am 27.5.1948, Kantonsspital, halbseitige Lähmung, psychisch angeschlagen - das Geld ist im Spitalzimmer: 87.300 Franken (!) - Mileva meint, es seien ca. 30.000 Franken (!)]
Auch Ende Mai hat die Corporation die Verkaufspapiere noch nicht erhalten. Am 27.Mai wird Mileva nach einem Schlaganfall in das Kantonsspital eingeliefert. Sie ist halbseitig gelähmt und, wie der aufnehmende Arzt feststellt, psychisch geschädigt und „nicht mehr imstande, über ihre finanziellen Verhältnisse Auskunft zu geben“. Immerhin [S.62] war sie, als die Sanitäter sie aus ihrer Wohnung abholten, klarsichtig genug, ihre Barschaft einzupacken. Bald nach ihrer Hospitalisierung findet die Abteilungsschwester „auf dem Boden, im Bett und im Nachttisch“ herumliegende Banknoten im Wert von 87.300 SFr. [249]
[249] Kantonsspital Zürich an Vormundschaftsbehörde, 31.5.1948Auf Befragen gibt Mileva zu Protokoll, dass die gesamte Summe ihr gehöre – sie schätzt sie auf etwa 30.000 SFr – und der Vormundschaftsbehörde übergeben werden solle. Es wird deutlich, dass sie dieses Geld zur Versorgung des kranken Sohnes verwendet wissen will [250].
[250] Protokollblatt der Vormundschaftsbehörde, 2.6.1948; dort auch Bemerkungen von Vormund Meili, 9.6.1948.[Vormund Meili fragt Albert Einstein, welcher Betrag für Eduard bestimmt ist - und verheimlicht die 87.300 Stutz (!!!)]
Anfang Juni 1948 nimmt Eduards Vormund Heinrich Meili ersten Kontakt mit Albert Einstein auf. Die Vormundschaftsbehörde hat ihm zur Besorgung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten jetzt auch Milevas Vertretung anvertraut und Meili möchte von Albert wissen, aus welchen Mitteln die Pflegekosten für Mutter und Sohn zu decken seien. Mileva habe bisher nur davon gesprochen, „dass sie mit Ihnen in Auseinandersetzungen begriffen sei wegen der Überweisung eines grösseren Geldbetrages, der aus dem Verkauf des Hauses Huttenstraße 62 herrühre.“ Davon, dass diese Auseinandersetzungen bereits beigelegt waren, bevor der Vormund sein Amt antrat, hat Mileva allem Anschein nach nicht gesprochen. Auch dass Meili mit seinem Vorschlag, den strittigen Betrag „sicherzustellen und zwar auf den Namen des Sohnes Eduard Einstein“, bei Albert Einstein offene Türen einrennen wird, hat sie nicht erwähnt. Meilis Frage, um welchen Betrag es sich dabei handle, kann Albert nicht beantworten. Denn von den 87.300 SFr, die unterdessen bei der Vormundschaftsbehörde registriert worden sind, hat er nicht erfahren und erfährt davon auch nicht aus Meilis Brief [251].
[251] Vormund Meili an AE, 5.6.1948, AE an Vormund Meili, 9.6.1948.Albert antwortet sofort und ausführlich und belässt den Vormund nicht im Zweifel darüber, welche Vollmachten und welche Verpflichtungen gegenüber der Corporation Mileva hatte, welche Einkünfte ihr aus Hausverwaltung und Hausverkauf zustanden und wie mit dem vorhandenen Geld zu verfahren sei. „Trotz unablässiger Bemühungen“ sei es ihm nicht gelungen, eine Abrechnung zu erhalten. Etwa 40.000 SFr seien seiner Schätzung nach bar an Mileva ausgezahlt worden. Diese Summe, Eigentum der Corporation, und zwei auf seinen Namen lautende Hypotheken über insgesamt 55.000 SFr sollen, verfügt er, „zur Tilgung der Kosten von Frau Milevas Krankheit und für den [S.63] Unterhalt meines geisteskranken Sohnes verwendet werden“. Es liege ihm sehr daran, Eduards Versorgung so zu regeln, dass seinem älteren Sohn später keine Kosten erwachsen.
[Juni 1948: Albert Einstein informiert Sohn Hans Albert erst jetzt über den Hausverkauf und Eduards Entmündigung - und Einstein geht immer noch nicht nach Zürich (!!!)]
Bisher hatte Albert vermieden, Hans Albert mit beunruhigenden Nachrichten über die seit längerem kaum mehr durchschaubaren Vorgänge in Zürich zu belasten. Jetzt hält er es für notwendig, ihn über Eduards Entmündigung, vor allem aber detaillierter über den Verkauf des Hauses zu informieren: „Mileva hatte Vollmacht für die Vornahme der Transaktion. Was sie mit dem Gelde getan hat und wie viel es ist, war trotz aller Mahnungen nicht in Erfahrung zu bringen.“ Nun sei die Corporation in der Verlegenheit, eine Gewinnsteuer zu zahlen – mit Anführungszeichen hebt er hervor, wie widersinnig ihm der Begriff „Gewinnsteuer“ erscheint – für deren Berechnung die Unterlagen fehlen. „Es ist unschilderbar, was für Kosten und Chikanen mir die Jahre über aus diesem Haus erwachsen sind“, moniert er, „immer nur Vorwürfe und Missinformationen von Leuten in Zürich über mein Verhalten.“ [[Aber: Einsatein ist doch pensioniert und kommt immer noch nicht auf einen Besuch nach Zürich, auch wenn Mileva halb gelähmt im Spital liegt??!! So ein Arsch!!]] Für Eduards Versorgung habe er bisher noch nichts tun können; eine endgültige Entscheidung hänge davon ab, welche Summen aus dem Hausverkauf zurückgeblieben sind [252].
[252] AE an Hans Albert, 6.6.1948.
[Meili verschweigt dem Einstein die 87.300 Fr. bei Mileva]
Seit Vormund Meili Mitte Juni Albert Einsteins Antwort erhalten hat, muss er sich darüber im Klaren sein, dass nur ein Teil der bei Mileva aufgefundenen 87.300 SFr ihr Eigentum sein kann, etwa die Hälfte aber der Corporation oder Albert persönlich zusteht. Ist es ein kluger Schachzug, Albert in Unkenntnis über dieses Geld zu belassen?
Oder rechnet der Vormund, als er Ende Juni Hans Albert über den aktuellen Stand der Dinge informiert [253] damit, dass der Vater alles Wichtige von seinem Sohn erfahren werde?
[253] Vormund Meili an Hans Albert, 30.6.1948.[Hans Albert verschweigt dem Einstein die 87.300 Fr. bei Mileva]
Hans Albert sieht allerdings wenig Anlass, diese Details an den Vater weiterzureichen. Zwar kann er Meili keine Antwort auf die Frage nach dem rechtmäßigen Eigentümer der 87.300 SFr geben, unter keinen Umständen will er sich aber der Ansicht des Vaters anschließen, „alles in Zürich verbleibende Geld [solle] auf Tetels Versorgung verwendet werden“. Vermutlich missfällt ihm vor allem die Anweisung des Vaters, „keinesfalls [zu] [S.64] versuchen, von dem Gelde in Zürich etwas zu bekommen, solange die Sache mit Tetel nicht bereinigt ist.“ [254]
[254] AE an Hans Albert, 11.7.1948.[Juli 1948: Hans-Albert hat "keine Zeit", nach Zürich zu kommen - Vormund Meili verteilt das Geld]
Hans Albert würde die Angelegenheit gerne vor Ort in die eigenen Hände nehmen. Aber seine beruflichen Verpflichtungen lassen ihm nicht die Zeit, umgehend nach Zürich zu reisen [255]. Mitte Juli 1948 macht Vormund Meili deshalb für Hans Albert folgende obskure Rechnung auf: 40.000 SFr stehen Albert Einstein zu; das habe er der Scheidungskonvention von 1919 entnommen [256]. 47.000 SFr seien folglich Milevas Eigentum, der letzte Rest des Nobelpreiskapitals. Die 40.000 SFr möchte Meili für sein Mündel Eduard „konservieren“; das sei im Sinn des Vaters und entspreche ja auch Hans Alberts Vorschlag, „einiges“ für den Bruder zu sichern. Über die erbrechtliche Behandlung der beiden darüber hinaus verfügbaren Summen, nämlich der Hypotheken über insgesamt 55.000 SFr, werde man zu gegebener Zeit verhandeln [257].
[255] Frieda Einstein-Knecht an Vormund Meili, 20.7.1948.
[256] Offenbar liegt hier eine Verwechslung mit den „erstklassigen Wertpapieren im … Kurswert von 40.000 Mark“ vor.
[257] Vormund Meili an Hans Albert, 19.7.1948.
9. Mileva stirbt am 4. August 1948.
87.300 Schweizer Franken in Scheinen:
Die Auseinandersetzungen um Milevas Nachlass bis zur endgültigen Aufteilung der Restsumme zwischen den Söhnen 1950
Es ist ein glücklicher Zufall, dass Otto Nathan, unterwegs zu einer Konferenz in Polen, schon in den ersten Tagen nach Milevas Tod eine Gelegenheit findet, als Albert Einsteins Bevollmächtigter und im Namen der Corporation in Zürich mit Vormund Meili über Eduards künftige Versorgung zu sprechen. Die entscheidende Frage ist: wird der Vormund mit den vorhandenen Mitteln in der Lage sein, Eduards Unterhalt so zu sichern, dass für Hans Albert „später keine Belastung entsteht, die für ihn ruinös werden könnte, da sein Einkommen als Wissenschaftler ein bescheidenes ist“? Er werde keine Opfer scheuen, um es zuwege zu bringen, das hat der Vater seinem älteren Sohn zugesagt [258].
[258] AE an Vormund Meili, 4.8.1948, AE an Hans Albert, 4.8.1948.[S.65]
[Die Rechnung von Otto Nathan, Anwalt der Corporation]
Die Rechnung, die Otto Nathan aufmacht, unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von Meilis Folgerung aus der Scheidungskonvention: Nathan unterteilt die 87.300 Sfr in den Gewinn der Huttenstraße Realty Corporation einerseits, ca. 43.000 SFr, von denen angenommen werden darf, dass sie beim Verkauf des Hauses an Mileva ausgezahlt wurden, und andererseits die als Milevas Eigentum geltende Restsumme von ca. 44.000 Sfr, die, nach Abzug mehrerer offener Rechnungen und anderer Unkosten, zu gleichen Teilen an die beiden Erben, Hans Albert und Eduard, übergehen soll. Auf der Basis dieser Kalkulation unterbreitet Nathan Meili einen Vorschlag für Eduards lebenslange Versorgung: zusätzlich zu den Eduard zustehenden ca. 20.000 SFr aus Milevas Nachlass werden von Albert Einstein der Gewinn aus dem Hausverkauf abzüglich der in Amerika zu zahlenden Steuerschuld, also ca. 35.000 SFr, und der Gegenwert der beiden Hypotheken über 15.000 und 40.000 Sfr zur Verfügung gestellt, insgesamt also rund 110.000 SFr. [259]
[259] Otto Nathan an AE, 6.8.1948. Damit widerruft Otto Nathan zwar die Zusage, AE werde die Steuerschuld in Amerika aus eigener Tasche bezahlen; der Verlust wird aber durch Eduards Anteil an den hier Milevas Nachlass zugeordneten 40.000 SFr vollständig aufgewogen.[4.9.1948: Otto Nathan gibt Einstein bekannt: Bei Mileva wurden 87.300 Franken "gefunden" - woher kommt das Geld?]
Davon, und damit nun auch von den bei Mileva aufgefundenen 87.300 SFr, erfährt Albert, als ihn, mit einiger Verspätung, am 4. September Nathans Nachricht erreicht.
Dass Mileva, wie es hier den Anschein hat, zusätzlich zu der beim Verkauf des Hauses entgegengenommenen Barsumme über ein eigenes Kapital von mehr als 40.000 SFr verfügte, macht Albert zunächst nicht stutzig. Es passt ins Bild: „Mileva hat […] wie eine ächte serbische Bauern-Tochter gehandelt, indem sie ihre Verhältnisse erfolgreich uns gegenüber verschleierte.“ Statt sich düpiert zu fühlen, findet er „etwas Komisches in der ganzen Tragik.“ [260]
[260] AE an Otto Nathan, 4.9.1948; AE mag tatsächlich vermutet haben, dass ein Teil des Bargelds aus Milevas jugoslawischem Erbe stammte, das auszulösen sie sich viele Jahre lang bemüht hatte [[Landbesitz des Vaters]].[Die Auflösung von Milevas Wohnung - Frieda Einstein kommt mit Vollmacht von Hans Albert, "die Erbschaft in Empfang zu nehmen": Einstein hat seine Hypotheken nie einbezahlt (!!!) - und somit geht Einsteins Trust Company leer aus]
Sein Missfallen, mehr noch sein Misstrauen erregt Frieda Einsteins [[Ehefrau von Hans Albert, Winteler-Tochter]] Reise nach Zürich.
Hans Alberts Frau hatte Vormund Meili angeboten, ihm bei der Auflösung von Milevas Wohnung zur Hand zu gehen. Am 23. August kommt sie in Zürich an. Sie ist von ihrem Mann bevollmächtigt, den auf ihn entfallenden Teil der Erbschaft in Empfang zu nehmen. [261]
[261] Hans Albert an Vormund Meili, 4.8.1948; „Vollmacht“, 14.8.1948; AE an Otto Nathan, 4.9.1948.Wie berechtigt Alberts Misstrauen ist, zeigt sich, nachdem Frieda Vormund Meili von einer neuen [[Ansicht]], Hans Alberts [[Ansicht]] und ihrer Ansicht über Milevas Nachlass überzeugt hat [S.66].
„Wohl nicht ganz ohne Grund“, eröffnet Meili daraufhin Otto Nathan, nehme Frieda den Standpunkt ein, die gesamten 87.300 SFr seien, als Rest des Nobelpreises, Milevas Eigentum und erbrechtlich dementsprechend zu behandeln. Vermutlich beruft Frieda sich auf Alberts – unzutreffendes – Bekenntnis, er habe den Betrag, den die Hypotheken aufweisen, nie eingezahlt; „moralisch betrachtet“ seien sie deshalb Milevas Eigentum [262].
[262] s. AE an Hans Albert, 11.7.1948.
Das kommt auch Vormund Meili entgegen, dem die Übernahme des Hauses Huttenstraße 62 durch die Huttenstraße Realty Corporation ohnehin suspekt ist. Daraus, dass Alberts Hypotheken auf dieses Haus „lediglich“ zu dem Zweck etabliert wurden, Mileva gegen den Zugriff der Gläubiger zu schützen – Meili spricht irrtümlicherweise von „Überschreibung“ – glaubt er nun folgern zu dürfen, dass sich am „effektiven Tatbestand“, wie er ihn aus der Scheidungskonvention herausliest, nichts geändert habe. In Übereinstimmung mit der Meinung des Ehepaars Einstein-Knecht hält der Vormund hiermit die Gesamtheit der in der Liegenschaft investierten Mittel also allein für Milevas Eigentum. Forderungen der Huttenstraße Realty Corporation finden darin keinen Platz mehr.
[Simple Handhabe der Erbsumme: Hans Albert und Eduard erhalten je die Hälfte - mit Umweg über die Corporation]
Wenn sich Albert Einstein und die Corporation dieser Ansicht anschließen wollten, wäre der Vormund sehr zufrieden, da „dann der Nachlass lediglich hälftig zu teilen wäre“ und nur noch abzuklären bleibe, ob Hans Albert seinem bedürftigeren Bruder einen „freiwilligen Vorausbezug“ einzuräumen bereit sei [263].
[263] Vormund Meili an Otto Nathan, 9.9.1948. Der „freiwillige Vorausbezug“ (Vorbezug) ist in Artikel 631 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs vorgesehen.Otto Nathans Antwort erreicht Vormund Meili am 30. September 1948. Darin betont Nathan noch einmal, was er schon im Gespräch mit Meili Anfang August angeführt hatte und was auch Hans Albert und Frieda nicht unbekannt ist: „dass [Milevas] Nachlass ungefähr Frs. 43000.- an die Huttenstr. Realty Corporation schuldet“. Aus rechtlichen und steuerrechtlichen Gründen könne die Corporation auf diese Forderung nicht verzichten. Professor Einstein sei aber bereit, nicht nur die Steuerschulden in den USA aus seinen dortigen Mitteln zu begleichen, sondern auch 43.000 SFr aus eigener Tasche an den Nachlass zu überweisen, sobald die Corporation dieselbe Summe aus diesem Nachlass erhalten hat [264].
[264] Otto Nathan an Vormund Meili, 27.9.1948.
[S.67]
Was wie ein unsinniges und überflüssiges Manöver anmuten mag, ist eine wohlbedachte Vorgehensweise. Ob das Geld eines Tages direkt aus Alberts Hinterlassenschaft oder schon jetzt auf dem Umweg über Milevas Nachlass in die Hände der Söhne übergeht, ist letztlich eher nebensächlich. Aber nur wenn Alberts Ansprüche und die Ansprüche der Corporation jetzt rechtlich anerkannt werden, kann er – eventuell – verhindern, dass dieses Geld aus Milevas Besitz in fremde Taschen fließt [265].
[265] s. Otto Nathan an AE, 3.9.1948.Das gilt für die 87.300 SFr ebenso wie für die Hypothek aus dem Jahr 1935. Um einer Debatte darüber zu entgehen, ob oder inwieweit diese 40.000 SFr dem Nobelpreisgeld zuzuordnen seien, hat Albert entschieden, dass auch diese Summe in die Masse gehen solle, die unter den beiden Söhnen aufgeteilt werden wird. Zusammen mit den 15.000 SFr aus der Hypothek, die Albert 1940 aufgenommen hat und die er aus naheliegenden Gründen nicht mit dem Nobelpreisgeld verquickt sehen, sondern als Ganzes für Eduard bereitstellen will, bleiben nach der neuen Rechnung nur noch ca. 75.000 SFr für dessen Unterhalt; ein beträchtlicher Verlust gegenüber den im August berechneten 110.000 SFr, die nach Meilis Einschätzung allerdings wohl gar nicht vollständig gebraucht würden [266].
[266] Otto Nathan an Vormund Meili, 27.9.1948.[Ende September 1948: Neue Schulden wurden "entdeckt": Alte Steuern knapp 9000 Stutz - und alter Schuldbrief 37.616 Stutz]
Aber auch diese jüngste Rechnung ist Ende September bereits überholt. Denn in der Zwischenzeit hat die Erbschaftsangelegenheit, wie Meili melden muss, „neue Aspekte“ erhalten; es sind Schulden zum Vorschein gekommen, die alle bisherigen Kalkulationen infrage stellen [267],
[267] Vormund Meili an Otto Nathan, 28.9.1948; es handelt sich unter anderem um eine Steuernachforderung von knapp unter 9.000 SFr (s. Robert Meyer an Otto Nathan, 22.12.1948) und einen alten Schuldbrief über 37.616 SFr.und es bestehe Grund, schreibt Meili ohne nähere Angaben, zur Befürchtung, „dass die Söhne Einstein den Nachlass der verstorbenen Mutter ausschlagen müssten“. Dieser Gefahr könne man aber entgehen, erläutert er, indem man „die Angelegenheit rechtlich so behandelt, wie sie sich tatsachengemäss entwickelt hat“. Man muss den letzten Satz ein zweites Mal lesen, um seine Bedeutung vollständig zu erfassen.
[Vormund Meili will nun Geld an die Corporation geben...]
Falls der Jurist Meili bis zu diesem Zeitpunkt angenommen hatte, die tatsächlichen Vorgänge könnten – oder sollten sogar – bei der Behandlung der Erbangelegenheit außer acht gelassen werden, so zwingt ihn die nun entstandene Lage zum Eingeständnis, dass [S.68] es im Interesse aller beteiligten Familienangehörigen liege, „wenn die Huttenstraße Realty Corporation an ihren Ansprüchen festhält, resp. sich auf den Standpunkt stellt, dass wesentliche Beträge des vorgefundenen Geldes gar nicht der Erblasserin gehörten, sondern eben der Realty Corporation.“ Meilis scheinbar eindeutige Formulierung ist das Ergebnis vorsichtigen Abwägens zwischen zwei juristisch nicht unproblematischen Standpunkten; obgleich er „die Rechtlichkeit der Corporation bezweifelt,“ [268] ist er entschlossen, zum Besten seines Mündels Eduard Einstein zu handeln.
[268] s. Hans Albert an AE, 6.3.1949.[Frieda Einstein: Mileva soll zwei Hypothekenbriefe unrechtmässig verkauft und so die 87.300 Stutz angehäuft haben?]
[[Frieda reist nun nach Princeton]]: „[E]inige Aufklärungen“ über die tatsächlichen Vorgänge bringt Frieda dem Schwiegervater Anfang Oktober aus Zürich mit. „Das viele bare Geld kommt offenbar daher, dass die Teure die beiden Hypothekenbriefe unrechtmässig verkauft hat“, berichtet Albert Otto Nathan. „Die Schwiegertochter war etwas kleinlaut und ist nun dem Himmel dankbar für die Existenz unserer Corporation.“ Ungeklärt bleibt, wieviel Geld Mileva für diese Schuldbriefe erhalten hat [269] und in wessen Händen sie sich nun befinden. Soll man, fragt Albert Nathan, da der neue Besitzer sicher ahne, dass es sich um eine zweifelhafte Sache handelt, auf der Herausgabe der Hypotheken bestehen und das Geld zurückzahlen oder sich mit dem Mann auf der Basis der vollzogenen Tatsachen einigen? Für Eduards Unterhalt wäre eine Hypothek, die regelmäßig sichere Zinsen einbringt, eine vorteilhaftere Geldanlage als jede andere Investition [270].
[269] Die aufgefundene Summe ist um etwa 5.000–7.000 SFr geringer, als nach dem Verkauf des Hauses und der Hypothekenbriefe erwartet werden durfte. Denkbar wäre, dass Mileva für die beiden Schuldscheine weniger als 55.000 SFr erhalten hat; denkbar wäre aber auch, dass, wie AE befürchtet, Bargeld „verlorenging“ bzw. gestohlen wurde.
[270] AE an Otto Nathan, 7.10.1948.So hatte auch Mileva argumentiert – und hatte, gegen alle Vernunft, bald darauf den Schritt getan, dessen Folgen Alberts Pläne und Berechnungen jetzt ein weiteres Mal durchkreuzt haben.
[Mitte Oktober 1948: Die Corporation fordert vom Mileva-Nachlass 98.000 Franken, inkl. zwei Hypothekenbriefe]
Form- und gerade noch fristgerecht, wenn auch ohne allzu große Hoffnung auf Erfolg macht Otto Nathan deshalb Mitte Oktober 1948 im Namen der Corporation und in Alberts Namen eine Forderung von insgesamt 98.000 SFr gegenüber Milevas Nachlass geltend. 55.000 SFr davon stehen für die Hypothekenbriefe, „welche [Prof. Alb. Einstein] nicht ausgehändigt, sondern von Frau Prof. Einstein-Marity verkauft und deren Erlös zurückbehalten wurde.“ [271]
[271] Otto Nathan an Vormund Meili, 11.10.1948; Vormund Meili an Notariat Zürich-Fluntern, 18.10.1948.[S.69]
[Zürich: CH-Anwalt Robert Meyer für die Corporation - Vormund Meili für den Eduard - Recherche wegen Steuern, Hypothekenbriefen und Psychiatrie auf ewig für Eduard]
Gleichzeitig, da immer deutlicher wird, dass Vormund Meili „keine Zeit zur Aufklärung der Rechtslage zur Verfügung steht“, schaltet die Huttenstraße Realty Corporation den Anwalt Robert Meyer ein. Ihre Fragen betreffen die Steuerbefreiung in der Schweiz, den Verbleib der Hypothekenbriefe und das wichtigste Problem von allen: wird es möglich sein, Eduard auf Lebenszeit in eine Anstalt einzukaufen? [272] Arbeitsteilung wie auch Zusammenarbeit der beiden Juristen Meili und Meyer erweisen sich schnell als fruchtbar.
[272] Vormund Meili an Otto Nathan, 20.10.1948; Otto Nathan an AE, 11.10.1948; AE an den Company-Anwalt Robert Meyer, 15.11.1948; Otto Nathan an Vormund Meili, 22.11.1948; Otto Nathan an den Company-Anwalt Robert Meyer, 31.12.1948.[Mitte Jan. 1949: Mileva fliegt auf: Sie hat 2 Hypothekenbriefe im Dez.1947 verkauft - Einstein hat keine Grundforderungen mehr - die Corporation hat nun die primäre Forderung]
Mitte Januar 1949 liegt mit einem Auszug aus dem Grundbuch der Nachweis dafür vor, dass Mileva die beiden vermissten Hypothekenbriefe noch vor Mitte Dezember 1947 verkauft hat. Fest stehe damit, schreibt Robert Meyer Otto Nathan, „dass Herr Prof. Einstein keinerlei durch Grundpfand gesicherte Forderung mehr hat, sondern lediglich eine Ersatzforderung gegenüber dem Nachlass Frau Einstein, welche aber in keinerlei Weise privilegiert ist.“ [273]
[273] Robert Meyer an Otto Nathan, 14.1.1949.In anderen Worten : Mit dem Verkauf der Hypothekenbriefe – Inhaberschuldbriefe, die denjenigen, der den Schuldbrief besitzt, als Eigentümer der Hypothek ausweisen – hatte Mileva die 55.000 SFr dem Zugriff durch Albert oder die Corporation endgültig entzogen. Deren Anspruch gegenüber Milevas Nachlass ist, juristisch betrachtet, verwirkt oder günstigstenfalls ins Ermessen des Einzelrichters für nichtstreitige Rechtssachen am Bezirksgericht Zürich gestellt. Damit ist eine Situation eingetreten, in der nach Abzug aller bisher bekannten Verbindlichkeiten für Eduards Versorgung womöglich gerade noch 20.000 SFr übrigblieben, die Hälfte der Summe, die Albert an Milevas Nachlass zurückzuzahlen versprochen hat, falls der Anspruch der Corporation auf den Verkaufserlös „tatsachengemäss“ anerkannt wird. Der Beleg für Milevas disputables Vorgehen – selbst Vormund Meili wird in seinem Abschlussbericht von einem widerrechtlichen Verkauf sprechen – eröffnet Anwalt Meyer die Möglichkeit, mittels eines Aussonderungsverfahrens um die Anerkennung der Vorzugsstellung der amerikanischen Forderungen nachzusuchen.
["USA": Das Steueramt fordert die Gewinnsteuer - auch ohne Verkaufsunterlagen - nicht mal ein Inventar ist da (!!!)]
Zu Beginn des Jahres 1949 ist ein Ende der Erbschaftsauseinandersetzungen noch nicht abzusehen. Der amerikanische Fiskus dringt auf Bezahlung der Gewinnsteuer, die, falls keine Verkaufsunterlagen vorgelegt werden können, sich am amtlichen Wert der Liegenschaft – 220.000 SFr oder höher – orientieren wird. Die Aufstellung des Inventars, d.i. die Berechnung des Nachlasswertes durch Vormundschaftsbehörde und Notariat [S.70], lässt auf sich warten. Noch kann Vormund Meili nicht in Verhandlungen mit dem Besitzer des alten Schuldbriefs eintreten, der fast die Hälfte des bei Mileva gefundenen Geldes beansprucht. Da erscheint es tröstlich, dass wenigstens ein weiterer Gläubiger die Anmeldefrist versäumt hat.
[Februar 1949: Eduard soll ans Fürsorgeamt - für 60.000 Franken - statt zum Einstein in die "USA" (?!)]
Im Februar 1949 sind Vormund Meilis Bemühungen, Eduards Versorgung dauerhaft sicherzustellen, an einen kritischen Punkt gelangt. Weder in der kantonalen Heilanstalt Burghölzli, noch im städtischen Altersasyl Pfrundhaus konnte er sein Mündel „einkaufen“. Das städtische Fürsorgeamt allerdings sei bereit, unterrichtet Meili den Vater, „gegen Hinterlegung einer einmaligen Summe die standesgemässe Fürsorge für Ihren Sohn bis an dessen Lebensende zu übernehmen.“ Eine Einigung über die Höhe des einzuzahlenden Betrages hält der Vormund für durchaus möglich [274] .
[274] Vormund Meili an AE, 1.2.1949Alberts Frage nach der ungefähren Höhe dieses Betrages wird Meili erst im Sommer 1949 im persönlichen Gespräch mit Otto Nathan beantworten: Zusätzlich zu den etwa 30.000 SFr, die Eduard aus der mütterlichen Erbmasse erwarten dürfe, brauche er wohl noch einmal dieselbe Summe, insgesamt also 60.000 SFr. [275]
[275] Otto Nathan an AE, 19.8.1949.[Mitte März 1949: Das Inventar von Mileva: 86.248,63 Franken Vermögen - 147.000 Franken Schulden]
Bald nach Mitte März 1949 liegt das Inventar vor. Den Aktiva von 86.248.63 SFr, die sich zusammensetzen aus Milevas Bar-Hinterlassenschaft, von der laufende Unkosten abgezogen wurden, und einer kleinen Summe, die die Räumung der Wohnung erbrachte, stehen Passiva von ca. 147.000 SFr gegenüber, darin enthalten die Forderung, die Otto Nathan im Oktober eingereicht hatte. Das Minus beläuft sich auf mehr als 60.000 SFr. Bleibt diese Situation unverändert bestehen, dann wird Vormund Meili Konkurs anmelden und in Eduards Namen die Erbschaft ausschlagen müssen, Hans Albert wird keine andere Wahl haben und die Gläubiger müssen schließlich um das vorhandene Kapital feilschen. Wieviel dabei auf Albert und die Corporation fiele, die gegenüber den anderen Gläubigern kein Privileg genießen, ist ungewiss. Das Risiko, dass es weit weniger als die Hälfte der geforderten 98.000 SFr sein könnte und für Eduard am Ende kaum 20.000 SFr übrigblieben, will Albert nicht eingehen.
[Dezember 1948: Operation beim Einstein mit Aneurysma - Einstein will verhindern, dass Zureich den Hans Albert wegen Eduard anzapft]
Im Dezember 1948 hatte sich der bald Siebzigjährige einer Operation unterziehen müssen. Jetzt scheint die akute Gefahr gebannt, das Aneurysma in seinem Unterleib ist intakt. Aber er fühlt sich schwach – „die Maschinerie taugt eben nicht mehr viel“ – und [S.71] wichtiger denn je ist es ihm, seine zukünftige Hinterlassenschaft zu ordnen. „Das Einzige, auf was es mir ankommt“, schreibt er seinem älteren Sohn, der sich einmal mehr übervorteilt glaubt, ist „vor meinem Tode klare Verhältnisse zu schaffen und womöglich zu verhindern, dass Tetel dem Staat Zürich zur Last fällt“, zu verhindern also auch, dass der Staat Zürich eines Tages Hans Albert zu Zahlungen heranziehen könnte [276].
[276] AE an Max Born, Januar 1949; AE an Vormund Meili, 24.1.1949, Hans Albert an AE, 21.2.1949, AE an Hans Albert, 2.3.1949.[Princeton: Einstein wird an seinen Forderungen festhalten]
Schon als sich wenige Wochen nach Milevas Tod abzeichnete, dass kaum so viel Geld übrigbleiben würde wie erwartet oder erhofft, hatte Albert Einstein angedeutet, dass er persönlich ebenso wie die Corporation zugunsten der Söhne, vor allem zugunsten von Eduard, auf die Forderungen gegenüber Milevas Nachlass verzichten werde. Solange aber die „moralische Berechtigung“ der Ansprüche Dritter zum Nachteil der Söhne nicht geklärt ist, will er an seinen Forderungen festhalten. Das bekräftigt er noch einmal im Februar 1949 [277].
[277] AE an Vormund Meili, 5.2.1949.[Zureich (Zürich): Vormund Meili verhandelt mit Liegenschaftsmakler Jacques Widmer: Ziel ist, die Forderung von 37 Mille auf 10 Mille zu reduzieren]
Strittig ist vor allem die Forderung über mehr als 37.000 SFr eines Jacques Widmer, den Anwalt Meyer als einen „draufgängerische[n] Liegenschaftsmakler“ beschreibt, der den Verlustschein ohne Zweifel gegen einen geringen Betrag erworben habe, und der „sicher auch keine Mittel scheut, sich auf Kosten von Prof. Einstein und der Corporation zu bereichern.“ [278]
[278] Robert Meyer an Otto Nathan, 28.3.1949.Während Vormund Meili als Vertreter der Erben nun mit Jacques Widmer verhandelt – Anwalt Meyer hält die Minderung von Widmers Forderung auf die Summe von 10.000 SFr für wünschenswert, vielleicht sogar möglich [279] – bemüht sich Albert, seinen misstrauischen älteren Sohn von der Zweck- und Rechtmäßigkeit der väterlichen Vorgehensweise und davon zu überzeugen, dass all die Summen, die er jetzt so beharrlich für sich reklamiert, am Ende den Söhnen zugute kommen sollen: „Ihr (Teddel und Du) würdet jedenfalls das übrige Geld erhalten.“ [280]
[279] Robert Meyer an Otto Nathan, 24.3.1949.
[280] AE an Hans Albert, 2.3.1949, 5.4.1949.[Berkeley: Hans Albert mahnt Einstein an, ihm Geld zur Verwaltung zu überlassen]
1932 hatte der Sohn [[Hans Albert]], voll Neid auf die Schwachen und Kranken, denen gegenüber er sich benachteiligt sah, dem Vater vorgeworfen, er halte ihn „nicht einmal für würdig, wenigstens ein bescheidenes Andenken an Dich nach Deinem Tode zu bekommen“. Gut anderthalb Jahrzehnte später kleidet Hans Albert seinen Unmut in bedachtsamere Worte und besonnen klingende Kompromissvorschläge. Aber sein alter Zorn auf den noch [S.72] immer allmächtigen, den Almosen verteilenden Vater [281] bleibt spürbar:
„Wenn Du […] das ganze Geld in Hände anderer Leute legst, und wenn dieses Geld einmal verloren gehen sollte, so würde ich mich auf jeden Fall später nicht verpflichtet fühlen, Teddy zu helfen. Wenn Du mir aber eine Möglichkeit gibst einen Teil des Geldes selbst zu verwalten, so werde ich natürlich die entsprechende Verantwortung übernehmen.“ [282]
[281] s. R.Ettema/C.Mutel: Hans Albert Einstein, p.219.
[282] Hans Albert an AE, 6.3.1949.
Im April 1949 beantragt Anwalt Meyer unter Vorlage einer detaillierten sechsseitigen eidesstattlichen Erklärung und zahlreicher Auszüge aus der Korrespondenz zwischen Mileva und Vertretern der Corporation bei Vormundschaftsbehörde und Notariat, die Vorzugsstellung oder zumindest die Rechtmäßigkeit der amerikanischen Forderungen an den Nachlass anzuerkennen [283].
[283] Robert Meyer an Vormundschaftsbehörde, 28.3.1949; Otto Nathan an AE, 5.4.1949; Otto Nathan an Robert Meyer, 5.4.1949; Vormundschaftsbehörde an Notariat Zürich-Fluntern, 8.4.1949; Robert Meyer an Notariat Zürich-Fluntern, 11.4.1949; Otto Nathan an Robert Meyer, 12.4.1949; Robert Meyer an Otto Nathan, 14.4.1949.
Mitte September 1949 muss Vormund Meili um einen zweiten Fristaufschub für Annahme bzw. Ausschlagung des Erbes nachsuchen. Denn noch will Albert die Hoffnung nicht aufgeben, dass der Schuldschein-Inhaber seine Forderung „auf einen akzeptabeln Betrag ermässigen wird, sodass die Angelegenheit [...] ohne gerichtliche Intervention noch zu meinen Lebzeiten erledigt werden kann.“ [284]
[284] Vormund Meili an Otto Nathan, 9.9.1949, AE an Vormund Meili, 16.9.1949.[Zureich, Ende September 1949: Jacques Widmer reduziert seine Forderung von 37 Mille auf 15 Mille]
Alberts Beharrungsvermögen trägt Früchte. Ende September erklärt sich Jacques Widmer bereit, gegen Zahlung von 15.000 SFr auf weitere Forderungen zu verzichten.
„Verdankenswerterweise“, wie es in Meilis Abschlussbericht heißt, leisten nun sowohl die Huttenstraße Realty Corporation als auch Prof. Albert Einstein persönlich bedingungslos Verzicht auf ihre Forderungen. Damit verschwindet der PassivenÜberschuss; das bis zu diesem Zeitpunkt noch „herrenlose Gut“ wird zu einem aktiven Nachlass, den die beiden Erben annehmen und vertreten können [285].
[285] „Vereinbarung“ zwischen den Erben und Jacques Widmer, vor dem 20.10.1949; Otto Nathan an AE, 8.10.1949; AE an Vormund Meili, 10.10.1949; s. a. Vormund Meili an AE, 23.9.1949.[Zureich: Weitere Manöver von Anwalt Meyer für die Corporation und von Vormund Meili gegen Gläubiger]
Jetzt liegt für Anwalt Meyer die Voraussetzung vor, eine Reduktion der Steuerschuld zu beantragen. Vormund Meili bemüht sich unterdessen, die übrigen Gläubiger dazu zu bewegen, auch ihre vergleichsweise unbedeutenden Forderungen zugunsten seines Mündels zu mindern. Noch will er nicht ausschließen, dass Hans Albert sich dem [S.73] Wunsch seines Vaters beugt und dass die „durch Verzichtserklärung von Herrn Prof. [Albert] Einstein frei werdenden Beträge durch einen Verzicht von Herrn Dr. [Hans] Albert Einstein ausschliesslich an Eduard Einstein übergehen könnten.“ [286]
[286] Vormund Meili an Otto Nathan, 23.9.1949.[Berkeley bei San Francisco: Hans Albert Einstein meint, der Eduard hat schon genug bekommen - Einstein erhöht in seinem Testament die Summe für Eduard]
Albert hält seinen älteren Sohn für weniger kulant. Im Frühjahr hatte Hans Albert dem Vater wortreich dargelegt, weshalb er nicht gedenke, zugunsten seines Bruders auf einen Teil seiner Erbschaft zu verzichten. Albert hatte daraus die Konsequenz gezogen, die für Eduard in seinem eigenen Testament bereitgestellte Summe zu erhöhen. Im Oktober 1949 – die neue Fassung des Testaments ist in Bearbeitung – beträgt diese Summe 10.000 $ [[zu dieser Zeit 42.000 Franken]], ein knappes Drittel mehr, als Vormund Meili im August veranschlagt hatte. Diesen Betrag wäre Albert bereit, auch schon vorher jederzeit abzugeben, falls er, zusammen mit dem mütterlichen Erbteil, dazu verwendet werden könnte, Eduards Unterhalt „für den Rest seines Lebens ohne finanzielle Staatshilfe zu bestreiten.“ [287]
[287] Briefentwurf AE an Vormund Meili, o.D. Oktober 1949; s.a. AE an Otto Nathan, o.D. Ende Oktober 1949.
[20.3.1950: Vormund Meili legt die Liquidations- und Teilungsrechnung vor]
Wenige Tage vor dem Ende des Jahres 1949 haben schließlich alle mit der Erbschaftsangelegenheit befassten Dienststellen die notwendigen Ermächtigungen erteilt und man sei, schreibt Vormund Meili, an den Punkt gelangt, an dem das Geld in Empfang genommen werden könne [288]. Es dauert zwei weitere Monate geschickten und geduldigen Verhandelns mit den übrigen Gläubigern – der Steuerbehörde, Milevas Arzt, einem Anwalt – und mit dem Erben Hans Albert Einstein, bevor Vormund Meili am 20.März 1950 seine Liquidations- und Teilungsrechnung vorlegen kann [289].
[288] Vormund Meili an Otto Nathan, 27.12.1949.
[289] Otto Nathan an Vormund Meili, 31.12.1949; Robert Meyer an Otto Nathan, 26.1.1950, 27.2.1950; Otto Nathan an Robert Meyer, 21.2.1950; Hans Albert Einstein an AE, 2.1.1950.
10. Mit der Aufteilung des Geldes aus Milevas Nachlass gehen 1950 die letzten Reste der Nobelpreissumme in die Hände seiner Kinder über, so wie Albert das 1918 vorgesehen hatte
[Eduard landet in einer "Familienpflege"]
Ob das Städtische Fürsorgeamt unter den gegebenen Umständen schließlich doch keine Bereitschaft zeigte, Eduards „standesgemässe“ Versorgung bis an sein Lebensende gegen Hinterlegung einer von Vormund Meili angebotenen Summe zu gewährleisten, darüber geben die vorhandenen Unterlagen keine Auskunft. Vielleicht hat auch Meili sich nicht [S.74] weiter darum bemüht, nachdem Eduard bald schon aus dem Burghölzli in Familienpflege entlassen werden konnte und nicht ausgeschlossen schien, dass er in der Zukunft, etwa als Gärtnergehilfe, einen Teil seines Unterhalts außerhalb einer Pflegeeinrichtung würde selbst verdienen können.
[Hans Albert muss in den Teilungsplan einwilligen]
Belegt findet sich in den Akten aber, dass Hans Albert – wenn auch wohl zähneknirschend und im letzten Moment – in eine Teilung des Nachlasses einwilligte, die seinem Bruder einen ein wenig größeren Betrag zukommen ließ.
[Professor Hans Albert in Berkeley - mit 30.000 Stutz von Mileva und Geldgeschenken von Vater Einstein]
[30.000 Schweizer Franken sind im Jahre 1949 nur gerade mal ca. 7000 Dollar].
Hans Alberts Einkommen als Professor für Wasserbau (Hydraulic Engineering) an der Universität Berkeley und als weltweit gefragter Consultant im Bereich der Flussregulierung ernährte seine Familie. Die 30.000 SFr, die er 1950 aus Milevas Nachlass entgegennahm, waren ein willkommener Zustupf ebenso wie die drei-, gelegentlich auch vierstelligen Summen, die Albert weiterhin von Zeit zu Zeit für Ausbildung und Ferienreisen seiner Enkelkinder beisteuerte.
[Eduard darf von Zinsen und Einstein-Geldgeschenken leben]
Die 40.000 SFr, die Eduard zufielen, warfen, durch die Vormundschaftsbehörde schon vor Milevas Tod mündelsicher in Schweizerischen Obligationen angelegt, etwa 60–80 SFr Zinsen pro Monat ab. Zusammen mit den 350 SFr, die der Vater bis an sein Lebensende allmonatlich überwies, reichte dies knapp, um Eduards Unterhalt sicherzustellen. Nur kleinere Beträge mussten dem Kapital gelegentlich entnommen werden. Als Albert Einstein 1955 starb, standen auf Eduards Konto noch fast 39.000 SFr aus Milevas Nachlass. Wäre es verfehlt, diese Summe als einen Rest des Nobelpreisgelds zu betrachten?
[1955: Tod von Einstein - Vormund Meili bekommt das Erbe für Eduard: 15.000 Dollar=damals 64.256,25 Franken]
Mit dem Tod des Vaters endeten die Überweisungen aus Princeton und Eduard erhielt die testamentarisch für ihn bestimmte Summe von 15.000 $: 64.256,25 SFr. Mit den insgesamt gut 100.000 SFr musste Vormund Meili nun haushalten; bedeutendere zusätzliche Einnahmen waren nicht mehr zu erwarten [290].
[290] In seinen letzten Jahren erhielt Eduard eine winzige zweistellige Invalidenrente; kleinere Summen für besondere Bedürfnisse sandte Margot Einstein ein- oder zweimal im Jahr
[1965: Tod von Eduard Einstein mit rund 67.000 Stutz Vermögen - Hans Albert in Berkeley ist Alleinerbe]
Hans Alberts Befürchtung, er werde eines Tages für den Unterhalt seines verarmten Bruders aufkommen müssen, bewahrheitete sich nicht. Im Gegenteil: bei seinem Tod im Herbst 1965 hinterließ Eduard rund 67.000 SFr. Alleinerbe war sein Bruder. Nach Abzug der Erbschaftssteuer und der Kosten für Begräbnis und Grabstein fiel Hans Albert eine [S.75] Summe zu, die ihn großzügig für den Betrag entschädigte, den er nach dem Tod der Mutter an den bedürftigeren Bruder abgetreten hatte.
Allerletzte Reste des Nobelpreisgeldes, das Albert ein halbes Jahrhundert zuvor für seine Söhne reserviert wissen wollte, mögen darin noch enthalten gewesen sein [S.76].
[Hans Albert Einstein starb 1973 durch Schlaganfall - web02].
11. Zu den Fußnoten
Wiederholt verwendete Namen sind hier durch ein Kürzel wiedergegeben:
Albert Einstein: AE
Mileva Einstein-Maric: ME
Hans Albert Einstein: Hans Albert
Eduard Einstein (Tete, Teddy): Eduard
Otto Nathan: Otto Nathan
Heinrich Zangger: HZ
Georg Guggenheim: Guggenheim
Huttenstraße Realty Corporation: Corporation HuttRC
[[Dr. jur Heinrich Meili, Vormund von Eduard und Mileva Einstein: Vormund Meili]]
12. Quellen
Nahezu alle Dokumente, die dieser Arbeit zugrunde liegen und aus denen zitiert wird, sind in den folgenden Archiven allgemein zugänglich:
-- Albert Einstein Archives, Hebrew University of Jerusalem
-- Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Nachlass Heinrich Zangger
-- Stadtarchiv Zürich, Akten der Vormundschaftsbehörde über Mileva Einstein-Maric;
-- Akten der Vormundschaftsbehörde über Eduard Einstein
-- University of Iowa’s College of Engineering, IIHR Hans Albert Einstein Papers
-- Viele Einzeldokumente liegen, als Photokopie, Durchschrift, Abschrift, in mehr als einem dieser Archive. Darüber hinaus sind teils vollständige Dokumente, teils Auszüge publiziert worden in:
-- The Collected Papers of Albert Einstein, Princeton University Press, 1987ff; vols. 5, 8, 9, 13, 14, 15 (bis einschl. Mai 1927); online: https://einsteinpapers.press.princeton.edu/
-- R. Schulmann (Hrsg.): Seelenverwandtschaft. Der Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Heinrich Zangger. Zürich 2012
-- R Ettema, C. Mutel: Hans Albert Einstein. His Life as a Pioneering Engineer. Reston, VA 2014
Ich habe deshalb auf die Angabe von Archivsignaturen in den Fußnoten verzichtet.
Dokumente, die im Albert Einstein-Archiv liegen, und die die weit überwiegende Mehrheit der von mir benutzten Quellen darstellen, können im online-Katalog
http://www.alberteinstein.info/database.html identifiziert werden [S.77].
[S.78]
Max Planck Institute for the History of Science: Preprints since 2014 (a full list can be found at our website)
454 Klaus Geus and Mark Geller (eds.) Esoteric Knowledge in Antiquity (TOPOI - Dahlem Seminar for the History of Ancient Sciences Vol. II)
455 Carola Sachse Grundlagenforschung. Zur Historisierung eines wissenschaftspolitischen Ordnungsprinzips am Beispiel der Max-Planck-Gesellschaft (1945–1970)
456 David E. Rowe and Robert Schulmann General Relativity in the Context of Weimar Culture
457 F. Jamil Ragep From Tūn to Turun: The Twists and Turns of the Ṭūsī-Couple
458 Pietro Daniel Omodeo Efemeridi e critica all’astrologia tra filosofia naturale ed etica: La contesa tra Benedetti e Altavilla nel tardo Rinascimento torinese
459 Simone Mammola Il problema della grandezza della terra e dell’acqua negli scritti di Alessandro Piccolomini, Antonio Berga e G. B. Benedetti e la progressiva dissoluzione della cosmologia delle sfere elementari nel secondo ’500
460 Stefano Bordoni Unexpected Convergence between Science and Philosophy: A debate on determinism in France around 1880
461 Angelo Baracca Subalternity vs. Hegemony – Cuba’s Unique Way of Overcoming Subalternity through the Development of Science
462 Eric Hounshell & Daniel Midena “Historicizing Big Data” Conference, MPIWG, October 31 – November 2, 2013 (Report)
463 Dieter Suisky Emilie Du Châtelet und Leonhard Euler über die Rolle von Hypothesen. Zur nach-Newtonschen Entwicklung der Methodologie
464 Irina Tupikova Ptolemy’s Circumference of the Earth (TOPOI - Towards a Historical Epistemology of Space)
465 Irina Tupikova, Matthias Schemmel, Klaus Geus Travelling along the Silk Road: A new interpretation of Ptolemy’s coordinates
466 Fernando Vidal and Nélia Dias The Endangerment Sensibility
467 Carl H. Meyer & Günter Schwarz The Theory of Nuclear Explosives That Heisenberg Did not Present to the German Military
468 William G. Boltz and Matthias Schemmel Theoretical Reflections on Elementary Actions and Instrumental Practices: The Example of the Mohist Canon (TOPOI - Towards a Historical Epistemology of Space)
469 Dominic Olariu The Misfortune of Philippus de Lignamine’s Herbal or New Research Perspectives in Herbal Illustrations From an Iconological Point of View
470 Fidel Castro Díaz-Balart On the Development of Nuclear Physics in Cuba
471 Manfred D. Laubichler and Jürgen Renn Extended Evolution
472 John R. R. Christie Chemistry through the ‘Two Revolutions’: Chemical Glasgow and its Chemical Entrepreneurs, 1760-1860
473 Christoph Lehner, Helge Wendt Mechanik in der Querelle des Anciens et des Modernes
474 N. Bulatovic, B. Saquet, M. Schlender, D. Wintergrün, F. Sander Digital Scrapbook – can we enable interlinked and recursive knowledge equilibrium?
475 Dirk Wintergrün, Jürgen Renn, Roberto Lalli, Manfred Laubichler, Matteo Valleriani Netzwerke als Wissensspeicher
476 Wolfgang Lefèvre „Das Ende der Naturgeschichte“ neu verhandelt
477 Martin Fechner Kommunikation von Wissenschaft in der Neuzeit: Vom Labor in die Öffentlichkeit
478 Alexander Blum, Jürgen Renn, Matthias Schemmel Experience and Representation in Modern Physics: The
Reshaping of Space (TOPOI - Towards a Historical Epistemology of Space)
479 Carola Sachse Die Max-Planck-Gesellschaft und die Pugwash Conferences on Science and World Affairs
(1955–1984)
480 Yvonne Fourès-Bruhat Existence theorem for certain systems of nonlinear partial differential equations
481 Thomas Morel, Giuditta Parolini, Cesare Pastorino (eds.) The Making of Useful Knowledge [S.79]
482 Wolfgang Gebhardt Erich Kretschmann. The Life of a Theoretical Physicist in Difficult Times
483 Elena Serrano Spreading the Revolution: Guyton’s Fumigating Machine in Spain. Politics, Technology, and Material Culture (1796–1808)
484 Jenny Bangham, Judith Kaplan (eds.) Invisibility and Labour in the Human Sciences
485 Dieter Hoffman, Ingo Peschel (eds.) Man möchte ja zu seinem Fach etwas beitragen
486 Elisabeth Hsu, Chee Han Lim Enskilment into the Environment: the Yijin jing Worlds of Jin and Qi
487 Jens Høyrup Archimedes: Knowledge and Lore from Latin Antiquity to the Outgoing European Renaissance
488 Jens Høyrup Otto Neugebauer and the Exploration of Ancient Near Eastern Mathematics
489 Matteo Valleriani, Yifat-Sara Pearl, Liron Ben Arzi (eds.) Images Don’t Lie(?)
490 Frank W. Stahnisch (ed.) Émigré Psychiatrists, Psychologists, and Cognitive Scientists in North America since the Second World War
491 María Sánchez Colina, Angelo Baracca, Carlos Cabal Mirabal, Arbelio Pentón Madrigal, Jürgen Renn, Helge Wendt (eds.) Historia de la física en Cuba (siglo XX)
492 Matthias Schemmel Everyday Language and Technical Terminology: Reflective Abstractions in the Long-term History of Spatial Terms
493 Barbara Wolff „Derartige kolossale Opfer ...“ Der Nobelpreis für Physik für das Jahr 1921 – was geschah mit dem Preisgeld? [S.80]
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Personen
Stachel: boss of "Physics Today"
AAAS: American Association for the Advancement of Science
WCRI: Walker Cancer Research Institute
Freundeskreis von Einsteins "Academia Olympia"
-- die Brüder Habicht, Maurice Solovine, Angelo Besso und seiner Frau)
-- Ehrenfest (Briefpartner)
-- Max Born, Gesprächspartner
Freundinnen von Mileva
-- Helene Kaufler-Savic, Helene Kaufler, Zureich
-- Bogdanovich, eine Mathematikerin im Bildungsministerium in Belgrad, die mit Mileva Einstein-Maric gut vertraut war
-- Dr. Ada Broch, Freundin der Einstein-Familie in Zureich
Beispiele anderer unterdrückter Frauen
-- Dr. jur. Emilie Kempin-Spyri, first woman lawyer in Switzerland being blocked by arrogant men
-- Lise Meitner darf "mitarbeiten", wird dann aber unterschlagen
-- Eda Nodacks hat die Idee 1934 - und Hahn+Strassmann erhalten den Nobelpreis
Professoren
-- 1895-1900: ETH-Professor Jean Pernet: Einstein hat keine Kenntnisse der Physik
-- 1900-1902: ETH-Professor Weber lehnt eine Stelle als Assistent für Einstein ab, erster Doktorvater von Einstein, Abbruch
-- Professor Kleiner, zweiter Doktorvater von Einstein, Abbruch
-- Professor Zangger, suchte 1915 eine Anstellung für Einstein an der Uni Zureich
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Quellen
[web01] https://snbchf.com/chf/chf-history/gold-standard-bretton-woods/
[web02] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Albert_Einstein
Fotoquellen
[1] Börsenkurse des Dow Jones von 1925 bis 1955: http://livingstingy.blogspot.com/2012/07/are-rates-of-return-really-down-no.html
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