aus: Hans-Jürgen
Eitner: Hitlers Deutsche. Das Ende eines Tabus.
Casimir Katz Verlag, Gemsbach 1991
3. Die Umsetzung der
Hitler-Diktatur in Deutschland 1934 bis August 1939
1934
Einführung der
Reichsberufswettkämpfe (RBWK)
durch das
DAF-Jugendamt und der Reichsjugendführung, 500.000
jugendliche TeilnehmerInnen im ersten Jahr, ist eine von
Jahr zu Jahr wachsende Veranstaltung. Voraussetzung ist
"arische" Abstammung (S.339).
Anreize für die Jugendlichen
-- Verkürzung von Lehrzeiten
-- Gratifikationen
-- Sonderurlaube
-- Schulung von Kampf und Betriebsamkeit (S.339).
Vordergründiges Ziel:
-- individueller Anreiz zu Aufstieg und beruflicher
Qualifikation
-- Belohnungen, Empfänge der Sieger durch Hitler (S.339).
-- Auswertungen der RBWK und Überwachung von Berufsschulen
und Lehrbetrieben
-- Betriebsführer wird die Ausbildungsbefugnis z.T.
entzogen, 1934 z.B. 110 Betriebsführern (S.339)
Militärisches Ziel:
-- planmässige Auslese einer Elite schaffen
-- Lenkung des Arbeitskräftepotentials
-- massenweise NS-Ausrichtung
-- Prüfen der Weltanschauung und der politischen Leistung
(S.339)
Förderung der Sieger der RBWK
durch das Begabtenförderungswerk, das den RBWK angeschlossen
ist, Förderung bis hin zum Vollstudium. Viele
RBWK-Siegerkommen aus bescheidenen sozialen Verhältnissen
(S.340).
Gründung der Gesellschaft für Konsumforschung unter
Ludwig Erhard
(S.254)
- in Nürnberg durch das Institut für Wirtschaftsbeobachtung
(S.253)
- Erhard verweigert konstant einen NSDAP- oder DAF-Beitritt
(S.254)
Rate unehelicher Kinder: noch 8,5 %
1925 noch 12 % (S.225).
Das Radio wird unpfändbar - Hörverbote
-- z.T. erfolgt sogar ein Gebührenerlass für ärmere
Familien, so dass die Stimmungsmanipulation der Partei auch
in ärmeren Familien wirken kann (S.301)
-- Hörverbote für gewisse Sender (S.301), als erstes Verbot
der deutschsprachigen Sender von Radio Moskau (S.301-302)
-- Bestrafung beim Erwischtwerden: als "Vorbereitung zum
Hochverrat" (S.302).
1934
Devisenbeschaffung durch
Raub an der Bevölkerung: Familiengold
-- Zwangsablieferung aller privaten Goldbestände an die
Reichsbank
-- Zwangsablieferung aller Auslandgelder an die Reichsbank
(S.239).
[nicht erwähnt: Dadurch meint jeder Bürger des 3.Reichs
indirekt, er habe ins Reich investiert, und dadurch kommt
eine zwangsweise Gutgläubigkeit zustande, weil niemand an
eine Fehlinvestition glauben will. Die geistige Dressur der
gesamten Bevölkerung ist offensichtlich].
Widerstand: Berufsverbot für Karikaturist Erich Ohser mit
Bildergeschichten- Intervention einflussreicher Kollegen
und Pseudonym
- Pseudonym "e.o.plauen"
- Bildergeschichten in der Berliner Illustrierten Zeitung ,
1934-1937 Bildergeschichten "Vater und Sohn": unheldische
Figuren, Gegenbilder des NS-Stils, bringt Millionen zum
Schmunzeln (S.476)
1934 ca.?
Völliges Aufheben der
Arbeitnehmerrechte
-- Recht auf Freizügigkeit
-- Wahl des Arbeitsplatzes
-- Wahl des Berufs (S.275).
28.2.1934
Hitlers Ankündigung der
"Blitzkriege" vor der Generalität in Berlin
-- Planung von Angriffskriegen mit (S.131) "kurzen und
entscheidenden Schlägen", also "Blitzkriege"
-- Hitler will eine kurzfristige Breitenrüstung mit hohem
Standard, keine langfristige Ausweitung und Modernisierung,
kein Anlegen von Rohstoffvorräten
-- geplante Kriegstaktik: durch kurze Kraftüberspannung eine
Anfangs-Überlegenheit erringen
-- durch Expansion (Landgewinne, Länderbesetzungen) am
Anfang die fehlende Rüstungstiefe ausgleichen und so das
Rüstungspotential der Gegner aufholen (S.132)
[nicht erwähnt: Die Blitzkriege sind bereits in Mein Kampf
im 2. Band angekündigt: zuerst die Besetzung Frankreichs,
dann der "Germanenzug" gegen Russland].
7.3.1934
Hitler fordert das
autobahnfeste Volksauto mit den Daten 100/1000/1000
Rede Hitlers zur Eröffnung der internationalen
Automobilausstellung: Hitler fordert ein Volksauto
-- für 2 Erwachsene und 3 Kinder
-- soll 100 km/h fahren
-- soll 6,5 l Benzin auf 100 km verbrauchen
-- soll luftgekühlten Motor haben, gegen winterliches
Einfrieren
-- der Preis soll unter 1000 RM sein (S.317)
[-- und das Auto soll nicht mehr als 1000 kg wiegen, für die
damalige Zeit eine Leichtbauweise].
->> Begeisterung der Arbeiterschaft mit Aussicht
auf ein Auto
Ab 1934 weiss die ganze Arbeiterschaft im Reich, dass Hitler
ihnen auch noch ein Auto geben wird, ein unvorstellbarer
Traum (S.317).
[Dafür nimmt das dumme, naive deutsche Volk alle Beschwerden
in Kauf, die ihnen Hitler stellt].
24.3.1934
Zusammenschluss der NS-Wohlfahrt (NSV) mit Innerer
Mission, Caritas und Deutschem Rotem Kreuz zur "Freien
Wohlfahrtspflege"
(S.322).
29.3./4.12.1934
Gesetz zur Beschränkung
der Ausschüttung der Dividenden
Beschränkung auf 6 bzw. 8 %
Folgen:
-- Rückgang des Volkseinkommens aus Kapitalvermögen
-- der Anstieg der Gewinne der Unternehmen wird verschleiert
(S.231)
-- die Schulden der Unternehmen können schneller abbezahlt
werden
-- Entstehen absoluter Liquidität, Selbstfinanzierung von
Investitionen (S.232).
Nachteil:
-- die grossen Kapitalgesellschaften werden privilegiert
-- es kommt 1932/33 bis 1935/36 zu einer Verfünffachung der
steuerbaren Gewinne (S.232).
April 1934
Der Höchststand an Kraftfahrrädern von 1928 ist erreicht
(S.211)
1.4.1934
Gründung des
NS-Wohlfahrts-Hilfswerks "Mutter und Kind"
mit
Wohnhilfe, Arbeitsplatzhilfe, Fürsorge für werdende Mütter,
Ernährungsbeihilfen für Bedürftige, Müttererholungsfürsorge,
Kinderlandverschickung, Erziehungsberatung, Haushalthilfen
(S.322).
Ziel: erbgesunde, kinderreiche Familien
Grundsatz: im Mittelpunkt steht der wert des
Hilfsbedürftigen für das Volk, Vorsorge statt Fürsorge,
Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit (S.322).
-- Finanzbasis: Mitgliederbeiträge, Sammlungen, Spenden
(S.322)
-- erbbiologische und rassenhygienische Orientierung des NSV
-- Erstreben der "Ertüchtigung des durch äussere
Verhältnisse gehemmten Erbmaterials"
-- "minderwertige Individuen" erhalten nur eine
Mindestfürsorge, werden falls notwendig auf strafrechtlicher
Grundlage aus dem Volksleben ausgeschieden
-- Ausschluss aus dem NSV für "Asoziale": Trinker,
Homosexuelle, Dirnen, Arbeitsscheue
-- Ausschluss aus dem NSV für Erbkranke
-- Ausschluss aus dem NSV für Angehörige "minderwertiger"
Rassen (S.323)
-- für die Ausgeschlossenen stehen kirchliche oder sonstige
private Institutionen zur Verfügung
-- insgesamt arbeitet der NSV für NS-Ziele und nicht für
humanitäre Ziele (S.323).
18.4.1934
Fernsehen: erste Übertragung in Deutschland mit
Kommentar-Ton
Umsetzen der Tonschwingungen in Lichtimpulsen auf demselben
Bildstreifen, Entstehen des Tonfilms (S.302).
24.4.1934
Gründung des
"Volksgerichtshofs" VGH: Hitler ernennt Richter selbst
als oberste Instanz in politischen Strafsachen, Ablösen vom
Reichsgericht. Hitler verletzt damit das
Gerichtsverfassungsgesetz, denn Hitler ernennt die
VGH-Mitglieder selber:
577 Richter und Reichsanwälte
davon:
106 Berufsrichter
299 Beisitzer/Schöffen aus NSDAP, Polizei, Wehrmacht
179 Staatsanwälte (S.180).
Richtlinie für das Strafmass: die Gesinnung entscheidet
Nicht die Tat ist in erster Linie strafwürdig, sondern die
Gesinnung des Täters. Also können NSDAP-Mitglieder oder
SA-/SS-Leute Straftaten oft straffrei begehen (S.180).
Killerjustiz des VGH
Fällen von 5243 Todesurteilen bei 16.324 Angeklagten
(S.180).
Ehrgeizige junge Juristen fällen harte Urteile
-- die härtesten Urteile werden immer wieder von
karrieresüchtigen Jung-Juristen der unteren Instanzen
gefällt, die im Privatleben auf "gute Manieren" achten
-- zu milden Urteilen wird vorgeworfen, dass die Justiz
jeweils versagt habe
-- die Justiz ist einem Druck von aussen ausgesetzt und
passt sich an, ist Kapitulation und Komplizenschaft
-- die Justiz lässt sich zur Komplizenschaft mit Hitler
herab (mit wenigen rühmlichen Ausnahmen)
-- in manchen Fällen bringt ein schärferes Urteil eine
mildere Strafe, z.B.: Bewahren vor Schutzhaft und KZ
-- die Kirche gibt sich machtlos
-- tapfere Menschen in der Justiz- und Ministerialbürokratie
versuchen oft, "das Schlimmste" abzuwenden (S.184)
-- viele Juristen widerstreben Hitler zuerst, "kippen" dann
aber um und verfallen in völlig übertriebene Härte (S.186).
15.5.1934
Siedlungsgesetz:
Zugangssperre für bestimmte Städte
für die Hochburgen
von SPD und KPD: Berlin, Hamburg, Bremen, Saargebiet
(S.271).
Mitte Juni 1934 ca.
Huldigung Hitlers durch W. Adorno
(S.101)
17.6.1934
Papen kritisiert die Hitler-Herrschaft scharf
- wegen Gewalt und Radikalismus (S.71).
22.6.1934
Porsche:
Konstruktionsvertrag für den "Volkswagen"
-- zwischen
dem Stuttgarter Porsche-Team von 40 Ingenieuren und dem
Hitler-Regime
-- Konstrukteur: der sudetendeutsche Ingenieur Ferdinand
Porsche (1875-1951)
-- Ziel: einfaches, leichtes, zuverlässiges Fahrzeug
(S.317).
[Jeder deutscher Arbeiter soll einen kleinen "Porsche"
bekommen, der spätere "Volkswagen" VW].
30.6.1934
Mordaktionen Hitlers an
der SA
-- dreitägige
Hitler-Mordaktion, zum Erhalt von "Ordnung und Moral",
offiziell als SA-Revolte begründet (S.181)
-- Morde an der SA-Führung ohne Verfahren, ohne
Schuldnachweis, ohne Gericht
-- Reichswehrführung und Reichspräsident stellen sich unter
Bruch jeder Rechtsstaatlichkeit hinter die Morde (S.148)
-- die Mordaktion findet in der Bevölkerung fast einhellige
Zustimmung mit dem Argument der "Ruhe und Ordnung" (S.147),
Verfahren für "Unfähige" seien nicht stark zu gewichten, und
die SA hat sich zu viel Korruption geleistet, ist im Volk
verhasst, die Morde wirken befreiend auf das Volk, steigen
die Popularität Hitlers noch
-- das Volk meint, der SA-Terror höre dann auf und hat
zugestimmt, dass Terror mit Terror vergolten wird, stimmt
damit dem NS-Terror zu (S.148)
-- die Frankfurter Zeitung: "Das Volk von der Herrschaft
Minderwertiger zu befreien ist ein Preis, der einen hohen
Einsatz wert ist" (S.147).
1.7.1934
Ablenkung von der Mordaktion Hitlers an der SA durch
Fussballmeisterschaft
durch das Endspiel (S.148).
3.7.1934
Gesetz zur "Staatsnotwehr"
--
Legalisieren der Mordaktion vom 30.6.1934 an der SA
-- Morden aufgrund der politischen Systemerhaltung ist
erlaubt
-- Reaktion der bürgerlichen Minister: Sie geben der
Mord-Praxis schliesslich nach
-- Reaktion der Bevölkerung: Die Mehrheit fühlt sich nicht
selbst bedroht und lebt mit der Einstellung, die guten
Kräfte hätten immer über die bösen Kräfte gesiegt (S.181).
13.7.1934
Hitler bezeichnet sich als oberster Gerichtsherr
aber: Hitler gibt auch den Befehl zum Erschiessen (S.148).
15.7.1934
Verbot des Transfers von
Zinsen und Tilgungsraten aus mittel- und langfristigen
Auslandverpflichtungen
(S.239)
[-- damit sind alle ausländischen Investitionen in
Deutschland blockiert und auf Zeit beschlagnahmt
-- Hitler erpresst damit die ausländischen Regierungen um
ihren Besitz im 3.Reich und macht das Ausland damit auf die
Dauer gefügig und zwingt den Auslandinvestoren sein
politisches Programm auf, wenn sie ihr Geld je wiedersehen
wollen...].
ab 20.7.1934
Die SS wird Hitler direkt
unterstellt
-- die SS
unterwandert zielstrebig Partei und Staat
-- die SS bildet für Hitler die revolutionäre Elite
gegenüber der Mammut-NSDAP und somit quasi eine
2. Partei im Hitler-Imperium
-- die SS ist de facto ein Staat im Staate
-- von 5250 SS-Führern kommen 52,6 % aus dem Mittelstand,
40,0 % aus dem oberen Mittelstand, nur 7,4 % aus der
Arbeiterschaft
-- 30,1 % der SS-Führer haben ein abgeschlossenes
Hochschulstudium, davon 30 % Juristen (S.359).
Der Charakter der SS
-- militant und technokratisch
-- die SS hat einen eigenen Kurs der NS-konformen,
politischen Subkultur (S.359)
-- SS-Angehörige wollen sich einen eigenen Lebensstil
zulegen, wollen eine eigene Charakterhaltung einnehmen
-- Betonung des Unterschieds zur Umwelt und auch zur NSDAP:
Die SS ist der Ausdruck der ehemaligen Freicorps-Mentalität
des Kampfes gegen den Rest Europas nach Versailles, daraus
heraus entwickelt sich ein "heroischer Realismus" durch
Gestapo-Justitiar Werner Best (geb. 1903):
"Der Kampf ist das Notwendige, Ewige; die Kampfziele sind
zeitbedingt und wechseln. Deshalb kann es auch auf den
Erfolg des Kampfes nicht ankommen ... So bleibt das Mass der
Sittlichkeit nicht ein Inhalt, nicht ein Was, sondern das
Wie, die Form." (S.366)
-- blinde Ergebenheit nach dem Motto: "Meine Ehre heisst
Treue!"
-- unbedingter Gehorsam mit jedem Opfer an Stolz und
äusseren Ehren
-- Leistungsehrgeiz mit dem (S.366) Streben, jede Aufgabe
perfekt zu erfüllen ohne Frage nach Mitteln und Sinn
-- Härte ohne jede "Humanitätsduselei" (S.367),
"Knochenmühle", härtester Drill, Trimmen der SS-Rekruten auf
Höchstleistung, ist zweckfreie Kriegerethik, ist die
Vergötzung der [kriegerischen] Leistung um der Leistung
Willen, fasziniert auch Nicht-NSDAP-Mitglieder (S.367).
Zweck der SS
-- die SS soll die Kader bereithalten, um nach dem
"Endsieg" die neue Gesellschaft zu führen (S.359).
Wachstum der SS
-- viele intelligente und tatkräftige Männer
drängen in die SS, auch solche des preussischen Adels
-- Auslese nach Kriterien: gute Körpereigenschaften,
überdurchschnittliche Intelligenz, Dienstbereitschaft,
Unbestechlichkeit (S.364)
-- z.B. ist auch der Neffe der niederländischen Königin in
der SS:
Josias Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont
(1896-1967), ab 1939 höherer SS- und Polizeiführer im
Wehrkreis IX in Weimar (S.365)
-- Anwachsen der SS von 52.000 Mann mit 800 Führern (1934)
auf 240.000 Mann mit 14.000 Führern im Jahr 1939
-- die SS-Führerschicht sind Söhne des mittleren Bürgertums
mit voller akademischer, meist juristischer Ausbildung:
klug, ideologisch neutral, illusionslos, machthungrig,
seelisch entwurzelt, normenlos, Ablehnen "altmodischer"
Dinge wie Humanität und Gerechtigkeit
-- Jung-Wirtschaftswissenschaftler mit Karrierehunger gehen
in die Stäbe der SS-Unternehmen (S.365), sind nicht
interessiert an Weltanschauung von Rassendynamik,
Parteilegende und Führerkult, sondern suchen nur die
schnelle Karriere (S.366).
30.7.1934
Hjalmar Schacht wird
Reichswirtschaftsminister
(S.213), gilt als Bürge stetiger wirtschaftlicher und
bürgerlicher Freiheiten im 3.Reich
-- auch Schacht täuscht sich in Hitler, überschätzt seine
eigenen Einflussmöglichkeiten
-- ist kein Nationalsozialist
-- redet 1935 gegen Antisemitismus
-- hilft mit, Deutschland eine Verteidigungsarmee aufzubauen
-- hilft, die Staatsverschuldung in Grenzen zu halten und
somit auch die Rüstung nicht zu sehr aufkommen zu lassen
-- wird zum Gegenpol zu Göring, dann auch zu Hitler (S.213).
August 1934
August 1934 ca.
Zwangsmassnahmen zugunsten des Schuldenabbaus bringen
nichts
-- die Gold- und Devisenbestände der Reichsbank sind 1934
praktisch erschöpft
-- keine Devisen mehr: Der Rohstoffimport droht zu erliegen
(S.239).
1.8.1934
Hitler wird Rechtssprecher
gemäss Staatsrechtler
Carl Schmitt im Artikel "Der
Führer schützt das Recht":
-- Hitler kann "Kraft seines Führertums als oberster
Gerichtsherr unmittelbar Recht schaffen"
-- Carl Schmitt erhebt somit die Willkür von Hitler zum
Gesetz (S.169).
Hitler findet weitere Staatsrechtler, die den Führerstaat
verherrlichen:
Julius Binder (1870-1939)
Ernst Rudolf Huber (1903-1975)
Otto Koellreutter (1883-1972)
Werner Weber (1904-1976)
Ernst Forsthoff (1902-1974)
-- mit Absage an die Gewaltentrennung
-- mit Meinungsmache für das Volk: Wenn sogar die
Professoren für den Führerstaat seien, müsse er ja gut und
richtig sein (S.170).
These Reinhard Höhn: "Volksziele"
Höhn will den Einzelnen und den Staat als
juristische Person abschaffen, denn der Staat sei nicht
Selbstzweck, sondern nur ein Mittel für die Erreichung der
Volksziele, und die setze der Führer (S.170).
2.8.1934
Tod Hindenburgs - Hitler
soll gleichzeitig Kanzler und Reichspräsident sein
dürfen
Viele
Deutsche packt nun die Furcht, denn der letzte traditionelle
Halt ist dem Staat genommen, und die Gewalt Hitlers ist
willkürlich (S.391).
Hitler vereinigt die Ämter des Reichspräsidenten und des
Reichskanzlers
Somit gibt es auch formell keine Instanz mehr, der Hitler de
jure Rechenschaft ablegen muss (S.167).
Hitler-Eid in der
Reichswehr
Die Reichswehr beschliesst am selben Tag (2.8.1934), dass
alle Soldaten auf Hitler persönlich vereidigt werden
(S.168).
10.8.1934
Verordnung zur Einschränkung des Arbeitsplatzwechsels
-- ein Arbeitsplatzwechsel ist nur noch mit
Behördengenehmigung möglich
-- sonst ist Ausfall bei Arbeitslosenunterstützung in Kauf
zu nehmen
-- Zweck: Erschweren der Suche nach besser bezahlten Stellen
-- gleichzeitig: Die Arbeitgeber können keine Arbeitnehmer
mehr willkürlich entlassen (S.275).
19.8.1934
Wahl Hitlers zum Kanzler
und Reichspräsidenten
(S.391):
Wahlbeteiligung: 95,7 %
Ja-Stimmen: 89,9 % (38,363 Mio.)
Nein-Stimmen: 10,1 % (4,3 Mio.)
ungültige Stimmen: 2,0 % (0,874 Mio.)
Proteststimmen insgesamt: 12,1 % (5,174 Mio.)
Nichtwähler: 1,981 Mio. (S.391)
-- Hitler verbietet der Presse Vergleiche mit 1933
-- am meisten Ja-Stimmen für Hitler sind in Ostpreussen mit
95 %, am wenigsten in Hamburg mit 79,5 % (S.391).
12.9.1934
Kirche: Ermahnung der Bischöfe im Saarland zur
Pflichterfüllung
u.a. zur "sittlichen Pflicht der Liebe zum
angestammten Volkstum" (S.392).
20.9.1934
Beschluss der Kontrolle
des Devisen-Auslandverkehrs des 3.Reich - Handel Ware
gegen Ware
-- entworfen von Hjalmar Schacht [Deutschland geht in den
steinzeitlichen Tauschhandel zurück]
-- totale Kontrolle des Verkehrs ins Ausland
-- der Staat beansprucht den Auslandverkehr als sein Monopol
(Güter, Dienste, Geld, Kapital, Personen)
-- Geldverkehr mit dem Ausland wird in devisenlosen,
zweiseitigen Verrechnungseinheiten abgerechnet [praktisch
eine Transitwährung]
-- so wird die Abwertung der RM umgangen (S.239)
-- der Papierkrieg für den Aussenhandel steigt enorm an
-- die totale Kontrolle sichert die Rohstoffimporte (S.240)
-- Organisation des Aussenhandels auf der Basis "Ware gegen
Ware", Beschränken des Imports auf rüstungswichtige Güter
-- Lenken des Aussenhandels auf Staaten in Mittel- und
Südosteuropa und Skandinavien (S.240), denn in Krisenzeiten
sind diese Staaten gefügiger und dem Zugriff der englischen
Flotte entzogen (S.241)
-- bis ins Frühjahr 1939 hat das 3.Reich mit 26 Staaten
Verrechnungsverträge
-- die Praxis des Tauschhandels in den Aussenbeziehungen ist
weit verbreitet (S.241).
Folge: Der Aussenhandel schrumpft (Anteil des Exports am
Volkseinkommen: 1913 20,2 %, 1928 17,0 %, 1936 7,5 %)
Tabelle:
Die Festigung des
Ausgleichs der Handelsbilanz im Dritten Reich |
|
Import
in Mrd. RM |
Export
in Mrd. RM |
Jahr 1928 |
14,00 |
12,23 |
Jahr 1929 |
13,45 |
13,48 |
Jahr 1932 |
4,67 |
5,74 |
Jahr 1933 |
4,50 |
4,87 |
Jahr 1936 |
4,22 |
4,77 |
Jahr 1939 |
5,21 |
5,65 |
|
|
(S.240) |
bis 1934/1935
Die Reichswehr bleibt ein Verteidigungsheer
(S.208)
1934/1935
Auflösen der DINTA ins Amt für Berufserziehung und
Betriebsführung der DAF
(S.309).
ab 1934
Babyboom im Dritten Reich
-- der Babyboom ist ein biologisch-instinktives
Vertrauensvotum
-- jähes Ansteigen der Heiraten und der Kinderzahl (ehelich
und unehelich) (S.222).
Tabelle: Geburtenanstieg im Dritten Reich
1933-1938 |
Jahr |
Geburten
auf 1000 EinwohnerInnen |
1933 |
14,7 |
1934 |
18
(+22,4 %) |
1935 |
18,9 |
1936 |
19 |
1937 |
18,8 |
1938 |
19,6 |
|
(S.224) |
Die Geburtenzuwachsrate
bleibt aber weit hinter den Erwartungen der NS-Propaganda
zurück (S.224).
Bürgermeister werden vermehrt auch Nicht-Juristen
-- vor 1933: 86,5 % mit Juristenexamen, 9,6 % ohne
Hochschulabschluss
-- Hitlers Parole "Brechung des Juristenmonopols" erreicht
eine leichte Umverteilung: 46,8 % mit juristischem Examen,
23,4 % ohne Hochschulabschluss
-- zahlreiche Nicht-Juristen mit sehr unterschiedlichen
Berufswegen sind in kommunalen Spitzenpositionen, z.T.
Aussenseiter (S.296).
ab 1934 ca.
Euthanasie-Schulung in
Schulbüchern
Rechenaufgabe:
-- Kosten für einen geistig Behinderten pro Tag: 4 RM
-- Kosten für einen Krüppel pro Tag: 5,5 RM
-- Kosten für einen Verbrecher pro Tag: 3,5 RM
-- Anzahl Fälle: 300.000 im Reich.
Frage: Wie viele Ehedarlehen zu 1000 RM pro Jahr könnte man
mit diesem Geld finanzieren? (S.220).
ab 1934
DAF: Amt "Schönheit der
Arbeit" (SdA) unter Albert Speer
Das SdA-Amt ist Nachfolge des Deutschen Werkbundes DWB). Die
führende Rolle bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen
ist der Siemens-Konzern (S.304).
Ziel:
-- in den Betrieben menschenwürdige Bedingungen schaffen
ohne Einmischen in die Unternehmensführung und ohne
Exekutive Gewalt gegen den z.T. zähen Widerstand der
Arbeitgeber
-- Veranlassen hygienischer, ergonomischer und
sozialpolitischer Reformen durch zähes Fordern durch
Anprangern in der Tagespresse
-- Parole: "Gutes Licht - gute Arbeit!", Folgen:
bessere Beleuchtung, Belüftung, Entlüftung (S.304)
-- Parole: "Saubere Menschen im sauberen Betrieb", Folgen:
oo
mehr Wasch- und Duschräume
oo
mehr sanitäre Einrichtungen
oo
Lärmverminderung
oo
subventionierte Kantinen
oo
Werkswohnungen
oo
Grünanlagen
oo
Sportplätze
oo
Kindergärten usw. (S.304).
Die DAF gewährt Betriebsinvestitionsdarlehen durch die
DAF-Bank
wenn saubere Waschräume und helle Kantinen eingerichtet sind
(S.305)
ab 1934 ca.
"Arbeiterschulung" auch
für Frauen
NS-"Sozialarbeit" für Frauen mit Rassenwahn
Sozialarbeiterinnen ("Fabrikpflegerinnen" betreuen
Arbeiterinnen:
-- Ausrichtung auf ein Arbeitsethos der Volksgemeinschaft
-- Erziehung zur Rassenreinheit (Geschlechtsehre)
-- Erziehung zur Erbgesundheit
-- Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit (S.307).
-- Führen der Frau zum tüchtigen Menschen
-- Bewusstseinsförderung, bei aller Arbeit 100 % Frau
zu bleiben
-- Durchsetzen des Arbeitsschutzes für Schwangere und des
Mutterschutzes (S.307).
u.a.: Reichsfrauenführerin
Gertrud Scholtz-Klink
-- Mutter von 11 Kindern, blonde Haarkranzfrisur, ist das
Ideal der NS-Frau
-- sie ist Leiterin der NS-Frauenschaft, des DAF-Frauenamts,
des Frauen-Arbeitsdienstes, der DRK-Frauenarbeit (S.308).
u.a.:
Ilse Ganzert: Sie erfindet das Bielefelder
Modell für Frauen, wird ins DAF-Frauenamt übernommen
(S.309).
ab 1934
Hitler schafft ein neues gesellschaftliches Bewusstsein
bei einer grossen Mehrheit der Deutschen
-- Hitler schafft eine neue Gleichheit unter Ungleichen bei
Ausgrenzung von Minderheiten (S.332)
-- zum Teil sind die sozialen Elemente im 3.Reich gegen
jeden Fortschritt
-- zum Teil sind die sozialen Elemente im 3.Reich
emanzipatorisch
-- Hitler beseitigt viele soziale Hindernisse und
Rückständigkeiten, z.B. verlieren die Grossbauern östlich
der Elbe ihre Macht und müssen sich einordnen (S.333).
Parole "Volksgemeinschaft"
-- ist das
wirksamste Element der NS-Propaganda
-- ist im alten und im neuen Mittelstand populär, denn die
Weimarer Republik hatte ihr Ansehen verspielt
-- die NSDAP strebt
an, dass das
Bewusstsein der Volkszugehörigkeit die Gegensätze von
Parteien und Klassen überwindet, ohne dabei die soziale
Schichtung aufzugeben [aber mit Ausschluss aller, die nicht
zum "Volk" gehören sollen]
-- der Begriff "Volksgemeinschaft" ist "auch Aufruf zur
Überwindung vorbürgerlicher, vorindustrieller, sozialer
Hierarchien und Normen" mit dem Ziel, der Gesellschaft eine
moderne Mobilität zu ermöglichen
-- Effekt der Überwindung alter Hindernisse:
oo
die Jugend kommt in Scharen
oo
Bildung einer jungen, neuen Elite,
die dem NS-Regime eine ganz neue Energie verleiht (S.334).
Massenkundgebungen als politisches Mittel
-- die Massenkundgebungen sind keine
Zwangsveranstaltungen
-- es ist der Wille eines jeden Einzelnen (S.334)
[nicht erwähnt: Wer durch Abwesenheit auffällt oder keinen
Hitler-Gruss an der Kundgebung macht, wird des Verrats
verdächtigt]
Hitler über "Volksgemeinschaft" am 27.1.1934 zu Hanns
Johst:
"Das heisst Gemeinschaft aller wirkenden Arbeit
das heisst Einheit aller Lebensinteressen,
das heisst Überwindung von privatem Bürgertum und
gewerkschaftlich-mechanisch organisierter Masse
das heisst die unbedingte Gleichsetzung von Einzelschicksal
und Nation (S.334), von Individuum und Volk." (S.335)
[bei Ausgrenzung von all denjenigen, die nicht zum "Volk"
gehören sollen].
ab 1934
KdF als Spitzel- und
Manipulationszentrum
Die grosse Mehrheit der deutschen Bevölkerung lässt sich zu
diesem KdF-Angebot missbrauchen. SA und SS bespitzeln die
Leute auf den Konzerten und auf den Schiffen.
Kampflieder-Singen und NS-Vorträge auf den Schiffen werden
hingenommen. Theater- und Konzertbesuche kosten 50 Pfennig
(S.312).
Die Reisen unter dem Amt für Reisen, Wandern und Urlaub
(RWU) / KdF
-- unheimlich anmutende Billigangebote
-- enorme Subventionen, dadurch Massenbeteiligung möglich
(Hitler besticht sein Volk)
-- keine Privilegierungen, alle dürfen auf den
"Luxusdampfer"
-- Bau einer eigenen KdF-Flotte von Luxusdampfern (S.312).
Reisepreise:
-- Reise Bremen-Norwegen: 42 RM
-- Reise Bayern-Spitzbergen (10 Tage): 76 RM
-- Reise von München an die Mosel (8 Tage): 7 RM
-- Reise in der Ostsee (8 Tage): 32 RM
-- Reise nach Madeira (14 Tage): 48 RM (S.312)
-- durchschnittlicher Industrie-Wochenlohn: 28 RM (S.313).
KdF wird überlastet - negative Reaktionen in den
Oberschichten
-- KdF stösst bald an seine Grenzen, kann mit den Zuwächsen
im freien Fremdenverkehr nicht Schritt halten
-- Vorstellung von Ley: 14 Mio. sollen 12 Tage KdF-Urlaub
pro Jahr verbringen
-- Reaktion des Bürgertums: die Arbeiterschicht wird in
Kurorten und Heilbädern als "Eindringling" angesehen
(S.313).
ab 1934
Erste KdF-Fahrten auf Luxusdampfern
-- Einheitsklasse, Passagiere und Besatzung sind einheitlich
untergebracht
-- das KdF-System erregt Neid im Ausland, die KdF-Flotte
wird zum besten Werbeträger der NS-Ideologie (S.312)
-- Standes- und Klassenunterschiede verschwimmen, auch
oppositionelle ArbeitnehmerInnen lassen sich durch KdF für
das NS-Regime gewinnen
-- KdF vermittelt die Illusion des sozialen Aufstiegs, der
Arbeiter soll sich wenigstens einmal im Leben
gleichberechtigt mit den oberen Schichten vorkommen (S.313)
-- sogar die SPD bilanziert schon 1934, die KdF sei eine
positive Leistung des Regimes (S.313-314)
-- Manipulationsversuche des Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbundes ADGB durch Infiltrierung scheitern
(S.314).
Widerstand Kirche: Einige wenige aufrechte, aber
einflusslose Pastoren kommen in KZs ums Leben
(S.405)
1935
Rudolf Olden (1885-1940) im Exil über Not und
Nationalsozialismus
"Der Nationalsozialismus ist eine Funktion der deutschen
Not. Seine Flut steigt mit der Flut der (S.34) Bankrotte,
der Arbeitslosigkeit, des Hungers." (S.35).
Kirche: Protestantischer
Leiter Knak behauptet, Judentum bringe Verderben
--
Siegfried
Knak, Direktor der Berliner Missionsgesellschaft
-- das Judentum bringe den Völkern Verderben, deswegen seien
harte Massnahmen rechtens
-- Knak: "Ein Jude wird durch Taufe und Glauben nicht ein
Deutscher"
-- Knak beschwört eine "judenreine Kirche" (S.408).
Erste Mitgliederstatistik der NSDAP
(S.161)
Widerstand: Kabarettist Werner Frinck mit "Die Katakombe"
ist zeitweise in Haft
(S.475)
Die politischen Leiter der NSDAP (Funktionäre)
Rekrutieren politischer Leiter: meist aus der
Arbeiter- und Bauernschicht:
-- 14,7 % der politischen Leiter aus dem Bauernstand
-- 112.328 politische Leiter , prozentual am meisten
-- Mittelschicht stellt die meisten Mitglieder, stellt 59,7
% der politischen Leiter (S.162).
Idealisten in Leiterposten
-- gibt es, z.B.
Rudolf Hess (1894-1987), er bleibt
Hitler hörig bis zum Tod
-- betreiben keinen Machtmissbrauch (S.162).
Das Funktionärscorps
ist im allgemeinen eine Kumpanei der Machtbesessenen und
Nutzniesser,
-- mit Ämterschacher
-- mit Willkür
-- v.a. mit Korruption (S.162).
Die Gauleiter
Gau ist die mittelalterliche Bezeichnung für
Herrschaftsbereich von Unterkönigen. Gaue im 3.Reich sind
territoriale Organisationseinheiten. An der Spitze eines
Gaues steht ein Hitler-Vertreter oder dessen
Partei-Stellvertreter als Gauleiter, Reichsstatthalter,
Reichskommissar (S.162).
1935?
Abschaffung des
Streikrechts im Dritten Reich
Die Abschaffung des
Streikrechts wird von der Arbeiterschaft infolge der
zurückgehenden Arbeitslosigkeit nicht sehr beachtet (S.272)
ab Anfang 1935
Aussenpolitische "Erfolge"
Hitlers
[nicht erwähnt:
-- Hitler kann sich als Gegensatz zu den Beschlüssen von
Versailles von 1919 präsentieren und die Korrektur der
völkerrechtswidrigen Beschlüsse in Angriff nehmen
-- Hitler hat in Stalin einen "Blutsverwandten", Stalin und
Hitler halten Europa in Atem, und der Völkerbund verliert
allen Einfluss
-- Hitlers Expansionsgedanken werden laufend von
Rassistenlehren unterstützt, die um 1870
ca.
erfunden wurden und bis 1945 an allen Universitäten legal
gelehrt werden
- Hitlers Expansionsgedanken werden von Germanen-Kulten
unterstützt, die seit der Renaissance in Europas
Oberschichten mehr oder weniger präsent sind und in
Krisenzeiten immer wieder neu "ausgegraben" werden].
Hitlers Politik der "vollendeten Tatsachen"
Hitler beteuert im Völkerbund immer seine Friedensabsichten
und die militärische Schwäche des 3.Reiches. Hitlers
Kriegsäusserungen an anderer Stelle werden nicht ernst
genommen und niemand fürchtet sich (S.133). Die
Selbstverharmlosung und Verschleierungstaktik funktioniert
(S.134).
Hitler landet aussenpolitisch gleichzeitig einen "Erfolg"
nach dem andern und bringt die deutsche Bevölkerung in einen
Sog der Erfolge. Hitler imponiert
durch
den Machtzuwachs Deutschlands innerhalb Europas und erntet
bei der Bevölkerung z.T. uneingeschränkte Bewunderung
(S.133).
Der Völkerbund gibt nur eine Scheingarantie für bedrohte
Staaten und greift kaum ein. Aggressoren kommen seit 1933
mit einer Verurteilung davon, ohne dass militärisch
vorgegangen wird:
-- 1933: Japan in der Mandschurei
-- 1935: Italien in Abessinien
-- und: Völkerbund-Sanktionen bleiben wirkungslos. Aus
diesen Ereignissen formt Hitler sein Kalkül (S.133).
1935
HJ-Strukturen
-- Reichssportwettkampf (RSWK)
-- Jugendsozialarbeit
-- Fahrten und Zeltlager
-- musische Wettbewerbe
-- seit 1934: Reichsberufswettkampf schafft besseres
Fortkommen im
Beruf (S.347).
Besondere HJ-Einheiten für die technisch begeisterte
Jugend
Nachrichten-HJ, Marine-HJ, Flieger-HJ, Motor-HJ,
kein Massenbetrieb. Die spezialisierten Gruppen heben sich
von der allgemeinen HJ ab. Die wenigsten Jugendlichen ahnen
dabei, dass sie für einen Krieg vorausgebildet werden
(S.347).
Attraktivität der HJ für die Jugendlichen
-- die HJ bietet eine andere Lebensform an, ist
besonders für Jugendliche auf dem flachen Lande attraktiv,
für Jugendliche des politisch und konfessionell passiven
Arbeiter- und Mittelstandes, für Jugendliche aus ärmeren
Schichten (Sommer- und Skilager)
-- die HJ macht Anstrengungen, soziale Schranken
niederzureissen, gegen "bürgerliche Muttersöhnchen"
-- die HJ veranstaltet attraktive sportliche und berufliche
Leistungswettbewerbe
-- für Karrieretypen ist ein erfolgreicher HJ-Dienst das
Sprungbrett für die Karriere in der NSDAP, v.a. im
Reichsarbeitsdienst RAD und in der SS (S.349)
-- der BdM ist sehr wichtig für Mädchen in Dörfern,
Kleinstädten, teils Grossstädten, vermittelt eine Art
Emanzipation, mindestens aber eine Modernisierung des
Lebensstils (S.349).
Konfessionelle Arbeit in der HJ
-- keine konfessionelle Arbeit ausser religiöse
Unterweisung
[-- Hitler ist der Gott]
-- zum grossen Teil Unterdrückung der legalen Arbeit
konfessioneller Jugendverbände
-- Ausschalten der kirchlichen Jugendarbeit (S.348).
Fehlende Schulreformen treiben die Jugendlichen zur HJ
Die höheren Schulen leisten der HJ Hilfsdienste,
halten aber nicht viel von der HJ-Methodik und bleiben
verstaubte, unzeitgemässe "Paukschulen". Die Jugendlichen
haben in den höheren Schulen den Eindruck eines sinnlosen
Daseins und lassen ihr Leben in der HJ aus. in der Folge
verfällt das Bildungsniveau, auch Lernwillige bekommen
Probleme.
Die 16- bis 18-Jährigen führen eine Doppelexistenz in der
Schule mit wenig Rechten und viel Pflichten, in der HJ als
vollwertiges Glied des NS-Jugendstaates. Dementsprechend ist
das Auftreten [in kompensatorischer Art und Weise] (S.348).
13.1.1935
Saarland-Abstimmung für
den ersten "Anschluss"
--
kontrolliert von internationaler Polizei
-- es ist die letzte freie Auseinandersetzung zwischen Ja
oder Nein zum NS-Regime auf deutschem Boden (S.392):
-- Wahlbeteiligung: 97 %
-- Ja-Stimmen für das 3.Reich: 90,8 % (477.119)
-- Stimmen für das Fortbestehen eines Status quo: 8,8 %
(46.513)
-- Ja-Stimmen für Frankreich: 0,4 % (2124)
->> Reaktion: Hitler gesteht, er habe nicht mit solch
einem grossen Sieg gerechnet (S.393).
[->> die französische Politik erleidet eine absolute
Niederlage vor der ganzen Welt].
24.1./27.2.1935
Zwangskonversion mit Höchstzinssatz 4,5 % auf alle
öffentlichen Papiere
Zweck: Vorbereitung des engen Kapitalmarktes für neue
Reichsanleihen (S.232). Die Zinsen für Papiere sollen
niedrig bleiben, sonst ist der Schuldendienst des Dritten
Reiches nicht mehr vertretbar (S.233).
26.2.1935
Stufenweises Einführen des
Arbeitsbuches als Kriegsvorbereitung
-- seit 1869 war das Arbeitsbuch abgeschafft
-- Zweck: staatliche Kontrolle der Arbeit
-- Entstehen von Arbeitsbuchkarteien, die auch zur
Wehrerfassung genutzt werden [optimale Verteilung der
Fähigkeiten im Heer] (S.275).
16.3.1935
Allgemeine Wehrpflicht
Folge: Entlastung des Arbeitsmarktes (S.326).
-- ist beim Volk populär, v.a. als Entscheid gegen
Versailles
-- viele Parteigegner "kippen" um und werden Anhänger
Hitlers (S.149)
-- es gelten im Heer erst recht keine Standesprivilegien
mehr, im Heer gilt "Gleichberechtigung", was der
Unterschicht imponiert [auch die Gleichberechtigung zu
sterben...]
- es können alle Offizier werden
- aus der der Tradition verhafteten Reichswehr wird ein
revolutionäres NS-Volksheer gebildet (S.301).
21.3.1935
Neues Wehrgesetz: Reichsarbeitsdienst integriert als
militärischer Dienst
§8 Abs. 3: Der RAD soll auch eine Art vormilitärische
Ausbildung sein (S.326). Festlegen einer Ausbildung gemäss
§8 Abs. 3 am Karabiner 98k, Handgranate und leichtem
Maschinengewehr MG
-- Ausbildung 1/2 Jahr für alle Männer zwischen 18-25 Jahren
-- ist die Voraussetzung zur Verwirklichung des
"NS-Volksheeres" (S.327,329-330)
-- es ist ein "klassenloses" Zusammensein, wirkt allgemein
positiv (S.331).
31.3.1935
Reichsfernsehen: Fernsehsender Paul Nipkow: Ansage,
Nachrichten, Spielfilm
Das Dritte Reich imponiert der Welt mit dem weltweit ersten
regelmässigen Fernsehen (S.303).
23.4.1935
Gesetz zur Amnestie der
SA-Gewalt bis hin zum Todschlag
Amnestie zugunsten aller Gewalthandlung der SA (S.180).
26.6.1935
Gründung des
Reichsarbeitsdienstes RAD
Folge: Entlastung des Arbeitsmarktes (S.326):
-- alle 18-25-jährigen Männer müssen den Arbeitsdienst als
"Ehrendienst am deutschen Volk" unter dem Symbol "Spaten und
Ähren" leisten (S.326)
-- RAD-Führer sind z.T. parteiunabhängig, aber unter den
RAD-Unterführern gibt es auch "üble" Typen, die von ihren
Kompetenzen geblendet sind
-- fast alle Volksschichten bejahen den RAD
-- für die Betroffenen ist der RAD ungünstig, für viele eine
ungewohnte Strapaze mit schwerer körperlicher Arbeit,
primitiven Unterkünften (S.328).
Dienste des RAD: Strassenbau, Wegebau, Hochwasserschutz, Be-
und Entwässerung, Ödlandaufforstung (S.329).
-- Abiturienten werden besonders häufig zu Putzarbeiten
eingesetzt
-- RAD-Lieder mit Beschwörung der Treue zum Staat (S.329)
-- RAD ist praktisch die Voraussetzung für den Wehrdienst,
wird zu eine vormilitärischen Ausbildung mit Karabiner,
Handgranat, leichte Maschinengewehre, ist der erste Schritt
zu einem NS-Volksheer (S.330).
28.6.1935
Neue "Gerichtspflege" des
"Volksgerichtshofs" (VGH)
-- Grundsatz bisher (Reichsgericht): "Nulla poena
sine lege" ("Keine Strafe ohne Gesetz") gemäss Artikel 116
der Reichsverfassung:
"Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit
gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde."
(S.180)
Neu wird Artikel 116 durch §2 des StGB ersetzt:
"Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für
strafbar erklärt, oder die nach gesundem Volksempfinden
Bestrafung verdient."
-- die Bindung des Strafrichters an das Gesetz ist
beseitigt, Gefühl und "Empfinden" werden ausschlaggebend
-- §2 wird "analog" auf ähnliche Tatbestände angewandt,
obwohl die Tatbestände nicht strafbar wären
-- das "Empfinden" und die Gesinnung können beim Richter
voll durchschlagen mit dem Gedanken des Richters: Zwar ist
der Täter nach dem geltenden Recht nicht strafbar und müsste
also freigesprochen werden, ich bestrafe ihn jedoch, indem
ich §xyz "analog" auf seine Tat anwende
-- jegliches Recht ist im 3.Reich damit aufgehoben und eine
Empfindungsdiktatur geschaffen (S.181).
Der Mittelstand akzeptiert die Empfindungsdikatatur
Einstellung des Mittelstands: Die Ordnung muss
nicht unbedingt im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit aufrecht
erhalten werden, sondern kann auch Aufrechterhaltung der
Ordnung mit Hilfe des Rechts bedeuten. Also: Viele Deutsche
befürworten die antijüdischen Nürnberger Gesetze, weil jene
Massnahmen "durch Gesetz", also "ordnungsgemäss" erfolgen
(S.182).
Die Bevölkerung verdrängt
die Judenverfolgung durch den VGH
-- viele Deutsche weigern sich, vom NS-Terror Kenntnis zu
nehmen, verdrängen die finsteren Seiten des Dritten Reichs,
so wie das Reich den Terror ab 1934 unauffällig und
abgeschirmt vollzieht
-- der Terror passiert täglich, aber versteckt,
hinterhältig, geräuschlos, mit einer Verfolgungsbürokratie
-- da der Terror gesetzlich "geregelt" ist und sich der
Terror bürokratisch abwickelt, ist das für fast alle
Deutsche ein bequemes Alibi, die Augen vor dem Schicksal der
NS-Opfer zu verschliessen
-- augenfälliger Terror gegen Juden 1935 und 1938
-- die Bevölkerung hat Mitleid mit den Opfern, aber zu
Folgerungen und Systemveränderungen ist die Bevölkerung
nicht fähig
-- z.B. Carola Stern (BdM-Führerin Jg. 1925): "Wir wussten
mehr, als wir zugeben mochten ... Wenn wir die Opfer
kannten, empfanden wir Mitleid. Doch Folgerungen zogen wir
nicht." (S.182)
15.9.1935
Nürnberger Gesetze:
Blutschutzgesetz für Deutsche gegen Juden
-- Verbot von
Heiraten mit Juden
-- Verbot von Geschlechtsverkehr mit Juden
-- es ist die Pervertierung der in der Weimarer Republik
verbreiteten humanen Rassenhygiene. Eitner:
"Die schon in der Weimarer Republik verbreitete humane
Rassenhygiene wird im NS-Regime pervertiert." (S.224)
-- kein Widerstand der deutschen Bevölkerung, sogar breite
Zustimmung. Mitleid würde sofort Verdacht provozieren.
Private Hilfe für verfolgte Juden in Verstecken (S.379)
-- niemand riskiert etwas, Verbindungen hören allmählich
auf, weil beide Seiten in Verlegenheit geraten
-- nicht einmal NS-kritische Gruppen äussern Kritik an den
Gesetzen
-- für Juden will niemand etwas riskieren
-- besondere Zustimmung hat die Bevölkerung für den
Ausschluss der Juden aus den Staatsbürgerrechten (S.380)
-- bis 1935 werden jüdische Zeitungen öffentlich verkauft
(S.380).
Arisierung von jüdischen
Geschäften - jüdische Emigration
Zwang für jüdische
Geschäftsinhaber, ihre Geschäfte zu liquidieren oder durch
Verkauf unter Wert "arisieren" zu lassen,
-- Emigration
-- die deutsche [und schweizerische!] Industrie erwirbt so
jüdische Unternehmen zum Spottpreis
-- z.T. hilft die deutsche Bevölkerung den jüdischen
Geschäftsfreunden, ihr Hab und Gut vorteilhafter zu
veräussern, als es den Behörden angegeben wird, mit Risiko
der Strafverfolgung (S.380)
15.9.1935
Fahnengesetz
- die Reichsfarben sind schwarz-weiss-rot
- Reichs- und Nationalflagge sei nur die Hakenkreuzfahne
(S.86).
3.10.1935
Italien besetzt Abessinien
- Sanktionen gegen Italien werden von Hitler mit Hilfe
der Schweiz unterlaufen
-- Frankreich und England unternehmen keine militärische
Aktion gegen Italien
-- Sanktionen Englands gegen Italien (Sperren von
Waffenlieferungen, Kredite, Rohstofflieferungen) bleiben
wirkungslos (S.133)
[nicht erwähnt:
-- die Massnahmen bleiben u.a. deswegen wirkungslos, weil
Hitler an Italien Kohle durch die Schweiz liefern lässt. Die
Lieferungen gehen durch die "neutrale" Schweiz gemäss dem
"Gotthardvertrag"
-- die Bande zwischen Hitler und Mussolini wird enger, und
Mussolini steht als Bittsteller da
-- die Schweiz unterstützt indirekt den Krieg Italiens in
Abessinien].
18.10.1935
Gesetz zum Schutz der
Erbgesundheit: Heiratsverbote
Heiratsverbot bei bestimmten körperlichen Krankheiten oder
vom NS-Staat definierten "geistigen Störungen" (S.224)
Ende 1935
Rückgang der geahndeten Gewaltsdelikte gegenüber 1932
geahndete Gewaltakte: Rückgang um über 30 %
geahndete Tötungsdelikte (S.176): Rückgang um über 30 %
Diebstähle: Rückgang um über 33 % (S.177).
1935/1936
Allgemeiner Aufschwung in der Weltwirtschaft
(S.202)
1935/1936
Erfolg der Arbeitsbeschaffung: Arbeiter verlieren
politische Freiheit, gewinnen soziale Sicherheit
(S.272)
1935-1939
Kunst ohne politische Aussagen in der NS-Diktatur
- die politischen Aussagen in der Kunst werden
zurückgedrängt, die Diktatur ist gefestigt und braucht die
künstlerische Verstärkung nicht
- die "Volkskunst" ist Unterhaltung und Zerstreuung, um den
Alltag zu vergessen
- Genremalerei, Bauern- und Familienromane, Komödien,
Rundfunk-Unterhaltung etc. (S.190).
ab 1935
SS-Zentralorgan "Das
Schwarze Korps"
- erreicht
1937 eine Auflage von 500.000
- hat 1944 eine Auflage von 750.000
- alles darf geschrieben werden
- Hauptschriftleiter/Chefredakteur:
Gunther d'Alquen
(geb. 1910), ein Rebell gegen deutsch-nationale
Bürgerlichkeit, pflegt die Extreme: Hassfeldzüge gegen
Judentum und Katholizismus, Bürgertum, Beamtenstand, aber
auch kritische Leserbeiträge gegen das NS-Regime
- die Journalisten des Blattes sind radikal, intelligent,
Sprachrohr von revolutionärem Nationalsozialismus,
Anprangern von Missständen, Korruption, Ämterschachern, es
werden offene Worte gesprochen, brillante Formulierungen
- das Blatt "Das Schwarze Korps" hat im Volksmund den
Übernamen "Reichsbeschwerdestelle" und "oppositionelle
Zeitung" (S.419-420)
ab 1935 ca.
Das 3.Reich aus der Sicht der jüdischen Emigration:
schwarz-weiss
-- jüdische Emigranten sehen oft schwarz-weiss: auf
den Sesseln die Teufel, in den KZs ihre Helden
-- jüdische Emigranten sehen die komplexen Zusammenhänge
nicht, was erst sehr viel später erkannt wird (S.410).
Widerstand bei
Kulturschaffenden
-- viele
erkennen, dass sie sich 1933 von der Aufbruchstimmung haben
verleiten lassen
-- viele trennen sich vom NS-Terror-Regime und begeben sich
in innere Emigration
-- Beginn der Gratwanderung gegenüber der NS-Überwachung,
manche Schriftsteller
verstummen
konsequent (S.119)
--
Werner Bergengruen (1892-1964): "Der Grosstyrann
und das Gericht" (1936)
--
Ernst Jünger (geb. 1895): "Auf den
Marmor-Klippen" (1939; "Gärten und Strassen" (1942)
--
Jochen Klepper (1903-1942): "Der Vater" (1937)
--
Friedrich Percival Reck-Malleczewen (1884-1945):
"Bockelson. Geschichte eines Massenwahns" (1937)
--
Reinhold Schneider (1903-1958): "Las Casas vor
Karl V. Szenen aus der Konquistadorenzeit" (1938); "Macht
und Gnade" (1940), dann Schreibverbot
--
Frank Thiess (1890-1977): "Das Reich der Dämonen.
Roman eines Jahrtausends" (1941) (S.119).
ab 1935 ca.
Hitler ist populär, die
NSDAP ist nicht populär
-- das, was
Hitler verkörpert, wird mehrheitlich populär, ein
glorifizierter "Führer"
-- die NSDAP und die Amtsträger sind mehrheitlich unpopulär,
eine ungeliebte Partei mit Massenorganisationen, Bonzentum
und Pfründenwirtschaft, die fast überall sichtbar ist
-- Hitler fördert diese Entwicklung bewusst, aber das Volk
weiss das nicht
-- Bonzentum und Korruption prägen das negative Bild der
NSDAP vom Anfang bis zum Ende
-- Hitler zieht mit seinen Erfolgen viele Kritiker auf seine
Seite gemäss dem Sprichwort: "Erfolg erzeugt Erfolg", so der
NS-Gegner
Erich Ebermayer am 30.1.1934 (S.147).
-- Hitler wird bei der Arbeiterschaft als Hoffnungsträger
über Partei und Alltag gestellt
-- Hitlers Charisma bleibt vom widrigen NS-Alltag weitgehend
unangetastet (S.149).
Nationalkonservative werden NS-Opfer
werden z.T. exekutiert (S.71).
ab 1935/1936
Wohnungsbau-Chaos
-- vermehrt öffentliche Grossbauten
-- vermehrte Privatisierung des Wohnungsbaus durch Anreize
(S.227).
1936
bis 1936
Industrie und Reichswehr sind politisch relativ
unbeeinflusst
(S.242)
1936
Hitlers Popularität
-- fast niemand kann mehr schlecht finden, was
Hitler tut
-- die Erfolge sind durchgreifend, das Volk entwickelt eine
"Liebe" zu Hitler z.B. an den Führer-Geburtstagen
-- Reichspressechef
Otto Dietrich: "Wohl kein
Sterblicher ist je von Liebe und Vertrauen getragen worden
wie Adolf Hitler, der Mann aus dem Volke", und für die
damalige Situation ist dies zutreffend (S.149)
--
Konrad Heiden 1937 aus dem Exil: "Hitler hat das
deutsche Volk erobert. In jedem Sinne ist dies richtig"
-- die Hitler-Gegner müssen an sich selbst zweifeln (S.152)
Erfolge Hitlers:
-- Rückkehr des Saargebiets
-- Wehrpflicht
-- Flottenabkommen mit England
-- England unterstützt offiziell Hitlers
Versailles-Korrekturen (S.149).
-- Olympische Winterspiele in Garmisch mit noch nie da
gewesenen Perfektionen der Superlativen
oo
die Schilder "Juden sind hier
unerwünscht" verschwinden in Garmisch für eine gewisse Zeit
oo
Dokumentarfilm über die
Garmisch-Spiele wird gedreht vom einstigen Kommunisten Carl
Junghans: "Jugend der Welt"
oo
die Sporterfolge helfen, den
NS-Terror zu verdecken, die Kultur der Massenstimmung wird
gepflegt
-- Olympische Sommerspiele in Berlin
oo
allgemeine Anerkennung des
Hitler-Regimes durch die ganze Welt
oo
Eindruck des piekfeinen, friedlichen,
sauberen, ordentlichen, friedlichen Deutschlands
oo
hinter dieser Fassade verschwinden
alle Spuren von Verfolgung und Gewalt
oo
die Billette zu Olympia tragen weder
Hakenkreuz noch Adler
oo
Hitler im Olympiastadion strahlt
heitere Ruhe und Gelassenheit aus, die NS-Gegner resignieren
(S.150)
oo
Hitlers Olympia wird sogar als die
schönsten und bestorganisierten Spiele der Neuzeit
bezeichnet, die kriminelle Kehrseite bleibt versteckt
(S.151)
oo
Deutschland wird Tourismusziel im
Ausland, wird als Reiseland angepriesen (S.152).
Der "Stürmer" wird während der olympischen Spiele
verboten
(S.377)
Forschungsabteilung "Judenfrage"
Der protestantische Theologe Gerhard Kittel ist Mitbegründer
der Forschungsabteilung "Judenfrage" des "Reichsinstituts
für die Geschichte des neuen Deutschland" (S.107)
Unterbinden des freien Devisenhandels und Preisstop
Vertuschen der Inflation (S.214).
1936
Zum Teil Zwangsumsiedelung der Arbeiter wegen
Rohstoffmangel
-- gelegentlich Kurzarbeit
-- gelegentlich Aufenthalts- und Wohnungswechsel
-- keine gravierenden Einbrüche in der Arbeitsmoral, weil
die Grundhaltung soweit positiv auf Hitler fixiert ist
(S.276).
Anfang 1936
VW: "Volkswagen": die ersten 5 Prototypen, dann 50
Versuchswagen
(S.317). Bau der VW-Fabrik in
Fallersleben, später
von
Wolfsburg eingemeindet (S.318).
VW-Sparen
-- Preis des VW: zuerst 990 RM, dann 1400 RM
-- vierjähriges Sparsystem mit Raten
-- auf diese Weise wird gleichzeitig überschüssige Kaufkraft
abgeschöpft
-- bis 1939 werden nur Prototypen produziert (S.318).
ab Anfang 1936 ca.
Hitlers Wirtschaftswunder kommt zum Tragen
-- Erreichen eines 1932 für undenkbar gehaltenen
Lebensstandards
-- die Reputation im Ausland und der Neid des Auslands auf
den deutschen Lebensstandard steigen
-- Nutzen riesiger unausgelasteter Kapazitäten, die nur
genutzt werden müssen, sie müssen nicht erst geschaffen
werden, so wird auch die Aufrüstung möglich (S.207)
-- immer mehr Staatsausgaben in die Rüstung (S.208).
Hitler forciert die Aufrüstung
Die Aufrüstung ist aber nicht Ursache für den
Wirtschaftsaufschwung (S.207).
Das Erreichen der Vollbeschäftigung
-- Erreichen der Vollbeschäftigung zu einem Zeitpunkt, wo
die Rüstungsfrage und Truppenverstärkung nur bescheidene
Umfänge aufweisen (S.207-208)
-- die Vollbeschäftigung kommt nicht aufgrund der Aufrüstung
zustande (S.208).
ab Anfang 1936 ca.
Kirche: Offener Konflikt zum NS-Regime gegen den
NS-Rassismus
z.B. der Münchner Kardinal
Faulhaber: Er verfasst
die entscheidenden Regime-kritischen Passagen der einzigen
deutschsprachigen, päpstlichen Enzyklika "Mit brennender
Sorge" (S.402).
22.1.1936
Zusammenschluss der freien Wohlfahrtspflege mit der
öffentlichen Fürsorge
Die Nationalsozialistische Wohlfahrt NSV wird zur
dominierenden Organisation der Wohlfahrtspflege (S.322).
15.2.1936
Rede Hitlers in Berlin: Hitler fordert das Auto als
Gebrauchsobjekt für alle
-- die gelingt nur, wenn das Verhältnis zwischen Einkommen
der breiten Massen und die Anschaffungs-, Betriebs- und
Erhaltungskosten des Autos stimmen
-- Vorbild ist die "USA", dort ist die Relation zwischen
Lohn und Autokosten gelöst
-- Vorgehen: Hitler bricht alle Widerstände der
Automobilindustrie (S.317).
Frühjahr 1936
Oswald Sprengler prophezeit Hans Frank den Untergang
Deutschlands
dass "wohl in 10 Jahren ein Deutsches Reich nicht mehr
existieren werde" (S.136).
7.3.1936
"Aussenpolitik":
Rheinlandbesetzung
(S.393)
[-- ist ein weiterer "Anschluss"
-- wird von "amerikanischer" Seite als Besetzung des
"Hinterhofs" betrachtet, wie "USA" auch die Karibik als
ihren "Hinterhof" betrachtet].
10.3.1936 ca.
Hitler erklärt das Wahlrecht zur "Wahlpflicht"
(S.393)
29.3.1936
Reichstagswahl nach der Rheinlandbesetzung
Parole überall, auch in Schulen:
"Bei dieser Wahl darf keiner fehlen! Jede Stimme dem Führer!
Wer nicht für Adolf Hitler stimmt, ist ein Volksverräter!"
um die Besetzung des Rheinlandes untermauern (S.393).
Tabelle: Reichstagswahl nach der
Rheinlandbesetzung 29.3.1936 |
Ja-Stimmen für
Hitler |
98,8
% |
Nein-Stimmen |
540.000 |
Nichtwähler |
452.000 |
am wenigsten
Ja-Stimmen: Leipzig |
97,4
% |
am wenigsten
Ja-Stimmen: Hamburg |
95,8
% |
Der Widerstand resigniert
(S.394).
Sommer 1936
Erste Live-Übertragung am Fernsehen mit Ton an den
olympischen Spielen in Berlin
Schwierigkeiten:
-- grosse Lichtschwankungen
-- Störungen durch zu grelles Sonnenlicht und aufziehende
Wolken (S.303).
Effekt der Direktübertragungen:
-- die Berliner Bevölkerung kann in 25 Fernsehstuben in
Berlin und Potsdam die Spiele live mitverfolgen, wird von
160.000 Menschen genutzt
-- Ministerialbeamte und Industrielle können an 50
Privat-Fernsehempfängern in Schrankgrösse die Spiele live
mitverfolgen (S.303).
2.7.1936
Gesetz über Hypothekenschulden: Verpflichtung der
Geldgeber zu niedrigen Zinssätzen
wenn nicht freiwillig, dann per Richterverfügung (S.232).
26.8.1936
Der neue Vierjahresplan
zur Kriegsbereitschaft
(S.208)
Hitlers Dekret zur internen Kriegsankündigung
-- Industrie und Wehrmacht müssen 1940 kriegs- und
einsatzfähig sein (S.151)
-- die grosse Volksmehrheit will den nationalen Erfolg, aber
keine bedeutenden Opfer und keinen Krieg
-- die Propagandamaschinerie läuft, erzeugt Spannungen im
Volk, die mit nationalen Erfolgen immer wieder überbrückt
werden (S.152).
Mitarbeiter Hitlers dieses Mal:
Carl Krauch,
Generaldirektor des Konzerns IG Farben.
Krauchs Amt wird ironisch auch als "Reichsamt für IG-Ausbau"
bezeichnet. Die nominellen Ziele sind dieselben wie beim
ersten Vierjahresplan (S.242).
Hitler diktiert die Industrie allein. Die Industrie hat
keinen Einfluss mehr auf die Regierungspolitik (S.243).
Die Wirtschaftslenkung erfolgt durch den
Wehrwirtschaftsführer des NS-Regimes (S.243).
-- die Reichswehr wird zum Angriffsheer umformiert
-- geheime Denkschrift 26.8.1936 Hitlers als
"Vierjahresplan" getarnt (Kopie nur an
Göring und
Blomberg,
1944 auch an
Speer):
1. Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein
2. Die deutsche Industrie muss in vier Jahren kriegsfähig
sein (S.208).
Ziel Hitlers: Lösung der Rohstoff- und Devisenprobleme durch
die "Erweiterung des Lebensraums" und der Rohstoff- und
Ernährungsbasis [bzw. Vernichtung und Ausbeutung Russlands]
(S.209).
Inhalt des Vierjahresplans zur Kriegsbereitschaft
-- Investitionsprogramm und direkte Kriegsvorbereitungen
(Ausbau der Rohstoffbasis, der Agrarerzeugung)
-- im Stab des Vierjahresplans sitzen erstklassige
Fachleute, nur wenige überzeugte NS-Leute
-- eine Kriegswirtschaft wird
nicht vorbereitet
(S.208) [weil man für "Blitzkriege" keine Kriegswirtschaft
benötigt].
29.8.1936
Hitlers Aufruf für einen "NS-Musterbetrieb"
Folge:
-- Wetteifer der Betriebe um die besten sozialpolitischen
Leistungen
-- ab dem Arbeitskräftemangel (S.305) betriebliche soziale
Anreize: Gratifikationen, Urlaubsgelder, zusätzliche Alters-
und Lebensversicherungen, erhöhte Deputate (Sachbezüge als
Teil des Einkommens), verbilligte Lebensmittelbezüge,
kostenlose ärztliche Behandlung, werkseigene Ferienheime,
Baukostenzuschüsse, Werkswohnungen, sogar: Bereitstellen von
Leicht-Motorrädern für Pendler (S.306).
4.9.1936
Vierjahresplan-Befehl von Göring an die unteren Stellen
Formulierung: Man solle den Vierjahresplan so verwirklichen,
als ob man "im Stadium drohender Kriegsgefahr" sei (S.208).
12.11.1936
Beschluss des Reichswirtschartsministeriums zur
Zwangskartellisierung der Wirtschaft
Folge: Die Spitzengremien der Wirtschaftsverbände
beherrschen faktisch das Kartellwesen (S.257).
1.12.1936
HJ-Gesetz: HJ als "Dritte Kraft" [der Menschendressur]
-- die HJ wird neben Elternhaus und Schule dritter
Erziehungsfaktor, aber immer noch "freiwillig"
-- ausserhalb von Familie, Kirche und Schule ist die
deutsche Jugend in der HJ "körperlich, geistig und sittlich
im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur
Volksgemeinschaft zu erziehen"
-- Aufnahme der 10-jährigen Kinder in die HJ jeweils am 20.
April, am Führergeburtstag (S.345).
Eidesformel der HJ auf Adolf Hitler
"Ich verspreche, in der Hitlerjugend allzeit meine Pflicht
zu tun in Liebe und Treue zum Führer und zu unserer Fahne.
So wahr mir Gott helfe!" (S.345)
Ende 1936 ca.
Die Olympiade im
Propagandafilm von Leni Riefenstahl
-- 1. Teil: "Feste der Völker" (1936)
-- 2. Teil: "Fest der Schönheit" (1938)
enthalten neue Kameratechniken und filmische Vollendung, je
4 Stunden Kraftprotzerei, u.a. mit dem mehrfachen
Goldmedaillengewinner, dem Schwarzen
Jesse Owens
(S.127).
1936/1937
Beinahe Vollbeschäftigung
-- Hitler hat bis auf wenige Reste alle ArbeiterInnen hinter
sich
-- soziale Sicherheit der Arbeiter:
oo
Arbeitsplatzsicherheit
oo
Kündigungsschutz
oo
bezahlter Urlaub
oo
bessere betriebliche Einrichtungen
-- ist die entscheidende Voraussetzung für die
Stabilisierung des Regimes
-- verloren gehen:
oo
Koalitionsrecht und Streikrecht
oo
Tarifhoheit
oo
betriebliche Mitwirkung
-- es kommt nur vereinzelt zu Arbeitsniederlegungen
-- aus Sicht der ArbeiterInnen haben bis 1933 die
Gewerkschaftsfunktionäre versagt, denn was die
Gewerkschaften dauernd in der Weimarer Republik versprochen
haben, haben die ArbeiterInnen erst unter Hitler erhalten
(S.273).
Tabelle:
Arbeitslose im Dritten Reich |
Jahr
1932 |
5,6
Mio. |
Jahr
1933 |
4,8
Mio. |
Jahr
1934 |
2,7
Mio. |
Jahr
1935 |
2,1
Mio. |
Jahr
1936 |
1,6
Mio. |
Jahr
1937 |
0,9
Mio., erstmals unter dem Stand von 1928 |
Jahr
1938 |
0,4
Mio. , erstmals unter dem Stand von 1914 |
Jahr
1939 |
0,1
Mio. |
|
(S.273) |
1936-1939
Jugendkritik am NS-Regime
Jährlich finden zehntägige Reichsführerlager der HJ statt,
die mit Ausbrüchen jugendlichen Zorns begleitet sind
(S.418).
1936-1939
Vergeblicher Versuch des Aufbaus einer gewerkschaftlichen
Widerstandsbewegung gegen den Krieg
-- Versuch unter
Jakob Kaiser (1888-1961)
und
Wilhelm Leuschner (1890-1944)
-- der Versuch des Aufbaus von gewerkschaftlichem Widerstand
gegen den Krieg scheitert
-- Interesselosigkeit bis Ablehnung bei den Arbeitern, denn
Hitler hat den Arbeitern das gegeben, was die Gewerkschaften
ihnen früher versprochen hatten
-- Hitler hat der Arbeiterschaft soziale Anerkennung
verschafft
-- Hitler hat die Versäumnisse des Bürgertums beseitigt, die
die Gewerkschaften nicht überwunden haben
-- Hitler ist für den Wandel des Selbstbildes der
Arbeiterschaft selbst der Boden, also kann Hitler nie in
Frage gestellt werden
-- die Arbeiterschaft ist in der Stimmung, dass Hitler gar
nie für etwas schuldig gemacht werden kann
-- das Vertrauen in den Führer ist bei der Arbeiterschaft
nicht angreifbar, gemäss eines SD-Berichts auch im März 1945
nicht (S.278-279).
1936-1944
Freundeskreis Reichsführer-SS
-- Unterstützen von Heinrich Himmler durch leitende
Persönlichkeiten von 14 der 52 grössten deutschen
Aktiengesellschaften
-- dafür erhält der Freundeskreis SS-Förderung seiner
Interessen (S.255-256).
ab 1936 ca.
Allgemeine Ansicht der Bevölkerung: NS-Diktatur = Rote
Diktatur
Es hat keinen Sinn, eine braune Diktatur durch eine rote zu
ersetzen (S.399).
ab 1936
Hitler-Begeisterung und
Hitler-Glauben bei der grossen "Mehrheit"
-- der
Machtzuwachs und die Erfolge des NS-Regimes imponieren
-- die deutsche Bevölkerung meint, sie lebten in einer
"grossen Zeit", v.a. die "junge Generation" im 3.Reich
(S.132), und der "Schöpfer" und "Garant" hiess Hitler
-- bei jeder Hitler-Rede wartet man auf einen neuen Erfolg
für Deutschland (S.133)
[-- bei jeder Hitler-Rede erwartet die Bevölkerung ein neues
Fest].
ab 1936 ca.
Die neuen Kader aus den Universitäten werden Spitzel des
NS-Systems
-- geschult durch den Nationalsozialistischen
Deutschen Studentenbund NSDStB
-- v.a. Beamte, Ärzte, Studienräte, Rechtsanwälte etc.
(S.39).
Frauen sind im Dritten
Reich umworben, umschmeichelt, geehrt - NSDAP-Frauen
-- Frauen
sollen das Ideal von Mutterschaft, Treue und Dienen
verkörpern
-- nur wenig Frauen sind aber in der NSDAP und sind auch
"Kämpferin"
-- Frauen in der NSDAP entstammen meist dem Kleinbürgertum,
"Dienst an der Parte" ist für sie sozialer Aufstieg und
Kompensation , Glaube an den Führer wie an einen Heiland,
ohne Lohn, vielleicht ein Blumenstrauss vom Führer (S.325)
-- Organisation von Spenden, Buchhaltung von Beiträgen,
Dienststellenbesuche, Familienhilfe (S.325-326)
-- NSDAP-Frauen wollen immer nur "das Beste", schaden
niemandem (S.326)
-- NSDAP-Frauen befürworten KZs, denn: Das Gesindel muss von
den Strassen, z.B. Gewohnheitsverbrecher, Sittenstrolche,
Volksschädlinge, Wucherer, Schieber, die Kriminellen würden
zu ehrlicher Arbeit erzogen und Disziplin und Sauberkeit
beigebracht, und keinem werde "ein Haar gekrümmt" (S.326).
ab 1936
Hohe Staatsverschuldung
des 3.Reichs
muss von
Reichswirtschaftsminister Schacht zugelassen werden (S.213).
Verknappungen bei zivilen Verbrauchsgütern
-- nur allmähliche Verknappung möglich, weil
Vollbeschäftigung herrscht und viel Geld im Umlauf ist
-- bei Verknappung kommt Inflationsgefahr, ist Indiz der
Verknappung (S.235)
-- zunehmendes Verschwinden der gewerblichen Inserate, mehr
Anzeigen für Tauschhandel (S.236).
ab 1936
Zwang zu Qualitätsverschlechterungen bei der
Textilindustrie
-- der Baumwolle sind 16-20 % Zellwolle beigemischt
-- der Wolle sind 10-30 % Reiss- und Zellwolle beigemischt
-- der Beimischungszwang für Zellwolle und Kunstseide
verringert die Lebensdauer und vermindert den Kälteschutz
-- die Kleider wärmen nicht und sind im Nu verschlissen
(S.236)
-- die Reaktion der Bevölkerung wird manipuliert durch
indirekte Eingeständnisse der Qualitätsverschlechterungen:
oo
Bezeichnung "Reine Wolle" wird
verboten
oo
Fabrikanten, die auf mangelnde
Waschbarkeit ihrer Produkte hinweisen, werden mit Polizei
bedroht
(in:
Bracher/Funke/Jacobsen: Nationalsozialistische
Diktatur 1933-1945. Eine Bilanz. Düsseldorf 1983)
oo
die ganze Bevölkerung klagt, macht
Witze über die Anzüge der Marke "Deutscher Wald", die im
Frühling "ausschlagen" und sich im Herbst verfärben
- Verteuerung für Qualität gegenüber 1933 um das Vierfache
(z.B. ein Anzug, der nicht kratzt) (S.236).
1936-1939
KdF: Bau eines riesigen Ostseebades auf Rügen: bleibt
unvollendet
(S.314).
ab 1936
3.Reich: Bezahlter Urlaub ist üblich, noch kein Gesetz
(S.311)
Ende 1936 ca.
Jeder zweite Handwerker hat ein Haus
somit Förderung des Mittelstandes (S.232).
ab 1936/1937
Hitler lässt die Industrie für den neuen Vierjahresplan
entmachten
Die ökonomische Macht ist ausgeschaltet (S.242).
1936-1939
Rückgang der Handwerksbetriebe von 1,65 Mio. auf 1,35
Mio. um 18,2 %
-- gemäss dem Stichwort "Auskämmung", gemeint:
Stilllegung "lebensunfähiger" Betriebe
-- Überführen der frei werdenden Arbeitskräfte in die
Rüstungsindustrie
-- Folge: verminderter Wettbewerb, wird vom Reichsstand des
deutschen Handwerks hingenommen (S.259)
-- der Handwerkerlohn kann mit der Entwicklung des
Volkseinkommens nicht schritthalten und rutscht relativ
gesehen in die untere Einkommensschicht (S.259).
1937
Neue Baupläne für die
Gauhauptstädte
--
Hauptsache: die Architektur muss der Militärparade dienen
-- Entwicklung neuer Pläne für alle Gauhauptstädte:
oo
zentrales Achsenkreuz
oo
Prachtstrasse
oo
grosser Platz mit allen wichtigen
Partei- und Staatsbauten (S.197)
-- Verwirklichung der Parteiaufmärsche mittels
architektonischen Mitteln überall
-- die immer wiederkehrenden aufmarschierenden Massen sollen
zum Attribut der Nazi-Architektur werden und sind fast
ebenso ein Stück Architektur des NS-Staats (S.197).
KdF-Luxusdampfer "Wilhelm Gustloff" fertiggestellt
aller Komfort für 1700 Passagiere, Theater, 3 Speisesäle,
Sporthalle, Leseraum, Bibliothek, 2 Ärzte, Zahnarzt, 48
Badezimmer, 100 Duschen, 145 Toiletten
Reichsautobahn: Hitler prophezeit, die RAB werde ihn
überdauern
und Hitler behält Recht (S.320). Hitler brüstet sich, der
Bau koste nichts, weil Arbeitslose beschäftigt würden
(S.321).
Neue Rezession in GB und in den "USA"
(S.202). Die gesamte Wirtschaftsentwicklung
stagniert bis 1939 (S.203).
[nicht erwähnt: Die Demokratien werden von Hitler und von
Stalin gleichzeitig ausgelacht].
Wohnungsnot: öffentliche Investitionen nur 1,3 %
1933 noch 5,8 % (S.227)
Preissenkung für den Volksempfänger (VE) dank
Massenproduktion
von 76 auf 59 RM, dabei Teilzahlungssystem von 18
Monatsraten möglich (S.301).
1937
Einrichtung von
Adolf-Hitler-Schulen
-- Adolf-Hitler-Schulen sind nationalpolitische
Erziehungsanstalten mit erheblich höherem
Arbeiterkinder-Anteil als üblich (S.295), von der HJ geführt
-- Aufnahme mit vollendetem 12. Lebensjahr, 6 Klassenstufen
-- aufgenommen werden Jungen, die sich im Jungvolk
"hervorragend bewährt" haben und vorgeschlagen werden
-- die Schule ist gratis, am Ende Reifeprüfung, damit steht
dem Absolventen jede Laufbahn in der Partei und im Staat
offen (S.298), unabhängig von Rang, Stand, Geburt und
Reichtum
-- die Adolf-Hitler-Schulen eröffnen Aufstiegschancen, die
es zuvor nie gegeben hat
-- diese NS-Eliteschulen behalten Modellcharakter für die
Zukunft (S.296)
-- die NS-Gegner sind in Ohnmacht, weil die Gründung dieser
Schulen wirklich eine revolutionäre Tat der
Gleichberechtigung darstellt, und Hitler hat das erreicht,
was die Liberalen immer gefordert haben, dass die oberen
Klassen nicht mehr für die oberen Schulen privilegiert
werden (S.297).
Mangel:
-- die Auslese wird nur nach "Gläubigkeit", nach
Führer-Hörigkeit vorgenommen
-- aber der Anteil der Arbeiterkinder in
Adolf-Hitler-Schulen ist nach Kindern aus Beamten- und
Angestelltenfamilien mit 19,5 % der drittgrösste Anteil, aus
Akademikerfamilien sind nur 2,2 % der Schüler (S.297).
ab Anfang 1937 ca.
Anwachsendes Selbstbewusstsein bei der Arbeiterschaft
Bereitschaft zu Kritik und Protest an den Arbeitsbedingungen
und Arbeitszeiten (S.277).
14.3.1937
Kirche: Präsentation der Enzyklika "Mit brennender Sorge"
durch Faulhaber - kein Bruch mit dem NS-Regime
-- Stellungnahme gegen die rassistischen Grundlagen des
3.Reiches
-- Stellungnahme gegen die antikirchlichen Massnahmen
-- aber: kein Aufkündigen der Loyalität
-- sondern: Huldigen Hitlers als den von Gott berufenen
Führer (S.402).
Sommer 1937
Die Berlin-Feier hebt die
Stimmung auf ein Maximum
(?) [Berlins
erste urkundliche Erwähnung 1237, In: Berlin; In:
dtv-Lexikon 1990 Bd. 2, S.211].
1.7.1937
Widerstand: Niemöller kommt ins Gefängnis
(S.406).
29.7.-30.11.1937
München: Ausstellung
"Entartete Kunst"
im Haus der Deutschen Kunst, rund 2 Mio. Besucher:
730 Werke von 112 Künstlern werden dem Spott preisgegeben,
u.a. Werke von
George Braque, Marc Chagall, Lovis
Corinth, Max Ernst, August Macke, Franz Marc, Paul
Cézanne, Giorgio de Chirico, Paul Gauguin, Vincent van
Gogh, Wassily Kandinsky (S.190),
Paul Klee, Oskar
Kokoschka, Henri Matisse, Pablo Picasso (S.191).
NS-Kommentar zur "entarteten Kunst" gemäss
Karl Korn
(geb. 1908) am 21.7.1937 im "Berliner Tageblatt": Die Werke
seien Ausdruck von Zerwühltheit, Zerrissenheit, die Freude
am Schrecklichen, Rauschhaften, Chaotischen, es sei nicht
das echte Dämonische, sondern das "falsche Fratzengebilde"
(S.192).
13.9.1937
Proklamation Hitlers zum Reichsparteitag: Auslese im Volk
muss fortgesetzt werden
Hitler: Es ist von "höchster Wichtigkeit", den sorgfältigen
Ausleseprozess in der Führung der Nation "auf allen Gebieten
weiter zu treiben und nicht vor irgendwelchen Widerständen
oder Hemmungen formaler Art zu kapitulieren." (S.295)
27.9.1937
Mussolini-Besuch in Berlin
mit Theaterdekoration
-- die Stadt ist von Bühnenbildner und Filmarchitekt
Benno
von Arent theatralisch dekoriert wie an einer
Opernaufführung
-- weisse Pylonen [Eingangstore mit Ecktürmen] mit grossen
Adlern, Hakenkreuzen, Liktorenbündeln [Dienergruppen],
Fahnentürme mit z.T. künstlerisch verknoteten Fahnen in
italienischen und deutschen Farben am Brandenburger Tor und
am Pariser Platz, Fahnenmeere an der Wilhelmstrasse, Licht
aus ungezählten Scheinwerfern, insgesamt eine "Via
triumphalis"
-- das Volk reagiert hektisch begeistert, ist aufgeputscht,
quasi an einem Theater mitspielen zu können (S.138)
-- internationale Film-, Musik- und Kabarett-Szene in Berlin
(S.139), [die "Gute Laune"].
5.11.1937
Hitler kündet Schacht seinen Lebensraum-Krieg bis
1943-1945 an
-- Hitler gibt vor, er müsse die Wehrmacht unterhalten
-- deswegen müsse man den Lebensstandard senken
-- um das Dilemma zu lösen, muss man die "Raumfrage" bis
spätestens 1943-1945 lösen (S.215).
Hitlers geheime Motive für den Krieg
-- Hitler fürchtet, er werde bald sterben und könne daher
den Krieg nicht mehr selbst führen
-- der Zeitpunkt für Krieg wird deswegen entscheidend nach
vorne verlegt (S.215).
26.11.1937
Schacht tritt als Reichswirtschaftsminister zurück
(S.214)
ab 1937
Steigende Rüstungsausgaben, irreparable
Staatsverschuldung
Wirtschaftsminister Schacht sieht die Währung gefährdet
(S.214).
Ende 1937
Gesetzesänderung zum Ehestandsdarlehen: Aufhebung des
Arbeitsverbots für die Frau
-- emporschnellende Anträge auf Ehestandsdarlehen
-- bis 1939 erhalten 42 % der Paare ein Darlehen (S.220).
1937/1938
Schreibverbot für Gottfried Benn
(?)
1937-1944 jeweils 1 Tag vor dem Führer-Geburtstag
Marienburg / Westpreussen:
Aufnahme des "Jungvolk" der HJ
Die gesamte
Jugend Deutschlands muss zur "Aufnahme" in das "Jungvolk"
der HJ nach Marienburg fahren, eine gotische
Backstein-Ordensburg von 1274 (S.502).
1938
bis 1938
Hitler hat mit seiner Taktik der Selbstverharmlosung in
Europa Erfolg
(S.134)
ab 1938
Aufrüstung spielt erst ab 1938 für die Wirtschaft eine
grosse Rolle
(S.208)
1938
Hitlerismus in Deutschland
-- 9/10 aller Deutschen stehen für Hitler ein
-- die Massenarbeitslosigkeit ist beseitigt
-- die Hitler-Diktatur gibt nach aussen ein seriöses Bild ab
(S.202)
-- Steigerung der Anzahl der Erwerbstätigen von 1932 bis
1938 um 112 % (S.202).
-- Anstieg des realen Volkseinkommens 1933-1939 um 8,2 %
jährlich, der höchste je gemessene Anstieg (ist noch mehr
als der Anstieg von 1949-1959 in der BRD) (S.203).
Lohnstop: Vertuschen des Währungszerfalls vor dem Bürger
Verfügung höherer Einkommenssteuern, so dass die Löhne nicht
steigen können (S.214).
Geburtenrate: 19,6 Geburten auf 1000 EinwohnerInnen
Erreichen des Niveaus von 1924-1928. Die
NS-Propaganda hatte aber weit höhere Geburtenraten erwartet
(S.224).
Rate unehelicher Kinder noch 7,6 %
1934 noch 8,5 % (S.225).
3.Reich: Über 50 % der Industrieproduktion ist
kartellisiert
(S.257)
1938
Entschuldung der
Bauernbetriebe ist abgeschlossen
(S.289-290). Folgen:
-- Hitler gewinnt alle Bauern für sich (S.290)
-- die Autarkie ist 1938/1939 zu 83 % gewährleistet
(1927/1928 zu 68 %)
-- Autarkie bei Brotgetreide: mehr als gedeckt
-- Autarkie bei Kartoffeln: abgedeckt
-- Autarkie bei Zucker: abgedeckt
-- Autarkie bei Fleisch: beinahe abgedeckt
-- Autarkie bei Gemüse: beinahe abgedeckt
-- Autarkie bei Fett: zu 50 % abgedeckt (S.291)
1938
Wohnungsnot: öffentliche Investitionen nur 1,2 %
-- 1933 5,8 %, 1937 noch 1,3 % (S.227)
-- es fehlen in den Städten 1,5 Mio. Wohnungen (S.227)
-- die Miete beträgt z.T. bis 1/4 des Lohns
-- die Deutsche Arbeiterfront DAF muss die Wohnungsnot
zugeben (S.227).
-- 1939 kostet eine "Heimstätte" 4500-6000 RM, keine grosse
Subvention wegen Rüstungsausgaben
-- ab 1939 Angleichen der Etagenwohnungen an den
Heimstätten-Stil (S.228).
1938
Lebensmittelknappheit: Fleisch und Fett werden für den
Grossteil der Bevölkerung zu teuer
(S.237)
Die Erfindung des Bouillonwürfels
Glücksritter in der Lebensmittelknappheit ist ein
Zahnarzt aus Mannheim als Bouillonwürfel-Hersteller
-- Bouillonwürfel aus Salz, etwas Hefe, minderwertiger
Rindertalg
-- Absatz v.a. durch Krankenhäuser, Militärküchen,
Restaurants, dann auch Privatmarkt (S.237)
-- die Bratlinge derselben Firma nennt der Volksmund
"Hermann-Göring-Koteletts", offiziell sind die Bratlinge aus
reinstem Fischmehl, aber sie schmecken nach gar nichts und
niemand glaubt das
-- das Eipulver derselben Firma wird in Tüten zu 10 Pfennig
verkauft, mit angeblichem Nährwert wie 3 Eier
-- der Hersteller wird neben seinem riesigen Umsatz noch
staatlich gefördert, denn er hilft dem 3.Reich, Devisen zu
sparen (S.238).
1938
Neues Jugendgesetz mit Mindesturlaub
-- Mindesturlaub für Jugendliche unter 16 Jahren: 15 Tage
-- Mindesturlaub für Jugendliche von 16-18 Jahren: 12 Tage
-- Urlaub im HJ-Lager ist empfohlen (S.311).
Mehr als 2/3 der Arbeiter der metallverarbeitenden
Industrie hat 7-12 Tage bezahlten Urlaub
noch länger 7,5 % (S.311).
KdF-Luxusdampfer "Robert Ley" fertiggestellt
(S.312).
Schönheit der Arbeit (SdA): Entwurf eines
SdA-Reichsgesetzes
aber keine Realisierung (S.306).
Fernsehen: Erstes vollelektronisches Fernsehstudio der
Welt in Berlin
angestrebte Entwicklung: ein Fernseh-Volksempfänger (S.303).
21 NAPOLA (Nationalpolitische Erziehungsanstalten)
(S.300)
Hitler lässt die ganze Wehrmacht unterwerfen mit einem
Eid auf seinen Namen
(S.242)
1938?
-- die Kapitalzinsen bleiben hoch
-- die Unternehmen profitieren vom Lohnstop und Preisstopp
(S.233).
Tabelle: Europäische Arbeitslosenquoten
1938 im Vergleich |
Drittes Reich |
3,2
% |
mit Hochkonjunktur |
Frankreich |
7,8
% |
mit Rezession |
England |
12,9
% |
mit Rezession |
"USA" |
26,4
% |
trotz riesiger
Arbeitsbeschaffungsprogramme |
|
|
(S.273) |
1938
Umsatz der Warenhäuser: 70,1 % von 1928
Umsatz des gesamten Einzelhandels: 93,7 % von 1928
Verbot neuer Einrichtungen und Erweiterungen der Warenhäuser
bis 1945
(S.261).
Gründung des Werks "Glaube und Schönheit" für 17-21 Jahre
alte Frauen
-- ist der HJ angegliedert
-- Ausbildung auch in Kosmetik und modernen
Gesellschaftstänzen
-- reiten, Tennis, "im müssigen Sonnenbad der Schönheit
ihres Körpers huldigen" (S.346).
Umfunktionierung der Reichsberufswettkämpfe RBWK zum
"Wettkampf aller schaffenden Deutschen"
ohne Altersgrenze (S.340).
Leni Riefenstahl bekommt für die Olympiafilme den ersten
Preis der Venedig-Biennale
(S.127)
Tabelle: Erfolgsautoren im Dritten Reich |
Verfasser |
Titel |
Auflage |
1. Richard Voss
(1851-1918) |
"Zwei Menschen"
(1911) |
860.000 Exemplare |
2. Waldemar Bonsels
(1880-1952) |
"Die Biene Maja und
ihre Abenteuer" (1912) |
770.000 Ex. |
3. Ludwig Ganghofer
(1855-1920) |
"Schloss Hubertus"
(1895) |
677.000 Ex. |
4. Felix Dahn
(1834-1912) |
"Ein Kampf um Rom"
(1876) |
615.000 Ex. |
5. Rudolf Herzog |
"Die Wiskottens"
(1905) |
583.000 Ex. |
6. Paul Keller
(1873-1932) |
"Die Heimat" (1903) |
573.000 Ex. |
7. Rudolf G.Binding |
"Der Opfergang"
(1912) |
525.000 Ex. |
8. Herman Löns
(1866-1914) |
"Der Wehrwolf" |
504.000 Ex. |
9. Rainer Maria Rilke
(1875-1926) |
"Die Weise von Liebe
und Tod des Cornets Christoph Rilke" (1906) |
500.000 |
10. Felicitas Rose (=
Rose Felicitas Moersberger) (1862-1938) |
"Heideschulmeister
Uwe Karstens" (1908) |
500.000 Ex. |
11. Walter Flex
(1887-1917) |
"Der Wanderer
zwischen beiden Welten" (1917) |
682.000 bis 1940
(S.117) |
Tabelle:
Rückgang der jüdischen Geschäfte im Dritten Reich |
|
Jahr 1933 |
Jahr 1938 |
jüdische
Einzelhandelsgeschäfte |
50.000 |
9000 |
jüdische Ärzte |
8000 |
knapp 3000,
meist für jüdische Patienten |
jüdische Juristen |
4500 |
1753 |
zugelassene jüdische
Ärzte als Krankenbehandler für jüdische Klienten |
|
709 |
zugelassene jüdische
Rechtsanwälte als Konsulenten für jüdische Klienten |
|
172 |
[Über die Auswanderung der Juden, die Schulungen als
Vorbereitung auf ein Leben in Israel etc., siehe:
Encyclopaedia Judaica, Artikel "Germany"].
[nicht erwähnt:
Herzl-Programm
Gemäss dem
Israel-Programm von
Theodoer Herzl "Der Judenstaat"
soll die Auswanderung gefördert werden und gleichzeitig die
Anzahl jüdischer Geschäfte in Europa abnehmen. Jüdische
Organisationen haben z.T. mit Hitler für die jüdische
Auswanderung nach Palästina kooperiert, weil die Demokratien
Frankreich und England wegen dem Erdöl nie eine Lösung für
eine Israel-Gründung gesucht haben bzw. jeglichen
Lösungsansatz verboten haben.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Hitler den Nahen Osten in
einem Krieg wieder in seine Gewalt hätte bringen wollen. Die
Auswanderung mit Kapitaltransfers ist also nur vorgespielt].
ab Anfang 1938 ca.
Proteste bei der
Arbeiterschaft gegen zu hohe Arbeitsbelastung
-- gegen Überstunden
-- gegen Nachtschichten (S.277).
Passive Proteste etablieren sich in der deutschen
Bevölkerung durch zunehmende
-- Feierschichten
-- Krankfeiern
-- Bummelei (S.277).
-- die ArbeiterInnen nutzen ihre verbesserte Situation auf
dem Arbeitsmarkt aus
-- es entwickelt sich so etwas wie "Tarifpolitik auf eigene
Faust"
-- Nachlassen der Arbeitsdisziplin aus normalem
Alltagsverhalten
-- keine unterschwellige Verweigerung der Kooperation
-- kein umstürzlerisches Gedankengut vorhanden, trotz aller
Systemfehler, weil es der Gesamtbevölkerung noch nie so gut
gegangen ist (S.277).
15.2.1938
Anordnung für ein hauswirtschaftliches Pflichtjahr für
Mädchen
(S.330): ist ein "hauswirtschaftliches Jahr" für Mädchen
unter 25.
Folge:
-- Entlastung des Arbeitsmarktes, gleichzeitig:
-- oft Entlastung von Bäuerinnen (S.331).
2.3.1938
Widerstand: Niemöller kommt in Prominenten-KZs
Sachsenhausen und Dachau
(S.406)
10.-13.3.1938
Österreich-Anschluss unter Hitlers Truppen
(S.394) [mit Erprobung erster Feldzugsoperationen mit neuen
Geräten und Fahrzeugen].
13.3.1938
Proklamation
Grossdeutschlands und Anschluss Österreichs -
Hitler wird für die
Deutschen zum Halbgott
-- Blumenmeer, Freudentränen
-- Wien: fanatischer Judenhass und Judenverfolgung nach dem
"Anschluss", erschreckt sogar die Gestapo (S.154)
-- NS-Gegner
Gerd Bucerius:
"Dass der Anschluss ein Anschluss an ein Zuchthaus war, das
sahen die Menschen nicht; für 99 % der Bürger war es auch
keins", in "Die Zeit", Hamburg 15.3.1985 (S.153)
-- Hitler geniesst das grösste Mass an Zustimmung durch die
Versailles-Korrekturen (S.153)
-- Österreich wird zur Ostmark Grossdeutschlands
-- jüdische Familien in Österreich leben in Angst, Schmerz,
Leid, viele Selbstmorde, wer kann, geht ins Ausland
-- das Bewusstsein der deutschen Bevölkerung nimmt von der
Judenverfolgung kaum mehr Kenntnis, Hitler ist ihr Halbgott
(S.154).
-- viele Sozialdemokraten sagen Ja zum Anschluss, z.B. der
spätere Bundespräsident Theodor Körner (1875-1957), Karl
Renner (1870-1950)
-- Ja-Stimmen zum Anschluss aus dem Exil:
Friedrich
Alder (1879-1960), Otto Bauer (1881-1938) (S.397).
Österreich-Anschluss unter Hitlers Truppen
(S.394) [mit Erprobung erster Feldzugsoperationen mit neuen
Geräten und Fahrzeugen].
ab 13.3.1938
Österreich: kaum Widerstand gegen das NS-Regime
Die österreichische Bevölkerung denkt sehr
opportunistisch nach dem gefeierten Anschluss, kaum
Widerstand gegen das NS-Regime (373).
Anschluss: Wien wird zweite Hauptstadt Grossdeutschlands
(S.521)
Anschluss Österreichs: Judenverfolgung
In Wien leben 10 % Juden. Sie werden zum Freiwild der SA,
sadistische Erniedrigung, Ausbeutung, blanker Terror (Studie
des österreichischen Zeithistorikers
Hans Safrian
und
Hans Witek):
-- "Reibeaktionen" durch die Strassen, Ausrauben von
Geschäften, Besetzen fremder Wohnungen (S.386),
Ausschreitungen gegen Juden auf eigene Faust
-- Motto: jeder, der eine Hakenkreuzbinde trägt, hat das
Recht, Juden zu verfolgen, z.T. jenseits jeder Vorschrift
auch für die NS-Machthaber
-- Reklamationen beim Gauleiter
Josef Bürckel durch
ältere NSDAP-Mitglieder mit Namensnennung
-- Motive der Ausschreitungen: schlagartige "Arisierung" von
Geschäften
-- die Vorkommnisse in Wien haben Modellcharakter für
spätere Ereignisse (S.387).
28.3.1938
Hitler bejubelt die Überwindung von Bürgertum und
Proletariat
Hitler:
"Bürgertum und Proletariat sind beide auf der Strecke
geblieben, und Sieger ist die deutsche Nation." (S.335)
10.4.1938
Abstimmung über den Anschluss Österreichs und die
Errichtung "Grossdeutschlands"
(S.394)
-- Hitler erfüllt Österreichern und Deutschen den Traum des
Grossreichs (S.394) [dieser Traum wurde sei 1871 geträumt,
in Österreich auch gegen die osteuropäischen Bevölkerungen
und gegen den Kaiser gerichtet]
-- Abstimmung im "Altreich": 99,02 % Ja
-- Abstimmung in Österreich: 99,73 % Ja (S.394)
ab April 1938
Expansion der Deutschen Bank, Dresdner Bank und
Commerzbank in Österreich
-- mit Beteiligungen und Unterbeteiligungen
-- enge Tuchfühlung mit der SS, Dresdner Bank mit Beinamen
"SS-Bank" (S.243)
April 1938
Reichsaktion
"Arbeitsscheu"
-- ist eine
populäre Massnahme
-- die Gestapo lässt gemäss Listen der Fürsorge- und
Arbeitsämter "asoziale und arbeitsscheue Personen" ins KZ
bringen zu Zwangsarbeit
-- Verfehmung der Betroffenen als "Parasiten der
Gemeinschaft"
-- Wirkung: die Arbeitsbereitschaft beim überwiegenden Rest
dieses Personenkreises nimmt zu (S.178).
April 1938 ca.
Schuschnigg bietet aus der Haft Hitler seine "Dienste" an
denn Hitler habe das vollendet, was Bismarck
begonnen habe (S.154).
30.4.1938
Jugendschutzgesetz
-- alle Jugendlichen sollen zu körperlich und seelisch
gesunden Volksgenossen erzogen werden
-- Schutz und Förderung, um ihre Leistungsfähigkeit zu
steigern
-- Ausdehnen des Jugendschutzes von 16 auf 18 Jahre
-- Verbringen des Mindesturlaubs in Lagern
-- keine Änderungen in der Jugendfürsorge (S.357)
-- Entwurf eines Jugendwohlfahrtsgesetzes, das aber nicht
mehr realisiert wird, darin wird das Ziel der Erziehung
formuliert:
"Ziel der Erziehung ist der körperlich und seelisch gesunde,
sittlich gefestigte, geistig entwickelte, beruflich tüchtige
deutsche Mensch, der rassebewusst in Blut und Boden wurzelt
und, getragen von den lebendigen Kräften des Christentums,
Volk und Staat verpflichtet und verbunden ist." (S.358)
Jugendfürsorge
Unterscheidung von drei Kategorien von Jugendlichen, die in
der Fürsorge landen:
a) gute Elemente: erbgesund, normal begabt,
eingliederungsfähig, untergebracht in NSV-Jugendheimstätten
b) halbgute Elemente: Fürsorge-Erziehung gemäss
Reichsjugendwohlfahrtsgesetz 1922: Diese Jugendlichen können
sterilisiert werden
c) böse Elemente: Fälle, die als schwersterziehbar gelten,
ab 1940: in Polizei-Jugendschutzlagern untergebracht, nach
der Volljährigkeit im Arbeitshaus oder im KZ (S.358).
26.5.1938
VW als "KdF"-Wagen -
Porsche macht Karriere
-- Hitler tauft den "Volkswagen" VW als "KdF"-Wagen
--
Porsche wird Geschäftsführer der "Volkswagen
GmbH", des jetzt grössten deutschen Autowerkes
-- Porsche erhält 1938 den "Deutschen Nationalpreis für
Kunst und Wissenschaft" (= der NS-Ersatz für den Nobelpreis)
-- Hitler benutzt den VW, um für das NS-Regime im Ausland zu
werben (S.318).
Sommer 1938
Ernüchterung in Österreich über den Anschluss
-- Ändern von Namen und Auslöschen von Traditionen
-- neue Gliederung in sieben Reichsgaue
-- harte NS-Praxis (S.397).
Sommer 1938
Sudetenkrise
-- drohender Krieg mit den Westmächten wegen
Anschlussforderung Hitlers (S.154)
-- die Radiosender der deutschen Bevölkerung sind
v.a. BBC London und Radio Beromünster, da der deutsche
Rundfunk mangelhaft unterrichtet (S.302)
25.6.1938/13.2.1939
Verordnungen: Militarisierung des Arbeitsmarkts wegen
Dienstverpflichtung
(S.276)
6.7.1938
Definition neuer Scheidungsgründe
Formalisieren der Gründe "Zerrüttung" nach 3 Jahren
Trennung, "Untreue" und "verfrühte Unfruchtbarkeit". (S.221)
Scheidungen mehren sich nach dem neuen Scheidungsrecht, 1939
fast 62.000 Scheidungen (1933-1938 jährlich 43.000-50.000),
viele aufgrund der neuen Definition der Zerrüttung bei Ehen,
die vor 20 und mehr Jahren geschlossen wurden (S.221).
Der Kriegssituation gemäss werden ab 1939 geschiedene Frauen
dem Arbeitsmarkt zugewiesen (S.222).
5.9.1938
VW: Hitler will mit dem VW
das Velo abschaffen
Hitler zu seinem Heeres-Adjutanten
Gerhard Engel:
-- der VW soll dem Arbeiter das Fahrrad ersetzen
-- er will noch erleben, dass jeder Facharbeiter seinen
Volkswagen hat (S.318).
6.9.1938
Hohn zum Reichsparteitag: Die Demokratien zeichnen sich
aus durch Arbeitslosigkeit
Hitlers Proklamation:
"Wenn man in anderen Staaten darin (Arbeitskräftemangel im
Dritten Reich, HJE) nun das ersehnte Zeichen einer damit
eben doch noch vorhandenen wirtschaftlichen Schwäche des
Dritten Reiches erblicken will, so können wir gerne bei uns
diese Schwäche des Fehlens von Arbeitskräften ertragen und
den Demokratien die Stärke der Arbeitslosigkeit überlassen."
(S.273)
27.9.1938
Kriegsdrohungen Hitlers gegen die Tschechoslowakei
(S.154)
Plan zum Sturz Hitlers in Offizierskreisen
Ein Kern politisch oppositioneller Militärs will
Hitler stürzen, falls dieser einen Krieg vom Zaun bricht,
ihn verhaften und vor Gericht stellen (S.415).
28.9.1938
Erfolgloser Propagandamarsch für Krieg: Panzerkolonnen
und motorisierte Verbände
demonstrieren durch Berlin
(S.154). Reaktion der Bevölkerung:
-- versteinerte Gesichter in der Bevölkerung
-- Hitlers Reaktion auf die versteinerten Gesichter: Er
verbietet der deutschen Presse, über diese Truppendurchfahrt
in Berlin zu berichten
-- Hitler ist tief enttäuscht, dass keine Spur von
Kriegsbegeisterung im Volk vorhanden ist (S.155).
29./30.9.1938
Europa nach der Konferenz
von München: Versailles von 1919 ist Geschichte
-- die Versailler Friedensordnung ist territorial zerfetzt
-- die Situation ist der krönende Abschluss alter
grossdeutscher Sehnsüchte und Hoffnungen
-- Hitler wollte eigentlich Krieg, Mussolini hat Hitler
bremsen können und "vermitteln" können
-- Hitler steht vor dem deutschen Volk als "Friedenskanzler"
da und wird gefeiert, obwohl er den Frieden gar nicht will
(S.135).
Oktober 1938
Sudeten-Anschluss nach der
Münchner Sudetenkonferenz
-- Chamberlain,
Daladier und Mussolini werden als "Retter des Friedens"
gefeiert
-- das deutsche Volk vertraut Hitler total, er gilt als
unfehlbar
-- Hitler ist verdrossen darüber, dass es nicht zum Krieg
kommt (S.155).
Die oppositionellen Offiziere haben keinen Grund, Hitler
festzunehmen
Der friedliche Ausgang der Sudetenkrise lässt einen
Staatsstreich des Heeres nicht zu
-- die Massen sind von Hitler begeistert, obwohl Hitler
eigentlich Krieg wollte und der "Friede"
Mussolini
und
Chamberlain zu verdanken ist
-- die Widerständler im Heer sind gescheitert, emotionelle
Krise, Ausbreiten von Desinteresse, Rückzug ins Privatleben
-- die ganze Welt anerkennt Hitlers "Grösse" (S.415).
Oktober 1938
Der Widerstand im 3.Reich
fällt in sich zusammen
-- nach der
"friedlichen" Lösung der Sudetenkrise gibt es vordergründig
keinen Anlass mehr zu Widerstand gegen das Hitler-Regime
-- niemand will sich mehr um Politik kümmern (S.415).
ab Oktober 1938
Sudetenland: Sudetendeutsche sind die "Treuesten der
Getreuen" zu Hitler
so
Bruno Kreisky, Bundeskanzler Österreichs
1989 (S.534).
8.11.1938
Hitlers Prinzipien vor den "Alten Kämpfern"
-- er ist nach den Regeln der parlamentarischen
Demokratie Kanzler geworden
-- er war damals Führer der weitaus stärksten Partei
-- er sei nicht Staatsoberhaupt im Sinne eines Diktators
oder eines Monarchen, sondern ein deutscher Volksführer
(S.168).
Einschätzung: Nur vielleicht 5 % der Deutschen würden diesen
Thesen Hitlers zu diesem Zeitpunkt widersprechen (S.168).
9.11.1938
[Mord des Juden Grynspan
an einem Botschaftsbeamten in Paris] - Pogrom [der SA]
gegen jüdische Geschäfte
Die "Entjudung" der deutschen Wirtschaft wird abgeschlossen,
das restliche jüdische Vermögen enteignet (S.380) [Dies
stimmt so pauschal nicht].
Das Pogrom zerstört alle Hoffnungen auf weitere jüdische
Existenz-Chancen in Deutschland:
-- die Bevölkerung leistet keine spontane Zustimmung, ist
verschüchtert, schockiert, teilweise offen angewidert
-- die Jugend (BdM, HJ) empfindet keine Scham vor brennenden
Synagogen und umgeworfenen Grabsteinen, denn für sie ist die
antisemitische Einstellung "Normalität"
-- z.T. erfolgen Diebstähle aus jüdischen Geschäften mit
zerbrochenen Schaufenstern
-- Opportunisten im deutschen Volk sagen: Solange ich kusche
und das Maul halte, kann mir nicht viel passieren; abgeholt
werde nur die andern... (S.381)
-- die Gewalt der Zerstörung von Hab und Gut wird im Innern
nicht toleriert
-- viele Deutsche, auch Nazis, kommen zu Ex-Reichskanzler
Brüning,
um zu bezeugen, wie sie sich schämen (S.382).
Die Kirchen in Deutschland äussern keine öffentlichen
kirchlichen Proteste... (S.403).
10.11.1938
Hitler-Geheimrede vor 400
Journalisten: Abkehr von der Friedenspolitik
-- Hitler verkündet die Abkehr von der Friedenspolitik
-- Hitler erklärt sein Täuschungsmanöver der Friedensphrasen
und die Irreführung des Auslands
-- Hitler erklärt die geheime Aufrüstung
-- Hitler: "... Die Umstände haben mich gezwungen,
jahrzehntelang fast nur vom Frieden zu reden." (S.134)
[nicht erwähnt: Hitler eifert dem weltweiten Vorbild Japan
und Stalin nach, die bisher ungestraft Terror und Expansion
betreiben].
25.11.1938
Pogrome gegen Eigentum sind in der Bevölkerung nicht
willkommen
-- Meldung der Gendarmerie-Station
Waischenfeld/Bayern
-- "Von der Mehrzahl der Bevölkerung" werde kein Verständnis
dafür aufgebracht, "dass man ohne weiteres fremdes Eigentum
zerstören darf." (S.382)
-- eine Mehrheit der Bevölkerung missbilligt stillschweigend
das Pogrom (S.381).
21.12.1938
Hebammengesetz gegen Frühgeburten und Kindersterblichkeit
Jede deutsche Frau hat das Recht auf Beistand einer Hebamme,
jede schwangere deutsche Frau hat die Pflicht, prompt eine
Hebamme zu rufen (S.223).
bis Ende 1938
65 jüdische Zeitungen und Zeitschriften
-- vermitteln jüdische Erziehung
-- vermitteln jüdische Kulturarbeit
-- vermitteln Emigrationsvorbereitung (S.380).
Ende 1938
Hitler ist "Mann des
Jahres" von "Time"
(S.155)
Warner warnen vor Hitler als einem zweiten Napoleon
-- denn Napoleon habe auch gegen einzelne Armeen
gewonnen, dann aber gegen eine europäische Gesamtkoalition
verloren (S.135-136)
-- die Warner werden als "Miesmacher" ignoriert
(S.136).
HJ hat 8,7 Mio. Mitglieder
nach Eingliederung der Jugendverbände Österreichs
und des Sudetenlandes (S.346).
Erst jetzt realisiert Schacht, dass der Sinn von Hitlers
Aufrüstung Krieg ist
Schacht ist weiterhin gegen die NS-Kirchen- und Judenpolitik
(S.214).
1938/1939
-- Steigerung der Zahl der Beschäftigten um 55,2 %
-- es herrscht Arbeitskräftemangel, 1 Mio. Stellen sind
unbesetzt (S.273).
Eitner: Wenn Hitler
1938/1939 gestorben wäre: Gedankenspiel
-- Nachfolger
wäre gemäss Geheimgesetz vom 19.12.1934 nach einigem Streit
Hermann Göring geworden
-- der SS-Apparat hätte sich weiter emanzipiert
-- die NSDAP wäre weiter erstarrt
-- die Wehrmacht hätte mehr Bewegungsfreiheit gewonnen
-- die Korruption wäre ins unermessliche gestiegen, denn
Göring selbst war auch korrupt
-- an der Sozial- und Wirtschaftsverfassung hätte es keine
Änderungen gegeben (S.157)
-- aussenpolitisch wäre Deutschland Hegemonialmacht in
Europa geworden, absolut unangefochten
-- vielleicht wären die Beziehungen zu England verbessert
worden
-- Göring hätte keinen Krieg gemacht
-- die Diktatur wäre weitergeführt worden
-- die Juden wären weiterhin verfolgt worden und zur
Auswanderung unter Schirmherrschaft der SS gedrängt worden,
aber wahrscheinlich ohne Judenvernichtung (S.158)
[nicht erwähnt: Stalin hätte vielleicht versucht, die
Hegemonialmacht über Europa zu gewinnen].
ab 1938
Kirche: Eid auf Hitler
wird für alle Pastoren Pflicht
(S.406)
[nicht erwähnt:
Die Kirche ist nicht fähig, die Judenverfolgung aufzuheben.
Feige stehen die Kirchen bis auf einige Ausnahmen Hitler zur
Seite. Siehe: Kahl].
ab Ende 1938
Die Diskussion um Krieg im 3.Reich
-- es erfolgt eine planmässige allmähliche
Mobilmachung für den Krieg
-- zunächst allmählich und indirekt mit psychologischer
Manipulation (S.134).
Die innenpolitischen Gegner Hitlers haben kaum Boden
-- die Demokratien der Welt haben ihren Ruf durch Versagen
gegenüber den Gewaltmächten verspielt
-- die Kriegsabsichten Hitlers werden erst jetzt diskutiert
(S.135), Warnungen verhallen ungehört (S.133) [und v.a. ohne
konsequente Taten in der Verwaltung und in den
Führungsstäben]
-- viele Hitler-AnhängerInnen trauen Hitler dennoch grössere
Einsicht in erfolgreiche Aussenpolitik zu
-- die Mehrheit der Bevölkerung im 3.Reich denkt, ein Krieg
sei undenkbar, die wenigen Warner werden als "Miesmacher"
ignoriert
-- die Skeptiker in Deutschland sagen voraus, dass Hitlers
Erfolgsserie zwangsläufig zur Kriegs-Katastrophe führen
muss, denn nach grandiosen Siegen müssen furchtbare
Niederlagen unvermeidlich sein
-- die Skeptiker vergleichen Hitler mit dem Aufstieg und
Niedergang Napoleons (S.135)
1938/1939
Ernährungsvorbereitung für den Krieg
-- die Agrar-Selbstversorgung ist zu 83 % erreicht
-- Autarkie existiert bei Brotgetreide, Kartoffeln, Zucker
-- beinahe Autarkie existiert bei Gemüse und Fleisch
-- bei Fett existiert nur zu 50 % Selbstversorgung (S.433).
ab 1938 ca.
Reichsarbeitsdienst RAD als militärischer Hilfsdienst
-- die Bedingungen sind bei den Betroffenen allgemein
akzeptiert durch "Gewöhnung"
-- Verbinden des RAD mit Länderaustausch
-- langfristig werden traditionelle gesellschaftliche
Blockaden aufgelöst (S.328): Standesdünkel wird überwunden,
Handarbeiten werden geachtet, Kameradschaft und
Pflichtgefühl im Sinne der NS-Volksgemeinschaft (S.329)
-- der RAD leistet militärische Hilfsdienste (z.B.
Westwallbau) (S.330)
-- Frauen im RAD: bis 1939 300.000: leisten Landhilfe,
Haushalthilfe oder Krankenhaushilfe (S.330).
1939
[Hitlers Party mit der
Mehrheit der Bevölkerung]
bis 1939
Deutschland: grösste Motorraddichte der Welt: 23,8 auf
1000
dafür weniger Autos als in anderen Staaten. Es wird
projektiert, dass 1940 10.000 VW im Reich rollen sollen
(S.318).
Reichsautobahn RAB: Bau
von 3065 km Strecke
1689 km sind im Bau,
mit Einbezug von "Landschaftsarchitekten" (S.320):
1939
Reinhard Höhn, Staatsrechtler, wird Direktor des
Instituts für Staatsforschung der Universität Berlin. Das
Institut steht der SS nahe (S.170).
Die Rate unehelicher Kinder: 7,7 %
bleibt praktisch stabil, 1938 7,6 % (S.225).
Funktionärsposten der NSDAP
41 Gauleiter für 36 Länder und Provinzen
808 Kreisleiter
1052 Stadt- und Landkreise
28.376 Orts (S.164) Gruppenleiter für 79'375 Gemeinden
89.378 Zellenleiter
463.048 Blockleiter (S.165)
Typen: alle Schattierungen:
-- Fanatiker
-- Idealisten
-- Faulpelze
-- Schwerarbeiter
-- Korrupte
-- Anständige
-- z.T. "kleine Hitlers" (S.165)
1939
Neues Radio: der "Deutsche Kleinempfänger" (DKE 38) für
35 RM
ist das billigste Radio der Welt
-- Abzahlung in 15 Monatsraten möglich
-- kostet etwas mehr als ein Durchschnittswochenlohn
-- 1939 haben
ca. 70 % der Haushalte ein
Radio, ist die dichteste Rundfunkversorgung der Welt
-- die Radiodichte ist Teil er Kriegsvorbereitung (S.301).
Ausländisches Radio in deutschen Stuben wird Alltag
Das Reichspropagandaministerium unter Goebbels bleibt in Wut
vorerst ohnmächtig (S.302).
Erster
Fernsehvolksempfänger: die erste Rechteckbildröhre der
Welt
Bildgrösse 20 mal 23
cm, Preis 650 RM. Hitler schenkt seiner Freundin
Eva
Braun demonstrativ einen Fernsehvolksempfänger
(S.303).
Berlin ist das Luftkreuz
Kontinental-Europas
-- 4,34 Mio.
EinwohnerInnen
-- politisches, wirtschaftliches, wissenschaftliches und
kulturelle Zentrum Deutschlands (S.447)
"Ehrenkreuz der deutschen
Mutter" als Anreiz zur mehr Geburten
Inschrift: "Das Kind adelt die Mutter"
-- beim 4. oder 5. Kind in Bronze
-- beim 6./7. Kind in Silber
-- ab dem 8. Kind in Gold (S.224).
Einschränkungen: Das Mutterkreuz erhalten nur "würdige,
deutschblütige, erbtüchtige" Mütter, nicht Mütter "asozialer
Grossfamilien." (S.224).
Die HJ ist verpflichtet, Trägerinnen des Mutterkreuzes zu
grüssen (S.224).
1939
46,6 % der Bevölkerung im 3.Reich sind verheiratet
Deutschland verzeichnet die meisten Heiraten von ganz Europa
(S.218).
[Hitlers Deutschland ist
auch Entwicklungsland]
Mechanisierung der Landwirtschaft gelingt nur zu
ca. 1/3
- 2/3 der Bauern Deutschlands sähen noch von Hand
- oft arbeiten die Bauern noch mit Pferd und Ochse ohne
Traktoren (S.290)
- bis 1945 kommt es in der Führung des Reichsnährstands RNSt
kaum zu Änderungen (S.291).
[Vorgreifend:
Die mangelnde Mechanisierung ist 1945 in Ostpreussen ein
Vorteil, denn die Pferde der Flüchtlingstrecks brauchen
keinen Treibstoff].
Forderungen der
Arbeiterschaft
-- Redefreiheit
-- wahrheitsgetreue Berichterstattung
-- höhere Reallöhne
-- unbeschränkter Arbeitsmarkt
-- weniger Abgaben für NS-Organisationen
-- kein Krieg (S.277).
Hitler will ein Regierungsviertel bauen
-- es muss wie eine Festung verteidigt werden können
-- er bekommt Angst vor der Arbeiterschaft (S.278).
Ausländisches Radio in deutschen Stuben wird Alltag
Das Reichspropagandaministerium unter Goebbels bleibt in Wut
vorerst ohnmächtig (S.302).
Erster Fernsehvolksempfänger: die erste Rechteckbildröhre
der Welt
Bildgrösse 20 mal 23 cm, Preis 650 RM. Hitler schenkt seiner
Freundin
Eva Braun demonstrativ einen
Fernsehvolksempfänger (S.303).
3.Reich: Urlaub wird Gewohnheitsrecht
Das 3.Reich hat die grosszügigste Urlaubsregelung weltweit
(S.311).
KdF: besitzt 12 Luxusdampfer
(S.312).
Mitglieder bei der NS-Wohlfahrt NSV: 11,9 Mio.
- 1,25 Mio. freiwillige Helfer
- die NSV ist nach der DAF die zweitgrösste
Massenorganisation und die grösste Organisation für
Volksfürsorge, die es in Deutschland und in der Welt je
gegeben hat (S.322).
Hitler schenkt seiner Freundin Eva Braun einen
VW-Prototyp
(S.318)
Reichsberufswettkämpfe RBWK: 3,5 Mio.
WettkampfteilnehmerInnen
650.000 Personen als Organisatoren und Kampfrichter
engagiert (S.340).
SS: 240.000 Mann mit 14.000 Führern
-- jeder 14. ist ein Akademiker
-- jeder Zwölfte ist ohne NSDAP-Mitgliedschaft
-- jeder Elfte kommt aus dem Adel: Eitner: "Kaum ein
erlauchter Name preussisch-deutscher Militärgeschichte
fehlt" (S.365)
-- die SS wird von Hitler missbraucht, Verbrechen zu begehen
im Namen staatspolitischer "Notwendigkeit" (S.367)
90 % der SS-"Kampfzeit"-Veteranen (Freicorpszeit) sind
bereits im Ruhestand (S.364).
[Hitlers Terror-Land]
Hitlers Kriegstaktik:
Blitzkriege
-- Hitler
plant keinen "totalen Krieg", sondern kurze Blitzfeldzüge
mit materieller Überlegenheit und tadelloser Organisation
-- Hitler braucht keine Generalmobilmachung, keine
Umstellung von Friedens- auf Kriegswirtschaft
-- die Unterhaltung der Bevölkerung geht weiter, ist sogar
planmässige Ablenkung während des Blitzkriegs
-- Hitler will sich die Volksgunst erhalten, indem er die
Gesellschaft so lange wie möglich nicht auf Kriegswirtschaft
umstellt
-- anders England: England stellt bei Kriegsbeginn gleich
auf Kriegswirtschaft um (S.449-450).
1939-1942
Die überaus Hitler-loyalen
Industriellen im 2.Weltkrieg
-- Hitlers
Grundsatz am 1.9.1939: niemand solle am Krieg verdienen:
"Wer aber glaubt, sich in diesen schicksalshaften Monaten
oder Jahren bereichern zu müssen, erwirbt kein Vermögen,
sondern holt sich den Tod."
-- das Gegenteil ist der Fall: Es erfolgt eine regelrechte
Gewinnexplosion bei Banken und Industrie, nachweislich durch
die Körperschaftssteuer (Einkommenssteuer der juristischen
Personen):
Tabelle: Steuersätze im Dritten Reich |
bis 1940/1941 |
30
% |
1941/1942 |
37,5
% |
ab 1942/1943 |
48,75
% |
|
(S.245) |
Tabelle: Wachstum der Körperschaftssteuer
der deutschen Firmen im Dritten Reich
(1938/1939: Index 100) |
|
ohne
Berücksichtigung der Steuer |
mit
Berücksichtigung der Steuer |
1938/1939 |
100 |
100 |
1939/1940 |
134 |
134 |
1940/1941 |
144 |
144 |
1941/1942 |
211 |
168 |
1942/1943 |
288 |
174 |
1943/1944 |
275 |
170
|
|
|
(S.245) |
-- die Grossindustriellen
leisten Hitlers Plänen Hilfe für die Weltmachtstellung
Deutschlands auf dem Kontinent
-- weitere Unterstützung kommt durch die Wehrmachtführung,
Ministerialbürokratie, Grossindustrie und Grossbanken
(S.244)
-- Strategie bei Eroberungen: z.T.: Plünderung der
Wirtschaft des besetzten Europa
-- andererseits: Zwangsverwaltung oder Eigentumsübertragung;
dadurch passiert die "Integration" der fremden Industrie ins
3.Reich, mit so genannter "Kapitalverflechtung" mit Mehrheit
der deutschen Beteiligung 51 Prozent
-- während des Krieges werden die Beteiligungen,
Bodenschätze, Ländereien und Fabriken usw. neu verteilt
[nicht erwähnt: Das Ausland wird grosszügig mit Arisierungen
bedient...]
-- Wirtschaftsführer und NS-Grossraumideologen planen
gemeinsam unter dem Stichwort "Friedensplanung" und
"Neuordnung Europas" ihre Kriegsziele: ein
Grosswirtschaftsraum "Europa" unter deutscher Führung
-- Planung der Ausbeutung der UdSSR: Russland soll das
"deutsche Indien" werden
-- russische Rohstoff- und Energiequellen sollen Deutschland
so stärken, um "Amerika" zu überholen (S.244).
-- Auschwitz: KZ-Häftlinge müssen ein Chemiewerk der
IG-Farben bauen und sich dabei zu Tode schuften (S.244)
-- die Wirtschaft im Dritten Reich bleibt z.T. sehr frei,
trotz verschärfter Wirtschaftslenkung sind Freiräume
vorhanden
-- die Industriellen gehen freiwillig über die geforderten
Anpassungen hinaus mit Arisierung und Zwangsarbeit (S.245).
-- die deutschen Industriellen und Banken halten
Verbindungen mit dem Ausland, was während des ganzen Krieges
nur Insidern bekannt ist:
oo Geschäftsbeziehungen mit den "USA"
und mit Grossbritannien über neutrale Länder und Strohmänner
oo die zahlreichen Verbindungen gehen
bis in die ausländischen Geheimdienste (S.250).
Kaum Widerstand der deutschen Industriellen gegen Hitlers
Krieg
Mit den Widerstandbewegungen haben die deutschen
Industriellen kaum Kontakt. Der Kreis der
Industrie-Opposition ist meist sehr schwach:
z.B. die Gruppe um den Grossindustriellen und
Konzernbegründer Robert Bosch (1861-1942),
Vorsitzender der Robert Bosch GmbH, der bewusst dem
Korps der Wehrwirtschaftsführer fernbleibt. Mitglieder
dieser Gruppe:
-- Tilo Freiherr von Wilmowsky (1876-1966), Schwager
von Krupp, Mitglied im Aufsichtsrat der Fried.
Krupp AG/OHG und Präsident des Mitteleuropäischen
Wirtschaftstages
-- Ewald Loeser (1887-1970), Krupp-Direktor
-- Albert Vögler (1877-1945),
Aufsichtsratsvorsitzender der Vereinigten Stahlwerke AG
-- Hermann von Siemens (1885-1986)
-- Hermann Bücher (1882-1951), Generaldirektor des
AEG-Konzerns
-- Paul Reusch (1868-1956), Generaldirektor des
Haniel-Konzerns, erzwungener Rücktritt 1942 durch das
NS-Regime (S.248).
Politische Einstellung des industriellen "Widerstandes":
nur Krieg gegen die Sowjetunion
-- Befürworten eines Waffenstillstands im Westen
("Westkonzeption")
-- Befürwortung der Weiterführung des Krieges gegen die
Sowjetunion (S.248)
-- die Industriellen gehen aber nie kompromittierende
Verpflichtungen ein
-- die Industriellen planen auch schon realistische
Programme für die Zeit nach einer Niederlage (S.249).
ab 1939
Industrieller Schulte übermittelt dem Ausland Hitlers
Kriegskurs
Sonderling Eduard Schulte (1891-1966),
Generaldirektor des Giesche-Konzerns in Breslau, übermittelt
ab 1939 Informationen über Hitlers Kriegskurs an
ausländische Kontaktleute (S.248).
20.1.1939
Entlassung von Schacht als Reichsbankpräsident
(S.214);
-- Schacht bleibt Minister ohne Geschäftsbereich bis 1944
(Schacht, dtv-Lexikon 1990)
-- Schacht war Garant des "deutschen Finanzwunders". Hitler
brauchte ihn bis vor dem Krieg. Dann macht Hitler
Inflations- und Kriegspolitik (S.214).
[nicht erwähnt:
Schweizer Banken helfen dem Dritten Reich über den Engpass,
bis die Schweiz nach dem Frankreichfeldzug 1940 selbst von
NS-Truppen eingeschlossen ist und dem 3. Reich jeden Kredit
gewähren muss].
30.1.1939
Hitler bejubelt die
Erziehung zur "Volksgemeinschaft"
"Der
Nationalsozialismus ... stellt in seiner Volksgemeinschaft
ein zeitloses Ziel auf, das nur durch fortgesetzte und
dauernde Erziehung angestrebt, erreicht und erhalten werden
kann." (S.335)
[bei Ausgrenzung von all denjenigen, die nicht zum "Volk"
gehören sollen]
Hitler sieht sich als "Volksvater" der
"Volksgemeinschaft". Die Bausteine:
-- Haushaltjahr für höhere Töchter
-- Reichsarbeitsdienst für die verweichlichten Bürgersöhne
-- die Wehrpflicht als "Schule der Nation"
-- der "kurze Prozess" für Kriminelle aller Art
-- das Ausmisten "entarteter Kunst" aus den Museen
-- die Belohnung: der Goldmedaillensegen der Olympiade 1936
(S.335).
Erziehung zur "Volksgemeinschaft"
-- potentielle Konflikte werden durch "Integration
der Gesellschaft" entschärft (S.335)
-- soziale Konflikte werden zu vermeiden versucht mit
Verdrängung oder Stilllegung bzw. Betäubung
-- Sammlungsruf: "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" (S.336).
13.2.1939
Verordnung: Militarisierung des Arbeitsmarkts wegen
Dienstverpflichtung auf unbeschränkte Dauer
Arbeit wird zur Arbeit von "besonderer staatspolitischer
Bedeutung" (S.276).
Frühjahr 1939
Ca. 90 % der
deutschen Bevölkerung stehen "treu" hinter Hitler
-- das Volk identifiziert sich mit seinem Führer ungeachtet
gewisser Mängel, schätzungsweise 90 %
-- Deutschland in dieser Form ist die Vollendung einer Art
Revolution gegen Versailles und gegen demokratische
"Experimente" am Volk
-- die Verschmelzung zwischen Hitler und der deutschen
Bevölkerung ist total (S.156)
-- das Volk wird z.T. wundergläubig, wird wie eine
Kinderschar, die von Hitler beschenkt wird
-- das Reich wächst, alles wird besser, die Wirkung auf die
Kleinbürger ist enorm
-- die Bevölkerung ist im Zustand des Glaubens, der
Begeisterung, des Berauschtseins
-- das Privatleben ist meist sehr leise, kein Jubel, sondern
stille Treue mit dem Gefühl des Aufstiegs (S.156)
-- die Verfolgung von Minderheiten wird verdrängt und
heruntergespielt, denn für die grosse Mehrheit gibt es
kleine bis grosse Vorteile und Hoffnungen (S.156-157)
-- Hitler bringt also eine triumphale Euphorie und
gleichzeitig ein schlechtes Gewissen (S.157).
25.3.1939
HJ-Gesetz: Die HJ wird
Pflicht für alle Kinder
-- wird somit
eine "vormilitärische Erziehung"
-- die HJ gewinnt öffentlich-rechtliche Erziehungsgewalt
über die Jugendlichen
-- Besoldung der hauptamtlichen Führer der HJ durch die
NSDAP (S.345).
ab April 1939
Expansion der Deutschen Bank, Dresdner Bank und
Commerzbank in Tschechien
-- mit Beteiligungen und Unterbeteiligungen
-- enge Tuchfühlung mit der SS, Dresdner Bank mit Beinamen
"SS-Bank" (S.243)
[nicht erwähnt:
Von April bis August 1939 pokern die Grossmächte um Polen,
das einem Russlandfeldzug im Weg steht. Polens Regierung
pokert mit, statt eindeutig Stellung zu beziehen. Am Schluss
steht Polen ohne Bündnis da...].
1.5.1939
Freiheit nach Definition Hitlers:
"Soweit das Interesse der Volksgemeinschaft dem
einzelnen Freiheit gibt, ist sie ihm gegeben. Dort, wo seine
Freiheit die Interessen der Volksgemeinschaft
beeinträchtigt, hört die Freiheit des einzelnen auf. Dann
tritt die Freiheit des Volkes an die Stelle der Freiheit des
einzelnen."
[und Hitler bestimmt die Orientierung der
"Volksgemeinschaft"].
Mai 1939
Ungarische Arbeiterpartei "Pfeilkreuzler" hat Wahlerfolge
in Industrie-Vorstädten Budapests
(S.280)
15.6.1939
Neues Gesetz über die Reichsbank: Aufheben der Begrenzung
der Kreditversorgung
durch die Reichsbank (S.214).
30.6.1939
Luzern: Versteigerung
deutscher "entarteter Kunst"
Luzern bietet
den Schauplatz für eine internationale Versteigerung
moderner Gemälde zu z.T. völlig lächerlichen Preisen. Der
unverwertbare "Rest" wird ins 3.Reich nach Berlin
zurückgebracht (S.191).
27.8.1939
Hitler-Ansprache vor dem Reichstag: Einleitung des
Krieges
-- Tagebucheintrag des Chefs des
Heeres-Generalstabs Franz Halder (1882-1972): "Applaus
befehlsgemäss, aber dünn"
-- ein amtliches Kommuniqué berichtet fälschlicherweise von
"stürmischer Ovation" (S.472).
28.8.1939
Ausgabe erster
Lebensmittelkarten
-- Rationierung aller Grundnahrungsmittel, volle
Lebensmittelrationierung erst 1942/1943 (S.434)
-- die Rationierungen berücksichtigen die Altersklassen und
Arbeitsleistungen
-- Bevorrechtigungen: Soldaten, Schwer- und
Schwerstarbeiter, werdende Mütter und Kleinkinder
-- am schlechtesten werden versorgt: Mütter mit kleinen
Kindern (S.434).
-- die Rationierungen gelten als erstrangiges Politikum
(S.434).