8d. Ab 750: Arabisch-christliche
Abbasiden mit wissenschaftlicher Blüte - Arabisch-christliche
oder arabisch-humanistische Gelehrte
Die meisten der arabischen Gelehrten waren auch Ärzte,
entweder im Haupt- oder im Nebenberuf [S.163].
Um 750 war die Macht der Marwaniden zu Ende
gegangen. Ihre Nachfolger, die "Abbasiden",
errichteten ihre Residenzen weiter im Osten,
vornehmlich in Bagdad und Samarra [[nördlich von
Bagdad]]. Unter der Regentschaft einiger ihrer
Herrscher erlebten die Wissenschaften eine wahre
Blüte. Hier wurde der Grundstock zur weithin geteilten
Meinung gelegt, das islamische Mittelalter sei dem
europäischen weit überlegen gewesen: Das sind die
"Goldenen Zeiten" der islamischen Wissenschaften.
Die Akten des Privatlehrers al-Kindi
Jakub ibn Ishak al-Kindi wurde um 800 in der
Kulturstadt Kufa in Mesopotamien geboren [s.157].
Al-Kindi hat mehr als 200 Schriften hinterlassen. Er
scheint bisweilen konfus und unfertig, aber im Zentrum
steht bei ihm die Propagierung des selbständigen
Denkens. Er selber titulierte sich mit dem Fremdwort
"Philosoph" und unterstrich unablässig die Wichtigkeit
der Erkenntnis der Wahrheit, gleichgültig, woher diese
stamme. Er markierte den Anfang einer Reihe arabischer
Philosophen. Sein Denken ist der koranischen Lehre
diametral entgegengesetzt [S.158].
[Akten des Privatlehrers al-Kindi: Erdphysik und
indische Zahlen (arabische Ziffern)]
Es war die Regierungszeit des wissbegierigen und
aufgeklärten Herrschers al-Mamun in Bagdad. Über den
Bildungsweg al-Kindis wissen wir [S.157] nicht näher
Bescheid, aber er wurde zum Privatlehrer eines Neffen
Mamuns, des späteren Herrschers Mutasim, bestellt.
Einige seiner Unterrichtsmaterialien sind uns
überliefert. Etwa eine Erörterung darüber, warum die
Erde als Kugel frei im Raum schweben könne. Ein
weiteres Traktat behandelt das Rechnen mit "indischen
Zahlen". Dies ist genau jenes Zahlensystem, das wir
als "arabische Ziffern" bezeichnen. Es stammt in der
Tat aus Indien und gelangte über die arabische
Vermittlung nach Europa.
[Akten des Privatlehrers al-Kindi: Ebbe und Flut,
Sterne und Bäume]
Ebbe und Flut versuchte al-Kindi durch die
Reibungswärme des Mondes beim Umlauf zu erklären. An
anderer Stelle versuchte er, eine logische Brücke zu
koranischen Aussagen zu schlagen, etwa der, wonach
sich Sterne und Bäume anbetend vor Gott niederwürfen.
Er sieht dahinter das Prinzip der absoluten
Gesetzmässigkeit - wenngleich er den Gestirnen
Gesichts- und Gehörsinn zuschreibt. Seine Schrift über
"Ursache und Wirkung" widmete er Mamun. Damit stellt
er sich in schroffen Gegensatz zu einem der Hauptsätze
der koranischen Lehrmeinung, die Kausalität strikt
ablehnt und dafür den Willen Gottes postuliert.
Seine Denkansätze basieren auf Aristoteles und
Ptolemäus, durchsetzt mit altorientalischen
Traditionen; besonders nahe scheint er den
altbabylonischen Sternanbetern gestanden zu haben.
[S.158]
[Links:
-- al-Kindi
- Mossad-Wikipedia-Link (engl.)]
Der Gelehrte Hunain ibn Ishak -
entscheidende Fälschungen bei Übersetzungen
Hunain ibn Ishak war das, was man heute einen
wissenschaftlichen Herausgeber und Verleger nennen
würde. Er starb im Jahre 873 und vererbte der Nachwelt
einen bedeutenden Nachlass antiker Autoren. Er war ein
grosser, arabischer Wissenschaftler, aber kein
muslimischer. [...]
Hunain ibn Ishak (808-873) stammte aus al-Hira im
südlichen Mesopotamien. Sein Vater war Apotheker, der
Sohn wollte Arzt werden und gelangte so nach Bagdad.
Er besuchte die Vorlesungen eines gewissen Juhana ibn
Masawahai, wie Hunain ebenfalls syrischer Christ und
Leibarzt des Kalifen. Lehrmaterial waren wie üblich
die griechischen Autoren, ganz besonders der berühmte
Mediziner Galen aus Pergamon. Aus irgendeinem Grunde
(er war angeblich zu vorlaut) wurde Hunain von seinem
Lehrer der Vorlesungen verwiesen, eine Wanderschaft
durch verschiedene [S.158] Städte folgte, darunter
wahrscheinlich auch Byzanz. Nach sechs Jahren nach
Bagdad zurückgekehrt, begann er, wissenschaftliche
Standardwerke aus der Antike ins Arabische oder in die
von seinem jeweiligen Auftraggeber gewünschte Sprache
zu übersetzen. Er beherrschte meisterhaft antike und
alle gängigen regionalen Sprachen. Aufgrund seiner
medizinischen Ausbildung hatte er die allerbesten
Voraussetzungen für fachspezifische Übersetzungen,
sein Spektrum umfasste jedoch die gesamten damaligen
Wissenschaften. Eine seiner Arbeiten liess er einmal
ohne Namensnennung seinem ehemaligen Lehrer Ibn
Masawahai zukommen.
"Der das produziert hat, muss vom Heiligen Geist
unterstützt worden sein!", soll dieser zutiefst
beeindruckt ausgerufen haben.
[Die Übersetzungen und Fälschungen von Übersetzer
Hunain ibn Ishak: Aus "Götter" werden "Gott",
"Engel", "Heilige" - und arabische Neuschöpfungen]
Hunain wurde ein derart beschäftigter Mann, dass er
bald seinen Sohn und seinen Neffen als Übersetzer der
Standardtexte anlernte. Er selber kümmerte sich um die
wissenschaftliche Hauptarbeit. Diese begann mit dem
Auffinden alter Handschriften. Es waren zahlreiche
unvollständig erhaltene Werke erhältlich, als
Bruchstücke in verschiedenen Sprachen oder von
verschiedenen Kopisten. Hatte Hunain ein bestimmtes
Material beisammen, machte er sich ans Vergleichen.
Ihm war natürlich bestens bekannt, dass Handschriften
immer Fehler enthielten: Verschreibungen,
Fehlübersetzungen, Fälschungen. Basierend auf dem
Vergleich fertigte er dann die bestmöglichen
Übersetzungen an, von denen er einen Katalog erstellte
(der erst 1918 gefunden wurde). Er pflegte die
Eigenart, die alten Götter, wenn sie in einem Text
auftauchten, in den Einen Gott, in Engel oder Heilige
umzubenennen.
Im Gegensatz zu anderen begnügte er sich nicht mit den
griechischen Fachausdrücken, sondern schuf arabische
Wörter dafür. Er versäumte es auch nicht, in
Samarkand, wo die Technik der chinesischen
Papierherstellung bekannt war, extraschweres Papier zu
ordern. Seine Arbeiten wurden inzwischen mit Silber
aufgewogen. [...]
[Links:
--Hunain
ibn Ishak
- Mossad-Wikipedia-Link (engl.)]
Thabit ibn Kurra (geb. 834): Philosoph gegen
den neumodischen Gott
[Religiöse Vielfalt ist Standard]
"Wer hat die Häfen und die Kanäle
angelegt, wer hat die geheimen Wissenschaften
kundgetan? Wem hat sich die Gottheit offenbart, wem
hat sie [S.159] die Orakel gegeben und zukünftige
Dinge gelehrt, wenn nicht den Weisen unter den
Heiden? Sie haben all das studiert, sie haben die
Heilung der Seelen erläutert und ihre Erlösung
kundgetan, sie haben auch die Heilung des Körpers
erforscht, und sie haben die Welt mit der Weisheit,
der wichtigsten Tugend, erfüllt."
Der das schrieb, war selber Heide: Der Sabier [85]
[85] Sabier: Anhänger eines
babylonisch-chaldäischen Sternenkults
Thabit ibn Kurra, 834 in Harran, in der heutigen
Osttürkei, geboren. Und er war überzeugter Heide. Als
er mit Anhängern der gerade aufkommenden neuen
Religion diskutierte und diese die Allmacht Gottes in
den Mittelpunkt stellten, fragte er zurück:
"Kann euer Gott auch bewirken, dass fünf
mal fünf nicht fünfundzwanzig ist?"
Für ihn hatte der neumodische Gott bestenfalls
Allmacht über die Geschöpfe, aber nicht über die
Schöpfung selber. Er war selber ein Geschöpf. Ihr
Glaube hatte den alten babylonischen Sternenkult als
Wurzel, modifiziert durch den Einfluss
griechisch-antiker Denkweise. Als Propheten verehrten
die Sabier weise Männer der Vergangenheit, darunter
auch griechische Philosophen [86].
[86] Man sieht, noch im 9. Jahrhundert
bestand eine Vielfalt an Religionen im Reiche der
sogenannten Kalifen. Der Islam war keineswegs schon
die etablierte, dominierende Religion.
Ein überliefertes Motto lautete: "Plato sagte: Wer
sich selbst erkennt, wird göttlich." [87]
[87] Inschrift am Türklopfer eines
sabischen Hauses in Harran (nach al-Masudi).
[Ibn Kurra wird Regierungsberater und Astronom]
Auf der Durchreise durch die Stadt Harran wurde eine
hochgestellte Persönlichkeit auf den gebildeten Sabier
aufmerksam und nahm ihn mit nach Bagdad. Dort schrieb
Thabit für diese in den Wissenschaften dilettierende
Person unter ihrem Namen Abhandlungen und wurde auch
so etwas wie freier Mitarbeiter für astronomische
Fragen in Hunains Literaturbetrieb. Später wurde er in
den Kreis der Hofastronomen aufgenommen und Vertrauter
und enger Freund des Herrschers al-Mutatid.
Ausnahmslos waren alle bedeutenden Wissenschaftler und
Philosophen zumindest zeitweise bei Hof beschäftigt.
Eine Karriere war anders zu dieser Zeit nicht möglich.
Thabit beherrschte das Griechische perfekt,
beschäftigte sich mit Philosophie, Mathematik und
Medizin. Unter [S.160] anderem hinterliess er uns ein
Buch über die Fragen, die ein Arzt dem Kranken stellen
solle. Er war der Meinung, dass hinter dem Namen
"Hippokrates" in Wirklichkeit vier Autoren stecken
mussten. Als Sabier lag aber seine Stärke auf dem
Gebiet der Astronomie. Unter anderem hatte es ihm die
geringfügig unterschiedliche Länge der Jahre angetan.
Ausgehend vom ptolemäischen System, nahm er eine
geringe Bewegung der Fixsternsphäre an, die sogenannte
Trepidation, die auch noch bei Kopernikus Eingang
fand. Thabit kommt in Wolfram von Eschenbachs
"Parzival" als Thebit vor. Er starb 901.
[Links:
-- Thabit
ibn Kurra
- Mossad-Wikipedia-Link (engl.)]
Arzt Muhamad ibn Zakarija ar-Razi (geb. 865
in Rajj/Teheran) - Übersetzungen - Religion ist
Unruhestiftung
[Ar-Razi mit Medizin - die grosse Übersetzung
"Liber Continens" von 1486 in Brescia]
Es gibt auch von einer medizinischen Kapazität zu
berichten, die ihre Laufbahn als Lautenspieler
begonnen hatte: Muhamad ibn Zakarija ar-Razi, 865 in
Rajj, dem heutigen Teheran, geboren. Von seiner
Biografie wissen wir recht wenig, ausser dass er
Krankenhäuser in Bagdad und Rajj leitete und mit dem
dortigen Emir al-Mansur ibn Ishak gut befreundet war.
Dafür ist seine fachliche Hinterlassenschaft umso
grösser, ar-Razi war der grösste Kliniker der
arabischen Welt und als "Rhazes" in Europa
wohlbekannt.
Eine medizinische Enzyklopädie widmete er seinem Mäzen
Mansur. Die lateinische Übersetzung des in Europa sehr
populären Kapitels 9 hiess "Liber Nonus Almansurus"
[Deutsch: "Das neunte Buch des al-Mansur"]. Es
enthielt eine Heilmittelanleitung, zugeordnet den
einzelnen Krankheiten von Kopf bis Fuss, und war sogar
in einigen europäischen Volkssprachen erhältlich.
Eine weitere in Europa sehr berühmte Abhandlung
befasste sich mit Masern und Pocken, die sogar noch in
England im 18. Jh. gedruckt wurde [88].
[88] Ar-Razi: Über die Pocken und Masern;
Deutscher Nachdruck und Übersetzung von K. Opitz;
Leipzig 1911
Bei seinem Tode im Jahre 925 hinterliess ar-Razi eine
gewaltige Menge griechischer Exzerpte zu klinischen
Fällen, die er durch eigene Beobachtungen und
Erfahrungen ergänzt hatte. Diese Hinterlassenschaft
wurde von Schülern systematisiert und kam 1486 in
Brescia unter dem Titel "Liber Continens" [Deutsch:
"Gesamtausgabe"] zum Druck, zwei riesige Folianten
füllend.
Wie jeder berühmte Arzt seiner Zeit verfügte Rhazes
auch über ein grosses philosophisches Wissen, denn aus
der Philosophie leitete sich zu [S.161] einem guten
Teil die medizinische Theorie ab. Die griechischen
Philosophen sowie Hippokrates [89] und Galen [90]
waren ihm bestens vertraut.
[89] Hippokrates von Kos, Arzt, ca.
460-370 v.Chr.
[90] Römischer Arzt, 129-216 n.Chr.; zusammen mit
Hippokrates der bedeutendste Arzt der Antike.
Rhazes bewies ein grosses Mass an selbständigem
Denken, aber Neuerungen brachte er niemals vor, ohne
dem grossen Galen Respekt zu zollen:
"In der Tat, es ist mir schmerzlich
gewesen, mich gegen den aufzulehnen, der von allen
Menschen mich am meisten mit Wohltaten überhäuft hat
und mir der hilfreichste war, durch den ich mich
habe führen lassen, dem ich gefolgt bin Schritt für
Schritt. Aber die Medizin ist eine Philosophie, die
keinen Stillstand duldet." [91]
[91] Im Gegensatz dazu bedachte Avicenna (persischer
Arzt und Gelehrter - https://de.wikipedia.org/wiki/Avicenna)
Galen bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit
Schmähungen.
Während Galen der Meinung war, dass die Seele von der
Verfassung des Körpers abhängig sei, sagte Rhazes,
dass die körperliche Verfassung von der Seele bestimmt
werde. Die praktische Konsequenz davon war, dass er
den Ärzten empfahl, den Patienten stets Mut zu machen,
auch wenn sie sich ihrer Sache selber nicht sicher
seien.
[Ar-Razi mit Philosophie: Atomare Materie, Gott,
Weltseele, Raum, Zeit - Propheten Moses, Jesus und
Mohammed werden als Unruhestifter abgelehnt]
Auch in der Philosophie ging ar-Razi eigene Wege. In
Anlehnung an Demokrit nahm er eine atomare Materie an
(Erde, Feuer, Luft und Wasser). Daneben stellte er
Gott, die Weltseele, den absoluten Raum und die
absolute Zeit, er sah den Kosmos also mehrdimensional.
Der Schöpfer der Bibel und des Korans ist nur
beigeordnet und nicht wirklich allmächtig. Propheten
erkannte Rhazes als notwendige Mittler der Substanz
Gottes und der Menschen an, jedoch nicht "die drei
Betrüger Moses, Jesus und Mohammed" [92],
[92] Es handelt sich um einen viel
diskutierten Ausspruch. Wenn er auch möglicherweise
nicht von ar-Raiz selber stammte, so hat er ihn doch
vertreten und populär gemacht.
die nur Zwietracht gesät hätten. Sein "Imam" (er
benutzt diesen Ausdruck wörtlich) ist Sokrates.
Spricht so ein Muslim, als der ar-Razi wie
selbstverständlich vereinnahmt wird?
Rhazes starb im Jahr 925, in seinen letzten
Lebensjahren war er erblindet [S.162].
[Links:
-- ar-Razi -
Mossad-Wikipedia-Link (dt.) ]
Al-Farabi: Philosoph in Aleppo - Religion
ist eine Erfindung - der ideale Staat etc.
Al-Farabi war "nur" Wissenschaftler, hauptsächlich
Interpret von Aristoteles und anderen griechischen
Philosophen, denen er seine eigene Variante
hinzufügte. Die Medizin grenzte er bewusst von der
Philosophie ab, weil es ihr Zweck [der Zweck der
Medizin] sei, eine praktische Veränderung im Körper
hervorzurufen, sie [die Medizin] dabei aber nichts mit
der Wahrheitsfindung zu tun habe.
"Al-Farabi" heisst nichts anderes als "Der aus Farab",
einer Stadt im heutigen Kasachstan, wo er im Jahr 870
geboren wurde. Farabi war wohl ethnischer Kasache. Er
soll zeitlebens, sein Äusseres missachtend, in einem
schäbigen Kaftan kasachischer Art herumgelaufen sein.
Von seiner Jugend wissen wir wenig. Nur, dass er sich
schon in jungen Jahren auf den Weg nach dem persischen
Harran und dann weiter nach Bagdad machte, wo sich
christliche Lehrer seiner annahmen. Die meiste Zeit
verbrachte er hier, in seinem letzten Lebensabschnitt
ging er nach Aleppo in Syrien an den Hof des Emirs
Saif al-Daula. Er begab sich kurz nach Kairo und starb
bald nach seiner Rückkehr nach Syrien im Jahr 950. Der
islamische Klerus nahm demonstrativ nicht an seiner
Beisetzung teil.
Das hatte seine guten Gründe: denn Farabi lehrte
vieles, was den Imamen nicht gefallen konnte, obwohl
er sich stets um einen Ausgleich zwischen Philosophie
und Religion bemühte. In der Hauptsache aber
entwickelte er seinen Aristoteles fort. Er stellte die
Welt als zusammenhängende Einheit dar: Ihr Ursprung
ist zwar Gott, aber nicht als Schöpfer, wie Koran und
Bibel ihn sehen, sondern als nicht personifizierte
Quelle des Seins. Sie ist die Quelle ausfliessender
Bewegung, der sogenannten Emanation, der die niederen
Stufen ihre Existenz verdanken. Die unterste Stufe der
Hierarchie bildet die Materie, in die der Mensch
verstrickt ist. In die höheren Welten kann dieser nur
durch Denken, mystische Versenkung oder den Tod
gelangen. Die vornehmste Aufgabe des Menschen ist es,
durch Begreifen der Welt und des Universums mit dem
universalen Intellekt eins zu werden. Dieses Glück ist
aber nur für wenige erreichbar - für den Rest ist die
Religion gemacht [93].
[93] Ähnlich formulierte es Ibn Ruschd mit
seinen "beiden Wahrheiten".
Farabi betrachtete somit die Religion als künstliches
Produkt, aber als eine Notwendigkeit für den Grossteil
der Menschen [S.163].
In dieser Denkweise entwirft er einen idealen Staat.
Ähnlich Plato fordert er einen philosophischen König,
dem aber ein Prophet zur Seite stehen soll, um dem mit
wenig Vernunft ausgestatteten Staatsvolk Anweisungen
zu geben.
Seine Philosophie ist antireligiös, trotzdem sieht er
für die alltägliche Praxis Geistliche vor, die auf die
ungebildete Masse einwirken sollen.
Al-Farabi stand nicht wie andere im Rampenlicht,
sondern verbrachte seine Zeit mit Vorliebe im Garten
beim Wasserteich.
[Links:
-- Al-Farabi -
Mossad-Wikipedia-Link (dt.)]
Ibn al-Haitham: Staudammprojekt am Nil
scheitert - Übersetzungen - Physik - Optik und
Astronomie mit Experimenten - Bücherverbrennung
durch Muslime
965 war das Geburtsjahr eines gewissen Ibn al-Haitham,
der in Europa unter dem Namen "Alhazen" bekannt werden
sollte. Er stammte aus Basra und schlug zunächst eine
Beamtenlaufbahn ein. Diese gab er jedoch bald auf und
widmete sich wissenschaftlichen Studien in Bagdad und
Persien. Eines Tages wurde der Gegenkalif in Kairo auf
ihn aufmerksam, und als Alhazen die Möglichkeit
äusserte, man könne den Nil aufstauen und so die
Felder über das ganze Jahr bewässern, wurde er nach
Ägypten berufen und mit dem Projekt betraut. Mit
grosser Mannschaft und Gerät zog er den Nil aufwärts,
um das Staudammprojekt anzugehen. Aber sehr bald,
schon angesichts der gewaltigen altägyptischen
Bauwerke entlang des Flusses, beschlichen ihn Zweifel.
Wenn diese Leute, die jene Bauwerke geschaffen hatten,
keinen Damm bauen konnten, wie sollte das ihm
gelingen? In Assuan, dort, wo heute der Damm steht,
fand er die geeignete Stelle, aber er musste bald
einsehen, dass dieses Projekt nicht durchführbar war.
Unverrichteter Dinge kehrte er nach Kairo zurück und
konnte froh sein, angesichts dieser Pleite mit dem
Leben davongekommen zu sein.
Er wandte sich darauf dem für viele Wissenschaftler
der Zeit typischen Broterwerb zu: Er übersetzte antike
Schriften. Über die Jahre stellte er eine Ausgabe des
kompletten Euklid, des "Almagest" des Ptolemäus sowie
Schriften weiterer griechischer Autoren fertig. Das
machte ihn mit der Zeit finanziell so unabhängig, dass
er sich seinem Lieblingsgebiet zuwenden konnte: der
Physik, und ganz speziell der Optik [94].
[94] Sein Hauptwerk fand in lateinischer
Sprache unter dem Titel "Thesaurus Opticus" in
Europa weite Anerkennung [S.164].
Waren aber die meisten antiken und arabischen Physiker
reine Theoretiker, so verlegte sich Alhazen auf
Experimente, ein Novum zu dieser Zeit. Er goss die
erste Linse aus Glas, die er interessanterweise zwar
für Experimente benutzte, anscheinend nie aber für
praktische Zwecke, etwa als Vergrösserungsglas oder
Fernrohr. Im Widerspruch zu Euklid stellte er fest,
dass die Lichtstrahlen von einem Objekt ins Auge
gelangen und nicht ein Sehstrahl aus dem Auge die
Umgebung abtastet. Anhand eines Hohlspiegels aus
Metall stellte er sich ein bestimmtes mathematisches
Problem, das noch heute als "Alhazensches Problem"
bekannt ist und das er zwar selber umständlich löste,
für das aber erst Huygens Mitte des 17. Jahrhunderts
eine elegante Lösung fand. Auch grundlegende Gesetze
der Perspektive infolge des sich gradlinig
ausbreitenden Lichts gehen auf Alhazen zurück.
Seine Arbeit mit Lichtstrahlen führte ihn
konsequenterweise auch auf das Gebiet der Astronomie.
Er betrachtete die Sternenwelten ganz nüchtern als
begreif- und berechenbare physikalische Einheiten. Er
berechnete aufgrund der Strahlenbrechung die Dicke der
Atmosphäre fälschlicherweise auf fünf Meilen, weil er
von einer scharfen Grenze und nicht von einer
allmählichen Verdünnung der Luft ausgegangen war. Die
Würdigung einer Arbeit lässt sich mit Alexander von
Humboldt ausdrücken, der die Araber als die
eigentlichen Gründer der Physik bezeichnete. Ibn
al-Haitham alias Alhazen war ihr bedeutendster
Vertreter auf diesem Gebiet, obwohl nur Teile seines
Gesamtwerkes erhalten sind, denn bald schon wurden
seine Schriften als gegen den Koran gerichtet
verbrannt.
[Links:
-- Ibn
al-Haitham -
Mossad-Wikipedia-Link (dt.)]
Abu Ali ibn Sina (Avicenna) -
Wissenschaftler in Buchara - vom Turk-Stamm der
Qara-Khaniden verfolgt - Minister mit
Militärtraktat - neu Schriften im Gefängnis
Abu Ali ibn Sina wurde unter dem Namen "Avicenna" eine
der berühmtesten arabischen Persönlichkeiten in
Europa. Im Orient ist er heute noch populär; Iran,
Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan wetteifern
um die Ehre, ihn als einen der Ihrigen eingemeinden zu
dürfen.
Es gibt immer noch viele Rätsel in Avicennas
Biografie. Das erste ist das Jahr seiner Geburt. Man
weiss, dass Avicenna im Jahr 1037 starb. Über sein
Alter gibt es vier verschiedene Angaben, wobei nicht
einmal sicher ist, ob von Mond- oder Sonnenjahren die
Rede ist - das macht acht Daten zur Auswahl. Die nach
Lüling wahrscheinlichste Altersangabe ist 58 Jahre,
das heisst, Avicenna wurde im Jahr 979 geboren. Seine
Familie stammte [S.165] aus der buddhistischen
Hochburg Balch [95]
[95] Das Baktrien hellenistischer Zeit.
Balch umfasste Teile des heutigen Afghanistan,
Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan. Die
Provinz war zu Lebzeiten Avicennas die buddhistische
Hochburg im Osten des Persischen Reiches. In Bamiyan
liess im Jahre 2001 die Taliban-Regierung zwei
monumentale Buddha-Statuen aus jener Zeit sprengen.
im heutigen Afghanistan, zog aber in die samnidische
Residenz Kharmitan in die Nähe von Buchara
(Usbekistan), wo Avicenna geboren wurde. Sein Vater
war hochgestellter Beamter am Hof der buddhistischen
Samniden [96].
[96] Der Name leitet sich ab von der
Stammresidenz Saman / Suman. Daher stammt
"Sumaniyya", die damalige Bezeichnung für
Buddhismus.
Die Herkunft aus einem gut situierten Elternhaus
gewährleistete die beste damalige Bildung. Die
"Eisagoge" von Porphyrios und andere klassische
Schriften gehörten zur Grundausbildung, er studierte
natürlich auch Mathematik, Geometrie, Physik und
Medizin. Letztere nannte er keine schwere
Wissenschaft. Er war ein ungeheuer fleissiger
Arbeiter, der zumindest nach eigenem Bekunden ganze
Nächte durchstudierte.
Mit 22 Jahren war es vorbei mit dem Frieden. Der
gerade erst islamisierte Turk-Stamm der Qara-Khaniden
vernichtete das Samnidenreich und deportierte die
überlebenden Mitglieder des Herrscherhauses Avicenna
("da forderte mich die Not auf fortzuziehen") flüchtet
nach Urgentsch, der Hauptstadt der Provinz Choresmien.
Indessen versuchte der Samanidenprinz al-Muntasir, in
einem fünf Jahre währenden Kampf die Herrschaft
wiederzugewinnen, scheiterte aber. Und Avicenna war
sein Gefolgsmann. Die Türen, die ihm zuvor
offengestanden hatten, schlossen sich aus politischen
Gründen wieder.
"Da forderte mich die Not auf fortzuziehen": Avicenna
verliess mit seinem langjährigen Lehrer und Gefährten
Abu Sahl al-Masihi, dem hochberühmten Gelehrten und
ehemaligen Leibarzt der Samniden, Urgentsch und seine
lebenslange Wanderung von Residenz zu Residenz setzte
sich fort.
"Da forderte mich die Not auf fortzuziehen". Die
Formel wurde zum roten Faden in Avicennas Leben. Er
war lebenslang politischer Flüchtling aus einer
buddhistischen Welt, die unter islamischen Druck
geriet.
Von Urgentsch zog Avicenna über Nisa, Abiward und
weitere Stationen nach Gurgan am Kaspischen Meer, sein
Lehrer und Begleiter überlebte [S.166] die Strapazen
nicht. Unterwegs ordinierte Avicenna verschiedentlich
unter falschem Namen, seine Hoffnung auf eine
Anstellung bei Sheikh Kabus von Gurgan erfüllte sich
nicht. So zog er ins persische Hamadan an den Hof von
Schams-ad-Daula, von dem er einen Ministerposten
erhielt. Eines Tages brachte ihn eine gegen ihn
gerichtete Militärrevolte in arge Schwierigkeiten.
Grund war sein wohl nicht sonderlich populäres
ministerliches Traktat "Über die Verpflegung und den
Sold des Heeres, der Militärsklaven und Soldaten und
über die Grundsteuer der Ländereien". Er überstand
auch dies mit knapper Not, aber sass wenig später vier
Monate im Gefängnis, weil er mit dem feindlichen Emir
von Isfahan eine Absprache getroffen haben soll. Die
Zeit im Gefängnis nutzte er zum Verfassen diverser
Schriften. Nach weiteren langen und detailreichen
Verwicklungen setzte er sich schliesslich heimlich im
Mönchsgewand nach Isfahan ab. Was die wirklichen
politischen Hintergründe waren, darüber können wir nur
spekulieren.
Avicenna: Tod an Petersiliensamen und Opium
1037 - Leben eines Mediziners
Avicenna gehörte gegen Ende seines Lebens zu den
engsten Vertrauten des Emirs von Isfahan und
begleitete ihn in dieser Eigenschaft und als Arzt auf
dessen Kriegszüge. Auf einem solchen, im Jahre 1037,
starb er [S.167] im Alter von 58 Jahren. Die Umstände
seines Todes sind überliefert: Um sich nach der von
ihm erwarteten Niederlage auf die Flucht
vorzubereiten, wies er einen Begleitarzt an, eine
stärkende Medizin zu mischen. Sie enthielt irrtümlich
eine Überdosis von Petersiliensamen und Opium.
Avicenna führte ein sehr intensives Leben. Tagsüber
war er mit seinen verschiedenen Brotberufen
beschäftigt, abends folgten Vorlesungen und
Niederschriften. Doch damit war der Tag noch nicht zu
Ende, wie sein Schüler und Mitarbeiter al-Guzgani [97]
[97] Die erste Hälfte seiner Autobiografie
stammt wohl von Avicenna selber, die zweite Hälfte
von seinem Schüler und Begleiter al-Guzgani.
berichtet: "Waren wir damit fertig, erschienen Sänger
aller Art, ein Weingelage mit allem, was dazugehört,
wurde hergerichtet, und wir befassten uns damit."
Und: "Beim Meister waren alle Kräfte stark entwickelt,
wobei unter den Kräften des begehrenden Seelenteils
die sexuelle am stärksten und übermächtigsten war."
Avicenna lebte, wie landesweit bekannt war, ein
ausschweifendes Leben.
Avicenna sah seine Berufung wohl in der Politik, seine
Brotberufe waren Arzt, Richter und Gelehrter, in
letzterer Funktion erstellte er sein philosophisches
Werk. Geprägt war sein Leben vom Zusammenbruch des
Samnidenreiches, der einherging mit dem Zusammenbruch
der "Ostiranischen Renaissance" insgesamt. Avicennas
Wurzeln sind zweifellos buddhistisch. Er selber sagt
uns dazu direkt nichts und vermeidet sorgfältig
Parteinahmen. Durch Religiosität irgendwelcher Art ist
er nie aufgefallen und er führte ein bekannt
unislamisches Leben. Dazu zählt, dass er auch die im
Koran verbotenen Sektionen an Toten vorgenommen haben
muss. Ständiges Ärgernis für die Orthodoxie war
Avicennas Weigerung gewesen, die Notwendigkeit eines
Propheten zur Vermittlung der Offenbarung anzuerkennen
[98].
[98] Dazu gibt es eine nette Überlieferung
aus dem 15. Jahrhundert, wonach sich in einer
Erscheinung der Prophet Mohammed bei al-Magribi
beschwert, Ibn Sina sei mit Gott ohne seine
Vermittlung in Kontakt getreten.
(Dies genau ist ein Kernsatz der "Sumaniyya", des
Buddhismus).
Avicenna hinterliess ein umfangreiches philosophisches
und medizinisches Schriftmaterial, wiewohl die
Bewertung seiner geisteswissenschaftlichen Arbeiten
möglicherweise überzogen scheint. "Das Buch der
[S.168] Heilung" oder der "Kanon", eine systematische
Darstellung der Medizin, zählte zu den Standardwerken,
die ihn im mittelalterlichen Europa berühmt machten.
Dabei war er "hochfahrend", wir würden heute arrogant
sagen, und kannte wenig Rücksicht. Über Rhazes schrieb
Avicenna, er hatte doch besser bei der "Untersuchung
von Hautkrankheiten, Urin und Stuhlgang" bleiben
sollen. Es kann als sicher gelten, dass er Werke
seines Weggefährten und Lehrers al-Masihi redigiert
als seine herausgab.
Die Wissenschaft konstatiert einen grossen Sprung von
Hippokrates zu Galen, aber einen noch grösseren von
Galen zu Avicenna. Er dominierte 500 Jahre lang die
Medizin des Orients und Europas, präzise bis
Paracelsus 1530 eine neue Ära der Medizin einleitete.
Avicenna war ein grosser Geisteswissenschaftler und
der grösste Arzt des Mittelalters. Ein Muslim war auch
er nicht.
[Links:
-- Avicenna
(Abu Ali ibn Sina) -
Mossad-Wikipedia-Link (dt.)]
Al-Biruni aus Kath beim Aralsee - Leben
eines Astronoms und Philosophen
Die heutige Forschung ist geneigt, in den
nichtmedizinischen Wissenschaften einem weiteren
Usbeken einen noch höheren Rang als Avicenna
einzuräumen: al-Biruni. Er blieb in Europa relativ
unbekannt, vielleicht auch, weil es lange Zeit keine
Biografie von ihm gab. Er war Landsmann und
Zeitgenosse des etwas jüngeren Avicenna. Die beiden
haben sich auch getroffen, aber Freunde - was bei
Avicenna offensichtlich nicht einfach war - wurden sie
nie. Biruni wurde 976 in Kath südlich des Aralsees
geboren und stammte aus bescheidensten Verhältnissen.
Er verdankte seinen Aufstieg der lokalen
Fürstenfamilie, die ihn aufnahm und die bestmögliche
Erziehung angedeihen liess. Mit 16 Jahren führte er
eine Bestimmung der geografischen Position seiner
Heimatstadt durch und baute ebenfalls recht früh einen
halbkugeligen Globus der nördlichen Hemisphäre [99].
[99] Das nächste Erdmodell sollte erst von
dem Nürnberger Martin Behaim im Jahre 1492
angefertigt werden.
[Die bisher älteste bisher bekannte Globus-Weltkarte
stammt von Piri Reis und stammt von einem Foto von
Ausserirdischen. Das Zentrum der Karte ist Kairo -
siehe Däniken
mit Piri-Reis-Karte: Film: Erinnerungen an die
Zukunft (mit vielen Fotos) - Link].
Aus politischen Gründen musste Biruni seine
Heimatstadt 995 verlassen, man darf annehmen, dass die
Gründe dieselben waren, die Avicennas Flucht
zugrundelagen. Ohne seine Geräte zog er nach Rajj, dem
heutigen Teheran. Dort machte er die Bekanntschaft mit
einem Astronomen, der gerade ein Instrument zur
Messung der Sonnenhöhe baute. Für die im Jahre 997
errechnete Mondfinsternis verabredete [S.169] sich
Biruni brieflich mit einem Astronomen in Bagdad, um
das Ereignis simultan zu messen und so den
Abstandswinkel der beiden Standpunkte zu ermitteln.
Dann zog er vorübergehend nach Gurgan am Kaspischen
Meer, wo er mit Avicenna zusammentraf.
Biruni erhielt alsbald einen Ruf an den Hof von
Urgentsch. Die Stadt wurde aber von einem feindlichen
Fürsten erobert, der Biruni mit nach Ghazna im
heutigen Afghanistan verschleppt haben soll. In
Wirklichkeit war es wohl so, dass Biruni Teil einer
Lösegeldzahlung war. Ghazna war eine hinduistische
Hochburg und der Prinz Masud war sehr interessiert an
den Wissenschaften [100].
[100] Vermutlich war Masud Hindu, was der
Umstand, dass ihn die islamische
Geschichtsschreibung als "Trunkenbold" diffamiert,
fast zur Gewissheit werden lässt.
[Das ist eine normal-kriminelle Rufmord-Taktik der
kriminellen 1-Gott-Religionen, egal ob es sich nun
um das Moses-Fantasie-Judentum handelt, um das
Jesus-Fantasie-Christentum, oder um den
Mohammed-Fantasie-Islam].
Al-Biruni hatte einen neuen Gönner gefunden. Er
übereignete ihm den "Masudischen Kanon", die grösste
astronomische Encyklopädie des Mittelalters. Er musste
seinen Herrscher auch auf den zahlreichen Kriegszügen
begleiten, die ihn bis nach Indien brachten. Daraus
resultierte sein einzigartiges Buch, eine
Kulturgeschichte Indiens: "Über die Prüfung dessen,
was von Indien gesagt wird". Um die indische
Mathematik und Astronomie zu begreifen, lernte
er Sanskrit und berichtete überhaupt sehr sensibel
über die indische Kultur. Er tat sich damit umso
leichter, als er wie auch Avicenna aus einem
buddhistischen Umfeld stammte. Biruni war von seinem
Vermögen her der Einzige, der zumindest zum Teil das
übermächtige aristotelische System zu sprengen in der
Lage war. Er war Astronom, Physiker, Geograf und
Philosoph - aber Arzt war er ausnahmsweise nicht. Er
starb 1048 während der Erörterung eines juristischen
Problems. Muslim war er auch nicht.
[Links:
-- Al-Biruni -
Mossad-Wikipedia-Link (dt.)]
Ibn Ruschd - verfolgter Philosoph in Sevilla
und Córdoba durch die Einführung der
Mohammed-Justiz
Wir begeben uns jetzt vom äussersten östlichen Ende
der arabischen Reiche in den äussersten Westen, "al
Gharb" [101]:
[101] Al Gharb: Der Westen; davon leitet
sich der Name Algarve ab.
nach Andalusien. Dort wurde 1126 in Córdoba ibn Ruschd
geboren, der an den europäischen Universitäten als
"Averroes" zu Berühmtheit gelangte [[die latinisierte
Form des Namens Ibn Ruschd]]. In der arabischen Welt
blieb er unbeachtet, erst sein Ruhm in Europa machte
ihn in der [S.170] Neuzeit dort bekannt. Er erhielt
die damals beste Bildung, die wir schon kennen:
Philosophie, Mathematik, Astronomie, Heilkunde und als
Angehöriger des Richterstandes war er notgedrungen
auch Jurist.
1148 eroberte die Berberdynastie der Almohaden unter
dem Kalifen Abu Jakub Jussuf [die Stadt] Córdoba. 1153
wurde Ibn Ruschd nach Marrakesch an die Residenz des
Herrschers beordert, einem Treffen, dem er mit grosser
Sorge entgegensah. Bei Hof wurde er von einem gewissen
Ibn Tufail eingeführt, der in Europa auch kein
Unbekannter ist: Er hatte den philosophischen Roman
"Der Naturmensch" verfasst, in dem die Akteure auf
eine einsame Insel im Ozean verschlagen werden und
durch Beobachtungen und logische Schlüsse zur
Erkenntnis der Welt gelangen [102].
[102] Ibn Tufail: Hajj ibn Jaqzan: Der
Naturmensch; Köln 1983
In der Folge trat Ibn Ruschd Stellen als "Qadi" in
Sevilla und Córdoba an, seine Hauptarbeit galt aber
stets seinem philosophischen Werk. Besonders engagiert
trat er gegen die Lehren des al-Ghazali an, weil sie
seiner Meinung nach den Islam zerstörten. 1195 traf
ihn das Verhängnis: Imame hatten das Volk gegen ihn,
der ihnen schon lange ein Dorn im Auge war, aufgehetzt
und zwangen den Herrscher zu einem förmlichen
Verfahren gegen ihn. Das Tribunal verneinte die
Rechtgläubigkeit Ibn Ruschds, seine Bücher wurden
demonstrativ verbrannt und die Philosophie insgesamt
per Edikt verboten. Er selber wurde aus Córdoba
verbannt und bekam jegliche Lehrtätigkeit verboten.
Drei Jahre später war er tot.
Es kommt nicht von ungefähr, dass von Ibn Ruschd fast
nichts in Arabisch vorliegt: Die Tradierung erfolgte
in hebräischer Übersetzung, und bisweilen hat Averroes
selbst in arabischer Sprache mit hebräischen
Buchstaben geschrieben. Eine Art Insidersprache, die
zeigt, in welch intolerantem Umfeld er lebte.
Sein juristischer Ansatz gehörte bereits einer
vergangenen Epoche an. Während der Qadi Ibn
Ruschd nach generellen juristischen Prinzipien suchte,
setzte in Spanien die Rechtsprechung nach anwendbaren
Präzedenzfällen aus dem Leben des Propheten ein. In
den zunehmend orthodox-islamisch werdenden Reichen
ging es zu Ende mit Jurisprudenz, der Philosophie und
den Wissenschaften.
Nördlich des Mittelmeers hingegen wurden sein Aussagen
hitzig [S.171] diskutiert. Thomas von Aquin verwandte
grosse Mühe darauf, Averroes zu widerlegen. Dieser
hatte sich gegen den freien Willen ausgesprochen, der
letztlich nur einer übergeordneten Notwendigkeit
folge: Er hatte postuliert, dass der Intellekt aller
Menschen nur ein einziger, gemeinsamer sei, dass es
niemals einen ersten Menschen gegeben haben konnte und
dass die Seele nicht im Höllenfeuer schmoren könne,
weil sie mit dem Körper sterbe.
Auf der einen Seite wurde Averroes gefeiert, auf der
anderen aber auch verspottet, etwa wegen seines
Autoritätsglaubens. Zum einen verteidigte er den
Koran, weil er nach seiner Meinung die rationale
Forschung gebiete, zum anderen forderte er dessen
Umdeutung, wenn Aussagen wissenschaftlichen
Erkenntnissen widersprachen. Dies sei aber nur
gebildeten Persönlichkeiten vorbehalten. Die Masse,
die einer logischen Beweisführung nicht folgen könne,
müsse bei den bildhaften Vergleichen der Offenbarung
bleiben - nur die Philosophen könnten zum Kern
vorstossen. Dies ist das System der "doppelten
Wahrheiten" des Ibn Ruschd. Er sah sich selber wohl
als Muslim. Seine Zeitgenossen sahen das jedoch ganz
anders, und dies wurde ihm zum Verhängnis [S.172].
[Links:
-- Averroes
(Ibn-Ruschd) -
Mossad-Wikipedia-Link (engl.)
-- Ibn
Tufail - Mossad-Wikipedia-Link (dt.)
-- Al-Gazali
- Mossad-Wikipedia-Link (dt.)
-- Thomas
von Aquin - Mossad-Wikipedia-Link (dt.)
]