aus: Israel Finkelstein / Neil A.
Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die
archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher
Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004,
zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The Bible
Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient Israel and
the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press, a division
of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche Ausgabe:
Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Die Schilderung über
Jakob gemäss der veralteten Bibel
Das AT behauptet:
-- Jakob soll 12 Söhne gehabt haben
-- die 12 Söhne Jakobs sollen vor einer Hungersnot nach
Ägypten geflohen sein, und Jakobs Testament soll den Sohn
Juda über alle anderen erhoben haben (S.20)
-- Ägypten sei voller Juden gewesen (Exodus 1,7)
-- ein Pharao, der nichts von Josephs Geschichte weiss, soll
behauptet haben, die Juden könnten Ägypten an Feinde
verraten
-- so soll der Pharao die Juden versklavt haben, und die
Juden sollen die Königsstädten Pithom und Ramses gebaut
haben
-- die Juden sollen sich unter der Sklaverei aber immer mehr
vermehrt haben (Ex.1,12)
-- und die Sklaverei soll deswegen auch auf schwere
Ziegeleiarbeiten und Landwirtschaftsarbeiten ausgedehnt
worden sein (Ex.1,14)
-- unter den angeblichen Sklavereibedingungen sollen die 12
Söhne Jakobs in Ägypten zu einer Nation zusammengewachsen
sein (S.62).
Aktenlage: Die Extrem-Dichtung
des ägyptischen Historikers Manetho im 3. Jh. v.Chr. mit
einer grausamen Hyksos-Dynastie
Der ägyptische Dichter Manetho schreibt Texte mit der
Schilderung von Invasionen aus dem Osten:
-- Manetho stellt ausserordentlich erfolgreiche Einwanderer
im östlichen Nildelta fest, wobei er behauptet, dass die
Einwanderer aus dem Osten (die "Hyksos", deutsch "Fürsten
der Fremdländer", von ihm als "Hirtenkönige" übersetzt) für
Ägypten eine nationale Tragödie seien, wie wenn eine
Invasion aus dem Osten stattfinden würde (S.67)
-- die Hyksos hätten sich im Delta in der Stadt Auaris
(später Tell ed-Daba) niedergelassen und hätten eine
Dynastie gegründet, die 500 Jahre lang grausam über Ägypten
geherrscht habe (S.67-68)
-- dabei schreibt Manetho von einer Invasion wahrscheinlich
in Erinnerung an jüngste Invasionen von Assyrien, Babylon
und Persien in Ägypten im 7.-6. Jh. v.Chr. (S.69).
Es ergeben sich also wiederum Zweifel, wie viel an Manetho
wahr ist. Deswegen sind weitere Untersuchungen notwendig.
Die "Gelehrten" - die Hyksos in
der "mittlere Bronzezeit"
Lange galten die Hyksos bei den Gelehrten als die Könige der
15. Dynastie von Ägypten 1670-1570 v.Chr. (S.68), europäisch
gesehen die mittlere Bronzezeit (S.78). In der mittleren
Bronzezeit um 1600 v.Chr. ist Kanaan (heutiges
Israel-Palästina) eine wohlhabende Gesellschaft (S.91).
Die Skepsis bleibt, dass ein fremdes Volk aus Kanaan Ägypten
beherrscht haben soll. Also sind weitere Untersuchungen
notwendig.
Die archäologischen Beweise im Fall
Jakob
Das Nil-Delta als Hort der sicheren
Ernährung bei Dürre in Kanaan - stetige Einwanderung
Die Aktenlage und die Archäologie
bestätigen eine stetige Einwanderung von Kanaan nach Ägypten
ins östliche Nildelta (S.65). Diese Einwanderung ist ein
uralter Rhythmus des Nahen Ostens, der zu allen Zeiten
stattfindet (S.67). Ägypten war bei Dürre oder Krieg in
Kanaan immer ein Ort der Zuflucht und Sicherheit (S.65), da
das Nil-Hochwasser in Ägypten immer eine mehr oder weniger
berechenbare Ernte garantierte, im Zweifelsfall mit
Bewässerung. Der ägyptische Staat hatte zudem Lagerhäuser
für Dürrejahre angelegt (S.66).
Das Nildelta war in biblischer Zeit in bis
zu 7 Arme geteilt und umfasste eine grössere
Schwemmlandschaft als heute mit seinen zwei Delta-Armen. Der
östlichste Delta-Arm des Nils reichte damals z.B. bis in den
nordwestlichen Sinai. Entsprechend gross war das
Bewässerungssystem. Die Ausgrabungen beweisen dies (S.66).
Das
Nil-Delta früher und heute
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Das Nil-Delta zur Pharaonenzeit: Viele Arme,
Memphis, Auaris / Avaris, und der Nachbarstaat
Kanaan.
Nil-Delta
heute: Nur 2 Arme und der Suezkanal. |
Nil-Delta 1706: Etwa 4 bis 5 Arme. |
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Die Einwanderer im östlichen
Nildelta - bis zum Aufstieg in hohe ägyptische Ämter
Die Einwanderer waren wahrscheinlich
Nomaden und Bauern Kanaans (S.66-67), eventuell auch
Wirtschaftsflüchtlinge oder Händler. Sie verdingten sich als
landlose Arbeiter. Ausserdem wurden kanaanäische
Kriegsgefangene von ägyptischen Strafaktionen im östlichen
Nildelta angesiedelt, die in den ägyptischen Tempelanlagen
arbeiten mussten. Einige der Eingewanderten schafften den
Aufstieg zu Regierungsbeamten, Soldaten und Priestern.
Joseph, der mit einer Karawane nach Ägypten verschickt
worden sein soll, wäre kein Einzelfall, sondern nur der
bekannteste Fall von vielen (S.67).
Die Archäologie mit Siegeln, Inschriften
und Texten
-- die Archäologie findet im damaligen
östlichen Nil-Delta (das viel weiter östlich lag als heute)
Inschriften und Siegel mit Namen kanaanäischen Ursprungs
(S.69)
-- jüngste Ausgrabungen bestätigen den
kanaanäischen Ursprung der Hyksos-Herrschaft und die
allmähliche Einwanderung, eine plötzliche militärische
Invasion gemäss dem ägyptischen Extrem-Dichter Manetho
bleibt aber von der Archäologie unbestätigt (S.69)
-- das heutige Tell ed-Daba im
damaligen östlichen Nildelta wird von den Archäologen als Auaris
/ Avaris, die Ex-Hauptstadt der Hyksos, identifiziert
(S.69)
-- die Archäologen können beweisen, dass
sich ab ca. 1800 v.Chr. der kanaanäische Einfluss auf das
östliche Nil-Delta mit Keramik, Architektur und Gräbern
verstärkte. Ab 1670 wuchs Auaris (heute Tell ed-Daba) bis
zur 15. Dynastie zu einer riesigen Stadt heran,
hauptsächlich im kanaanäischen Stil. Dabei fand eine
friedliche Machtübergabe an die Kanaanäer statt, denn
Brandspuren oder grosse Ascheschichten fehlen im Ruinenhügel
(S.69).
Aktenlage: Pharao Ramses gab es noch gar
nicht - eine Stadt Ramses erst recht nicht
Ein Name "Ramses" für eine Stadt, die die
Juden damals im 15. Jh. zur angeblichen Zeit eines Jakob in
Ägypten hätten bauen sollen, ist im 15. Jh. v.Chr.
undenkbar, denn der erste Pharao namens "Ramses" besteigt
erst 1320 v.Chr. den Thron, erst über 100 Jahre nach dem
traditionellen Datum der Bibel (S.70).
Ägyptische Quellen berichten vom Bau der
Stadt Pi-Ramesse ("Das Haus des Ramses", "Der Palast des
Ramses") im Nildelta unter König Ramses II. (1279-1213
v.Chr.), wobei anscheinend Semiten für die Bauarbeiten
eingesetzt worden seien (S.71).
[Ob dies Sklavenarbeit war oder nicht,
bleibt bei Finkelstein / Silberman nicht abgesichert].
Indiz: Die späteren Invasionen der
Assyrer, Babylonier und Perser ergeben Angstzustände in
Ägypten mit Spionagevorwürfen gegen Israeliten
Das AT behauptet:
Den Neuankömmlingen aus Kanaan wirft Ägypten
vor (Genesis 42,9), sie würden Spionage betreiben und
untersuchen, "wo das Land offen ist", und deswegen sollten
alle Juden versklavt werden (S.81)
Die Aktenlage sagt: Solche
Spionagevorwürfe sind vor dem 7. Jh. v.Chr. unbegründet, aber
nach den Invasionen durch Assyrer, Babylonier und Perser in
Ägypten und im Nahen Osten im 7. und 6. Jh. v.Chr. wären
solche Spionagevorwürfe aber sehr wohl begründet (S.81).
Schlussfolgerung
Die
Widersprüche um die stetige Einwanderung nach Ägypten wegen
Dürren und Kriegen sowie die Widersprüche um die Ängste vor
Invasionen und Spionage in Ägypten geben dazu Anlass, die
Geschehnisse der 12 Söhne Jakobs in Ägypten in Frage zu
stellen. Die Indizien weisen sehr darauf hin, dass die
Jakob-Geschichte erst im 7. Jh. v.Chr. geschrieben worden
ist.