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Judentum: Fälschung und Wahrheit im Alten Testament (AT) gemäss Aktenlage und Grabungen

Die neue Identität durch die neue jüdische Geschichte mit Hilfe chronologischer und archäologischer Forschung

7. Die Legende vom gefälschten Auszug nach Ägypten unter Jakob wegen Hunger

Das Nil-Delta zur
              Pharaonenzeit: Viele Arme, Memphis, Auaris / Avaris, und
              der Nachbarstaat Kanaan.
Das Nil-Delta zur Pharaonenzeit: Viele Arme, Memphis, Auaris / Avaris, und der Nachbarstaat Kanaan.

von Michael Palomino (2006 / 2010)

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aus: Israel Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press, a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002

Die Schilderung über Jakob gemäss der veralteten Bibel

Das AT behauptet:

-- Jakob soll 12 Söhne gehabt haben
-- die 12 Söhne Jakobs sollen vor einer Hungersnot nach Ägypten geflohen sein, und Jakobs Testament soll den Sohn Juda über alle anderen erhoben haben (S.20)
-- Ägypten sei voller Juden gewesen (Exodus 1,7)
-- ein Pharao, der nichts von Josephs Geschichte weiss, soll behauptet haben, die Juden könnten Ägypten an Feinde verraten
-- so soll der Pharao die Juden versklavt haben, und die Juden sollen die Königsstädten Pithom und Ramses gebaut haben
-- die Juden sollen sich unter der Sklaverei aber immer mehr vermehrt haben (Ex.1,12)
-- und die Sklaverei soll deswegen auch auf schwere Ziegeleiarbeiten und Landwirtschaftsarbeiten ausgedehnt worden sein (Ex.1,14)
-- unter den angeblichen Sklavereibedingungen sollen die 12 Söhne Jakobs in Ägypten zu einer Nation zusammengewachsen sein (S.62).

Aktenlage: Die Extrem-Dichtung des ägyptischen Historikers Manetho im 3. Jh. v.Chr. mit einer grausamen Hyksos-Dynastie

Der ägyptische Dichter Manetho schreibt Texte mit der Schilderung von Invasionen aus dem Osten:

-- Manetho stellt ausserordentlich erfolgreiche Einwanderer im östlichen Nildelta fest, wobei er behauptet, dass die Einwanderer aus dem Osten (die "Hyksos", deutsch "Fürsten der Fremdländer", von ihm als "Hirtenkönige" übersetzt) für Ägypten eine nationale Tragödie seien, wie wenn eine Invasion aus dem Osten stattfinden würde (S.67)

-- die Hyksos hätten sich im Delta in der Stadt Auaris (später Tell ed-Daba) niedergelassen und hätten eine Dynastie gegründet, die 500 Jahre lang grausam über Ägypten geherrscht habe (S.67-68)

-- dabei schreibt Manetho von einer Invasion wahrscheinlich in Erinnerung an jüngste Invasionen von Assyrien, Babylon und Persien in Ägypten im 7.-6. Jh. v.Chr. (S.69).

Es ergeben sich also wiederum Zweifel, wie viel an Manetho wahr ist. Deswegen sind weitere Untersuchungen notwendig.

Die "Gelehrten" - die Hyksos in der "mittlere Bronzezeit"

Lange galten die Hyksos bei den Gelehrten als die Könige der 15. Dynastie von Ägypten 1670-1570 v.Chr. (S.68), europäisch gesehen die mittlere Bronzezeit (S.78). In der mittleren Bronzezeit um 1600 v.Chr. ist Kanaan (heutiges Israel-Palästina) eine wohlhabende Gesellschaft (S.91).

Die Skepsis bleibt, dass ein fremdes Volk aus Kanaan Ägypten beherrscht haben soll. Also sind weitere Untersuchungen notwendig.


Die archäologischen Beweise im Fall Jakob

Das Nil-Delta als Hort der sicheren Ernährung bei Dürre in Kanaan - stetige Einwanderung

Die Aktenlage und die Archäologie bestätigen eine stetige Einwanderung von Kanaan nach Ägypten ins östliche Nildelta (S.65). Diese Einwanderung ist ein uralter Rhythmus des Nahen Ostens, der zu allen Zeiten stattfindet (S.67). Ägypten war bei Dürre oder Krieg in Kanaan immer ein Ort der Zuflucht und Sicherheit (S.65), da das Nil-Hochwasser in Ägypten immer eine mehr oder weniger berechenbare Ernte garantierte, im Zweifelsfall mit Bewässerung. Der ägyptische Staat hatte zudem Lagerhäuser für Dürrejahre angelegt (S.66).

Das Nildelta war in biblischer Zeit in bis zu 7 Arme geteilt und umfasste eine grössere Schwemmlandschaft als heute mit seinen zwei Delta-Armen. Der östlichste Delta-Arm des Nils reichte damals z.B. bis in den nordwestlichen Sinai. Entsprechend gross war das Bewässerungssystem. Die Ausgrabungen beweisen dies (S.66).

Das Nil-Delta früher und heute
Das Nil-Delta zur Pharaonenzeit: Viele Arme,
                      Memphis, Auaris / Avaris, und der Nachbarstaat
                      Kanaan.
Das Nil-Delta zur Pharaonenzeit: Viele Arme, Memphis, Auaris / Avaris, und der Nachbarstaat Kanaan.

Nil-Delta heute: Nur 2 Arme und der
                        Suezkanal
vergrössern Nil-Delta heute: Nur 2 Arme und der Suezkanal.
Nil-Delta 1706
Nil-Delta 1706: Etwa 4 bis 5 Arme.


Die Einwanderer im östlichen Nildelta - bis zum Aufstieg in hohe ägyptische Ämter

Die Einwanderer waren wahrscheinlich Nomaden und Bauern Kanaans (S.66-67), eventuell auch Wirtschaftsflüchtlinge oder Händler. Sie verdingten sich als landlose Arbeiter. Ausserdem wurden kanaanäische Kriegsgefangene von ägyptischen Strafaktionen im östlichen Nildelta angesiedelt, die in den ägyptischen Tempelanlagen arbeiten mussten. Einige der Eingewanderten schafften den Aufstieg zu Regierungsbeamten, Soldaten und Priestern. Joseph, der mit einer Karawane nach Ägypten verschickt worden sein soll, wäre kein Einzelfall, sondern nur der bekannteste Fall von vielen (S.67).

Die Archäologie mit Siegeln, Inschriften und Texten

-- die Archäologie findet im damaligen östlichen Nil-Delta (das viel weiter östlich lag als heute) Inschriften und Siegel mit Namen kanaanäischen Ursprungs (S.69)

-- jüngste Ausgrabungen bestätigen den kanaanäischen Ursprung der Hyksos-Herrschaft und die allmähliche Einwanderung, eine plötzliche militärische Invasion gemäss dem ägyptischen Extrem-Dichter Manetho bleibt aber von der Archäologie unbestätigt (S.69)

-- das heutige Tell ed-Daba im damaligen östlichen Nildelta wird von den Archäologen als Auaris / Avaris, die Ex-Hauptstadt der Hyksos, identifiziert (S.69)

-- die Archäologen können beweisen, dass sich ab ca. 1800 v.Chr. der kanaanäische Einfluss auf das östliche Nil-Delta mit Keramik, Architektur und Gräbern verstärkte. Ab 1670 wuchs Auaris (heute Tell ed-Daba) bis zur 15. Dynastie zu einer riesigen Stadt heran, hauptsächlich im kanaanäischen Stil. Dabei fand eine friedliche Machtübergabe an die Kanaanäer statt, denn Brandspuren oder grosse Ascheschichten fehlen im Ruinenhügel (S.69).

Aktenlage: Pharao Ramses gab es noch gar nicht - eine Stadt Ramses erst recht nicht

Ein Name "Ramses" für eine Stadt, die die Juden damals im 15. Jh. zur angeblichen Zeit eines Jakob in Ägypten hätten bauen sollen, ist im 15. Jh. v.Chr. undenkbar, denn der erste Pharao namens "Ramses" besteigt erst 1320 v.Chr. den Thron, erst über 100 Jahre nach dem traditionellen Datum der Bibel (S.70).


Ägyptische Quellen berichten vom Bau der Stadt Pi-Ramesse ("Das Haus des Ramses", "Der Palast des Ramses") im Nildelta unter König Ramses II. (1279-1213 v.Chr.), wobei anscheinend Semiten für die Bauarbeiten eingesetzt worden seien (S.71).

[Ob dies Sklavenarbeit war oder nicht, bleibt bei Finkelstein / Silberman nicht abgesichert].

Indiz: Die späteren Invasionen der Assyrer, Babylonier und Perser ergeben Angstzustände in Ägypten mit Spionagevorwürfen gegen Israeliten

Das AT behauptet:
Den Neuankömmlingen aus Kanaan wirft Ägypten vor (Genesis 42,9), sie würden Spionage betreiben und untersuchen, "wo das Land offen ist", und deswegen sollten alle Juden versklavt werden (S.81)

Die Aktenlage sagt: Solche Spionagevorwürfe sind vor dem 7. Jh. v.Chr. unbegründet, aber nach den Invasionen durch Assyrer, Babylonier und Perser in Ägypten und im Nahen Osten im 7. und 6. Jh. v.Chr. wären solche Spionagevorwürfe aber sehr wohl begründet (S.81).

Schlussfolgerung
Die Widersprüche um die stetige Einwanderung nach Ägypten wegen Dürren und Kriegen sowie die Widersprüche um die Ängste vor Invasionen und Spionage in Ägypten geben dazu Anlass, die Geschehnisse der 12 Söhne Jakobs in Ägypten in Frage zu stellen. Die Indizien weisen sehr darauf hin, dass die Jakob-Geschichte erst im 7. Jh. v.Chr. geschrieben worden ist.





Bildernachweis

-- Nil-Delta um 1000 v.0 zur Pharaonenzeit mit Auaris: http://nefertiti.iwebland.com/manetho_hyksos.htm
-- Nil-Delta 1706 Karte von Cellarius: http://www.antiquemapsandprints.com/scans/scans60.htm
-- Nil-Delta 2001 Luftaufnahme: http://earthobservatory.nasa.gov/Newsroom/NewImages/images.php3?img_id=4712


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