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Judentum: Fälschung und Wahrheit im Alten Testament (AT) gemäss Aktenlage und Grabungen
Die neue Identität durch die neue jüdische Geschichte mit Hilfe chronologischer und archäologischer Forschung
8. Die Legende von der Befreiung unter einem erfundenen Mose und der angebliche Auszug in Richtung Rotes Meer
Pi-Ramesse, Ausgrabungen
von Michael Palomino (2006 / 2010)
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aus: Israel Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press, a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Mose soll der einzige Überlebende einer Bubenmordaktion des ägyptischen Pharao sein
Das AT behauptet:
-- der Pharao soll veranlasst haben, alle jüdischen Buben zu ertränken, um die Nachkommenschaft der Juden in Ägypten zu unterbrechen (S.62)
-- ein ausgesetzter jüdischer Bub soll in einem Körbchen auf dem Nil gefunden und von einer der Pharaonentöchter adoptiert worden sein (S.62-63), ein "Mose" (von der hebräischen Wurzel "herausziehen", aus dem Wasser) (S.63)
-- Mose soll als Erwachsener die Auspeitschung eines jüdischen Sklaven gesehen haben und daraufhin den ägyptischen Täter ermordet und im Sand verscharrt haben, daraufhin soll Mose in die Wüste nach Midian geflüchtet sein und soll dort als Nomade gelebt haben und bei Horeb (am "Berg Gottes") die Offenbarung am brennenden Dornbusch empfangen haben, der nie abbrennt (S.63).
Mose soll nun Vermittler und Befreier der Juden aus Ägypten sein (S.20):
Das AT behauptet:
-- Gott soll am brennenden Dornbusch behauptet haben, er sei Gott JHWH und Mose solle zusammen mit dem Bruder Aaron in Ägypten die Freiheit für die Juden einfordern
-- die erste Reaktion des Pharao auf die Forderung von Mose nach der Freiheit der Juden unter der angeblichen Sklaverei soll negativ gewesen sein: Der Pharao soll die Situation für die Juden in Ägypten noch verschlimmert haben (S.63)
-- als nächstes soll Gott JHWH dem angeblichen Mose aufgetragen haben, dem Pharao mit Plagen zu drohen, falls er die angeblich versklavten Juden nicht freigebe
-- nach der angeblichen erneuten Weigerung des Pharao, die angeblich versklavten Juden freizulassen, sollen über Ägypten Plagen hereingebrochen sein: Der Nil soll zu Blut geworden sein, Frösche, Stechmücken und Fliegen sollen zur Plage geworden sein, alles Vieh soll an einer rätselhaften Krankheit gestorben sein, und die Bevölkerung und das überlebende Vieh soll an Blattern und Geschwüren gelitten haben (S.63)
-- aber der Pharao soll die angeblich versklavten Juden angeblich immer noch nicht freigegeben haben, so dass neue Plagen gekommen sein sollen: Heuschrecken, eine Finsternis, und der Tod aller erstgeborenen bei Mensch und Tier, die Juden in Ägypten sollen aber durch ein spezielles Opferritual mit Opferblut an den Eingangstüren vom Tod der Erstgeborenen verschont worden sein (S.63)
-- der Pharao soll bei der Mordaktion Gottes seinen erstgeborenen Sohn verloren haben (S.64)
-- erst jetzt soll der Pharao die angeblich versklavten Juden freigegeben haben
-- die freigelassenen Juden sollen mit ihrem Vieh Ägypten in Richtung Rotes Meer verlassen haben, um angeblich durch die Wüste Juda zu erreichen, um angeblich Kriege mit den Philistern zu vermeiden (S.64)
-- da soll der Pharao Angst bekommen haben, die ausziehenden Juden würden sich mit Ägyptens Feinden gegen Ägypten verschwören und Ägypten angreifen wollen (S.81)
-- da soll der Pharao angeordnet haben, die Juden wieder einzufangen und erneut zu versklaven, und er soll 600 Militärwagen hinter ihnen hergeschickt haben, um sie wieder einzufangen-- da soll sich das Rote Meer geteilt haben, die Juden sollen angeblich das Rote Meer durchschritten haben, und die nacheilenden ägyptischen Truppen sollen vom Meer verschlungen worden sein (S.64).
Aktenlage und Archäologie: Die Widersprüche über den angeblichen "Exodus"
Generelle Widersprüche bei Mose
-- vier von fünf Büchern Mose sind diesem Auszug aus Ägypten gewidmet, der 40 Jahre gedauert haben soll, mit allerlei Wundern (S.61)
-- die Gewichtung, der kleinen Zeit von 40 Jahren 4 der 5 Bücher zu widmen, erscheint sehr manipulativ gegen Ägypten gerichtet
-- Gott soll die universale Gottheit sein
-- die festgestellten Daten von 200 Jahre langen intensiven Ausgrabungen in Ägypten stimmen mit den Mose-Daten des erfundenen Pentateuchs nicht überein (S.61).
Der grosse Widerspruch der ganzen angeblichen Befreiung aus Ägypten besteht darin, dass nach der angeblichen Befreiung aus Ägypten gleich danach eine neue Unterwerfung unter die strengen Mose-Gesetze erfolgt sein soll (S.62).
Weitere Widersprüche bei Mose:
-- Mose kann unmöglich seinen eigenen Tod beschrieben haben
-- die Geschehnisse beschreiben alte Orte und es wird mehrfach behauptet, die Beweise für die Ereignisse seien "bis zum heutigen Tag" sichtbar
-- also müssen die Mosebücher mindestens eine Nachbearbeitung erfahren haben (S.22)
-- es existieren im Pentateuch mehrere Versionen der gleichen Erzählung (S.22)
-- die Schöpfung ist in zwei verschiedenen Versionen vorhanden (1. Buch Mose 1,1-3 und 2,4-25)
-- es existieren zwei verschiedene Stammbäume für Adams Nachfahren (4,17-26 und 5,1-28)
-- die Wanderungen der Erzväter, der Auszug aus Ägypten und die Gesetzgebung sind doppelt oder dreifach in verschiedenen Versionen vorhanden: Doppelversionen sind hauptsächlich in Genesis (1. Buch), Exodus (2. Buch) und Numeri (4. Buch) zu finden (S.23).
Die Vertreibung der Hyksos gemäss des ägyptischen Historikers Manetho
-- Manetho beschreibt, wie ein tugendhafter ägyptischer König die Hyksos vertreibt und angeblich bis an die Grenzen Syriens verfolgt (S.69)
-- und Manetho lässt anklingen, dass diese Hyksos Jerusalem gegründet und dort einen Tempel gebaut haben sollen (S.69).
Die Vertreibung der Hyksos gemäss einer weiteren ägyptischen Quelle
-- in der ägyptischen Quelle des 16. Jh.s v.Chr. werden Heldentaten des Pharao Ahmose der 18. Dynastie beschrieben (S.69)
-- Pharao Ahmose liess Auaris plündern und die fliehenden Hyksos bis zur Hauptfestung in Süd-Kanaan verfolgen, bis Scharuhen in Gaza, das belagert und erstürmt wurde (S.70).
Archäologie bei den Hyksos 1570 v.Chr.
-- Auaris / Tell ed-Daba wird gemäss Archäologie Mitte 16. Jh. um 1570 v.Chr. von den Kanaanäern aufgegeben (S.70)
-- der Name "Israel" wird in Auaris nirgendwo erwähnt, also ist bis dahin auch kein israelitisches oder jüdisches Nationalgefühl oder Identität vorhanden (S.70)
-- die Stadt Auaris, die Vertreibung aus Auaris um 1570 v.Chr. und die Zerstörung von kanaanäischen Städten in Kanaan um dieselbe Zeit sind archäologisch gesichert. Somit ist ein starker Hinweis für eine gewalttätige Verfolgung oder einen Vernichtungsfeldzug gegeben (S.70).
Indiz: Invasionen der Assyrer, Babylonier und Perser ergeben Angstzustände in Ägypten mit Spionagevorwürfen gegen Kanaan
AT:
Den Juden, die angeblich unter Mose den Auszug aus Ägypten ans Rote Meer beginnen, soll der Pharao vorgeworfen haben, sie würden sich mit den Gegnern Ägyptens verbünden und Ägypten angreifen wollen (S.81).
Aktenlage: Solche Spionagevorwürfe sind vor dem 7. Jh. v.Chr. unbegründet. Aber nach den Invasionen durch Assyrer, Babylonier und Perser in Ägypten und im Nahen Osten im 7. und 6. Jh. v.Chr. wären solche Spionagevorwürfe sehr wohl begründet (S.81).
Aktenlage und Archäologie: Der Niedergang in Kanaan nach dem ägyptischen Vertreibungsfeldzug
In der Folge des Vertreibungsfeldzugs gegen die Hyksos ist Kanaan in der späten Bronzezeit im 15. bis 11. Jh. v.Chr. nur noch ein Schatten des Wohlstands der mittleren Bronzezeit im 16. Jh. v. Chr. (S.91).
Gemäss den ägyptischen Amarna-Briefen an die Pharaonen des 14. Jh. v.Chr. sind weitere Vorgänge im Gang:
-- viele Städte in Kanaan werden aufgegeben oder schrumpfen zumindest
-- die gesamte sesshafte Bevölkerung Kanaans umfasst gemäss archäologischer Flächenforschung vielleicht noch knapp 100.000 Einwohner, andere Bevölkerungsteile sind im Nomadentum
-- gemäss Aktenlage genügen winzige militärische Einheiten, z.B. genügen 100 ägyptische Soldaten zum Schutz von Megiddo vor dem Angriff des Königs von Sichem (S.91).
Nun aber kommt eine erste Identitätsbildung: Ab der Vertreibung der Hyksos um 1570 v.Chr. ist eine gemeinsame Erinnerung wahrscheinlich (S.82), wobei Details wohl verlorengegangen sind (S.83).
Aktenlage und Archäologie: Die neue Befestigungskette im Reich Ägypten an der Küstenstrasse
Die aufgebrachte Stimmung gegen die Hyksos und die Vertreibung der Hyksos um 1570 v.Chr. provoziert in Ägypten wahrscheinlich den Bau einer archäologisch gesicherten Kette von bemannten Befestigungen entlang der Delta-Ostgrenze zwischen Ägypten und Kanaan, höchstwahrscheinlich, um die Einwanderung besser zu überwachen bzw. zu minimieren oder zu unterbinden (S.72).
Gemäss archäologischen Ausgrabungen in den 1970er Jahren unter Leitung des jüdischen Archäologen Eliezer Oren von der Ben Gurion-Universität (Tel Aviv) sind die in der Folgezeit errichteten Festungen jeweils in Entfernungen von Tagesmärschen aufgestellt und umfassen Kornspeicher und Brunnen bzw. Wasserspeicher, ein regelrechtes Festungssystem (S.74).
Die ägyptischen Festungen sind in der veralteten Bibel als "Migdol" erwähnt. Die Juden unter Mose sollen zwischen den Migdol und dem Meer ein Lager aufschlagen (2. Buch Mose (Exodus), 14,2) (S.73).
Im 13. Jh. v.Chr. errichtet Ägypten sogar in Kanaan selbst eigene Festungen und ist vorherrschende Macht mit Verwaltungsstellen auch in Kanaan. Ägyptische Armeen besetzen die Region bis zum Euphrat in Syrien. Die stark befestigte Strasse zwischen Ägypten und Kanaan wird eine der strategisch wichtigsten Strassen Ägyptens (S.73). Die 250 km lange Strasse von Ägypten nach Gaza wird auch als "Weg des Horus" bezeichnet (S.74).
[Horus ist einer der Hauptgötter der ägyptischen Mythologie].
Der ägyptische Feldherr Thutmosis III. berichtet, die 250 km Entfernung mit seinen Truppen in 10 Tagen zurückgelegt zu haben (S.74).
[Ergänzung
Wenn man berücksichtigt, dass auch das erste Buch Mose den Euphrat als Grenze beschwört (1. Buch Mose, Kapital 15, Satz 18), dann hat die Grenze des Euphrat im Nahen und Mittleren Osten scheinbar eine magische strategische Bedeutung wie in Europa der Rhein oder in "Amerika" der Mississippi].
Aktenlage: Die neue Stadt Pi-Ramesse unter Ramses II. wurde nach der Vertreibung der Hyksos gebaut
Pi-Ramesse, Ausgrabungen
Ramses II. lässt nun nach der Vertreibung der Hyksos eine ihm geweihte Stadt Pi-Ramesse ("Das Haus des Ramses", "Der Tempel des Ramses") errichten, nahe der Ruinen von Auaris (S.72).
Für die Zeit Ramses II. sind für das östliche Nildelta Wanderarbeiter aus vielen Gegenden nachweisbar, aber keine Kanaanäer (deren Einwanderung ja durch eine neue Festungskette an der Küstenstrasse verhindert wird). Insofern haben gemäss sicherer Archäologie sicher nicht Kanaanäer, sondern Arbeiter anderer Gegenden die Stadt Ramses gebaut (S.73).
Schlussfolgerung:
Mose-Massenflucht wegen Festungssystem unmöglich - die Hyksos-Massenflucht war nicht israelisch - keine jüdische Sklavenarbeit für die Stadt Ramses
Eine Massenflucht aus dem Ägypten unter Ramses zu Moses' Zeiten erscheint bei der militärischen Sicherung der Ostgrenze mit einer Festungskette absolut unwahrscheinlich, ebenso eine Wanderung durch die Wüste und ein Einzug nach Kanaan über die Ostseite, da auch Kanaan völlig ägyptisch beherrscht war (S.73). Die ägyptischen El-Amarna-Briefe im 12. Jh. besagen, 50 ägyptische Soldaten hätten ausgereicht, um in Kanaan Unruhen zu "befrieden" (S.73).
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London 8.3.2011: Theologin Francesca Stavrakopoulou bestätigt: Moses gab es nie
aus: 20 minuten online: Kontroverse Besetzung: Atheistin will den Briten die Bibel erklären; 8.3.2011;
http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/11491203
<Gott hatte eine Frau, Moses hat es nie gegeben und Eva war nicht Schuld am Sündenfall. Mit diesen Thesen provoziert eine britische Theologin. Jetzt bekommt sie von der BBC eine eigene Sendung.
Die promovierte Theologin und Atheistin Francesca Stavrakopoulou ist der Star der neuen BBC-Serie «Die vergrabenen Geheimnisse der Bibel». (Bild: Russel Sach)
Die britische Rundfunkanstalt BBC ist berühmt für gewagte Personalentscheide, vor allem was ihre Religionsformate anbelangt. 2009 ernannte sie den Moslem Aaqil Ahmed zu ihrem neuen Leiter für den Bereich Religion und wurde dafür von christlichen Zuschauern und der anglikanischen Kirche kritisiert. Zuvor war Tommy Nagra, ein Sikh, als Produzent für die beliebte Fernsehsendung «Songs of Praise» verpflichtet worden, die sich dem Kirchengesang widmet.
Jetzt erregt eine weiterer Neuzugang die Gemüter: Die junge Francesca Stavrakopoulou vergleicht in der dreiteiligen Serie «Die vergrabenen Geheimnisse der Bibel» die neusten archäologischen Erkenntnisse mit den Bibelgeschichten. Über das nötige Fachwissen verfügt die promovierte Theologin ebenso wie eine gewisse Telegenität. Trotzdem werden einige etwas an ihr auszusetzen haben: Stavrakopoulou glaubt nicht an Gott.
Bibelstudium und Atheismus kein Widerspruch
Gegenüber dem BBC-Magazin «Radio Times» bezeichnete sie sich selbst als «Atheistin mit einem riesigen Respekt für Religion». Gleichzeitig betonte sie, dass sie eine Wissenschaftlerin wie alle anderen sei und «darum den Glauben nicht mit zur Arbeit nehme». Dass manche einen Widerspruch zwischen Interesse an der Bibel und Atheismus sehen, ist ihr bewusst. Doch für Stavrakopoulou geht es um etwas anderes: «Die Bibel ist ein Stück religiöser und sozialer Literatur und hat einen enormen Einfluss auf die westliche Kultur. Deshalb ist es wichtig, dass solche Sendungen produziert werden.»
«Die vergrabenen Geheimnisse der Bibel» ist bisher noch nicht ausgestrahlt worden, doch geneigte Zuschauer werden sich vielleicht an die Sendung «Die Bibel: Eine Geschichte» vom vergangenen Jahr erinnern. Dort hatte Stavrakopoulous einen Kurzauftritt, der vielleicht einen Vorgeschmack auf das gibt, was ihnen jetzt blüht: Nicht nur sei zweifelhaft, dass die ersten fünf Bücher der Bibel von Moses stammen. Vielleicht habe Moses selbst gar nie existiert, sagte sie damals. Nun könnte es noch dicker kommen.
Die Göttin des Himmels
In ihrer neuen Sendung beklagt Stavrakopoulous laut dem britischen «Telegraph», dass «Eva vor allem in der christlichen Tradition immer zu Unrecht als das lästige Weib verleumdnet wurde, das den Sündenfall herbeiführte» und fügt hinzu: «Vergessen Sie nicht, dass die Bibelautoren Männer waren und in einer sehr männlich dominierten Welt lebten. Frauen waren Menschen zweiter Klasse und wurden wie Eigentum behandelt.»
A propos Frauen: Gott selbst hat laut Stavrakopoulous auch eine gehabt. Sie basiert diese These auf Textstellen im Alten Testament, wo von der Fruchtbarkeitsgöttin «Aschera» die Rede ist und als «Göttin des Himmels» bezeichnet wird.
Der Geschlechterfokus der jungen Theologin lässt sich vielleicht durch ihre persönlichen Erfahrung als Wissenschaftlerin erklären: «Die meisten Theologen sind bärtige Männer mittleren Alters. Es gib eine gewisse Portion Sexismus in diesem Fach und als junge Frau musste ich lernen, damit umzugehen.»
(kri)>
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Bildernachweis
-- Pi-Ramesse, Ausgrabungen: http://www.dematterudolf.com/DematteRudolf/aegykultst1.htm
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