aus: Israel
Finkelstein / Neil A. Silberman: Keine Posaunen vor
Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel;
Deutscher Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München
2004, zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The
Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient
Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free Press,
a division of Simon & Schuster, Inc., 2001; Deutsche
Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Die
Widersprüche zum Zusammenleben der Stämme im AT
-- der Stamm Benjamin soll von einem Bündnis anderer
israelitischer Stämme angegriffen worden sein, und das
Bündnis soll geschworen haben, keine Heiraten mit
Benjaminern zuzulassen (Richter, 19-21) (S.112)
[Ethnischer Rassismus, Heiratsverbote]
-- gemäss dem Debora-Lied werden viele Stämme dem
Gottesgesetz "untreu" und setzen sich nicht für die "Sache
von ganz Israel" ein (S.112-113).
Das AT behauptet eine
Bedrohung der 12 Stämme von Anfang an
Das AT sagt:
Die israelitischen Stämme sollen von Anfang an von Feinden
umgeben gewesen sein, und sollen mit feindlichen Enklaven
in den Stammesgebieten konfrontiert gewesen sein,
und die Lage soll immer bedrohlich gewesen sein,
militärisch wie religiös, und das "Volk Israel" soll nun
eine Bewährungsprobe nach der anderen ausgestanden haben,
mit allen möglichen "Heldentaten", die nur Mord und
Todschlag bedeuten:
-- Othniel, ein Kalebit, soll gemäss Richter
3,7-11 den geheimnisvollen Feind Kusan-Risathaim, den
"König von Mesopotamien", ganz allein zurückgeschlagen
haben
-- Ehud vom Stamm Benjamin soll gemäss Buch
Richter 3,12-30 den mächtigen, fettleibigen König von Moab
in dessen Privatgemach getötet haben (S.114)
-- Samgar, soll gemäss Buch Richter, 3,31 600
Philister mit einem Ochsenstecken erschlagen haben (S.114)
-- Debora und Barak sollen die
israelitischen Stämme gegen verbliebene Kanaanäerkönige im
Norden aufgerüttelt haben
-- die Frau des Keniters Heber, Jael, soll
gemäss Buch Richter, 4,1-5,31 den kanaanäischen General Sisera
mit einem Pflock durch die Schläfe getötet haben (S.114)
-- Gideon vom Stamm Manasse soll gemäss Buch
Richter 6,1-8,28 das Land vom Götzendienst gesäubert haben
und sein Volk vor den räuberischen Midianitern aus der
Wüste geschützt haben (S.114)
-- Simson soll gemäss Buch Richter 13,1-16,31 von
der philistäischen Dalila verführt worden sein und
sie soll ihm seine Locken geraubt haben (S.114), dann soll
er in Gaza geblendet und gedemütigt worden sein
(S.114-115) und [nach dem Nachwachsen der Haare] soll er
in Dan die Säulen des grossen philistäischen Dagontempels
zum Einsturz gebracht haben (S.115)
[vielleicht ein Selbstmordanschlag].
Die Fakten der Archäologie: Der Wiederaufbau auf oder neben
den Stadtruinen - die Sagenbildung
Das tatsächliche Leben der Israeliten wird im erfundenen AT
kaum geschildert, weder im Buch Josua (S.115) noch im Buch
Richter (S.115-116). Gemäss Finkelstein / Silberman wären
die Israeliten nach 40 Jahren Wüstenwanderung und 10 Jahren
Eroberungskrieg auf eine Umstellung auf ein Bauernleben in
einem völlig zerstörten Land wohl schlecht vorbereitet
gewesen (S.116)
[bzw. es wären Hungersnot und Massentod ausgebrochen, oder
die umliegenden "Feinde" wären zu "Freunden" geworden, um
Nahrung miteinander zu teilen, oder andere äussere Feinde
hätten die geschwächten Israeliten besiegt und die
"Vorarbeit" dankend angenommen].
ab 1100 v.Chr. ca.
Wiederaufbau in Kanaan - die
Unabhängigkeiten der Gebiete der späteren Reiche Sichem
und Jerusalem bleiben
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Karte mit Sichem
/ Shechem, Samaria, Jesreel und Jerusalem. Für
Jerusalem sind für diese Zeit keine Funde
auffindbar.
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Die Philister in der kanaanäischen Ebene
erarbeiten sich die Macht in den Städten wieder zurück. Die
Unabhängigkeiten der Stadtstaaten im Bergland (Gebiete der
späteren Reiche Sichem und Jerusalem) bleibt aber erhalten
(S.178).
Die phönikischen Nachfahren der Kanaanäer besetzen die
Hafenstädte im Norden (S.178-179).
Megiddo und andere Städte erfahren einen neuen Ausbau.
Megiddo wird wieder zu einer ansehnlichen Stadt.
Archäologisch ist in Megiddo die gesamte Entwicklung an den
Schichten ablesbar (Stratum VIA). Die Neugründung beinhaltet
praktisch alle Merkmale der früheren kanaanäischen Kultur
-- mit ähnlichem Keramikstil wie im 12. Jh. v.Chr.
-- mit ähnlichem Grundriss wie im 12. Jh. v.Chr.
-- mit kanaanäischen Tempelanlagen etc. (S.179).
Eine ebensolche Entwicklung erfahren Tel Dor und Tel Rehov.
Die neue Blüte hält aber nicht lange an (S.179).
Schuttberge bewirken die
Sagenbildung - Beispiel Bethel
Es ist anzunehmen, dass die gewaltigen Schuttberge bei den
Städten eine unheimlich wirkende Erinnerung in der
Bevölkerung hinterlassen haben.
Gemäss den Bibelforschern Alt und Noth ranken sich nun Sagen
um die Ruinenhaufen mit allen möglichen Heldengeschichten,
-- denn die schmerzhafte Erfahrung der Staatzerstörungen
geht nicht einfach so vorbei
-- aber die Erinnerung wird immer verschwommener und wird
Rohmaterial für alle möglichen Legenden und Behauptungen
(S.107) [mit Höhepunkt der Legendenbildung im AT ab dem 7.
Jh. v.Chr.].
Im Falle der Stadt Bethel z.B. ist der gewaltige Schuttberg
(Tell) im Osten mit den Ruinen aus der Spätbronzezeit 10 mal
grösser als die neu aufgebaute Stadt (S.106).