aus: Israel Finkelstein / Neil
A. Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die
archäologische Wahrheit über die Bibel; Deutscher
Taschenbuchverlag DTV GmbH & Co. KG, München 2004,
zweite Auflage 2005; englische Originalausgabe: "The
Bible Unearthed. Archaeology's New Vision of Ancient
Israel and the Origin of Its Sacred Texts; The Free
Press, a division of Simon & Schuster, Inc., 2001;
Deutsche Ausgabe: Verlag C.H.Beck oHG, München 2002
Das reale Königreich David: Winzige Dimension
im Bergland
Das archäologisch
feststellbare Königreich David umfasste den Südteil des
Berglands vom Nordrand des Negev bis etwas südlich des
heutigen Jerusalem. Das Königreich David war nur schwer
zugänglich, hatte landwirtschaftlich nur knappe
Ressourcen (S.148) und das zentrale Hochland von
Jerusalem bis Hebron ist damals noch eine Steinwüste.
Erst allmählich wird die Steinwüste von den Steinen
befreit und daraus eine fruchtbare Ebene gemacht, wie
sie heute existiert (S.149).
[Die Umwandlung der Steinwüste in eine
fruchtbare Ebene geschieht später aus der Not heraus,
als die grossen Reiche das kleine Reich Juda immer mehr
dezimieren].
Im winzigen David-Reich waren die
Umstände folgendermassen:
-- es herrschte Analphabetismus,
Hirten und Bauern gemischt, keine Schriftlichkeit, keine
Reichsstrukturen (S.160)
-- von den geschätzten 45.000 Menschen
im Bergland lebten vielleicht 40.000 im Norden, nicht im
Süden bei Jerusalem (S.160)
-- die Ereignisse
mit dem in der Bibel behaupteten Besuch der Königin von
Saba bei Salomo (1. Könige 10,1-10) in Kombination mit
Fernhandel mit dem Land Ophier und die weiten
Handelsexpeditionen nach Ezjon-Geber (1. Könige 9,26)
sind erst 300 Jahre später möglich, als sich die
Struktur in Juda entwickelt hatte, auch grossen Handel
zu betreiben (S.161)
-- ausserdem ist Ezjon-Geber am Roten
Meer gemäss Archäologie nicht vor der "späten
Königszeit" bewohnt (S.161)
-- der Bau von
Thamar (1. Könige 9,18) in der Wüste ist auch erst 300
Jahre später möglich und ist gemäss Archäologie auch
erst in der "späten Königszeit" bewohnt (S.161)
-- in der Bronzezeit und zu Anfang der
Eisenzeit ist die Region steinig, mit dichtem Gestrüpp
durchsetzt und waldig, Ackerboden existiert kaum (S.149)
-- zur Zeit der jüdischen Bergdörfer
(12. bis 11. Jh. v.Chr.) werden dort kaum 10 jüdische
Siedlungen gegründet (S.149)
-- die Anzahl der Dörfer erhöht sich
allmählich, aber das Dorfsystem bleibt auch im 10. Jh.
v.Chr. gleich (S.149)
-- nördlich des angeblichen Südreichs
Juda entstehen an Westhängen Obst- und Weinkulturen, im
Gebiet des angeblichen Südreichs Juda selbst ist der
Boden zu steinig dafür (S.149)
-- bis zur Regierungszeit des
erfundenen Salomos bleibt das erfundene Königreich David
gemäss Archäologie isoliert, ist kaum von sesshafter
Bevölkerung besiedelt, ist zurückgeblieben und ohne
grössere städtische Siedlungen (S.149)
-- Jerusalem war zur Zeit von David
und Salomo nicht einmal ein Sammelpunkt für Beduinen,
der Ort bleibt ohne jegliche Überreste aus der Zeit
(S.150)
-- gemäss der Archäologie sind für das Gebiet Juda für
das 10. Jh. v.Chr. ca. 20 kleine Bergdörfer
feststellbar, mit einigen 1000 Bewohnern, davon viele
Hirten (S.150).
Keine Schreibfähigkeit in
Israel-Palästina bis Ende 8. Jh. v.Chr.
Bis in die 1990er Jahre nehmen die
Philologen und Anthropologen an, unter den angeblichen
Königen David und Salomo habe ein starker und voll
ausgebildeter Staat bestanden. Dabei ist der
dazugehörige biblische jahwistische Text aus Jerusalem,
der Salomo und David ins 10. Jh. datiert, wahrscheinlich
erst gegen Ende des 8. Jh. v.Chr. geschrieben,
-- weil bis dahin keine Fundstücke
vorhanden sind, die auf Lese- und Schreibfähigkeit
schliessen lassen
-- weil bis dahin keine Funde für eine
volle Eigenstaatlichkeit Judas oder Jerusalems vorhanden
sind (S.34)
-- ein grosses Reich unter David und
Salomo vom Roten Meer bis nach Syrien ist ohne Lese- und
Schreibfähigkeit unmöglich (S.150)
-- ohne Armee und ohne grosse
Waffenproduktion wäre ein solches Reich gegen andere
Grossreiche wie Ägypten oder Reiche in Mesopotamien
sowieso nie zu halten, da müsste doch viel zu finden
sein, wenn es eine solche Waffenproduktion für ein
solches Riesenreich gegeben hätte (S.151)
-- es fehlen auch die Überreste für
eine grosse Verwaltung einer grossen Armee, und ohne
eine grosse Verwaltung ist die Führung eines
Riesenreichs mit den angeblichen Dimensionen unter
Salomo niemals möglich (S.151).
Erst ab dem 8. Jh. v.Chr. ist in
beiden Stadtstaaten Sichem (biblisch "Israel") und
Jerusalem (biblisch "Juda") eine Schrift vorhanden, eine
gemeinsame Schrift (S.178).
[Umkehrschluss:
Manipulation ab Lese- und Schreibfähigkeit
Sobald die Macht Jerusalems gross
genug und die Schreibfähigkeit und Lesefähigkeit in der
Bevölkerung verbreitet genug ist, wird eine massive
Manipulationsarbeit mit einem erfundenen AT betrieben.
Parallelfälle, wo die Bevölkerung
Schreiben und Lesen lernte und dann gleich in den
Abgrund manipuliert wurde, sind Mao in China und Lenin
und Stalin in Russland].
945-924 v.Chr.
Ägypten: Pharao Schischak =
Scheschonk I.
Pharao Schischak (Bibel 1.Kge. 14,25)
wird als Scheschonk I. aus der 22. Dynastie Ägyptens
identifiziert. Pharao Scheschonk I. hinterlässt an der
Wand des Amun-Tempels in Karnak in Oberägypten einen
Feldzugsbericht, der allen Historikern jegliche
Spekulation offenlässt. Die Klärung findet sich erst mit
den genauen archäologischen Datierungsmethoden (S.28).
Der Amun-Tempel in
Karnak
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Amun-Tempel in Karnak, Aussenfassade.
Amun-Tempel in Karnak: Beschriebene Säulen.
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Karte mit Karnak, Luxor, Theben, Gizeh, Kairo am
Nil
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Assyrien wird
aggressiv
Nach Ausgrabungen von Städten,
Riesenpalästen und Keilschriftarchiven in Kleinasien
werden Ninive (Assyrien)
und Babel (Reich
Babylon) als Hauptstädte aggressiver Reiche erkannt
(S.28).
Assyrische Daten
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Gott Assur, der Obergott der Assyrer. So wie er
wollen alle assyrischen Herrscher aussehen... |
Tontafel
mit Keilschrift aus Babylon, 2000-1700 v.Chr.:
Lexikonartikel mit Schilderung verschiedener
Fischarten.
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Karte mit Ninive, Assur,
Babylon, Mari, die Flüsse Euphrat, Tigris
und Orontes.
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Tontafel mit Keilschrift aus
Lagasch, ca. 2500 v.Chr., mit einer
Kleiderabrechnung des Tempels der Hauptgöttin.
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Herausragende Archive sind jene in Mari und Nuzi Licht
(Mesopotamien, Keilschrift) sowie Tell el-Amarna
(Ägypten, Hieroglyphenschrift) (S.30).
[Nuzi mit dem Ruinenhügel "Yorghan Tepe" wird auch als
Ga-Sur bezeichnet].
Die Funde beweisen die Fähigkeit zur Verwaltung grosser
Reiche. Künstler und Schreiber dokumentieren die
Ergebnisse in Tontafeln und in Stein. In den
Keilschriftarchiven Mesopotamiens sind sogar Hinweise
auf eine Reihe biblischer Könige, z.B. auf die
Israelitenkönige Omri, Ahab (S.28), oder Jehu, und auch
judäische Könige wie Hiskia und Manasse sind erwähnt
(S.30).
[Aber David oder Salomo sind nicht erwähnt].
926 v.Chr.
AT: Pharao
Schischak soll den David-Tempel beraubt haben
Das AT behauptet:
-- Pharao Schischak (in ägyptischen Quellen "Scheschonk"
genannt), der Begründer der 22. Dynastie, soll im Norden
Ägyptens angeblich einen aggressiven Überfall
unternommen haben (S.179)
-- Pharao Schischak [auch: Sisak] soll in einem Raubzug
alle Tempel beraubt und auch den David-Tempel bzw.
Salomo-Tempel beraubt haben (1. Könige 14,25-26)
(S.179-180).
Aktenlage und
Archäologie zu Schischak / Sisak: Es war König Hasaël
- Tempelfunde gibt es nicht
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Karte mit
Beth-Schean, Rehov, Megiddo und Taanach,
Luftbild.
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Die Bibel erwähnt die Dimensionen der
Weltkpolitik nicht. Israel war für Pharao Schischak nur
eine Durchgangsstation [im Krieg gegen Mesopotamien]
(S.180).
Die grossen kanaanäischen Städte Rehov, Beth-Schean,
Ta'anach und Megiddo werden zerstört. Es entstehen dicke
Schuttschichten (S.180).
Die Siegesinschrift an den Wänden des grossen Tempels in
Tarnak in Oberägypten zählt für die Invasion 150
zerstörte Städte und Dörfer auf:
-- im Süden
-- im westjordanischen Bergland
-- in der Jesreel-Ebene
-- in der Küstenebene (S.180).
Finkelstein / Silberman stellen aber die Frage, wieso
Schischak die Städte in jenem Gebiet zerstört haben
soll, das er später selbst beherrschen will. Von der
Zerstörung Kanaans würde das Nordreich am meisten
profitieren, was sicher nicht im Sinn von Schischak
gewesen sein kann (S.180).
Gemäss neuer Zuordnung der Zeit mit der Korrektur um 100
Jahre wird Schischak von der Invasion freigesprochen und
der König Hasaël von Aram-Damaskus später als Täter der
zerstörerischen Invasion erkannt (S.221,223).
Archäologie:
Wachstum im Stadtstaat Sichem 10. Jh. v.Chr. - der
Stadtstaat Jerusalem ist noch Hirtenland
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Karte mit
Sichem / Shechem, Samaria, Jesreel und
Jerusalem. Für Jerusalem sind für diese Zeit
keine Funde auffindbar.
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Der nördliche Stadtstaat Sichem (später
"Nordreich Israel") ist ein voll entwickelter Staat mit
starken Beziehungen nach aussen (S.178). Der Stadtstaat
Sichem kann sich nun nach der Zerstörung der kanaanäischen
Städte frei entwickeln und in die angrenzenden Ebenen
ausdehnen (S.181).
[Schreibeweisen für Sichem sind Sychem, Sechem, Salem,
griech. und lat. Sikima, oder hebr. Shechem, mit dem "Tell
Balata"].
Der südliche Stadtstaat Jerusalem (nach dem Untergang des
"Nordreichs Israel" kam der Aufstieg des "Südreichs Juda")
hat aufgrund der geografischen Bedingungen mit steilen
Hängen und dem Toten Meer kaum Beziehungen nach aussen
(S.178). Im südlichen Stadtstaat Jerusalem herrscht
weiterhin ein Hirtenleben mit Analphabetentum und ohne
jede Verwaltung, Staatsstruktur oder Armee. Sichem und
Jerusalem sind de facto alles andere als
"Zwillingsstaaten", wie sie im AT dargestellt werden
(S.181).
Gemeinsamkeiten der
Stadtstaaten Sichem und Jerusalem
-- in beiden Territorien wird neben anderen Göttern auch
Gott JHWH verehrt
-- die Bevölkerungen teilen viele gemeinsame Sagen,
Heldengestalten und Geschichten über die Vergangenheit
-- die Bevölkerungen haben ähnliche Sprachen und Dialekte
des Hebräischen (S.178).
Für den nördlichen Stadtstaat Sichem ist der südliche
Stadtstaat Jerusalem ein ländliches Hinterland. Ausserdem
sind die kanaanäischen Stadtstaaten im Flachland und an
der Küste normalerweise immer stärker entwickelt als
Sichem (S.178).
[Entwicklungsmässig folgen einander gemäss dem
Handelsaufkommen zuerst die Küstenstädte, dann Sichem
(später mit Hauptstadt Samaria) und ganz am Schluss das
Südreich Juda mit Jerusalem].
Sichem / Shechem: Ruinenhügel Tell Balata,
Luftaufnahme.
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Archäologie über die
Stadtstaaten Sichem und Jerusalem im 9. Jh. v.Chr.
Der Stadtstaat Jerusalem - in der Bibel "Juda" genannt -
ist gemäss Archäologie im 10. und 9. Jh. v.Chr. immer noch
sehr dünn besiedelt (S.176) und umfasst nur knapp 20
Dörfer (S.177).
Der Stadtstaat Sichem (biblisch später "Nordreich Israel")
ist dagegen in dieser Zeit dicht besiedelt, mit
differenzierter Bevölkerungsstruktur, vom grossen
regionalen Zentren bis zum kleinen Weiler, mit
wirtschaftlicher "Blüte" (S.177).
Sichems Handel im frühen 9. Jh. v.Chr. mit den
Nachbarregionen führt zu wirtschaftlichem Wachstum,
-- so dass regionale, befestigte Verwaltungszentren
entstehen
-- so dass aufwändige Paläste aus Quadersteinen gebaut
werden, z.B. mit Steinkapitellen verschönert, z.B. in
Megiddo, Jesreel und in in der Hauptstadt Samaria (S.177)
-- ausserdem entsteht eine voll entwickelte staatliche
Olivenölindustrie (S.177).
Um 900 v.Chr. hat der Stadtstaat Sichem (später "Nordreich
Israel") einen vollen Verwaltungsapparat und eine
gesellschaftliche Schichtung aufzuweisen. Im Handel
kursieren Luxusgüter. Eine Luxusarchitektur rundet das
Bild der "Repräsentation" ab (S.177).