[4.13.
Spendensammlungs-Wettbewerb zwischen dem Joint und
den Zionisten]
[Die
Spendensammlungs-Tätigkeit des Verteilungskomitees und
der Zionisten]
Ein weiterer Aspekt der Beziehungen zwischen dem JDC und
den amerikanischen Zionisten war das ewige Problem des
Wettbewerbs beim Spendensammeln. Zwei Probleme tauchten
da auf: Bei den Spendensummen des amerikanischen
Judentums musste ein Prozentsatz festgesetzt werden, wie
viel davon für die Überseehilfe abgezweigt werden
sollte; und dann musste noch festgesetzt werden, wie
dieses Geld zwischen Palästina und den anderen Gebieten
aufgeteilt werden sollte. So weit das erste Problem
betroffen war, so stimmten die Interessen von Zionisten
und Nicht-Zionisten offenbar miteinander überein. Beide
strebten an, dass der Prozentanteil der Geldsummen für
die Hilfe für Juden im Ausland anstieg,
miteingeschlossen in Palästina. Nachdem die schlimmste
Zeit der Depression ab 1935 vorüber war, wuchs der
Prozentanteil der Überseehilfe gegenüber den
Aufwendungen im eigenen Land.
(Endnote 70: Zosa Szajkowski: Budgeting American
Overseas Relief, 1919-1939; In:
American Jewish Historical
Quarterly 59, Nr. 1 (September 1969): 87 ff.,
110)
Während der Depression wurde ein Versuch gemacht, eine
kombinierte Spendensammlungsagentur aufzubauen, der
United Jewish Appeal. Diese Körperschaft wurde im März
1934 durch den JDC und durch den United Palestine Appeal
unter Louis Lipsky und Morris Rothenberg eingerichtet;
ihr Ziel war es, 3 Millionen $ zusammenzubekommen, von
denen (S.166)
das Verteilungskomitee 55 % erhalten sollte. Es kamen
aber nicht mehr als 1.246.000 $ an das JDC, und die
Resultate für das Jahr 1935 waren eher weniger
beeindruckend: Das JDC bekam gerade noch 917.000 $.
[Streit, wer den
Transport nach Palästina bezahlt]
Die beiden Organisationen lagen auch im Streit, wie die
Gelder ausgegeben werden sollten. Ein ausdrücklicher
Punkt war die Frage, wer für den Transport der
Einwanderer nach Palästina bezahlen sollte, oben
erwähnt. Dies war für das JDC ein Hauptgrund, das
Abkommen mit dem UPA [United Palestine Appeal] zu
beenden. Die Praxis der Zionisten, so dachte das JDC,
war, Geld von amerikanischen Juden zu erhalten, wenn in
Deutschland der Notstand herrschte, und das JDC zum
Transport der Juden nach Palästina zu benützen, während
sie selbst einen Beitrag für Deutschland oder die
Flüchtlingsländer verweigerten.
[Die Jewish Agency ist
de facto eine zionistische Frontorganisation geworden]
Hinter dieser Argumentation
(Endnote 71: ebenda. [Zosa Szajkowski: Budgeting
American Overseas Relief, 1919-1939; In:
American Jewish Historical
Quarterly 59, Nr. 1 (September 1969)] S.88, mit
einem Zitat von einem Brief an Caroline Flexner
(10/29/35 [29. Oktober 1935]) an Herbert H. Lehman.
Auch: Executive Committee, 10/9/35 [9. Oktober 1935])
war das Gefühl von Warburg und seinen Freunden, dass die
Jewish Agency, von der sie annahmen, dass sie
ebenbürtige Partner seien, in Tat und Wahrheit eine
zionistische Frontorganisation geworden war.
[Oktober 1935: Bruch
zwischen UPA und JDC]
Der Bruch zwischen UPA durch den JDC im Oktober 1935
sollte wahrscheinlich auch eine Warnung an Weizmann
sein, die Nicht-Zionisten ernster zu nehmen.
[Joint: Hyman sieht
Zionisten als Grund für Antisemitismus in Europa]
In den Jahren 1936 und 1937 blieben die Beziehungen zu
den amerikanischen Zionisten organisatorisch belastet,
trotz einer wachsenden Erkennung einer Ähnlichkeit bei
Zielen und Motiven. Ideologisch wurde der Fall für den
JDC von Hyman im Jahr 1937 klargestellt. Er stellte
fest, dass Nicht-Zionisten einen "Grossteil der
jüdischen Flucht und der kulturellen Entwicklung in
Palästina" unterstützten, und er stellte fest, dass sie
"dazu neigen, sich selbst als aktuelle oder potentielle
Elemente einer jüdischen Nation zu betrachten, mit
Zentrum in Palästina." Der Zionismus, so dachte er, nahm
den Antisemitismus als Vorwand, die Juden aus ihren
Ländern zu vertreiben. Für ihn und seine Freunde "sind
Amerika, Frankreich, Holland und England das Zuhause und
die Heimat."
[Das ist wahr: Zionistische Organisationen arbeiten mit
dem Hitler-Regime zusammen und organisieren Pogrome und
rassistische Gesetze, um Juden zu vertreiben. Aber am
Ende plant das Hitler-Regime, Palästina zu besetzen, und
dann hätten die Juden alles verloren].
[Der Streit um die
Spendengelder - das JDC verliert seine Position
gegenüber den Zionisten ab 1936 ca.]
Hyman war gegen eine "Fusion" (also, gegen eine
Kombination der Spendenzwecke) zwischen Zionisten und
Nicht-Zionisten. Er wollte die Anhänger jedes Programms
getrennt ihre Anliegen vor der Öffentlichkeit vertreten
sehen: "Der eine versucht, Palästina als die Heimat der
Juden zu propagieren, als das Herz und der Kern des
jüdischen bewussten Ziels; der andere meint, das erste
Ziel sei die Integration der Juden in das Leben des
Geburtslandes oder des Aufnahmelandes."
(Endnote 72: Joseph C. Hyman: Jewish Problems and
Activities Overseas; In:
Proceedings of the National Conference
of Jewish Social Welfare, 1937)
Aktuelle Tatsache war konnte das Verteilungskomitee bei
einer Allianz nur seine Position verlieren (S.167)
wenn ein Bündnis mit den Zionisten zustandegekommen
wäre, einfach deswegen, weil es allein mehr Gelder von
den reichen Juden gekommen konnte, die mehr zu Hymans
als zur zionistischen Ideologie neigten. Diese Situation
musste im letzten Jahr vor dem Krieg beträchtlich
geändert werden, und sogar davor bekam das JDC mehr
Schwierigkeiten, weil örtliche Wohlfahrtsfonds dazu
neigten, die separate Unterstützung von UPA und JDC zu
verweigern. Die Wohlfahrtsfonds und die professionellen
Organisationen beharrten in den grossen jüdischen
Gemeinden in wachsendem Masse darauf, dass einheitliche
Kampagnen existierten. Die Erlöse der Kampagnen sollten
gemäss den vorher ausgemachten Prozentsätzen der
Überseehilfe übergeben werden.
Langsam aber sicher blieb durch diese grundsätzliche
Frage die JDC-Führung immer mehr isoliert in ihrem
Wunsch, eine unabhängige Spendensammlungstätigkeit zu
führen. Als die Situation in Europa sich verschlimmerte,
begann das Verteilungskomitee JDC widerwillig, sich mit
der Idee einer dauerhafteren Allianz mit dem UPA [United
Palestine Appeal] anzufreunden. Diese Entwicklung für
sich widerspiegelte den Wechsel des Schwerpunkts der
jüdischen Führung: Die Wohlfahrtsfonds wurden immer mehr
durch Professionelle kontrolliert - Sozialarbeiter,
Spendensammler und ähnliches. Die Laienführung verlor
langsam an Boden.