[4.15.
Jüdischer Hafen Holland war nicht nur ein guter Hafen
1933-1938]
[Die erste
Flüchtlingswelle - Frau Gertrude van Tijn - zum Teil
Rückkehr ins Dritter Reich 1936]
Einer der Haupthäfen für Flüchtlinge in Europa war
Holland, mit Belgien danach, das der Wichtigkeit nach
gleich hinter Holland folgte. Holland hatte für Deutsche
keine Visavorschriften, und deshalb war es einfach, in die
befreundete Republik im Westen zu gehen.
Im März 1933 wurde zuerst ein improvisiertes
Flüchtlingskomitee gegründet unter der Schirmherrschaft
von David Cohen, ein Professor der Universität Amsterdam,
der in jüdischen Angelegenheiten aktiv war. Nach dem
Boykott in Deutschland am 1. April schwoll der
Flüchtlingsstrom bedeutend an, und Professor Cohen und
seine Mitarbeiter fragten bei Frau Gertrude van Tijn nach,
eine Sozialarbeiterin mit unabhängigen Mitteln, die selbst
deutsch-jüdischer Geburt war. Sie wurde angefragt, die
Flüchtlingsarbeit zu übernehmen.
[1933: Einrichtung eines
Komitees für jüdische Flüchtlinge - ökonomische Krise
und Arbeitslosigkeit - das Komitee weist die Juden an,
zurück ins Dritte Reich zu gehen]
Es wurde ein Komitee für jüdische Flüchtlinge
eingerichtet, und auch eine Geldsammelorganisation. Im
Jahre 1933 kamen 3682 Flüchtlinge in Holland an.
(Endnote 76:
-- R19. Über statistisches Material über Holland siehe
auch:
-- JDC Bericht über 1934, und:
-- JDC Bericht über 1933 und die ersten Monate 1934,
beide in der JDC-Bibliothek. Auch: R16, monatliche
Bulletins Nrn. 1 & 2, 3/6/35 [6. März 1935])
und es wurde ihnen geholfen, einerseits, um sie in die
holländische Wirtschaft zu integrieren, oder um
auszuwandern. Für das zweite Vorhaben wurde ein weiteres
Komitee ins Leben gerufen, in dem Frau van Tijn ebenso
eine zentrale Rolle spielte. Wie in Frankreich war zu
wenig Geld vorhanden, und als es nur noch eine kleine
Chance einerseits auf Auswanderung, andererseits auf die
Integration in die holländische Wirtschaft gab - in
Holland gab es im Jahr 1936 451.000 Arbeitslose bei einer
Bevölkerung von 8.000.000 - so konnten die Komitees den
Flüchtlingen nur raten, nach Deutschland zurückzukehren.
[weil in Hitler-Deutschland die Arbeitslosigkeit massiv
zurückging und die Chancen auf Arbeit waren dort besser].
Im Jahr 1933, wo wurde berichtet, sind 615 zurückgekehrt;
bis 1934 betrug die Zahl der Rückkehrer zwischen 1200 und
1500. Dies war etwa ein Viertel der Gesamtzahl. Der Rest
konnte in Holland integriert werden oder wanderte aus
(5500 im Jahr 1933 und 1934).
[1934: Frau van Tijn verkündet die
Liquidierung des holländisch-jüdischen Hilfekomitees]
Mit der relativen Abnahme der antisemitischen Verfolgung
in Deutschland im Jahre 1934 war - so schien es - die
Dringlichkeit bald vorüber war. Frau van Tijn schrieb in
einem Memorandum mit dem Titel "Liquidierung des
holländisch-jüdischen Hilfskomitees", dass das ganze
Problem bald gelöst werde. Sie erwartete nicht viel Hilfe
vom JDC, und deshalb wusste sie nicht, was sie mit dem
Flüchtlingen anfangen sollte, die noch im Land waren. "Wir
haben von Beginn an immer so viele Leute wie möglich
repatriiert (zusammen annähernd 900). Es wird keine
leichte Sache sein, jetzt viele Leute zurückzuschicken. In
einigen Fällen wird die Alternative (S.170)
angenommen, die Hilfsgelder zu stoppen."
(Endnote 77: 30-Germany, refugees 1934/5, Memo von van
Tijn, 7/22/34 [22. Juli 1934])
[Entfernung
deutsch-jüdischer Flüchtlinge - und auch von "alten"
nicht-deutschen jüdischen Einwanderern von vor 1933]
Die holländische Regierung war auch bedacht, diese
Flüchtlinge aus den holländischen Städten zu entfernen,
und Kahn berichtete im August 1934, dass sogar
nicht-deutsche jüdische Flüchtlinge, die vor 1933 nach
Holland und Belgien gekommen waren, nun repatriiert
wurden. Die Holländer drohten 2000 solchen "alten"
Einwanderern mit der Ausschaffung.
(Endnote 78: ebenda. [30-Germany, refugees 1934/5, Memo
van Tijn, 7/22/34 [22. Juli 1934]; Kahn Bericht, 8/22/34
[22. August 1934])
Die Verhältnisse zwischen dem holländischen Komitee und
Kahn in Paris waren ausgezeichnet; zurückblickend
erscheint es so, dass Frau van Tijn die Verhältnisse mehr
beschönigte, als wie sie tatsächlich waren.
(Endnote 79: Mündliche Zeugenaussage (H) von Frau van Tijn
(1968). Vergleich auch Frau van Tijns Memoiren
(Manuskript), S.8; an dieser Stelle sei der Dank für die
Benutzung dieser wertvollen Quelle ausgesprochen).
[Das JDC bezahlt für das
holländische Komitee]
Das Komitee drohte wiederholt, seine Pforten zu
schliessen, weil die Mittel, die vom holländischen
Judentum und vom JDC und von anderen zur Verfügung
gestellt wurden, einfach nicht den Bedürfnissen
entsprachen. Im letzten Moment war es immer das
Verteilungskomitee, das für die benötigten Summen aufkam;
Kahn war gegenüber Frau van Tijns kräftiger Persönlichkeit
sehr parteiisch. Sie führte genau Buch, mit einem
deutsch-jüdischen Hintergrund, und in New York wurden
diese Gefühle auch erwidert.
(Endnote 80: Deutschland, Organisationen und
Institutionen, "C"-Holland, Brief an Kahn, 1/7/34 [7.
Januar 1934]. Executive Committee, 3/26/35 [26. März
1935], wo Jonah B. Wise erklärte, dass das holländische
Komitee "Hilfe braucht und sie bekommen sollte. Sie
arbeiten effizient und konstruktiv." Siehe auch: R14,
Bericht von Kahn 1935, im Januar 1936; und Quelle der
Endnote 79, siehe oben).
[Die anwachsende Zahl
jüdischer Flüchtlinge nach dem Erlass der Nürnberger
Gesetze 1935 und nach der Besetzung von Österreich und
der CSSR - Holland erschwert den Grenzübertritt]
Bis Ende 1934 waren ungefähr 9000 Juden in Holland
angekommen. Im Jahr 1935 scheint die Anzahl abgenommen zu
haben, aber nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze im
Herbst stieg die Zahl erneut. Im Jahr 1936, speziell gegen
Ende des Jahres, kamen schätzungsweise monatlich 600 Leute
an. Von diesen konnten viele eine Lösung ihrer Probleme
selber organisieren; aber über 1000 Leute waren vom
Komitee abhängig, und 361 wurden von ihm unterstützt.
Im Jahr 1937 machte eine weitere Abnahme des
Flüchtlingsstroms das Komitee Glauben, dass seine Aufgabe
früher oder später vorüber sein werde. Aber im Jahr 1938,
mit den mehrfachen Katastrophen in Österreich und in der
Tschechoslowakei, stieg der Flüchtlingsstrom erneut an.
Nun wurden aber holländische Restriktionen für den
Grenzübertritt eingeführt, und so wurde der Grenzübertritt
sehr
Tabelle
10: Ausgaben des JDC in Holland 1933-1939
|
Jahr
|
1933
|
1934
|
1935
|
1936
|
1937
|
1938
|
1939
|
ausgegebene $
|
41.269
|
88.160
|
49.690
|
120.037
|
118.905
|
128.248
|
439.000
|
(Endnote 81: Quellen:
-- 34-Germany, Flüchtlinge in Holland, 1941/2;
-- Holland-Report 1936.
Es scheint, dass diese Zahlen einen Teil der
Ausgaben des HICEM in Holland mit beinhalten,
weil das JDC zu den Ausgaben des HICEM
beigetragen hat. Zwischen 1933 und 1936 kamen
die totalen Ausgaben des holländischen Komitees
auf 1.690.537 holländische Gulden, von denen der
Beitrag des JDC direkt auf 334.677 kam, oder 20
%. Die Ausgaben des HICEM kamen auf 189.608, und
der CBF [Central British Fund for German Jewry]
steuerte 57.040 bei; der Rest wurde vom Geld des
holländischen Judentums gedeckt).
|
(S. 171)
schwierig. Alles in allem sind zwischen 1933 und 1940
wahrscheinlich mindestens 30.000 jüdische Flüchtlinge aus
Deutschland nach Holland gegangen.
(Endnote 82: 31-Refugees, 1939/42; für weitere Zahlen, die
in diesem Text erwähnt sind, siehe: Executive Committee,
11/24/36 [24.11.1936], und die Quellen für Tabelle 10).