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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939


[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 5. Der Vorlauf zum Holocaust
[A. Die Zerstörung der jüdischen Existenz in Polen 1929-1939]

[5.3. Die Struktur des kriminellen Antisemitismus in Polen in den 1930er Jahren: Kirche - Wirtschaft - Nationalismus]

[1930er Jahre: Die drei Elemente des Antisemitismus in Polen]

Der polnische Antisemitismus in den 1930er Jahren bezog seine Inspiration aus drei Quellen:

-- die traditionelle, historische Feindschaft der katholischen Kirche gegen die jüdische Minderheit
-- die wirtschaftliche Position, die sich durch die Krisenbedingungen verschlimmerte
-- und die bösartige Form des Nationalismus, die von faschistischen Modellen beeinflusst wurde.

[Es war schon vor 1929 ein Antisemitismus da. Ab der Wirtschaftskrise von 1929 handelt es sich somit um eine Steigerung des Antisemitismus durch die 1930er Jahre, die in Nazi-Deutschland erst im Jahre 1938 erreicht wurde].

[Die Propaganda der polnisch-katholischen Kirche gegen die jüdische Bevölkerung]

Das historische Element war am klarsten durch die Kirche ausgedrückt, (S.185)

die einen gewaltigen Einfluss hatte und ihn auch nutzte, um in extremen Dimensionen gegen Juden zu hetzen. Obwohl Lippenbekenntnisse  "den Ausbruch der menschlichen Leidenschaft" generell mit Abscheu verurteilten, so erklärte eine Stellungnahme der katholischen Presseagentur im Frühjahr 1936 den Glauben an "die kulturelle Spaltung zwischen Polen und Juden".

Die Erklärung verkündete, dass jüdische Jugend generell "schlecht erzogen sei, was ein schlechtes Vorbild für die christliche Jugend bedeute". Juden wurden beschuldigt, kommunistische Tendenzen zu haben. "Was die anderen negativen Merkmale des jüdischen Charakters angeht", so fuhr die Stellungnahme fort, "so haben sogar Schriftsteller jüdischen Ursprungs diese selbst betont. Ausserdem stehen Israels Söhne beim Kampf gegen das Christentum in Polen an vorderster Front."

Antijüdische Boykotte wurden gerechtfertigt, weil es keine Sünde war, die Arbeiter gegen Ausbeutung zu schützen.

(Endnote 16: 46-Berichte 1936/7-Stellungnahme der katholischen Presseagentur, 1/25/36 [25. Januar 1936], Bericht von Moskowitz-Schneidermann, März 1937)

"Die Juden sind Krebsgeschwüre im polnischen Volkskörper", erklärte das polnische Blatt, ein anderer katholischer Schriftsteller dachte, dass "wenn keine Kraft" den Hass zwischen Juden und Polen "stoppen kann, so ist dieser Hass in hohem Masse förderlich für unseren polnischen Handel und unser Land."

(Endnote 17:
-- Lukomski in Sprawy Katolicke, Lomza, 11/10/36 [10. November 1936],
-- und Kerwalski in Gazetta Swiateczna, Nr. 2915 (1936);
-- 46-Bericht)

Der traditionelle Antisemitismus konnte auch in aristokratischen Kreisen wahrgenommen werden, wie in der Zeitung Czas, die unter dem Einfluss von Prinz Radzivill und Prinz Lubomirski stand. Die Bauernführer erklärten, dass sie Antisemitismus radikal bekämpften, "aber sie konnten die Wichtigkeit der Polnisierung der Industrie und die Befreiung der Bauern von der Ausbeutung durch jüdische Händler nicht übergehen."

(Endnote 18: CON-17, 7/1/38 [1. Juli 1938], Memo von Raymond L. Bull der Gesellschaft für Aussenpolitik an das  American Jewish Committee)

[1928-1934: Die Katastrophe in der Wirtschaft im antisemitischen Polen provoziert Armut bei Händlern und Bauern - Massnahmen gegen die jüdische Konkurrenz]

Man kann an diesen Meinungen sehen, wie sich die ökonomischen und die nationalistischen Aspekte des Antisemitismus mit eher traditionellen Elementen überschneiden. Die Bauern wurden durch die Krise hart getroffen, so dass die Landwirtschaftspreise sanken, von einem Index 100 im Jahre 1928 auf einen Index 34 im Jahre 1934. Gleichzeitig ergriffen die Regierung und die privaten Monopole der Industrie Massnahmen, um einen ähnlichen Preisverfall für produzierte Waren zu verhindern, so dass diese nur auf einen Index 82 fielen.

(Endnote 19:
-- R14, Kahn Akten, November 1936;
-- Raphael Mahler: Jews in Poland between the Two World Wars (Hebrew); Tel Aviv 1968, S. 15)

Diese Preisschwankungen betrafen den kleinen jüdischen Händler wie die Bauern gleichermassen, denn tatsächlich war der wirtschaftliche Niedergang des Bauern der ursächliche Grund der Armut der Juden auf dem Land. Natürlich sahen die Bauernführer dies nicht. Andererseits spitzte sich die Krise zu und es entstand eine mörderische Konkurrenz in Handel und Industrie. In dieser (S.186)

Zeit wurde die polnische Mittelklasse von der Regierung in ihren gewaltsamen Angriffen auf jüdische Konkurrenten unterstützt.

[Das Joint Distribution Committee unterstützt die Juden in Polen]

Im Wesentlichen deswegen war es die Aufgabe des JDC als die hauptsächliche jüdische Hilfsorganisation, ein Nachhutsgefecht zum Schutz der hilflosen jüdischen Händler und Bauern so weit wie möglich gegen die kombinierten Angriffe von Regierung, Mob und wirtschaftlicher Konkurrenz durchzuführen.

[Ab 1937: Das antisemitische Polen kopiert die Nazi-Gesetze gegen Juden im Dritten Reich]
Der ökonomische und nationalistische Antisemitismus stammte klar von Nazi-Einfluss. Die Widerrufung der Gleichberechtigung der Juden in Polen wurde im April 1937 zu einer erklärten Endek-Politik [Nationale Demokraten]. Boykottmassnahmen und der Druck auf Juden zur Auswanderung bezogen sich immer auf das deutsche Vorbild.







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