[A. Die
Zerstörung
der
jüdischen Existenz in Polen 1929-1939]
[5.3. Die Struktur des kriminellen
Antisemitismus in Polen in den 1930er Jahren: Kirche -
Wirtschaft - Nationalismus]
[1930er Jahre: Die drei
Elemente des Antisemitismus in Polen]
Der polnische Antisemitismus in den 1930er Jahren bezog
seine Inspiration aus drei Quellen:
-- die traditionelle, historische Feindschaft der
katholischen Kirche gegen die jüdische Minderheit
-- die wirtschaftliche Position, die sich durch die
Krisenbedingungen verschlimmerte
-- und die bösartige Form des Nationalismus, die von
faschistischen Modellen beeinflusst wurde.
[Es war schon vor 1929 ein Antisemitismus da. Ab der
Wirtschaftskrise von 1929 handelt es sich somit um eine
Steigerung des Antisemitismus durch die 1930er Jahre, die
in Nazi-Deutschland erst im Jahre 1938 erreicht wurde].
[Die Propaganda der
polnisch-katholischen Kirche gegen die jüdische
Bevölkerung]
Das historische Element war am klarsten durch die Kirche
ausgedrückt, (S.185)
die einen gewaltigen Einfluss hatte und ihn auch nutzte,
um in extremen Dimensionen gegen Juden zu hetzen. Obwohl
Lippenbekenntnisse "den Ausbruch der menschlichen
Leidenschaft" generell mit Abscheu verurteilten, so
erklärte eine Stellungnahme der katholischen Presseagentur
im Frühjahr 1936 den Glauben an "die kulturelle Spaltung
zwischen Polen und Juden".
Die Erklärung verkündete, dass jüdische Jugend generell
"schlecht erzogen sei, was ein schlechtes Vorbild für die
christliche Jugend bedeute". Juden wurden beschuldigt,
kommunistische Tendenzen zu haben. "Was die anderen
negativen Merkmale des jüdischen Charakters angeht", so
fuhr die Stellungnahme fort, "so haben sogar
Schriftsteller jüdischen Ursprungs diese selbst betont.
Ausserdem stehen Israels Söhne beim Kampf gegen das
Christentum in Polen an vorderster Front."
Antijüdische Boykotte wurden gerechtfertigt, weil es keine
Sünde war, die Arbeiter gegen Ausbeutung zu schützen.
(Endnote 16: 46-Berichte 1936/7-Stellungnahme der
katholischen Presseagentur, 1/25/36 [25. Januar 1936],
Bericht von Moskowitz-Schneidermann, März 1937)
"Die Juden sind Krebsgeschwüre im polnischen Volkskörper",
erklärte das polnische Blatt, ein anderer katholischer
Schriftsteller dachte, dass "wenn keine Kraft" den Hass
zwischen Juden und Polen "stoppen kann, so ist dieser Hass
in hohem Masse förderlich für unseren polnischen Handel
und unser Land."
(Endnote 17:
-- Lukomski in
Sprawy
Katolicke, Lomza, 11/10/36 [10. November 1936],
-- und Kerwalski in
Gazetta
Swiateczna, Nr. 2915 (1936);
-- 46-Bericht)
Der traditionelle Antisemitismus konnte auch in
aristokratischen Kreisen wahrgenommen werden, wie in der
Zeitung
Czas,
die unter dem Einfluss von Prinz Radzivill und Prinz
Lubomirski stand. Die Bauernführer erklärten, dass sie
Antisemitismus radikal bekämpften, "aber sie konnten die
Wichtigkeit der Polnisierung der Industrie und die
Befreiung der Bauern von der Ausbeutung durch jüdische
Händler nicht übergehen."
(Endnote 18: CON-17, 7/1/38 [1. Juli 1938], Memo von
Raymond L. Bull der Gesellschaft für Aussenpolitik an
das American Jewish Committee)
[1928-1934: Die
Katastrophe in der Wirtschaft im antisemitischen Polen
provoziert Armut bei Händlern und Bauern - Massnahmen
gegen die jüdische Konkurrenz]
Man kann an diesen Meinungen sehen, wie sich die
ökonomischen und die nationalistischen Aspekte des
Antisemitismus mit eher traditionellen Elementen
überschneiden. Die Bauern wurden durch die Krise hart
getroffen, so dass die Landwirtschaftspreise sanken, von
einem Index 100 im Jahre 1928 auf einen Index 34 im Jahre
1934. Gleichzeitig ergriffen die Regierung und die
privaten Monopole der Industrie Massnahmen, um einen
ähnlichen Preisverfall für produzierte Waren zu
verhindern, so dass diese nur auf einen Index 82 fielen.
(Endnote 19:
-- R14, Kahn Akten, November 1936;
-- Raphael Mahler: Jews in Poland between the Two World
Wars (Hebrew); Tel Aviv 1968, S. 15)
Diese Preisschwankungen betrafen den kleinen jüdischen
Händler wie die Bauern gleichermassen, denn tatsächlich
war der wirtschaftliche Niedergang des Bauern der
ursächliche Grund der Armut der Juden auf dem Land.
Natürlich sahen die Bauernführer dies nicht. Andererseits
spitzte sich die Krise zu und es entstand eine mörderische
Konkurrenz in Handel und Industrie. In dieser (S.186)
Zeit wurde die polnische Mittelklasse von der Regierung in
ihren gewaltsamen Angriffen auf jüdische Konkurrenten
unterstützt.
[Das Joint Distribution
Committee unterstützt die Juden in Polen]
Im Wesentlichen deswegen war es die Aufgabe des JDC als
die hauptsächliche jüdische Hilfsorganisation, ein
Nachhutsgefecht zum Schutz der hilflosen jüdischen Händler
und Bauern so weit wie möglich gegen die kombinierten
Angriffe von Regierung, Mob und wirtschaftlicher
Konkurrenz durchzuführen.
[Ab 1937: Das
antisemitische Polen kopiert die Nazi-Gesetze gegen
Juden im Dritten Reich]
Der ökonomische und nationalistische Antisemitismus
stammte klar von Nazi-Einfluss. Die Widerrufung der
Gleichberechtigung der Juden in Polen wurde im April 1937
zu einer erklärten Endek-Politik [Nationale Demokraten].
Boykottmassnahmen und der Druck auf Juden zur Auswanderung
bezogen sich immer auf das deutsche Vorbild.