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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939

[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 6. Der Beginn vom Ende
[H. Reaktionen im Ausland auf die Reichskristallnacht und die Spaltung der CSSR]

[6.23. Die Politik der Schweiz 1938-1939 - "J"-Stempel gegen jüdische Flüchtlinge ab 1. November 1938]

[29. Sep 1938: "J"-Stempel-Abkommen mit dem Dritten Reich]

Die Schweiz nimmt innerhalb der Ereignisse, die hier dargestellt werden, einen speziellen Platz ein. Dem November-Pogrom ging am 29. September 1938 ein deutsch-schweizerisches Abkommen voraus. Demnach wurde der Pass der deutschen Juden mit einem grossen, roten "J" gestempelt.

Die Beschuldigungen wurden später gegen den Chef der Schweizerischen Fremdenpolizei erhoben, Dr. Heinrich Rothmund, dass es seine Initiative gewesen sei, die Idee der Markierung der Juden durch dieses (S.267)

spezielle Pass-Symbol den Nazis vorzuschlagen. Sei es, wie es sei. Es ist ziemlich klar, dass der schweizer Polizeichef - und was noch wichtiger ist, die schweizer Regierung - die Regelung zur Diskriminierung der Juden von den Nichtjuden bereitwillig akzeptierten, da ja deutsche Juden für den Eintritt in die Schweiz kein Visum benötigten; "reine" Deutsche konnten natürlich weiterhin ohne Formalitäten in die Schweiz einreisen. Die einzige deutsche Forderung, die die Schweizer ablehnten - nicht zu scharf, muss gesagt werden, aber mit mit genügend Durchschlagskraft, so dass die Deutschen von der Idee abliessen - war, dass schweizer Juden, die Deutschland besuchen wollten, ein Visum benötigen sollten, und dass ihr Pass in irgendeiner Weise markiert werden sollte.

(Endnote 118: Ludwig, op. cit. [Ludwig, Carl: Die Flüchtlingspolitik der Schweiz seit 1933 bis zur Gegenwart. Bericht an den Bundesrat; Zürich, ohne Datum [1957], S. 94-151)

[1. Nov 1938: Die "J"-Stempel-Praxis - 10.000 jüdische Flüchtlinge in der Schweiz - 3062 mit VSIA-Hilfe]

Die neue Gesetzgebung, die im November in Kraft trat, hatte den Effekt, dass der Flüchtlingsstrom in die Schweiz abnahm. Im Frühjahr waren ungefähr 10.000 jüdische Flüchtlinge im Land, von denen 3062 durch den VSIA [Verein Schweizerischer Israelitischer Armenpflegen] unterstützt wurden.

(Endnote 119: SIG [Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG)], op. cit., S.35)

Die schweizer Polizei, die von der Regierung gedeckt wurde, war mit der Verhinderung eines Flüchtlingsstroms mit deutschen Juden aber nicht zufrieden; sie meinten, sie müssten die Einwanderung verfolgter Juden aus allen europäischen Ländern Europas verhindern.

[20. Jan 1939: Schweiz: Visaregelungen für alle Einwanderer]

Nach dem 20. Januar 1939 wurde deshalb von allen zukünftigen Einwanderern in die Schweiz ein Visum verlangt;

[15. März 1939: Schweiz: Visaregelungen für tschechische Pässe]
eine ähnliche Gesetzgebung wurde am 15 März für die Inhaber tschechischer Pässe eingeführt.

[Sep 1939: 5000 jüdische Flüchtlinge in der Schweiz]

Als Resultat dieser restrektiven Massnahmen ging die Anzahl jüdischer Flüchtlinge zurück, und bis zum Ausbruch des Krieges befanden sich ungefähr 5000 jüdische Flüchtlinge in der Schweiz.

(Endnote 120: Ludwig, op. cit. [Ludwig, Carl: Die Flüchtlingspolitik der Schweiz seit 1933 bis zur Gegenwart. Bericht an den Bundesrat; Zürich, ohne Datum [1957], S.164)

Als eine spezielle Geste wurden aber 300 Kinder aufgenommen.

[Die illegale Einreise ging aber weiter, z.T. mit glücklichem Ausgang, z.T. aber auch mit katastrophalem Ausgang, wenn die Schlepper von den Juden viel Geld verlangten und sie auch noch an die schweizer Grenzpolizei verrieten. So kassierten die Schlepper doppelt ab, und die Grenzpolizei lieferte die Juden an die Gestapo aus (und kassierte wohl von der Gestapo ab).

In: Film "Nazigold und Judengold"; Schweizer Fernsehen SF DRS, 3.Juli 1997].

[Hilfe vom VSIA]

Trotz der anscheinend leichter aussehenden Lage war das Problem, für diese Flüchtlinge zu sorgen, für die schweizerische jüdische Gemeinde sehr schwierig, denn sie umfasste nicht mehr als 18.000 Leute. Total waren 810 Personen in 16 kleinen Lagern untergebracht, wo sie komplett von der Hilfe des VSIA abhängig waren.

(Endnote 121: VSIA Akten [Verein Schweizerischer Israelitischer Armenpflegen, SM Akten [Saly Mayer Akten])

Die Schweizer waren sehr strikt und verweigerten jegliche Arbeitsbewilligung an die Flüchtlinge. Fall die Flüchtlinge kein Geld hatten, so mussten sie sich an den VSIA wenden, der vom JDC unterstützt wurde.

[Organisation der Auswanderung durch den VSIA und das HICEM]

Der VSIA musste auch so vielen Juden wie möglich helfen auszuwandern, in Zusammenarbeit mit dem HICEM. Auch diese Arbeit kostete Geld. Die totalen Ausgaben des VSIA (S.268)

beliefen sich im Jahr 1939 auf 3.688.185 Franken, von denen das JDC über 50 % übernahm (über 470.000 $). Bis September 1939 hatte das JDC dem VSIA 315.000 $ überwiesen, in monatlichen Raten zu 35.000 $.

(Endnote 122: 51-Switzerland, 1944; in einem Gespräch mit dem Autor am 5. Februar 1970 gab das Büro des JDC die ausgegebene Summe in der Schweiz für das Jahr 1939 mit 477.000 $ an. Der Unterschied von 7000 $ dürfte wahrscheinlich nicht an den VSIA, sondern an andere Organisationen in der Schweiz gelaufen sein).







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