aus: Hans
Ulrich Wehler: Der Aufstieg des amerikanischen
Imperialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen,
1974/1987.
Kidd ist
Finanzbeamter und Autodidakt (S.70).
1870 ca.
"USA": Der Darwinismus trifft in den "USA" auf
einen orthodoxen Protestantismus
was die Lebensgrundlagen der "US"-Bevölkerung nachhaltig
verunsichert (S.70).
1873
Börsencrash und weltweite Depression auch in
den "USA"
Die "US"-Bevölkerung wird weiter in ihren Lebensgrundlagen
verunsichert. Zum geistigen Kampf zwischen Darwinismus und
orthodoxem Protestantismus kommt nun noch die Armut und
die Unsicherheit beim Kapitalismus hinzu (S.70).
1894
Kidd: Buch "Social Evolution" ["Soziale
Entwicklung"]
Das Buch macht Kidd von einem Tag auf
den andern bekannt (S.69-70). Kidd wird
"Mode" (S.71). Das Buch wird 1894 und 1895 ein Bestseller
mit insgesamt über 250.000 verkauften Exemplaren.
Es folgen Übersetzung in alle Weltsprachen (S.70) wie
Französisch, Russisch, Italienisch, Chinesisch,
Schwedisch, Dänisch, Tschechisch, Arabisch (S.307). Kidd
kann diesen Erfolg nie mehr wiederholen (S.70).
[Dafür hat sich sein Rassismus nun weltweit
ausgebreitet...]
Der darwinistische Hauptinhalt von "Social
Evolution"
-- "Social Evolution" ist ein
populärwissenschaftlicher Beitrag zur neueren Entwicklung
der Evolutionslehre nach den Veröffentlichungen von Weismann
-- "Social Evolution" besticht durch vereinfachende
Formeln für komplexe Vorgänge und vermittelt neue ideelle
Sicherheit, die auch in Zeitungen präsentiert werden, u.a.
durch die Kritiker Theodore D. Roosevelt,
dem Philosophen John Dewey und dem
englischen Linksliberalen John A. Hobson
(S.70)
Wehler:
"Kidd ging von wenigen fundamentalen
Behauptungen aus, die er mit bemerkenswerter Ausdauer
variierte und zu einem System zusammenzwang."
-- Kidd konstruiert ein Zusammenspiel von
Auslese und Versagen
-- ohne Kampf ums Dasein wird gemäss Kidd
die Lebenskraft sinken
-- Kampf, Auswahl und Fortschritt sei das "Gesetz des
Lebens"
-- Individuum und Gesellschaft kämpfen gemäss Kidd
gegeneinander ums Dasein, zum Teil gewinne die
Gesellschaft, so dass das Individuum zum Rädchen werde
-- die Religion sei ein Hilfsmittel, die Individuen
"überrational" zu sanktionieren (S.70), d.h. Religion wird
bei Kidd zum "sozialen Beruhigungsmittel"
(S.71).
Durch die Synthese von Biologie und Religion/Theologie hat
Kidd durchschlagenden Erfolg, indem er
Darwinismus und "christliche" Grundanschauung miteinander
verbindet (S.71).
Die darwinistischen Politikleitlinien gemäss
Kidd
-- Kidd lehnt jede soziale
Reformbemühung ab
-- Kidd befürwortet den
Laissez-Faire-Wettbewerb, der das Lebenselixier der
modernen Gesellschaft sei
-- Kidd erlebt aber auch Widerstand gegen
seine These, die Religion sei nur zur Einschränkung des
Menschen da (S.71).
Die darwinistische Imperialismustheorie von
Kidd
-- der Rassist Kidd vertritt die These vom "Kampf
der Völker", in dem die "Angelsachsen"
emporgehoben seien
-- das "Auslöschen" der Ureinwohner, Primärnationen u.a.
sei als "Schicksal" zu sehen: Wehler über
Kidd:
"Weder 'ihr Wunsch, noch ihre Absicht übten bestimmende
Gewalt auf ein unwiderstehliches Schicksal aus', das die
Angelsachsen ihre Gegner 'auslöschen' hiess, wie z.B. die
Indianerstämme Nordamerikas."
[Also ist der angelsächsische Geist von Kidd so zu
verstehen: Entschuldigung, das Schicksal hat mich stärker
gemacht, also musst du sterben...]
-- alles "Minderwertige" wird gemäss Kidd
vernichtet werden, v.a. "im Bereich der angelsächsischen
Zivilisation", und dies ist gemäss Kidd
ein "gerechter" Ausleseprozess
-- "Angelsachsen" sind die stärkste Rasse
aller germanischen Völker, und sie halten
sich am längsten auf ihren Positionen in der Welt
-- die Vorherrschaft der "Angelsachsen"
über die Welt werde "fast unvermeidlich" (S.71) und die
Bewohner auf den noch verbleibenden Kolonisationsgebieten
würden ausgerottet werden (S.72)
-- die Kardinaltugend der "Angelsachsen"
sei die "soziale Effizienz"
-- die "Angelsachsen" werden gemäss Kidd auch den Kampf um die tropischen
Gebiete gewinnen
-- die Eingeborenen hätten eine "mindere soziale
Effizienz" und könnten Naturschätze niemals ausbeuten und
nutzen
[dabei schreibt das normale Recht der Ureinwohner vor,
dass Mutter Erde nicht beraubt werden soll, so dass die
Mineralien von Mutter Erde nicht gestohlen werden
dürfen...]
-- somit werden auch die tropischen Gebiete unter die
okzidentalen Staaten aufgeteilt werden müssen, denn sie
werden dem "Weltsieger" zufallen, der besten "Rasse", die
die beste soziale Effizienz habe
-- die Überlegenheit "angelsächsischer Staaten" sei Teil
einer unverrückbaren "kosmischen Ordnung" (S.72)
Perspektive für die "USA" gemäss Kidd
-- Ausbreitung der englischsprechenden Völker auf Mittel- und Süd-"Amerika"
-- die "USA" werden überseeische
Kolonialmacht werden (S.72).
1898
Kidd fordert "amerikanische" Überseekolonien
[Nach drei Wirtschaftskrisen von 1873 bis 1898] ist
der Widerstand in der "amerikanischen" Gesellschaft gegen
Imperialismus in Übersee nicht mehr gross (S.72), weil
auch das Exportargument zählt (S.72-73).
1918
"Völkerbund" als Rassismuskartell
-- der "Völkerbund" ist ein Kartell der
"angelsächsischen" bzw. der "germanischen" Staaten mit
Weltherrschaftsanspruch
-- der "Völkerbund" ist eine Hierarchie, keine Kooperation
formell Gleichberechtigter
-- der "Völkerbund" ist ein selbstgerechter
Suprematsanspruch der weissen Rasse [im Sinn des arischen
Überlegenheitsgedankens] (S.73).
[und der Zweite Weltkrieg ist absehbar, weil jede grosse
Nation den Rassismus für sich verwirklichen will, allem
voran diejenige Nation, die 1918 der Hauptverlierer unter
den rassistischen Nationen ist: Deutschland und
Zionisten...].