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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939

[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 1. Krisenzeit: 1929-1932

[1.6. Gründe für die erfolglosen Wirtschaftssysteme in Osteuropa ab 1919]

[Ab 1919: Osteuropa: Nationalismus blockiert die Märkte]

Aber noch schlimmer war der Grund, dass nach dem Ersten Weltkrieg in Osteuropa die Nationalstaaten eingerichtet worden waren. Die Baltenstaaten, Bessarabien, und der Grossteil Polens waren vor dem Ersten Weltkrieg Teil des russischen Marktes gewesen, mit seinen immensen Expansionsmöglichkeiten. Galizien, die Tschechoslowakei, Ungarn, Transilvanien, und die Bukowina waren Teil einer weiteren grossen politischen und ökonomischen Einheit, das Reich der Habsburger. Jetzt war der grosse Markt zersplittert, und die Nachfolgestaaten praktizierten ökonomischen Nationalismus und einen tödlichen Wettbewerb.

[Ab 1919: Osteuropa: Dumpingpreise durch die Sowjetunion und die Tschechen]

Diese Situation wurde noch verschlimmert durch sowjetische Dumpingpreise (Verkauf von Gütern auf ausländischen Märkten unter dem Produktionspreis, so dass die unbedingt benötigten Devisen hereinkommen). Und so handelten auch andere Staaten (zum Beispiel die Dumpingpreise bei tschechischen Schuhen in den Baltenstaaten).

[Ab 1919: Osteuropa: Jüdische Firmen sind durch die neuen Grenzen blockiert]

Juden, die kleine und mittelgrosse Handelsfirmen betrieben, litten nun unter diesen Entwicklungen schwer. Die Textilindustrie in Lodz, die eingerichtet war, den (S.28)

russischen Markt zu versorgen, musste sich nun auf dem kleinen, polnischen Markt neu zurechtfinden, und im unterteilten Europa herrschten die Zollschranken. Dasselbe passierte der Holzindustrie.

[Ab 1919: Osteuropa: Nationale Wirtschaftsmassnahmen und Monopole zerstören die jüdischen Firmen]

Der wirtschaftliche Nationalismus entwickelte sich unter einigen Regierungen in einen Versuch, ihre eigenen Industrien zu betreiben - ein System von Staatswirtschaft oder Staatskapitalismus, das kaum Erfolg versprach. Aber in der Zeit dieser Experimente wurden nun für den Handel Regierungsmonopole eingerichtet, wo früher viele Juden als Unternehmer oder Angestellte gearbeitet hatten. Die neuen Monopole - egal, was sie taten - entliessen die jüdischen Angestellten so schnell wie möglich. Dies passierte speziell in Polen.

[Ab 1919: Osteuropa: Desorganisation - keine stabile Währung - Verschleiss]

Und ausserdem herrschte eine totale Desorganisation, und es fehlte eine stabile Währung, oder es war, wie in Rumänien, eine korrupte und unwirtschaftliche Regierungsbürokratie am Werk. So tendierte der Lebensstandard für die Juden nach unten, und die Beschäftigungsrate nahm bei den Juden ab.



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